7. Das Steuerrecht Das Steuerrecht ist gewissermaßen die Voraussetzung dafür, daß der Staat tätig werden kann: Nicht nur für die Leistungen des Sozialsystems, sondern zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben überhaupt benötigt der Staat Geldmittel - und zwar in allen Ländern in über die Generationen immer mehr zunehmendem Maße. Die Staatsquote, also der Anteil des Sozialprodukts, der über Steuern und sonstige Abgaben und über die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, dem Staat zufließt, hat nahezu 50% erreicht. Zu den öffentlichen Abgaben gehören die Gebühren (die für eine tatsächlich in Anspruch genommene staatliche Leistung, z. B. für die Ausstellung eines Reisepasses oder die Müllabfuhr erhoben werden), die Beiträge (die für die Möglichkeit der Nutzung staatlich geschaffener Einrichtungen, z. B. für die Anschlußmöglichkeit an eine Straße oder die Wasserversorgung oder die Nutzung von Fremdenverkehrseinrichtungen erhoben werden) und die Steuern. Steuern sind staatliche Abgaben, die ohne konkrete Gegenleistung zur Deckung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs erhoben werden. Soweit als Begründung einer Steuer eine staatliche Aufgabe herangezogen wird (z. B. der Straßenbau für die Mineralölsteuer), handelt es sich nicht um eine echte Zweckbindung, sondern nur um den Anlaß oder das Motiv der Steuererhebung. Ein Grundsatz des Steuerrechts ist die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Wer einen Steuertatbestand verwirklicht, soll je nachdem mit einer höheren oder geringeren Steuer belegt werden, ob er nach seinen finanziellen Möglichkeiten dazu mehr oder weniger in der Lage ist. Dies zeigt sich beispielsweise im Einkommensteuerrecht: Wer lediglich das Existenzminimum zur Verfügung hat (das der Gesetzgeber derzeit mit etwa 12.000 DM jährlich annimmt), muß keine Einkommensteuer bezahlen. Wer mehr verdient, muß nicht einen festen Prozentsatz des Mehrbetrags an den Staat abführen. Die Steuer ist vielmehr progressiv: Je höher das Einkommen, desto höher ist der Steuersatz, bis der Spitzensteuersatz von 53%[1] des Einkommens erreicht wird. Dieses richtige und einleuchtende Prinzip wird aber durch die Steuersubventionen überlagert und in seiner Wirksamkeit stark eingeschränkt. Der Staat begünstigt eine unübersehbare Vielzahl steuerlich bedeutsamer Tatbestände, indem in solchen Fällen ein anderer Steuersatz zur Anwendung kommt (so z. B. bei allen gewerblichen Einkünften maximal 45%) oder Abzüge von der zu zahlenden Steuersumme zugelassen werden (so z. B. bei der Schaffung von Wohnraum). Hier dient das Steuerrecht der Wirtschaftslenkung und kann dazu führen, daß trotz großer Leistungsfähigkeit nur geringe Steuern zu entrichten sind. Die bedingt durch die hohe Staatsquote für größere Einkommen und Vermögen recht hohen Steuersätze (so erreicht die Erbschaftsteuer bei den größten Vermögen bis zu 50%!) fördern zudem die Steuervermeidung. Die Straftat der Steuerhinterziehung dürfte deshalb zu den am meisten verbreiteten Straftaten gehören. Aber auch auf legalem Weg wird durch die Wahl von Gestaltungsmöglichkeiten, die eine möglichst geringe Steuer auslösen, versucht, die Steuerlast möglichst gering zu halten. Allerdings bestimmt § 42 der Abgabenordnung (AO), daß ein zivilrechtlich gültiges Rechtsgeschäft dann nicht anerkannt wird, wenn damit Möglichkeiten des Zivilrechts zum Zweck der Steuervermeidung mißbraucht werden. Die Steuer kann in einem solchen Fall so erhoben werden, als wäre das Ziel auf dem „normalen“ zivilrechtlichen Weg verfolgt worden. Die Grundsätze des Steuerrechts sind in der Abgabenordnung geregelt. Für die einzelnen Steuern - es gibt mehr als 50 davon - existiert jeweils ein besonderes Steuergesetz, das die Voraussetzungen und den Umfang der Steuerpflicht regelt. Man teilt die Steuern nach verschiedenen Kriterien ein. Eine häufige Einteilung ist die in die Personensteuern, die Realsteuern, die Verkehrsteuern, die Aufwand-und die Verbrauchsteuern. Das Aufkommen der einzelnen Steuern ist sehr unterschiedlich. Während es z. B. bei der Kaffeesteuer kaum nennenswert ist, erbringen die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer allein mehr als die Hälfte der gesamten Steuereinnahmen. Die Einkommensteuer ist die wichtigste Steuer aus der ersten Gruppe. Sie wird bei nichtselbständig Tätigen als Lohnsteuer vom Arbeitgeber direkt vom Lohn oder Gehalt einbehalten. Bei juristischen Personen wird sie als Körperschaftsteuer auf den Gewinn erhoben. Zur ersten Gruppe gehören auch noch die Vermögensteuer, die die Tatsache des Vermögensbesitzes besteuert (sie wird zur Zeit nicht erhoben); zu den Realsteuern gehört insbesondere die Gewerbesteuer, die auf den aus einem Gewerbebetrieb erzielten Ertrag erhoben wird. Im Gegensatz zu den eingangs genannten Steuern, die teilweise dem Bund und teilweise den Ländern zufließen, ist die Gewerbesteuer die wichtigste Steuer, die den Gemeinden zufließt. Die wichtigste Verkehrsteuer ist die Umsatzsteuer, die heute - wie in den meisten anderen Ländern auch - als Mehrwertsteuer erhoben wird. Besteuert wird also nicht jede Lieferung von Waren oder Erbringung einer Dienstleistung, sondern nur der Mehrwert, um den der Verkaufspreis höher ist als der Einkaufspreis oder die Herstellungskosten. Die darin enthaltene Umsatzsteuer kann der Unternehmer nämlich als Vorsteuer von seiner Steuerschuld abziehen. Erst den Endverbraucher trifft die Umsatzsteuer in voller Höhe von normalerweise 16%. Die Umsatzsteuer auf den Erwerb von Grundstücken heißt Grunderwerbsteuer und wird in Höhe von 3,5% erhoben. Andere früher noch erhobene Verkehrsteuern sind abgeschafft. Zu den Aufwand- und Verbrauchsteuern gehören außer der schon erwähnten Kaffeesteuer und ähnlichen Kuriositäten wie der Sektsteuer und der Zündwarensteuer auch Steuern mit erheblicher praktischer Bedeutung wie die Mineralölsteuer, die Tabak- und die Branntweinsteuer. Diese Steuern sind sämtlich Bundes- bzw. Landessteuern. Den Gemeinden bleibt nur die Besteuerung solcher Handlungen, die nicht schon mit einer gleichartigen Bundes- oder Landessteuer belegt sind, insbesondere die Grundsteuer, die auf den Besitz von Grundstücken und Gebäuden, und die Hundesteuer, die auf den Besitz von Hunden erhoben wird. ------------------------------- [1] Aktuell wurde (2005) der Spitzensteuersatz von 45 auf 42 Prozent gesenkt.