Deutsch als Fremdsprache Zeitschrift zur Theorie und Praxis des Deutschunterrichts für Ausländer Jahresinhaltsverzeichnis 2005/2006 Sprachpolitik Ulrich Amnion: Ist die auswärtige Förderung von Sprachen wie Deutsch oder Japanisch heute noch zeitgemäß? 2/2006, 79-87. Inlandsgermanistik versus Auslandsgermanistik Martine Dalmas: „Entschuldigen Sie bitte, Sind Sie Auslandsgermanistln?" Oder: Versuch einer Antwort auf eine falsch gestellte Frage. 1/2006, 3-7. Cathrine Fabricius-Hansen: Auslandsgermanistik -Germanistik im Ausland? 2/2006, 67-70. Christian Fandrych: Germanistik - pluralistisch, kontrastiv, interdisziplinär. 2/2006, 71-78. Csaba Földes: Germanistik und ihre Variationen an der Schwelle neuer Herausforderungen im europäischen Hochschulraum. 4/2005, 195-203. Marina Foschi Albert: Auslandsgermanistik in Italien. 3/2005, 131-135. Lutz Götze: Inlandsgermanistik und Auslandsgermanistik: Widerpart oder Partner? 1/2005, 10-12. Franciszek Grucza: Zur Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Inlandsgermanistik und Auslandsgermanistik. 4/2006, 195-207. Gerhard Helbig: Auslandsgermanistik versus Inlandsgermanistik? 1/2005, 4-10. Martina Nied Curcio/Elke Rößler/Lisa Schlanstein/ Michael Schlicht/Carlo Serra Borneto: Ein Curriculum für DaF an italienischen Hochschulen. Das Römische Modell. 3/2005, 136-142. Javier Orduňa: Aus der Peripherie des Netzwerkes. Inlands- und Auslandsgermanistik aus spanischer Sicht. 3/2006, 131-137. Pavel Petkov: Zur Gegenstandsbestimmung des Universitätsfaches Germanistik / Deutsch als Fremdsprache in einem deutschsprachigen und einem nicht deutschsprachigen Land. 2/2005, 67-73. Thérěse Studer: Westschweizer Germanistik im Vergleich. 4/2005, 203-209. Ingeborg Zint-Dyhr/Peter Coüiander: Auslandsgermanistik - Inlandsgermanistik. Interferenz - Dis-junktivität - Komplementarität. 1/2006, 7-13. Neue Medien und DaF Dietmar Rösler/Erwin Tschimer: Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien. Bemerkungen zum vorläufigen Abschluss einer Diskussion. 2/2005. 74-79. Linguistik Christopher Beedham: Eine phonotaktische Verbindung zwischen starken Verben und grammatischen Wörtern der deutschen Gegenwartssprache. 3/2005, 167-172. Gabriele Diewald: Werden & Infinitiv - Versuch einer Zwischenbilanz nebst Ausblick. 1/2005. 23-32. Hilke Elsen/Edyta Dzikowicz: Neologismen in der Zeitungssprache. 2/2005, 80-85. Gisella Ferraresi: Modalpartikeln und Satzadverbiale - Gemeinsamkeiten und Unterschiede. 4/2006. 208-214. Antje Heine: In Kontakt treten oder kontaktieren'} Zum Erklärungspotenzial elektronischer Korpora. 1/2006, 27-33. Gerhard Helbig: Sind ofc-Sätze indirekte Fragesätze? 2/2006, 88-97. Richard Hinkel: Prototypisch-kognitive Kategorien des Prädikats und (psycho)logjsch-funktionale Per-spektivierungen der Satzgliedrollen im DaF-Unter-richt. 1/2006, 14-21. Věra Höppnerova: Bildhaftes Wirtschaftsdeutsch. Auf Spurensuche im Metaphernbereich. 4/2006. 233-238. Michail L. Kotin/Mariola Smohnska: Über einen Sonderfall der Zukunft-Kodierung im Deutschen (im Vergleich zum Polnischen und Russischen). 3/2005, 160-166. 1 Sanghee Kwon: Praktische Nutzung einer zweisprachigen lexikographischen Untersuchung für den Sprachunterricht. 4/2006, 222-227. Juan Pablo Larreta Zulategui: Zu einer Klassifikation der verbalen Kollokationen. 1/2006, 22-26. Birgit Lawrenz: Zum Einfluss des Englischen auf die Morphologie der deutschen Sprache. 2/2006. 98-102. Angela Lipsky: Zum Gebrauch von Perfekt und Präteritum. Sind die Erklärungen in den Lehrwerken ausreichend? 2/2005, 86-89. Klaus Ruch: Intersubjektivität im Deutschen und Italienischen. 4/2006, 215-221. Günter Schmale: Wortspiele mit phraseologischen Ausdrücken in deutschen Talkshows. 4/2005. 210-214. Kerstin Seitz: Die Lokalpräpositionen an und in und ihre Übersetzung ins Spanische. 2/2005, 90-94. Jan-Philipp Soehn/Christine Römer: Zeigen sich Idiome erkenntlich? Kennzeichen von Phraseolo-gismen ohne freie Lesart. 3/2006, 144-150. Petra Szatmári: •SVc/z-Zassera-Konstruktionen als Konkurrenzformen des bekommen-Passivs. 3/2006. 138-143. Barbara Wotjak/Antje Heine: Zur Abgrenzung und Beschreibung verbonominaler Wortverbindungen (Wortidiome, Funktionsverbgefüge, Kollokatio-nen). 3/2005, 143-153. Phonetik Grit Mehlhorn: Möglichkeiten einer individuellen Aussprachelernberatung. 4/2006, 228-232. Baidur Neuber: Phonetische und rhetorische Wirkungen sprechstimmlicher Parameter. 3/2006. 151-156. Beate Rues: Varietäten und Variation in der deutschen Aussprache. 4/2005, 232-237. Stefan Schäfer: Zur Darstellung der Aussprache in tschechisch-deutschen Lehrwerken zwischen 1777 und 1856. 1/2005, 42-46. Fremdsprachenerwerb/Didaktik/Methodik Sabine Beyer: Introspektive Verfahren im fremdsprachlichen Unterricht. 1/2005, 18-22. Peter Braun/Anatolij Sapovalov: Selbstkorrekturen - an Beispielen einer russischen Deutschstudentin. 3/2006, 172-176. Michael Groß: Etymologie und Wortgeschichte im DaF-Unterricht. 3/2006, 157-162. Silke Jahr: Sprachhandlungstheoretische Ansätze bei der Textarbeit im DaF-Unterricht. 4/2005. 215-221. Wassilios Klein: Namenkundedidaktik im DaF-Unterricht am Beispiel von Vornamen. 1/2006. 40-46. Erik Kwakemaak: Kasusmarkierung bei niederländischsprachigen Deutschlernenden. Entwurf eines Erwerbsszenarios. 4/2005, 222-231. Margarete Ott: Wortschatzerwerb und Erwerb grammatischer Strukturen. Eine empirische Studie zum Zweitspracherwerb Deutsch. 3/2006, 163-171. Irene Rogina: Rund um den Begriff „Methode". Eine Untersuchung in der Fachliteratur des Fremdsprachenunterrichts. 1/2006, 34-39. Wolfgang Tönshoff: Binnendifferenzierung im 1er-nerorientierten Fremdsprachenunterricht (II). 1/2005, 13-17. Salifou Traoré: Quo vadis, Grammatikunterricht? Überlegungen zu einem postpragmatischen Grammatikunterricht Deutsch als Fremdsprache. 2/2005. 102-108. Monica Wikete/Monica-Maria A Ideu: Theater im Unterricht - Unterricht im Theater. Vom Einsatz theatralischer Mittel im DaF-Unterricht. 3/2005. 173-178. Landeskunde/Kulturwissenschaften/ Literatur Claus Altmayer: Kulturwissenschaftliche Forschung in Deutsch als Fremdsprache. Acht Thesen zu ihrer Konzeption und zukünftigen Entwicklung. 3/2005, 154-159. Albert Gouaffo: Interkulturalität der kolonialen Kultur. Zur Fiktionalisierung der deutschen kolonialen Vergangenheit in der kamerunischen Gegenwartsliteratur. 1/2005, 33-41. Udo O.H. Jung: Straßennamen als kollektives Gedächtnis einer Gemeinschaft. 2/2005, 95-101. Friederike Schmöe: Frühneuhochdeutsch als Fremdsprache. Interkulturelle Lehrmethodik im 15. Jahrhundert. 2/2006, 103-108. Miszelle Tahir Balci: Valenzstrukturabhängjge Probleme beim DaF-Lernen türkischer Studierender. 4/2006. 233-238. Diskussion von Lehrmaterialien Carola Heine: „Optimal" - das optimale Grundstu-fenlehrwerk? 2/2006, 109-114. 2 Stefan Mummert: „Geni@l" auf Zertifikatsniveau Bl. 4/2005, 238-239. Kristina Peuschel: „Radio D" - Deutsch als Fremdsprache durch Hörverstehen. 3/2006, 177-180. Christian Seiffert: „Berliner Platz" - Teil einer neuen Lehrwerkgeneration? 2/2005, 109-114. Dorothea Stein-Bassler: „Delfin" - Revival der 70er Jahre in der DaF-Methodik? 1/2005, 47-52. Thomas Wagner: „Kontakte" goes Europe. Ein US-amerikanisches Lehrbuch im Einsatz in Österreich. 1/2006, 47-50. Rezensionen Kirsten Adamzik: Textlinguistik. Eine einführende Darstellung (Ulla Fix). 2/2006, 119-120. Ulrich Ammon u. a. (Hg.): Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol (Regina Hessky). 2/2006, 115-116. Peter Bassola (Hg.): Deutsch-ungarisches Wörterbuch zur Substantivvalenz (Emilija Bojkovska). 4/2005, 242-244. Karl-Richard Bausch / Herbert Christ / Hans-Jürgen Krumm (Hg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. 4., vollst, neu bearb. Aufl. (Dietmar Rosier). 2/2005, 117-119. Hardarik Blühdorn/Eva Breindl/Ulrich Hermann Waßner (Hg.): Brücken schlagen. Grundlagen der Konnektorensemantik (Gerhard Heibig). 4/2006. 244-246. Michael Anton Böhm: Deutsch in Afrika. Die Stellung der deutschen Sprache in Afrika vor dem Hintergrund der bildungs- und sprachpolitischen Gegebenheiten sowie der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik (Helmut Glück). 2/2006, 124-126. Wolfgang Börner/Klaus Vogel (Hg.): Grammatik und Fremdsprachenerwerb. Kognitive, psycholin-guistische und erwerbstheoretische Perspektiven (Peter Ecke). 2/2005, 119-120. Rudolf de Cillia/Hans-Jürgen Krumm/Ruth Wodak (Hg.): Die Kosten der Mehrsprachigkeit - Globalisierung und sprachliche Vielfalt (Stefan Schäfer). 3/2005, 189-190. Elke Donalies: Die Wortbildung des Deutschen. Ein Überblick (Hans-Jürgen Grimm). 1/2005, 54-55. Franz Dornseiff: Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen. 8., voll, neu bearb. und mit einem vollst, alphabetischen Zugriffsregister versehene Aufl. von Uwe Quasthoff (Marianne Schröder). 1/2006, 53-54. Christa Dürscheid: Einführung in die Schriftlinguistik (Dieter Nerius). 1/2005, 55-57. Johannes Eckerth: Fremdsprachenerwerb in aufgabenbasierten Interaktionen (Olaf Bärenfänger). 2/2005, 120-121. Konrad Ehlich / Angelika Steets (Hg.): Wissenschaftlich schreiben - lehren und lernen (Ina Schreiter). 1/2006, 59-61. Hilke Elsen: Neologismen. Formen und Funktionen neuer Wörter in verschiedenen Varietäten des Deutschen (Marianne Schröder). 3/2006, 187-188. Ulrich Engel: Kurze Grammatik der deutschen Sprache (Bernd Skibitzki). 1/2005, 53-54. Ulrich Engel: Deutsche Grammatik. Neubearbeitung (Gerhard Heibig). 1/2006, 54-57. Reinhard Fiehler u.a.: Eigenschaften gesprochener Sprache (Susanne Günthner). 3/2005, 186-188. Csaba Földes (Hg.): Res humanae proverbiorum et sententiarum. Ad honorem Wolfgangj Mieder (Barbara Wotjak/Juliane Böttger). 4/2006. 246-248. Helmut Glück: Deutsch als Fremdsprache in Europa vom Mittelalter bis zur Barockzeit (Horst J. Simon). 1/2005, 60-62. Stefanie Haberzettl/Heide Wegener (Hg.): Spracherwerb und Konzeptualisierung (Werner Reinecke). 3/2005, 179-181. Margarete Hansen: Grammatik (noch mal) von Anfang an. Ein Grammatikbuch der deutschen Sprache zum Lesen, Nachlesen und Wiederlesen (Ariane Slater). 2/2006, 123-124. Elke Hentschel/Harald Weydt: Handbuch der deutschen Grammatik. 3., voll, neu bearb. Aufl. (Gerhard Heibig). 3/2005, 185-186. Dieter Herberg u. a.: Neuer Wortschatz. Neologismen der 90er Jahre im Deutschen (Günter Kempcke). 4/2005, 245-246. Hans Jürgen Heringer: Interkulturelle Kommunikation. Grundlagen und Konzepte (Margit Ebersbach). 1/2006, 61-62. Marcus Hernig: Deutsch als Fremdsprache. Eine Einführung (Gerhard Heibig). 3/2006, 181-183. Siegfried Heusinger: Die Lexik der deutschen Gegenwartssprache. Eine Einführung (Ursula Krevs Birk). 4/2006, 249-251. Zita Hollós: Lernerlexikographie: syntagmatisch. Konzeption für ein deutsch-ungarisches Lernerwörterbuch (Franziska Ebermann). 4/2006. 251-252. Ruth Huber: Im Haus der Sprache wohnen. Wahrnehmung und Theater im Fremdsprachenunterricht (Erika Diehl). 2/2005, 121-123. Britta Hufeisen: Ein deutsches Referat ist kein englischsprachiges Essay. Theoretische und praktische Überlegungen zu einem verbesserten textsortenbe-zogenen Schreibunterricht in der Fremdsprache 3 Deutsch an der Universität (Sabine Stange). 3/2005, 181-182. Rolf Kailuweit/Martin Hummel (Hg.): Semantische Rollen (Gerhard Heibig). 1/2006, 57-59. Dorothee Kaiser: Wege zum wissenschaftlichen Schreiben. Eine kontrastive Untersuchung zu studentischen Texten aus Venezuela und Deutschland (Claudia Maria Riehl). 3/2005, 182-183. Jörg Keller/Helen Leuninger: Grammatische Strukturen - kognitive Prozesse. Ein Arbeitsbuch. 2., Überarb. und aktual. Aufl. (Peter Suchsland). 4/2006, 242-243. Michail L. Kotin: Die werdera-Perspektive und die werdera-Periphrasen im Deutschen (Gabriele Die-wald). 4/2005, 246-248. Angelika Linke u.a. (Hg.): Sprache und mehr. Ansichten einer Linguistik der sprachlichen Praxis (Gerhard Heibig). 2/2005, 123-126. Magdalena Lisiecka-Czop: Verstehensmechanismen und Lesestrategien von fremdsprachigen Fachtexten (Krzysztof Nerlicki). 4/2005, 253-254. Christiane Neveling: Wörterlernen mit Wörternetzen. Eine Untersuchung zu Wörternetzen als Lernstrategie und als Forschungsverfahren (Inez De Florio-Hansen). 2/2006, 122-123. Akio Ogawa: Dativ und Valenzerweiterung. Syntax, Semantik und Typologie (Gerhard Heibig). 4/2005. 248-250. Eis Oksaar: Zweitspracherwerb. Wege zur Mehrsprachigkeit und zur interkulturellen Verständigung (Karin Aguado). 4/2005, 250-252. Renate Pasch u. a.: Handbuch der deutschen Kon-nektoren. Linguistische Grundlagen der Beschreibung und syntaktische Merkmale der deutschen Satzverknüpfer (Konjunktionen, Satzadverbien und Partikeln) (Thomas A. Fritz). 1/2006, 51-52. Paul R. Portmann-Tselikas/ Sabine Schmölzer-Eibin-ger (Hg.): Textkompetenz. Neue Perspektiven für das Lernen und Lehren (Ina Schreiter). 1/2005. 58-60. Georg A. Rieh: Partikelverben in der deutschen Gegenwartssprache mit durch-, über-, um-, unter-, ab-, an- (Jochen Schröder). 3/2005, 188-189. Jörg Roche: Fremdsprachenerwerb - Fremdsprachendidaktik (Hermann Funk). 4/2006, 252-254. Bengt Sandberg: Pronominaladverbien und finale damit-Sätze. Kritische, korpusbasierte Anmerkungen (Gerhard Heibig). 3/2006, 184-186. Michael Schart: Projektunterricht - subjektiv betrachtet. Eine qualitative Studie mit Lehrenden für Deutsch als Fremdsprache (mit CD) (Lars Schmelter). 4/2005, 252-253. Hans Schemann: Idiomatik und Anthropologie. „Bild" und „Bedeutung" in linguistischer, sprachgenetischer und philosophischer Perspektive; Hans Schemann: „Kontext" - „Bild" - „idiomatische Synonymie" (Sabine Broneske/Barbara Wotjak). 2/2006, 116-117. Helmut Schumacher u. a.: VALBU - Valenzwörterbuch deutscher Verben (Gerhard Heibig). 4/2005. 240-242. Aldona Sopata: Universalgrammatik und Fremdsprachendidaktik (Peter Suchsland). 3/2006, 183-184. Speranta Stänescu (Hg.): Die Valenztheorie. Bestandsaufnahme und Perspektiven. Dokumentation einer wissenschaftlichen Tagung in Sibiu/Her-mannstadt im Februar 2002 (Gerhard Heibig). 2/2006, 117-119. Kathrin Steyer (Hg.): Wortverbindungen - mehr oder weniger fest (Antje Heine). 3/2006, 186-187. Gerhard Stickel (Hg.): Deutsch von außen (Gerhard Heibig). 2/2005, 115-117. Gabor Székely: A fokozó értelmu szókapcsolatok magyar és német szótára. Wörterbuch der verstärkenden Wortgruppen der ungarischen und der deutschen Sprache (Horst Naumann). 2/2006, 121. Janusz Taborek: Verweiswörter im Deutschen und im Polnischen (Gerhard Heibig). 4/2006, 248-249. Elisabetta Terrasi-Haufe: Der Schulerwerb von Deutsch als Fremdsprache. Eine empirische Untersuchung am Beispiel der italienischsprachigen Schweiz (Giancarmine Bongo). 3/2006. 189-190. József Tóth (Hg.): Quo vadis, Wortfeldforschung? (Irmhüd Barz). 3/2006, 189. Winfried Ulrich: Wörterbuch Linguistische Grundbegriffe. 5., völlig neu bearb. Aufl. (Friederike Schmöe). 1/2005, 57. Harald Weinrich: Sprache, das heißt Sprachen. 2. Aufl. (Gerhard Heibig). 3/2005, 183-184. 4 Deutsch als Fremdsprache Zeitschrift zur Theorie und Praxis des Deutschunterrichts für Ausländer INHALTSVERZEICHNIS Barbara Wotjak Fünfzig Jahre Herder-Institut der Universität Leipzig - Fundamente und neue „Gründungen" Gerhard Heibig Gibt es eine „performative Wende' in der Linguistik? Anspruch, Möglichkeiten und Grenzen Max Möller Psychische Wirkungsverben des Deutschen 11 Polichronia Thomoglou Mutterspracheinfluss beim Genuserwerb. Beobachtungen an griechischen Lernern des Deutschen 20 Klaudia Prokopczuk Wissenschaftliche Nationalstile und Grounding 26 Cornelia Debes Mündlicher Wissenschaftsdiskurs Russisch -Deutsch. Ein sprechwissenschaftlicher Vergleich 32 Olaf Bärenfänger Qualitätsmanagement mit dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen 37 Diskussion von Lehrmaterialien Stefan Mummert „Ganz genau!" - Ein Lehrwerk für den Deutschunterricht an Sekundärschulen in Australien und Neuseeland 46 Dorothee Schlegel: Alles hat seine Zeiten. Zeiten zu sprechen - Zeiten zu schreiben; Mathilde Hennig 52 Karin Pittner/Judith Berman: Deutsche Syntax. Ein Arbeitsbuch; Gerhard Heibig 53 Ruth Reiher/Antje Baumann (Hg.): Vorwärts und nicht vergessen. Sprache in der DDR - was war, was ist, was bleibt; Barbara Gügold 55 Ursula Hirschfeld/Lutz Christian Anders (Hg.): Probleme und Perspektiven sprechwissenschaftlicher Arbeit; Kerstin Reinke 56 Margit Breckle: Deutsch-schwedische Wirtschaftskommunikation. „In Schweden ist die Kommunikation weicher"; Michaela de Groot 58 Claus Altmayer: Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache; Laurenz Volkmann 59 Ingrid Mummert: Begegnungen mit „Gertrud" und „Elsa". Mündliche und schriftliche Interpretation deutschsprachiger Literatur mit ausländischen Studierenden. Eine Studie; Dietmar Fricke 61 Schreibhinweise für Autoren 63 Rezensionen Christopher Beedham: Language and Meaning. The structural creation of reality; Peter Suchsland Autorenverzeichnis 51 Dokumentation 63 64 Zeitschrift „Deutsch als Fremdsprache" - 44. Jahrgang 2007, Heft 1, S. 1-64. Verlagsort München/Berlin. Barbara Wotjak Fünfzig Jahre Herder-Institut der Universität Leipzig Fundamente und neue „Gründungen" Altes Fundament ehrt man, darf aber das Recht nicht aufgeben, irgendwo wieder einmal von vorn zu gründen. (Johann Wolfgang Goethe) Mit der vorangestellten Maxime wird das Anliegen dieses kurzen, nur aphoristischen Beitrags bündig zusammengefasst: Es geht um den Respekt vor den wissenschaftlichen Vorläufern und um das Recht und die Notwendigkeit, immer wieder neue Wege zu beschreiten; es geht um „ergon" und „energeia" - Geschaffenes und immer wieder neu zu Schaffendes. Das Herder-Institut konnte im Jahr 2006 auf 50 Jahre seiner Geschichte zurückblicken - eine vergleichsweise kurze, aber doch erfolgreiche Spanne im Schöße der fast 600-jährigen Alma Mater Fipsiensis. An dieser Stelle können nur einige markante Entwicklungspunkte skizziert werden; Raum für eine gründliche Rückbesinnung und Vorausschau haben eine Festveranstaltung und ein Kolloquium am 8. und 9. Dezember des vergangenen Jahres geboten.1 Die Ursprünge des Herder-Instituts liegen bereits im Jahr 1951, als an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät der Universität Feipzig erstmals eine Gruppe junger Ausländer sprachlich und fachlich auf ein Studium in der DDR vorbereitet wurde. Daraus ging im Jahr 1956 das Institut für Ausländerstudium (als zentrale universitäre Einrichtung) hervor, das 1962 den Namen „Herder-Institut - Vorstudienanstalt 1 Zwei Vorträge aus dieser Festveranstaltung werden in DaF 2/2007 veröffentlicht. Aus diesem Anlass ist bereits erschienen: Ein Leben für die Sprachwissenschaft. Festreden zum 75. Geburtstag von Gerhard Ffelbig. Mit einem Rückblick des Jubilars. Hg. von Margit Ebersbach. Leipzig 2006. Der Band kann postalisch (Universität Leipzig, Herder-Institut, Beethovenstraße 15, 04107 Leipzig) oder per E-Mail (ebersba@rz.uni-leipzig.de) bestellt werden. für ausländische Studierende in der DDR und Stätte zur Förderung deutscher Sprachkenntnisse im Ausland" erhielt. An dieser Stelle kann es nicht darum gehen, die Einbindung dieser Einrichtung in die Sprachverbreitungs-politik der DDR, in die sozialistische auswärtige Kulturpolitik nachzuzeichnen (vgl. dazu Praxenthaler 2002), auf „ideologische Restriktionen und politischen Dirigismus" (Heibig 2006: 34) einzugehen. Vielmehr sollen in gebotener Kürze Entwicklungsstationen von den Anfängen bis zur Gegenwart schlaglichtartig beleuchtet werden. Am Herder-Institut jener Zeit wurden jährlich bis zu 500 ausländische Studienbewerber vorbereitet. In die Unterrichtsabteilung eingebunden war eine Arbeitsgruppe Studienbegleitender Deutschunterricht, die die Aufgabe hatte, den ausländischen Studenten fachsprachliches Rüstzeug entsprechend der gewählten Fachrichtung zu vermitteln. Hinzu kamen die Internationalen Hochschulferienkurse für ausländische Germanisten und Deutschlehrer. Im Jahr 1964 erschien am Herder-Institut die erste Nummer der Zeitschrift „Deutsch als Fremdsprache", des ältesten Fachorgans für DaF im deutschsprachigen Raum, von dem viele Impulse für unser Fach ausgegangen sind und nach wie vor - inzwischen beim 44. Jahrgang angelangt - ausgehen. Recht bald wurde deutlich, dass die vielfältigen Aufgaben mit primär auf die Studienvorbereitung ausgerichteten Strukturen nicht zu erfüllen waren. Im Interesse einer soliden wissenschaftlichen Fundierung wurde 1967 die Unterrichtsabteilung durch eine Forschungsabteilung ergänzt, deren Mitarbeiter die wissenschaftlichen (linguistischen, pho-nologisch-phonetischen, didaktisch-methodischen, landeskundlichen, psycholinguistischen u.a.) Grundlagen der noch jungen Wissenschaftsdisziplin erforschten. Es war kein Zufall, dass der erste Fehrstuhl für das akademische Fach Deutsch als Fremdsprache im 3 deutschsprachigen Raum gerade am Herder-Institut eingerichtet wurde. Sein Inhaber war - seit dem Jahr 1969 - über Jahrzehnte hinweg Gerhard Heibig. Es fehlt hier der Raum, um auf die Vielzahl von Monographien, Lehr-und Lernmaterialien, Sammelbänden, Lexika etc. einzugehen, die belegen, dass solide fachliche Arbeit geleistet wurde, die zu weltweiter Anerkennung geführt hat. Die (nicht schmerzfreien) Entwicklungen des Herder-Instituts nach der Wende 1989/90 hat Johannes Wenzel (vgl. 1995) akribisch nachgezeichnet und verdeutlicht, wie sich im Ergebnis eines langwierigen Aufarbeitungsund Verhandlungsprozesses schrittweise die neue, heutige Struktur im Sinne einer Dreiteilung herauskristallisierte: 1. Das neue Herder-Institut als Teil der Philologischen Fakultät der Universität Leipzig mit dem Magisterstudiengang Deutsch als Fremdsprache im Haupt- und im Nebenfach (erste Matrikel 1992) und einem Aufbaustudium sowie seit dem Wintersemester 2006/07 mit dem neuen Bachelor- und ab Wintersemester 2007/08 dem neuen Masterstudium. Der Studiengang hat sich innerhalb relativ kurzer Zeit von einer „Nussschale" zum „Ozeandampfer" gewandelt: Im Sommersemester 1995 hatte das Institut 179 Studenten, zehn Jahre später waren es bereits rund 1400. Ein Blick in das Vorlesungsverzeichnis verdeutlicht die weite Fächerung der zu vermittelnden Inhalte in den Bereichen Linguistik/Angewandte Linguistik (als einem traditionellen Schwerpunkt in Lehre und Forschung), Phonologie/Phonetik, Didaktik/Methodik und Landeskunde/Kulturstudien. 2. Das Studienkolleg Sachsen, das als Zentrale Einrichtung der Universität Leipzig die Tätigkeit der früheren Unterrichtsabteilung fortsetzt. Es bereitet ausländische Studienbewerber in Abhängigkeit von ihrer Vorbildung fachlich und sprachlich auf ein Studium an einer Universität oder Hochschule des Freistaats Sachsen vor (fachrichtungsbezogene Vorberei- Ebersbach, Margit (Hg.) (2006): Ein Leben für die Sprachwissenschaft. Festreden zum 75. Geburtstag von Gerhard Heibig. Mit einem Rückblick des Jubilars. Leipzig. tung auf die Prüfung zur Feststellung der Eignung ausländischer Studienbewerber für die Aufnahme eines Studiums an Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland bzw. auf die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang). Darüber hinaus bietet es ausländischen Hörern aller Fakultäten der Universität Leipzig studienbegleitenden Deutschunterricht an. 3. Der Verein interDaF e. V. am Herder-Institut, der auf kommerzieller Basis Sprachkurse für zukünftige Studenten aus dem Ausland und andere Interessenten weltweit anbietet und in unterschiedlich ausgerichteten Fortbildungskursen ausländische Wissenschaftler und Deutschlehrer auf dem Gebiet des Deutschen als Fremdsprache weiterbildet. Die Lehrkräfte sind ausnahmslos hoch qualifiziert, d. h., sie haben das Fach DaF studiert bzw. neben einer Germanistikausbildung ein Aufbaustudium DaF absolviert und können vielfach auf eine mehrjährige praktische Lehrtätigkeit zurückblicken. Diese drei Einrichtungen arbeiten eng und kollegial zusammen, was sich - um nur einige Beispiele für diese Symbiose zu nennen - für die Studenten insofern als Glücksfall erweist, als interDaF und Studienkolleg Möglichkeiten für das Absolvieren von Praktika bzw. die Erprobung und Bewährung in Sprach- und Weiterbildungskursen (unter sachkundiger Anleitung) eröffnen. Auf der anderen Seite bringen sich Lehrer des Herder-Instituts auf Wunsch in Weiterbildungsveranstaltungen von Studienkolleg und interDaF ein und empfehlen besonders erfolgreiche Studenten für eine Anstellung. Die Zeitschrift „Deutsch als Fremdsprache" wird gemeinsam von Herder-Institut und interDaF herausgegeben. Als die drei Einrichtungen Anfang Dezember 2006 den 50. Jahrestag des Herder-Instituts feierlich begingen, haben sie - im Sinne des Goethe-Spruches - auf Geleistetes zurückgeblickt, aber zugleich ihren Blick nach vorn gerichtet - offen für Neues, mit eigenen Vorhaben. Gramkow, Wilma (2006): Das Herder-Institut in Leipzig im Wandel der Zeiten 1961-1990. Hamburg (Diss.). Literatur (in Auswahl) 4 Heibig, Gerhard (1981): Die Entwicklung der Forschung am Herder-Institut. In: DaF 4, 200-203. Heibig, Gerhard (2006): Ein halbes Jahrhundert an der Universität Leipzig - ein viertel Jahrhundert am Herder-Institut. In: M. Ebersbach (Hg.). 27-34. Hexelschneider, Erhard (1989): 40 Jahre Deutsche Demokratische Republik - 40 Jahre Deutsch als Fremdsprache in der DDR. In: DaF 4, 193-198. Praxenthaler, Martin (2002): Die Sprachverbrei-tungspolitik der DDR. Die deutsche Sprache als Mittel sozialistischer auswärtiger Kulturpolitik. Frankfurt a. M. u. a. Schröder, Jochen (2001): 40 Jahre Herder-Institut. In: H.-J. Grimm/B. Wotjak (Hg.), Beiträge zur Geschichte des Herder-Instituts. Leipzig. 3-11. Wenzel, Johannes (1995): Zur Entwicklung des Herder-Instituts nach der Wende. In: H. Popp (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. An den Quellen eines Faches. Festschrift für Gerhard Heibig zum 65. Geburtstag. München, 733-742. Wenzel, Johannes (1998): 5 Jahre interDaF e. V. -95 Jahre Deutsch für Ausländer an der Universität Leipzig. In: DaF 2, 74-81. Gerhard Heibig Gibt es eine „performative Wende" in der Linguistik? Anspruch, Möglichkeiten und Grenzen In den letzten Jahren mehren sich die Rufe nach einem „performative turn" der Linguistik, einer „performativen Wende" oder nach einer neuen „Linguistik der Performanz". Deshalb scheint es geraten zu fragen, was damit gemeint und beabsichtigt ist, welche Hintergründe damit verbunden sind, was damit erreicht (und nicht erreicht) werden kann. Solche Rufe sind in erster Linie Versuche, die alte Streitfrage der Linguistik nach dem Verhältnis von Sprache und Sprechen erneut aufzugreifen, d. h. - noch spezieller - die Frage „Gibt es eine Sprache hinter dem Sprechen?" zu stellen (das ist der provozierende Titel eines von Krämer/König 2002 herausgegebenen Sammelbandes; vgl. auch Krämer 2001). Dabei wird das seit de Saussure (mit seiner Unterscheidung von Lan-gue und Parole) und (wesentlich modifiziert) seit Chomsky (mit seiner Unterscheidung von Kompetenz und Performanz) in der Sprachwissenschaft vorherrschende „Zwei-Welten-Modell" (mit einer „dualistischen" Trennung von Sprache und Sprechen) in Frage gestellt: Die Annahme einer (abstrakten) Sprache hinter dem (konkreten) Sprechen wird geleugnet, die Aufmerksamkeit der Linguisten soll sich eindeutig (und einseitig) auf die Performanz verlagern - eben deshalb wird von einer „Linguistik der Performanz" bzw. von einer „performativen Wende", manchmal sogar von einem neuen „Paradigma" der Linguistik gesprochen. Einer ähnlichen Thematik hat sich ein Sammelband von Linke/Ortner/Portmann-Tseli-kas (2003) - im Anschluss an eine Tagung auf dem Monte Verita in Ascona - mit dem bezeichnenden Titel „Sprache und mehr. Ansichten einer Linguistik der sprachlichen Praxis" gewidmet. Das Anliegen wird in dem thesenhaften Grundlagenpapier von Ortner/ Sitta (2003) unter dem Titel „Was ist der Gegenstand der Sprachwissenschaft?" formuliert. Ausgangspunkt sind dabei die Zurückweisung der Auffassung, dass der Gegenstand der Sprachwissenschaft „nichts als die Sprache" (d.h. die Sprache hinter dem Sprechen) sein könne, und das Plädoyer, dass zu ihrem Gegenstand das Ganze „der Sprache und der Tätigkeiten" gehöre, „mit denen sie verwoben ist", d. h. „die sprachlich-kommunikative Praxis als Ganzes", „das Ganze der sprachlichen Performanz", und „die - eben deshalb -auch an Fragen interessiert ist, die von einer sprachinteressierten Laienöffentlichkeit an sie herangetragen werden" (XII). Begründet wird diese Notwendigkeit vor allem aus der „sozialen Verpflichtung der Wissenschaft, einer Bringschuld der Wissenschaft gegenüber der Öffentlichkeit" (8): Sie müsse die Fragen beantworten, die die Menschen außerhalb der Wissenschaft bewegen (was aber bei einer Beschränkung auf das interne Zeichensystem der Langue nicht möglich sei). Allerdings enthält der Band dann selbst recht unterschiedliche, z. T auch kontroverse Beiträge zu der im Zentrum stehenden Frage, wie der „Widerspruch" zwischen den gegenstandsinternen Methoden der Linguistik und den Anforderungen der (Laien-) Öffentlichkeit aufgelöst werden kann (vgl. v. a. Knobloch 2003). Dabei werden u.E. auch drei Komplexe amalga-miert, die zwar (indirekt) verbunden, aber keineswegs identisch sind (und deshalb auch eigentlich einer differenzierteren, vor allem separaten Behandlung bedürften): die enge und weitere Gegenstandsbestimmung der Linguistik; die Beziehung der Linguistik zu ihren praktischen Anwendungsgebieten; die Beziehungen der Linguistik zur (Laien-) Öffentlichkeit sowie zur Gesellschaft überhaupt (vgl. dazu bereits Heibig 2005). Als Weiterführung dieses Sammelbandes versteht sich eine Tagung zu dem Thema „Oberfläche und Performanz" (im Frühjahr 2005 - abermals auf dem Monte Verita in Ascona; vgl. dazu Steiner/ Steinhoff 2005), die das Ziel verfolgt hat, unterschiedliche Strömungen zusammenzuführen, die durch eine charakteristische Fokusverschiebung von der Kompetenz auf die Performanz gekennzeichnet sind. Unter diesem Aspekt wird von einem „performative 6 turn" (einer „performativen Wende") und von einer „Rehabilitierung der sprachlichen Oberfläche" gesprochen; als Schlüsselbegriffe dieser als „Neuorientierung" ausgegebenen „Wende" werden „Oberfläche", „Perfor-manz" und (in der Folge auch) „Text" angesetzt. Wenn auch deutlich differenzierter, so spricht auch Hennig (2005: 62, 65) von einem „Paradigmenwechsel" (von der Kompetenz zur Performanz), von einer „flächendeckenden Hinwendung zur Sprachverwendung" (mit speziellem Bezug auf das Fach Deutsch als Fremdsprache). Man wird ihr grundsätzlich zustimmen können und müssen, wenn sie einen „echten Paradigmenwechsel in der Linguistik" erst dann für erreicht hält, „wenn ein Zusammenschluss pragmatisch orientierter linguistischer Disziplinen untereinander und mit der systemorientierten Linguistik gelingt" (63). Es bleiben indes noch viele Fragen offen, wie dieses (Fern-)Ziel erreicht werden kann (was gewiss nicht Schuld der Vfn. ist, sondern nur den gegenwärtig erreichten Erkenntnisstand reflektiert). Der von Hennig angedeutete „Optimismus" wird mindestens eingeschränkt (und gedämpft) durch die aufgeführten „Indizien", die für einen solchen „Paradigmenwechsel" sprechen sollen (Indizien für eine „Pragmatisierung der Systemlinguistik", für eine „Systemlinguistisierung der Pragmatik" und für eine „Aufhebung der Trennung zwischen Pragmatik und Systemlinguistik"). Im Folgenden sollen einige Probleme dieser sog. „performativen Wende" beleuchtet und kritisch hinterfragt werden - Probleme, die genauer bedacht werden sollten, bevor undifferenzierte und voreilige Schlussfolgerungen daraus abgeleitet werden. Wir illustrieren sie vor allem an den Ergebnissen der Tagung „Oberfläche und Performanz" (vgl. Steiner/ Steinhoff 2005), weil diese am ehesten eine kurze, allerdings auch thesenhaft-zugespitzte Darstellung zulassen. 1. Bei diesem „performative turn" handelt es sich um kein einheitliches Paradigma, vielmehr um unterschiedliche Strömungen und weitgehend isoliert voneinander gemachte Beobachtungen, z.T. auch um recht heterogene Ansätze, die zumeist auch noch wenig theoretisch elaboriert sind (vielmehr eher erst sekundär „zusammengeführt" werden sollen). 2. Damit verbunden ist eine weitgehende Unsicherheit (und Sorglosigkeit) bei der Übertragung des Paradigma-Begriffs auf die Linguistik. Das galt übrigens auch schon für die Annahme eines „kommunikativ-pragmatischen Paradigmas" (im Unterschied zum junggrammatischen, strukturalistischen und generativen Paradigma). Der ursprünglich von Kuhn (1962) unter wissenschaftshistorischem Aspekt eingeführte Begriff des Paradigmas beruhte auf strikten Merkmalen (z. B. Verhältnis von „normaler Wissenschaft" und „wissenschaftlichen Revolutionen", Anerkennung einer disziplinaren Matrix innerhalb einer wissenschaftlichen Gemeinschaft, Konsens dieser Gemeinschaft im Hinblick auf theoretische Modelle, Gegenstandsbestimmungen und methodologische Werte), die bei der Übertragung auf die Sprachwissenschaft nicht vollständig oder nur abgeschwächt in Erscheinung treten (vgl. auch Heibig 2002: 257f.). Deshalb ist schon bei der „kommunikativ-pragmatischen Wende" Vorsicht geboten bei der Ansetzung eines „Paradigmas" im strengen Sinne (deshalb wird es auch mancherorts in Frage gestellt). In der Tat bestand diese „Wende" in unterschiedlichen Ausprägungsformen (z. B. Textlinguistik, Sprechakttheorie, Gesprächsanalyse, funktionale Grammatiken), zwischen denen es wesentliche Unterschiede gibt. Der Zusammenhang dieser verschiedenen Richtungen pragmatischer Provenienz bestand eher in einem negativen als in einem positiven Bezugspol: Man wusste zwar, wogegen man war (gegen eine Beschränkung der Sprachwissenschaft auf das interne Zeichensystem der Sprache), aber weniger, wofür man war. Einigkeit bestand lediglich in dem Postulat, den Gegenstand der Sprachwissenschaft zu erweitern, weil Sprache vor allem als Kommunikationsmittel und als „Handlungsinstrument" verstanden wurde. Noch größere Zweifel sind angebracht, den angenommenen „performative turn" als „Paradigmenwechsel" zu bezeichnen (zu überhöhen) , zumal es sich dabei weitgehend um isoliert gewonnene Beobachtungen und Strömungen handelt, die eher „post festům" von den Vertretern selbst zum Paradigma erhoben werden (wobei - verständlicherweise - der Wunsch der Vater des Gedankens sein mag) - eine (wie auch immer geartete) deutlich ausgeprägte disziplinare Matrix und eine weitgehende Übereinstimmung in der Wissenschaftlergemeinschaft sind dabei kaum erkennbar. 7 3. Eine weitere Frage ist, wie sich „kommunikative Wende" und „performative Wende" zueinander verhalten. Manchmal wird der Eindruck erweckt, dass die „performative Wende" noch über die kommunikativ-pragmatische Wende hinausgehe (im Verzicht auf die „Autarkisierung der Struktur gegenüber der Funktion" (Ortner/Sitta 2003: 27) und auf dem Wege hin zu einer „(Sprach-)Verhaltenslinguistik" als einem „integrativen Bestandteil einer umfassenden Kognitionswissenschaft"; 33; vgl. auch 17ff.). Es ist u.E. indes bisher nicht deutlich auszumachen, wie die „performative Wende" tatsächlich über die kommunikativ-pragmatische Wende hinausgehen soll/ kann - v. a. angesichts der oben unter 2. angedeuteten Einschränkungen. 4. Die zur Kennzeichnung der „performati-ven Wende" benutzten Schlüsselbegriffe sind uneinheitlich: „Oberfläche" (versus „Tiefe"), „Performanz" (versus „Kompetenz") und „Text" (versus „Satz") sind keineswegs identisch und laufen auch nicht auf dasselbe hinaus. Eine stärkere Orientierung an der Oberfläche hat in der Tat ihre Berechtigung - auf Grund des Umstandes, dass manche Grammatiktheorien den Eindruck vermitteln, sprachliche Daten der Oberflächenstruktur allenfalls zur Illustration abstrakter (zumeist universal aufgefasster) Theorien zu benutzen, während diese Theorien doch umgekehrt für den Sprachwissenschaftler eher zur Erklärung der Oberflächendaten dienen sollten. Ansonsten könnte die Befürchtung aufkommen, die Sprachwissenschaft könne am Ende ihren eigenen Gegenstand verlieren und zu einem bloßen Epiphänomen einer allgemeinen Kognitionswissenschaft werden (vgl. auch Heibig 2000), was zu der provozierenden, aber berechtigten Frage „Ist die Grammatiktheorie noch zu retten?" geführt hat (Suchsland 1992). Insofern ist eine „Rehabilitierung" der Oberfläche durchaus sinnvoll und wünschenswert. Ganz anders verhält es sich jedoch mit der primären oder gar ausschließlichen Orientierung an der Performanz, die - mindestens nach dem Verständnis Chomskys - auch ausdrücklich psychologisch und anders bedingte Defekte einschließt, d. h. Äußerungen, deren Oberflächenstruktur nicht wohlgeformt ist. Der dritte Schlüsselbegriff des Textes schließlich lässt sich keineswegs auf die Oberfläche und auf die Performanz re- duzieren: Es ist - gerade in der jüngeren Entwicklung der Textlinguistik selbst - zunehmend deutlicher geworden, dass die Frage danach, was eine Satzmenge zu einem Text macht, keineswegs ausschließlich an der Oberfläche festgemacht werden kann (wir verweisen nur auf die der Oberfläche zugrunde liegenden Propositionalstrukturen von Texten und auf die Thema-Rhema-Ketten in Texten). Symptomatisch für diese Entwicklung der Textlinguistik ist schon die Abfolge verschiedener - sich ablösender - Textdefinitionen, die die Linguistik in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat: von oberflächenorientierten Definitionen (z. B. als durch pronominale Verkettung verknüpftes Nacheinander, als Kore-ferenz von Oberflächenkonstituenten) über thematische und semantische Definitionen (beruhend auf thematischen Gemeinsamkeiten und/oder semantischen Äquivalenzen) bis hin zu kommunikativ, pragmatisch und/oder kognitiv orientierten Definitionen (z.B. als kohärente Folge von diktiven Handlungen, als konzeptuelle Verknüpfung) (vgl. zusammenfassend Heibig 2002: 263ff.). 5. Was dabei als „Wende" ausgegeben wird, ist nur scheinbar eine völlige Neuorientierung. Viel eher handelt es sich um einen Rückgriff auf ältere Positionen, von denen man - unter dem Eindruck des vorherrschenden Strukturalismus und der generativen Grammatik - lange Zeit geglaubt hatte, sie seien „überwunden". Dieser Rückgriff erinnert teils an den Behaviorismus (an die weitgehende Reduzierung der Sprache auf das Sprechen, z.B. die Identifizierung von „speech" und „language" bei Fries) - mit Recht als Sonderentwicklung des amerikanischen (distributionalistischen) Strukturalismus angesehen, der sich eben dadurch von den europäischen Schulen des Strukturalismus und von de Saussure abhebt -, teils auch an die Junggrammatiker (man denke z.B. an H. Pauls programmatische Feststellung, dass der Gegenstand der Sprachwissenschaft nicht die Sprache als geschlossenes System sei, sondern „die Sprechtätigkeit an sämtlichen Individuen in ihrer Wechselwirkung aufeinander"; 1898: 22), jedenfalls an eine Sprachwissenschaft, der die Unterscheidung von de Saussure zwischen Langue und Parole (noch) unbekannt oder fremd war. Es ist gewiss nicht zufällig, wenn von den Prota- 8 gonisten einer „performativen Wende" auch (wieder) von einer „Verhaltenslinguistik" gesprochen wird, d. h. dann kaum noch Grenzen gezogen werden zwischen einer Sprach-und einer „SprecherWissenschaft" (vgl. kritisch dazu auch Habel/Kanngießer/Rickheit 1996: 15ff.). 6. Solche (oder ähnliche) „Rückgriffe" lassen sich nur schwer vereinbaren mit allgemeinen Einsichten wissenschaftstheoretischer Art, vor allem mit der Einsicht, dass sich wissenschaftsgeschichtliche Entwicklungen zumeist in der Dialektik von Kontinuität und Diskontinuität vollziehen (vgl. v. a. Bahner 1981), d. h. nicht in der Art, dass Positionen aus der Vergangenheit einfach wieder aufgegriffen werden, aber auch nicht in der Art, dass neue Erkenntnisse in einer schlichten undialektischen Verwerfung vorhergehender Erkenntnisse bestehen. Vielmehr geht es dabei zumeist um deren dialektische Negierung (im dreifachen Sinne Hegels als Verneinung, Bewahrung und Aufhebung). Dabei werden ältere Erkenntnisse z. T. bewahrt, aber auch modifiziert und weiterentwickelt (oft auch als Teilerkenntnisse relativiert), damit zugleich auch auf eine höhere Stufe gehoben. Wenn das nicht beachtet wird, wird am Ende der falsche Eindruck suggeriert (oft unbewusst, z.T. aber auch bewusst), „das Fahrrad werde" (von jeder Generation) „neu erfunden". 7. Das trifft auch auf das Verhältnis von Kompetenz und Performanz zu. Auch wenn man -dies zu Recht - der generativen Grammatik eine ausschließliche Orientierung an der Kompetenz und eine weitgehende Ausblendung der Performanz aus der Linguistik vorwerfen kann, so sind beide doch nicht identisch: Die Kompetenz ist das, was der (idealisierte) Sprecher implizit über die Sprache weiß, die Performanz das, was der (konkrete) Sprecher aktuell mit der Sprache tut; entsprechend meint die Langue das interne System der Einzelsprache, die Parole die Verwendung dieses Systems durch den Sprecher in konkreten Kontexten und Situationen. Die Performanz ist zwar nicht direkt aus der Kompetenz ableitbar, aber die Kompetenz ergibt sich umgekehrt auch nicht ohne weiteres aus der Performanz. Weil beide nicht aufeinander reduzierbar sind, erweckt die „performative Wende" manchmal den Eindruck, als wollten deren Verfechter „das Kind mit dem Bade ausschütten" (ähnlich auch die ausgewogene Einschätzung neuerdings von Schneider; vgl. 2005: 19f.). Was strittig ist, ist offenbar nicht so sehr die Distinktion von Kompetenz und Performanz (oder von Langue und Parole) selbst, sondern sind ihre Beziehungen zueinander, ihre Abhängigkeitsund Dominanzverhältnisse, ihre unterschiedliche Fokussierung. 8. Vor allem ist mit einer vereinseitigenden Rehabilitierung der Performanz die Gefahr verbunden, dass der linguistischen Beschreibung die Begriffe der Regel und der Norm entzogen werden (können). Dass Sprechen sehr wohl ein regelgeleitetes Handeln ist, ist gerade in solchen Modellen wie der Sprechakttheorie besonders deutlich geworden, die ja - im Unterschied zur ausschließlichen Orientierung am grammatischen System -ihre Aufmerksamkeit auf die Beziehungen von Sprache und Handlungen gerichtet haben. Wir reden zwar nicht (so z.B. Stetter 1997: 79; vgl. auch Schneider 2005: 7, 19f.) nach Regeln (und Regelformulierungen), wohl aber gemäß Regeln, d.h. auf Grund von impliziten Regeln (die keineswegs mit Regelformulierungen verwechselt werden dürfen). Es versteht sich, dass diese thesenhaften Bemerkungen mehr Fragen stellen als schon endgültige Antworten geben (können). Sie haben u.E. ihren Zweck jedoch erreicht, wenn sie zu einem weiteren Nachdenken anregen und dabei auch voreilige Schlussfolgerungen vermeiden helfen (die womöglich zu ungenügend reflektierten „Mythen" führen), wenn sie also einen Beitrag leisten zu einer (nicht nur auf diesem Gebiet notwendigen) „Ent-mythologisierung" der Sprachwissenschaft. 9 Bahner, Werner (1981): Kontinuität und Diskontinuität in der Geschichte der Sprachforschung. In: Linguistische Studien, A 86. Berlin, 1-18. Habel, Christopher u. a. (1996): Thesen zur Kognitiven Linguistik. In: Ch. Habel u. a. (Hg.), Perspektiven der Kognitiven Linguistik. Modelle und Methoden. Opladen, 15-23. Heibig, Gerhard (2000): Quo vadis, Grammatik? Zum Status einer einzelsprachlichen Grammatik. In: J. Bayer/Ch. Römer (Hg.), Von der Philologie zur Grammatiktheorie. Festschrift für Peter Suchsland zum 65. Geburtstag. Tübingen. 2-13. Heibig, Gerhard (2002): Linguistische Theorien der Moderne. Berlin (Germanistische Lehrbuchsammlung, 19). Heibig, Gerhard (2005): Rez. zu A. Linke u. a. (Hg.), Sprache und mehr. In: DaF 2, 123-126. Hennig, Mathilde (2005): Germanistische Linguistik und Deutsch als Fremdsprache: Bezugswissenschaft und praktisches Resonanzfeld. In: A. Heine u. a. (Hg.), Deutsch als Fremdsprache. Konturen und Perspektiven eines Faches. Festschrift für Barbara Wotjak zum 65. Geburtstag. München, 57-75. Knobloch, Clemens (2003): Das Ende als Anfang. Vom unglücklichen Verhältnis der Linguistik zur Realität der sprachlichen Kommunikation. In: A. Linke u. a. (Hg.), 99-124. Krämer, Sybille (2001): Sprache, Sprechakt, Kommunikation. Sprachtheoretische Positionen des 20. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. Krämer, Sybille / König, Ekkehard (Hg.) (2002): Gibt es eine Sprache hinter dem Sprechen? Frankfurt a. M. Kuhn, Thomas S. (1962): The Structure of Scientific Revolutions. Chicago. Linke, Angelika u. a. (Hg.) (2003): Sprache und mehr. Ansichten einer Linguistik der sprachlichen Praxis. Tübingen (RGL, 245). Ortner, Hanspeter/Sitta, Horst (2003): Was ist der Gegenstand der Sprachwissenschaft? In: A. Linke u. a. (Hg.), 3-66. Paul, Hermann (1898): Prinzipien der Sprachgeschichte. Halle (Saale). Schneider, Jan Georg (2005): Zur Normativität von Sprachregeln. Ist Sprechen regelgeleitetes Handeln? In: ZGL 1, 1-20. Steiner, Felix/Steinhoff, Torsten (2005): Oberfläche und Performanz. Untersuchungen zur Sprache als dynamische Gestalt. Tagungsbericht. Monte Veritä (Ascona/Schweiz), 29.3.-2.4.2005. In: Sprachreport 4, 29-32. Stetter, Christian (1997): Schrift und Sprache. Frankfurt a. M. Suchsland, Peter (1992): Ist die Grammatiktheorie noch zu retten? In: R Suchsland (Hg.), Biologische und soziale Grundlagen der Sprache. Interdisziplinäres Symposium des Wissenschaftsbereichs Germanistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena (17.-19.10.1989). Tübingen. 385-389 (LA, 280). Max Möller Psychische Wirkungsverben des Deutschen1 Tagtäglich benutzen wir psychische Wirkungsverben2 (psychW-Verben) oder die von ihnen abgeleiteten Partizipien zum Ausdruck von Emotionen und Eindrücken. Eine Sache begeistert uns, wir sind für einen Augenblick enttäuscht und finden dann doch wieder alles ganz entzückend. Trotz ihres frequenten Gebrauchs wurden diese Verben für den Fremdsprachenunterricht bisher nicht aufbereitet. Verbklassifizierungen finden im DaF-Unterricht v. a. dann Berücksichtigung, wenn die für eine Gruppe konstituierende Eigenschaft einen syntaktischen Reflex erklärt. So bilden z. B. intransitive Zustandswechselverben neben den Verben der Fortbewegung ihr Perfekt mit sein. Eine spezielle Gruppe stellen z. B. die subjektlosen Wetterverben dar. Es gibt gute Gründe dafür, auch die psychW-Verben als eine für den DaF-Unterricht relevante Verbklasse anzusehen: Zum einen stellt die Kasusvariation im Bereich psychischer Verben eine Verständnishürde dar (vgl. Abschn. 1), zum anderen zeigen die Verben spezifische Verhaltensweisen wie z.B. die weitgehend regelmäßige prädikative Verwendbarkeit ihres Partizips 1. Im Unterricht wird dem kognitiven Lerner3 über die Etablierung der Abstraktionsklasse „psychW-Verb" die Möglichkeit eröffnet, anhand weniger Beispiele, die, wie in Handwerker (2002) vorgeschlagen, als Chunks präsen- 1 Für anregende Kommentare danke ich Brigitte Handwerker, Karin Madiener, Nicole Schumacher und Maik Walter. 2 Der Begriff wird in Rapp (1997; 2001a) etabliert. Rapp identifiziert auch eine Gruppe nichtpsychischer Wirkungsverben (gefährden, schonen). 3 In der generischen Form sind aus stilistischen Gründen jeweils beide Genera mitgedacht. 4 Eine ausführliche Zusammenstellung findet sich in Möller (2004). Vgl. auch die Sammlung psychischer Verben in Wegener (1999). 5 Psychische Verben mit Dativ (jdm. gefallen) gehören entsprechend nicht zu der betrachteten Gruppe. Sie werden in Primus (2004) und Wegener (1999) thematisiert. Hierzu gehören auch Verben, die nur in der 3. Person und häufig mit unpersönlichem es an Subjektposition erscheinen: Es graut/stinkt mir. tiert werden können, vom einzelnen Verb auf die ganze Gruppe zu schließen. In Abschn. 1 werden die Verben auf dem Hintergrund ihrer übereinzelsprachlichen Besonderheit vorgestellt. Abschn. 2 stellt die Semantik der Verben in den Mittelpunkt. Die Abschn. 3-5 beschreiben das charakteristische syntaktische Verhalten der Verbgruppe aus linguistischer Sicht im Spiegel ihrer Semantik: Konstruktionen mit dem Partizip 2 (Abschn. 3), das angesprochene prädikative Partizip 1 (Abschn. 4) sowie das nur beschränkt bildbare Passiv (Abschn. 5). 1 Psychische Wirkungsverben als übereinzelsprachliches Phänomen PsychW-Verben sind transitive Verben wie begeistern, entsetzen, enttäuschen, faszinieren, interessieren oder verblüffend Sie bezeichnen die Verursachung eines emotionalen Zustandes (einer Wirkung) aufseiten einer wahrnehmungsfähigen Entität, die syntaktisch als Akkusativobjekt5 realisiert wird. Im Normalfall handelt es sich hierbei um menschliche Personen oder im Kontext mancher psychW-Verben um eine mit emotionaler Wahrnehmung assoziierbare Größe (z. B. Hoffnung, Erwartung). Wir bezeichnen die thematische Rolle des Objekts wie in der Linguistik üblich als Experiencer (EXP), die des Subjekts als Stimulus (STIM): (1) Du erstaunst mich. STIM EXP (2) Das enttäuscht meine Erwartungen. STIM EXP Die Zugehörigkeit zur Gruppe der psychW-Verben liegt im Allgemeinen vor, wenn sich das Verb in folgender syntaktischer Konstruktion verwenden lässt: (3) Es [psychW-Verb]-t mich, dass ... —» Es ärgert, fuchst, wurmt, entzückt mich/ ekelt mich an, regt mich auf, dass ... Im Bereich psychischer Verben beschäftigt sich die Linguistik u. a. mit der Kasusvariation (vgl. z.B. „fear-" und „frighten-verbs" bei Grimshaw 1990). Diese Verben repräsentieren 11 ähnliche Bedeutungskonzeptionen, spalten sich aber bezüglich der Verteilung ihrer thematischen Rollen bzw. der Kasuszuordnung in zwei Gruppen. Das betrifft psychische Zu-standsverben wie lieben, bewundern, fürchten {to fear) auf der einen, psychW-Verben wie begeistern, faszinieren, ängstigen {to frighten) auf der anderen Seite, z. B.: (4) Katzen (NOM) EXP (5) Kratzbäume (NOM) STIM lieben begeistern Kratzbäume. (AKK) STIM Katzen. (AKK) EXP Das Phänomen ist übereinzelsprachlich (vgl. Primus 2004): (6) 11 ragazzo (NOM) Der Junge teme fürchtet questo. (AKK) dieses. (NOM) EXP (AKK) STIM (7) Questo (NOM) Dieses preocuppa wundert il ragazzo. (AKK) den Jungen (NOM) STIM (AKK) EXP Noch kniffliger wird die Sachlage, wenn es sich um Verb-Doubletten („doublets") mit nahezu gleichen Bedeutungskonzepten handelt. Die Frage drängt sich auf, weshalb das Sprachsystem den Luxus der systematischen grammatischen Doppelbesetzung identischer konzeptioneller Strukturen vorsieht: (8) They fear thunder. (9) Thunder frightens them. (Grimshaw 1990: 8) Ellis (1997) betrachtet die Kasusvariation psychischer Verben als Lernproblem und nimmt sie als Ausgangspunkt für den Entwurf aufmerksamkeitssteuernder Aufgaben (vgl. auch Handwerker 2004: 178). Die Kasuszuordnung ist aus linguistischer Sicht v. a. in den Fällen spannend, in denen die Subjektposition wie in (5) von einem unbelebten STIM-Argument eingenommen wird. Das widerspricht nämlich der Tatsache, dass man als Linkingprinzip auf eine Belebtheitshierarchie zurückgreifen möchte: Ist kein Agens, aber ein EXP vorhanden, sollte dieser an der Subjektposition realisiert werden (vgl. Grimshaw 1990: 8). Eine Erklärung der Argumentverteilung bietet Dowtys Protorollenansatz. Thematische Rollen werden nicht mehr anhand distinkter Merkmale wie Belebtheit benannt. Vielmehr ergibt sich aus der Kombination verschiedener Merkmale eine prototypische Rollenverteilung (vgl. Dowty 1991: 572). Da der EXP der psychW-Verben sich nun gegenüber dem STIM durch eine höhere Anzahl an Proto-Pa-tiens-Merkmalen auszeichnet, gilt er als im prototypischen Sinne „besserer" Kandidat für die Objektposition.1 2 Merkmale psychischer Wirkungsverben 2.1 Indirekte Kausativität Man wird als DaF-Lehrer zunächst nicht auf die Idee kommen, den Lernern Dowtys Protorollenansatz als Lernhilfe anzubieten. Um das Verständnisproblem bei bedeutungsähnlichen Konzepten psychischer Verben zu verringern, wird es aber nützlich sein, auf ein entscheidendes Merkmal der psychW-Verben, ihre inhärente Kausativität, zurückzugreifen und ihre Bedeutung wie folgt zu paraphrasie-ren: (10) Der Junge enttäuscht seine Eltern. —» Der Junge verursacht (macht), dass seine Eltern enttäuscht sind (den Zustand Enttäuschung erreichen). Diese kausative Paraphrasierung ist bei psychischen Zustandsverben wie lieben oder bewundern gerade nicht in der Verbbedeutung inhärent: (11) Der Junge liebt/bewundert seine Eltern. -f» Die Eltern verursachen, dass der Junge sie liebt/bewundert. PsychW-Verben sind aber nur in indirekter Weise kausativ. Die Verursachung bleibt an ein implizites Geschehen geknüpft, den so genannten Primärvorgang (vgl. Rapp 1997: 77). Dieser Primärvorgang kann wie in (12) durch ein Verbalabstraktum und wie in (13) durch einen eingebetteten Satz in Subjektposition ausdifferenziert sein, muss aber in Fällen erschlossen werden, in denen ein potenzielles Agens (14) oder ein Objektnomen (15) das Subjekt bildet:2 Primus (2004) bietet einen auf Dowty aufbauenden op-timalitätstheoretischen Ansatz. Zur Diskussion des Lin-king-Phänomens vgl. auch Härtl (2001); Rapp (2001b): Wanner (2000). Terminologisch benennt der Primärvorgang das Verursachungsgeschehen, während als STIM die thematische Rolle des Arguments an Subjektposition bezeichnet wird. 12 (12) Sein Schweigen irritiert sie. (13) Dass er stundenlang schweigt, irritiert sie. (14) Der Zauberer verblüfft die Zuschauer. (15) Der Film enttäuscht mich. In (14) schlussfolgern wir, dass das belebte Subjekt eine Handlung vollzieht, welche die psychische Wirkung aufseiten des EXP erzeugt (der Zauberer tut etwas, das die Zuschauer verblüfft). Besonders - aber nicht ausschließlich - in Fällen belebter Agens-Subjekte kann der Primärvorgang mithilfe einer m/f-Phrase weiter spezifiziert sein: (16) Der Zauberer verblüffte die Zuschauer mit seinen Tricks. Bildet eine unbelebte Entität wie in (15) das Subjekt, wird der Primärvorgang per Stereotyprelation erschlossen (vgl. Rapp 1997: 77). Diese bezieht sich immer auf die Art der Wahrnehmung, die zwangsläufig mit dem Entstehen eines psychischen Zustands verbunden ist: Ein Film wird angesehen, ein Buch wird gelesen (zum Erschließen von Stereotyprelationen in Abhängigkeit vom kulturellen Wissen über die Sprachgemeinschaft vgl. Handwerker 2004: 184ff.). Folglich vollzieht sich das eigentliche verbale Geschehen (der Ereignisverlauf, den das Verb in finiter Form im Präsens Aktiv ausdrückt) immer in zweierlei Vorgängen: Auf der einen Seite steht der Verursacher- oder Primärvorgang, der semantisch auch als statische Entität repräsentiert sein kann (Der blaue Himmel begeistert mich). Zugleich ist aber am Verbalgeschehen eines psychW-Verbs immer und unbedingt die Wahrnehmung des EXP beteiligt: ohne Wahrnehmung keine Begeisterung, keine Enttäuschung, keine Faszination. So erklärt sich die Tatsache, dass der Primärvorgang schon lange vor Beginn des eigentlichen verbalen Geschehens bestehen kann - der Himmel mag schon seit einer Stunde blau sein, ehe er mich begeistert, weil ich ihn erst dann bemerke. Entscheidend für den Beginn des psychischen Wirkungszustandes ist der Moment, an dem der EXP der besonderen Art und Weise eines Primärvorgangs gewahr wird. Wir bezeichnen diesen Moment deshalb als Moment der Gewahrwer- 1 Rapp (2001a; 2001b) betrachtet die Verben dagegen zwar als kausativ, aber atelisch. dung (vgl. Möller 2004: 64f.). Im Moment der Gewahrwerdung findet ein Zustandswechsel in der Psyche des EXP statt. Die Verben sind somit generell als Zustandswechselverben anzusehen.1 2.2 Die Ereignisstruktur von psychW-Verben In der Verbsemantik verankerte Zustandswechsel bzw. der lexikalische Aspekt (die Aktionsart) eines Verbs lassen sich durch Kombinationstests mit Temporaladverbialen nachweisen. PsychW-Verben zeigen hier ein höchst heterogenes Verhalten, das auf ein hohes Maß an Ko- bzw. Kontextabhängigkeit schließen lässt. Ausführliche Kombinationstests mit Temporaladverbialen (vgl. Möller 2004: 75ff.) ergeben, dass sich psychW-Verben in eine punktuelle und eine nichtpunktuelle Gruppe spalten (auch Härtl 2001 teilt diese Ansicht). Bestimmte psychW-Verben zeigen eine deutliche Präferenz zu Punktualität, was sich in ihrer Akzeptanz entsprechender temporaler Spezifizierungsadverbiale niederschlägt: (17) Die Kinder erschreckten/überraschten mich um Mitternacht. Zu diesen Verben gehören weiterhin verblüffen, packen, schocken. Viele andere lassen sich in einer entsprechenden Umgebung punktuell zumindest interpretieren: (18) Sie begeisterten/verärgerten/erfreuten mich um Mitternacht. Deutlich wird die Punktualität der erstgenannten Verben aber darin, dass sie im Gegensatz zu anderen psychW-Verben keine Zeitspannenadverbiale zulassen bzw. dann eine iterative Interpretation verlangen: (19) ?Die Kinder erschreckten/überraschten mich zwei Stunden lang. Andere psychW-Verben zeigen eine größere Variabilität: (20) Die Kinder begeisterten/verärgerten/erfreuten die versammelten Eltern zwei Stunden lang (mit ihrer Vorführung). Von ihrer sprachlichen Verwendbarkeit her verhalten sich die psychW-Verben in (20) wie Tätigkeitsverben (agentiv, durativ). Die Art des Primärvorgangs ist ausschlaggebend dafür, in welcher Art und Weise das Verbalgeschehen interpretierbar ist. 13 Mit dem Moment der Gewahrwerdung beginnt in Fällen von Agens-Stimuli eine als Tätigkeit interpretierbare Phase der Beeinflussung: Die Kinder bieten etwas dar und begeistern zugleich die Eltern. Dass es sich bei dem Verbalgeschehen dennoch nicht um eine reine agentive Tätigkeit handeln kann, belegt die Tatsache, dass über das Ende der Wirkung nicht nur der Agens-STIM entscheidet, indem er den Primärvorgang beendet (21a). Genauso gut kann das Ende des Wirkungszustands durch die Wahrnehmung des EXP, hier der Zuhörer, gesteuert sein (21b): (21) Er begeisterte uns zwei Stunden lang mit seinem Gitarrenspiel, (a) dann hörte er auf. (Ende des Verbalgeschehens durch Ende des Primärvorgangs) (b) dann hatten wir genug. (Ende des Verbalgeschehens durch Ende der spezifischen Wahrnehmung) Die Tatsache, dass das Verhalten der psychW-Verben abhängig ist von der Art des Primärvorgangs, macht es besonders schwer, die komplexe Semantik in einer Dekompositions-struktur wiederzugeben. Verwiesen sei hier auf die Herleitung einer lexikalisch-semantischen Struktur bei Härtl (vgl. 2001), die die notwendigerweise stärkere Betonung der „Wahrnehmungsaktivität" des EXP in Fällen unbelebter Stimuli berücksichtigt. Eine weitere Untergliederung der Verben muss allerdings nicht vorgenommen werden. Mit einer korpusbasierten Analyse konnte z.B. dem Verb faszinieren keine größere Affinität zu statischen Kontexten nachgewiesen werden als dem bedeutungsähnlichen begeistern.1 Mithilfe von Korpora lassen sich jedoch typische Stimuli herausfiltern, die besonders häufig im Kontext jeweils eines bestimmten psychW-Verbs verwendet werden. Für Lehr-und Lernzwecke bietet es sich an, dem Lerner typische Kontexte der jeweiligen Verben als Lern- und Verständnishilfe anzubieten (vgl. Madiener 2003: 149ff.). 2.3 Intentionalität und Kontrolle PsychW-Verben sind nach Rapp (vgl. 1997: 69) optional intentional. Das Eintreten der Wirkung kann vom STIM (im Falle eines potenziellen Agens) beabsichtigt sein oder nicht: (22) Er hat mich mit Absicht / unbeabsichtigt enttäuscht. Zugleich besitzt der EXP ein gewisses Maß an Kontrolle über die eigene emotionale Reaktion:2 (23) Ich lasse mich von dieser Sache nicht berühren. Imperative sind daher sinnvoll nur von solchen psychW-Verben zu bilden, bei denen der STIM das Eintreten der gewünschten emotionalen Reaktion aufseiten des EXP zu einem bestimmten Maß kontrollieren kann (Ähnliches gilt im Übrigen für die Verwendung der Verben in futurischen Kontexten). Deshalb ist der Imperativ mit überraschen (24a) akzeptabler als mit faszinieren (24b): (24a) Überrasche sie! (24b) 'Fasziniere sie! Kontrollierbar ist dagegen die Vermeidung eines Verhaltens, das erwartungsgemäß eine bestimmte Wirkung hervorrufen würde, weshalb negierte Imperative weitaus akzeptabler sind: (25) Enttäusche/Verletze/Beleidige mich nicht! Aufgrund der indirekten Kausativität sind psychW-Verb-Imperative immer indirekt zu interpretieren (vgl. Rapp 1997: 70): (26) Überrasche sie! —» Tue etwas, womit du sie überraschst! Auch im Imperativ ist der Primärvorgang mit m/f-Phrasen explizierbar: (27a) Überrasche sie mit einem Geschenk! (27b) Nerve mich nicht mit deinen dummen Fragen! Es gibt aber bestimmte psychW-Verben, deren Semantik sich so sehr verselbstständigt hat, dass sie dem Kriterium der eingeschränkten Kontrolle nicht unterliegen. Das Paradebeispiel ist das Verb beleidigen. Auch im Falle von beleidigen kann ein intentional handelnder Agens-STIM nicht davon ausgehen, dass sein „Opfer" sich wirklich beleidigt fühlen wird. Aber im Gegensatz zu anderen psychW-Verben ist beleidigen zusätzlich an eine konven-tionalisierte Handlung geknüpft, nämlich an 1 Vgl. hierzu die Korpusanalyse der Verben faszinieren, begeistern, erfreuen, verärgern, entzücken und verblüffen in Möller (2004:105f£). 2 Wanner (2000) unterstellt dem EXP generell eine Kontrollmöglichkeit. Das halte ich im Bereich psychischer Vorgänge für ausgeschlossen. 14 das Aussprechen bestimmter als Beleidigungen1 definierter Worte. Durch das Aussprechen dieser Worte gegenüber einer Person kann ein Agens-STIM also - konventionali-siert und unabhängig vom Eintreten des Wirkungszustands beim EXP - beleidigen. 3 Konstruktionen mit dem Partizip 2 Das Partizip 2 (P2) der psychW-Verben bezeichnet den reinen Wirkungszustand {beeindruckt, begeistert, entzückt). Die verschiedenen Konstruktionen mit dem P2 lassen sich im Korpus in auffallend hoher Zahl belegen. Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen ist ein P2 nicht verwendbar, was sich mit lexikalischen Blockierungen begründen lässt (vgl. Rapp 1996: 253): (28a) die *gefreute/erfreute Frau (28b) die *gewunderte/verwunderte Lehrerin (28c) die 'geärgerte/verärgerte Professorin Neben der Blockadethese liegt die Annahme nahe, dass die betroffenen Verben primär als reflexive, nichtresultative Verben funktionieren {sich freuen /sich wundern/sich ärgern) und somit für adjektivische Konstruktionen mit dem P2 nicht in Frage kommen. Gestützt wird diese Annahme, da selbiges Verhalten auch auf weitere psychW-Verben zutrifft, die in ihrer reflexiven Verwendung gängig sind {ekeln, grämen). Da sie die charakteristische Konstruktion zulassen, werden sie dennoch zu den psychW-Verben gezählt {Dass du keine Lust hast, wundert mich / ärgert mich /freut mich). In jedem Fall sind diese Verben hinsichtlich des Verhaltens ihrer P2 als Ausnahmen zu lehren. 3.1 Das prädikative Partizip 2 Die prädikative Verwendung des P2 ermöglicht es, den EXP als zentrale Größe auszu- 1 Auch an der -ung-Nominalisierung wird diese Besonderheit deutlich. Während die -ung-Nominalisierung von psychW-Verben sonst die Empfindung beschreibt (x begeistert y -h> y empfindet Begeisterung), bezeichnet Beleidigung vielmehr den verursachenden Vorgang selbst (x beleidigt y -h> ?y empfindet Beleidigung vs. diese Äußerung ist eine Beleidigung). 2 In diesem Zusammenhang sei auf das spezifische Verhalten der P2 hinsichtlich der Adjektiv-Partizip-Opposition des Deutschen gerade im Bereich psychisch-emotionaler Zustandsbeschreibungen hingewiesen (vgl. Handwerker/Madlener/Möller 2004:106ff.). 3 Das Langenscheidt Großwörterbuch DaF (2003) besitzt z.B. einen Eintrag für entsetzt (über), jedoch keinen für enttäuscht (über). wählen und den Wirkungszustand bei ihm zu verorten, wobei nur fakultativ auf den auslösenden Primärvorgang Bezug genommen wird. Die Konstruktion x ist ge-[psychW-Verb]-t ist eine sehr produktiv anwendbare Formel, z. B.: (29) Die Menschen waren begeistert (von der Ansprache des neuen Papstes). (30) Ich bin enttäuscht (über dein Verhalten). Mithilfe der angeschlossenen PP kann die Ursache des benannten psychischen Zustands expliziert werden. Bei der Präposition handelt es sich in vielen Fällen nicht wie in (29) um von, sondern um eine lexikalisch vergebene andere Präposition wie in (30) (vgl. auch: verärgert über sein Fehlen; entsetzt über die/ob der Aussage des Ministers; interessiert an ihrem neuen Roman usw.). Nicht zuletzt die Präpositionswahl spricht dafür, die Konstruktion nicht als Zustandspassiv im Sinne von Hel-big/Buscha (2001), sondern als adjektivische Konstruktion zu bezeichnen.2 Allerdings erhält in DaF-Lernerwörterbüchern nur ein Teil der psychW-P2 einen eigenen Eintrag als Adjektiv.3 Der Resultatszustand, der durch ein psychW-P2 bezeichnet wird, ist zwar prinzipiell endlich (wir sind immer noch / nicht mehr begeistert), aber genauso wenig intentional reversibel wie anstrebbar, was psychW-Verben von prototypischen Target-state-Verben (vgl. Kratzer 2000; Möller 2004: 98ff.) unterscheidet. Sprachlich äußert sich das in der verminderten Akzeptanz von /wr-PPs im Präsens und Futur (aus der Nachzeitigkeitsperspektive (31c) lässt sich rückblickend ein beendetes W-Verbalgeschehen ausdrücken), z. B.: (31a) Wir pumpen das Boot für ein paar Stunden auf. („target-state" nach Kratzer 2000) (31b) ?Ich begeistere dich nun für zwei Stunden. (31c) Er begeisterte sie für zwei Monate (, dann entlarvte sie ihn als Blender). 3.2 Subjektsprädikative und adverbiale Verwendung Eine charakteristische Verwendung des P2 ist die kopulaartige Konstruktion sich ge-[psychW-Verb]-t zeigen: (32) Schockiert zeigen sich nun nicht nur die Bewohner des betroffenen Viertels. (FR 05.02.1999) Als Subjektsprädikativ fungiert das P2 in (33): 15 (33) So populär war Buffalo Bills Show, daß bei einer England-Tournee 1892, im Messezentrum Earls Court, selbst Königin Viktoria entzückt der Aufführung folgte. (FR 26.09.1997) Hier treten die P2 mit Verben der Wahrnehmung auf (erw. gelangweilt zur Kenntnis nehmen, verblüfft lauschen). Mit Verben des Ausdrucks sind die P2 auch bedingt adverbial interpretierbar {begeistert mitsingen, etwas fasziniert schildern, entzückt kreischen, verärgert reagieren). 3.3 Attributive Verwendung In der pränominal-attributiven Verwendung der P2 besteht eine doppelte Interpretationsmöglichkeit je nach Kontext: a) das begeisterte Publikum (,im Zustand der Begeisterung befindlich') b) begeisterter Applaus (,Begeisterung ausdrückend') Wählt man den EXP als Bezugsgröße, ist der erste Fall mit einem prädikativen P2 para-phrasierbar (Das Publikum ist begeistert), der zweite Fall mit einem adverbialen (Das Publikum klatscht begeistert). 4 Das Partizip 1 4.1 Generelles Das erste Partizip (PI) von psychW-Verben schreibt seinem Bezugsnomen immer die Verursachung der psychischen Wirkung zu: (34) eine faszinierende Schauspielerin —» Sie löst Faszination aus. Dabei ist zu beachten, dass die Benennung der EXP-Entität wie in (35) erfolgen kann (vgl. Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997 Bd. 3: 2205ff.): (35) die (mich/uns) faszinierende Schauspielerin Auf lexikalische Blockierungen ist zurückzuführen, dass nicht alle psychW-Verben ein PI zulassen: (36) entsetzen - *entsetzend - entsetzlich erstaunen - *erstaunend - erstaunlich Dazu gehören wieder die bereits in Abschn. 3 erwähnten Verben: (37) *freuend - erfreulich, *ärgernd - ärgerlich, *wundernd - verwunderlich Zahlreiche psychW-Verben erlauben im Gegensatz zum Großteil deutscher Verben (38b) die prädikative Verwendung des von ihnen abgeleiteten PI, eine Konstruktion, die nicht zum deutschen Verbparadigma gehört und deshalb als exklusive Besonderheit der Verbgruppe zu behandeln ist: (38a) Diese Sache ist faszinierend/beeindruckend/ begeisternd/anregend/fesselnd. (38b) *Das Kind ist spielend/lesend/schreiend/in der Ecke stehend/weglaufend. Üblicherweise heben Grammatiken einige der psychW-Pl beispielhaft als Lexikalisierungen hervor (vgl. Duden 2005: 363). Zifonun/Hoffmann/Strecker (vgl. 1997 Bd. 3: 2205ff.) argumentieren für eine „Volladjektivierung" der betroffenen PI, distanzieren sich aber explizit von der Annahme, es könne sich um einen allgemeinen Reflex der spezifischen Semantik psychischer Verben handeln: „Eine Generalisierung auf emotionale und kognitive Verben ist z.B. wegen des Fehlens [...] bei interessieren, beeinflussen usw. ausgeschlossen." (2207)1 4.2 Die Pl-Kopula als semantikbasierter Reflex Warum erweisen sich gerade die psychW-Verben als geeignete Kandidaten für die prädikative Verwendung ihres PI? Betrachten wir zunächst Verwendungen anderer PI als Subjektsprädikative: (39) Lachend geht er weiter. Winkend verließ sie das Haus. Hier werden dem Subjekt zwei Handlungen zugeordnet, deren eine durch das finite Verb als zentrale Handlung wiedergegeben wird (er geht weiter, sie verlässt das Haus), während die andere als zeitgleiche Begleiterscheinung durch das PI realisiert ist (er lacht; er winkt). Genau das ist nicht möglich, wenn der zentrale Vorgang durch das alleinige Vorhandensein der Kopula semantisch unspezifiziert bleibt wie in (38b). In Fällen, in denen aber das PI eines psychW-Verbs mit der semantisch leeren Kopula sein in Verbindung tritt ((38a), (40)), assoziieren wir bereits mit dem STIM-Subjekt einen Primärvorgang (wahrgenommen werden), dem nun als Begleiterschei- 1 Für die PI der Verben interessieren und amüsieren liegen aber im Deutschen Ersatzformen vor, die den französischen Verbaladjektiven interessant, -e und amüsant, -e entsprechen und wiederum formgleich mit dem französischen „participe present" (PI) sind. 16 nung die Eigenschaft der Verursachung der psychischen Wirkung angeheftet wird (vgl. auch Rapp 2001a: 274f.): (40) Wim Wenders' neuer Film ist enttäuschend. Die Äußerung (40) charakterisiert den Film als einen, der, während er vom Sprecher angesehen wird (Stereotyprelation), in ihm (dem Sprecher) Enttäuschung auslöst. Wird die Aussage nach Ende des Primärvorgangs geäußert, so meint sie allgemeiner: Der Film enttäuscht, wenn (während) man ihn ansieht. Das heißt, der Wirkungszustand ist auch in Fällen der PI-Prädikation immer an den Primärvorgang geknüpft. Ein Film ist so wenig per se enttäuschend, wie er per se enttäuscht. Der Vorgang des Ansehens wird notwendigerweise assoziiert, und genau das ermöglicht die prädikative Verwendung der PI der psychW-Verben. 5 Passiv Laut Rapp (vgl. 1997: 148) erlauben psychW-Verben ein Passiv nur bei agentiven Stimuli. Primus erklärt die „Passivblockade" (2004: 397) einiger psychW-Verben mit deren fehlender Harmonie zwischen Kasus- und Rollenhierarchie. Stellt man Primus' Beispielsatz (41) anderen Beispielen gegenüber, zeigt sich, dass die Passivfähigkeit in der Semantik des einzelnen Verbs anzusiedeln ist: (41) *Sie/*Er wird interessiert. (42) Er wurde enttäuscht. Wir wurden (tief) ergriffen. Vom Passiv definitiv ausgeschlossen sind abermals die gesondert zu behandelnden Verben wie wundern oder freuen (43). Eine Tätigkeitslesart ermöglicht dagegen die Passivierung von ärgern: (43) Ich wurde *gewundert/*ge freut/(von den Kindern) geärgert. Ein Blick in Textkorpora zeigt, dass psychW-Verb-Passiva zwar selten gebraucht werden, dass sich aber Belege finden, und zwar mit belebten wie mit unbelebten Stimuli. Einige Verben fallen mit bestimmten Kollokationen auf (Hoffnungen, Erwartungen enttäuschen) bzw. in Formeln (44b), in deren Kontext Passivbildung auch bei nichtagentiven Stimuli möglich ist (vgl. Madiener 2003:77): (44a) Die Hoffnung auf besseres Wetter wurde herb enttäuscht. (44b) Wer [x] erwartet hatte, wurde (bitter) enttäuscht. Gänzlich unproblematisch passivierbar ist auch das Verb überraschen: (45) Wir wurden vom plötzlichen Wetterumschwung überrascht. Im Korpus finden sich aber auch andere frei motivierte Passivbildungen: (46) Ganze fünfundvierzig Minuten wird der Zuschauer mit Plattitüden wie der Feststellung, daß es sich bei den Kästen am Strand tatsächlich um „Strandkörbe" und nicht etwa um Biomülltonnen handelt, gelangweilt. (FR 12.07.1997) Ein unbelebter Stimulus wird in folgendem Beleg benannt: (47) Denn ich weiß, daß die meisten schon im Vorhof durch die Neuheit der Sache wenn schon nicht abgeschreckt, so doch wenigstens geängstigt werden. (FR 15.02.1997) Im Gegensatz zu Rapp (vgl. 1997:149ff.) sehe ich in Sätzen wie (47) die durch-PP als Wiedergabe des STIM an. Die Belege zeigen, dass einige psychW-Verben passivfähig sind. Unterschiede in der Ak-zeptabilität der Passivierung sind einerseits am Lexem, andererseits kontextuell festzumachen und auf den Grad der (Proto-)Agenti-vität des jeweiligen Ausdrucks zurückzuführen. Zwei Faktoren begünstigen zudem die Verwendung von Passivformen: Erstens ermöglicht die Kombination mit Modalverben generell die Passivierung der psychW-Verben, was das Beispiel des in (41) von der Passivierbar -keit ausgeschlossenen interessieren belegt: (48) „Welche Interessen, Erwartungen, Wünsche und Anregungen an die ,Kommunale Politik' haben Jugendliche [und] wie können weitere Friedrichsdorfer Jugendliche interessiert werden?" (FR 23.05.1998) Zweitens besitzen einige psychW-Verben einen weiteren Lexikoneintrag, in dem eine Prä-positionalphrase obligatorisch angeschlossen wird (jdn. für etwas begeistern/für etwas interessieren), was die Passivierbarkeit begünstigt: (49) Stattdessen sollte die Jugend für Politik interessiert werden, etwa indem der Stadtverordnetenvorsteher in die Schulen geht, informiert, wirbt. (FR 11.04.1997) Während in (49) zudem wieder ein Modalverb zur Passivierbarkeit beiträgt, sind ebenso gut Sätze wie (50) grammatisch: 17 (50) In Hannover wurde die Jugend für sportliche Betätigungen jeder Art begeistert. Eine Lexikalisierungstendenz aufseiten der P2 ist auch im Bereich des Passivs zu beobachten (vgl. Handwerker/Madlener/Möller 2004: 114f.). Während eine Passivinterpretation von (51) mindestens strittig ist, liegt diese Analyse in (52) nahe: (51) Über die Jahre wurden sie enttäuscht und verbittert. (52) Bei uns werden Sie nicht enttäuscht. 6 Schlussbemerkungen Das Anliegen des Aufsatzes war es, das charakteristische Verhalten psychischer Wirkungsverben zu demonstrieren, um deren Relevanz für die Vermittlung im kognitiv orientierten DaF-Unterricht zu verdeutlichen. Die Verben wurden aus linguistischer Sicht präsentiert. Vereinzelte Vorschläge zur didak- Dowty, David R. (1991): Thematic proto-roles and argument selection. In: Language 67/3, 547-619. Duden (2005): Duden. Die Grammatik. Hg. von der Dudenredaktion. 7. Aufl. Mannheim u. a. (Duden, 4). Ellis, Rod (1997): SLA Research and Language Teaching. Oxford. Grimshaw, Jane B. (1990): Argument Structure. Cambridge, Mass., u. a. Handwerker, Brigitte (2002): Chunks, Raster, Regeln. Vom Lexikon zur Grammatik in der Fremdsprachenvermittlung. In: W. Börner / K. Vogel (Hg.), Grammatik im Fremdsprachenerwerb. Tübingen, 207-230. Handwerker, Brigitte (2004): Die Wortschatz-Grammatik-Schnittstelle aus der Sprachlernperspektive. Zur Entwicklung lexikalisch-grammatischer Kompetenz am Beispiel der Klassenbildung beim Verb. In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 33,176-191. Handwerker, Brigitte u. a. (2004): Wortbedeutung und Konstruktionsbedeutung. Die Adjektiv-Partizip-Opposition aus der Perspektive des Deutschen als Fremdsprache. In: H-H. Lüger/ R. Rothenhäusler (Hg.), Linguistik für die Fremdsprache Deutsch. Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung. Sonderheft 7, 85-120. Härtl, Holden (2001): Cause und Change. Thema- tischen Aufbereitung sollten zu einer Weiterentwicklung der Ergebnisse im Hinblick auf einen Unterricht beitragen, der sich die Zusammenhänge zwischen Semantik und Syntax im Bereich deutscher Verben zunutze macht. Besonders folgende Konstruktionstypen erweisen sich wie gesehen als charakteristisch: x [psychW-Verb]-t mich —» das enttäuscht mich ich bin ge- [psychW-Verb]-t —» ich bin enttäuscht x ist [psychW-Verb]-end —» das ist enttäuschend Gruppentypisch ist aber auch die gerade nicht regelmäßige Bildbarkeit des Passivs. Im DaF-Unterricht bietet sich eine Sensibilisierung der Lerner für das spezifische Verhalten der Verben an. Wichtig ist aber auch, als Lehrer über diese besondere Verbgruppe im Bilde zu sein, nicht zuletzt, um auf versierte Lernerfragen adäquat reagieren zu können. tische Relationen und Ereignisstrukturen in Konzeptualisierung und Grammatikalisierung. Berlin. Heibig, Gerhard/Buscha, Joachim (2001): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. Berlin/München. Korpus: COSMAS II (ids Mannheim). URL: http://www.ids-mannheim.de/cosmas2. Kratzer, Angelika (2000): Building Statives. Typo-skript. University of Massachusetts at Amherst. Berkeley Linguistic Society, 26.02.2000. Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache (2003). Hg. von D. Götz, G. Haensch und H. Wellmann. Berlin u. a. Madiener, Karin (2003): Psychische Wirkungsverben des Deutschen als Lehr- und Lerngegenstand. Korpusgestützte Untersuchung am Beispiel der Verben „befriedigen", „zufriedenstellen", „enttäuschen". Typoskript, 169 S. Möller, Max (2004): Psychische Wirkungsverben des Deutschen. Typoskript, 146 S. Primus, Beatrice (2004): Protorollen und Verbtyp. Kasusvariation bei psychischen Verben. In: R. Kailuweit / M. Hummel (Hg.), Semantische Rollen. Tübingen, 377-401. Rapp, Irene (1996): Zustand? Passiv? Überlegungen zum sogenannten „Zustandspassiv". In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 15/2, 231-265. Literatur 18 Rapp, Irene (1997): Partizipien und semantische Struktur. Zu passivischen Konstruktionen mit dem 3. Status. Tübingen. Rapp, Irene (2001a): Argumentstruktur und Erstgliedinterpretation bei deverbalen Derivaten - ein semantikbasierter Ansatz. In: Folia Linguistica 24/3-4, 243-283. Rapp, Irene (2001b): Linkingsteuerung im Verbalbereich. Welche Bedeutungsaspekte sind relevant? In: Linguistische Arbeitsberichte 76. 185-219. Wanner, Anja (2000): The Optimal Linking of Arguments. The Case of English Psych Verbs. In: G. Müller/W Sternefeld (Hg.), Competition in Syntax. Berlin/New York, 377-399. Wegener, Heide (1999): Zum Bedeutungs- und Konstruktionswandel bei psychischen Verben. In: H. Wegener (Hg.), Deutsch kontrastiv. Typo-logisch-vergleichende Untersuchung zur deutschen Grammatik. Tübingen, 171-210. Zifonun, Gisela u.a. (1997): Grammatik der deutschen Sprache. 3 Bde. Berlin/New York. Polichronia Thomoglou Mutterspracheinfluss beim Genuserwerb Beobachtungen an griechischen Lernern des Deutschen 0 Einleitung Der vorliegende Artikel befasst sich mit dem Mutterspracheinfluss beim Genuserwerb. In einer experimentellen Studie wird erforscht, wie groß der Einfluss der Struktur im Genussystem der Muttersprache Griechisch (Griech.) auf das Erlernen des Genus in der Fremdsprache Deutsch (Dt.) bei griech. DaF-Lernern ist. Zunächst werden als theoretischer Hindergrund die Spracherwerbserkenntnisse und der Wissensbestand der linguistischen Beschreibung bzw. des Vergleichs der Genussysteme im Dt. und Griech. dargestellt. Daraus ergibt sich die Fragestellung der Untersuchung. Danach werden die Daten des Experiments beschrieben und die Ergebnisse ausgewertet. Diese Überlegungen und Ergebnisse sind auch für den Erwerb des Dt. auf dem Hintergrund anderer Muttersprachen (in Konfrontation mit diesen) nutzbar. 1 Theoretischer Hintergrund 1.1 Ergebnisse der Genuserwerbsforschung Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Zweit-spracherwerbsforschung (vgl. Andersson 1993; Pf äff 1984; Wegener 1995b) und der Fremd-spracherwerbsforschung (vgl. Menzel 2000; Thomoglou 2004) zeigen, dass unterschiedliche Faktoren am Genuserwerb beteiligt sind. Ein stark beeinflussender Faktor im Dt. ist das Erkennen von formalen (morphologischen und phonologischen) Genusindikatoren. Die morphologischen Indikatoren beruhen auf der Flexionsmorphologie (Kasusflexive, Pluralflexive) und auf der derivationellen Morphologie (Ableitungsaffixe), während sich die phonologischen Kriterien auf Zusammenhänge zwischen Lautstruktur des Nomens und Genus beziehen. Diese können bei der Genuszuweisung von den Lernern erkannt, aus dem sprachlichen Input deduziert und auf neue Nomen übertragen werden. Auch semantische Genusindikatoren (wie z. B. das natürliche Geschlecht) können von den Lernern bei der Genuszuweisung deduziert werden. Ein weiterer Faktor ist der sprachliche Input (Inputfrequenz und -Validität). Die Extraktion der Genusindikatoren aus dem Input ist von deren Verfügbarkeit und Validität im Input abhängig. Das Erkennen von Genusindikatoren wie auch die Frequenz und Validität im Input der Lerner führen zur korrekten Genuszuweisung. Es stellt sich zunächst die Frage, wie die Lerner reagieren, wenn die Genusindikatoren nicht sehr stark etabliert sind bzw. wenn der sprachliche Input limitiert ist. In der vorliegenden Studie wird die Meinung vertreten, dass in diesem Fall die Lerner muttersprachliches Wissen verwenden, dessen Einfluss zur falschen Genuszuweisung führt. Es ist ein Faktum, dass Zweitsprachlerner über die Kenntnis ihrer Erstsprache verfügen. Dieses verfügbare Wissen führt zu Transfer und Interferenzen (über die Transfertheorie vgl. Lado 1972). Hinsichtlich der Genuszuweisung im Dt. tendieren beispielsweise Deutsch-lerner, deren Muttersprache über keine Genuskategorie verfügt wie z.B. Türkisch und Japanisch (vgl. Pfaff 1984 für das Türkische; Menzel/Tamaoka 1995 für das Japanische), dazu, die Artikel wegzulassen. Dagegen tendieren Lerner, deren Muttersprache über eine Kategorie Genus verfügt, in der die Genera aber anders verteilt sind als im Dt. wie z.B. Französisch (vgl. Diehl/Albrecht/Zoch 1991), zu interferenziellen Fehlern: Sie machen Gebrauch von den Genusindikatoren ihrer Muttersprache oder übertragen die Genusklasse der entsprechenden Äquivalente ihrer Muttersprache. Die auftretenden Fehler variieren demnach nach der Ausgangssprache bzw. Muttersprache der Lerner. Da der Genuserwerb nicht von der Muttersprache unabhängig zu sein scheint, ist es zunächst für die vorliegende Untersuchung sinnvoll, die Hauptmerkmale der beiden Genussysteme im Dt. und Griech. zu vergleichen, um mögliche Interferenzerscheinungen zu erklären. 20 1.2 Das Genussystem im Deutschen und im Griechischen Das Griech. und das Dt. gehören typologisch zu den Sprachen, die über eine Kategorie Genus verfügen. Die Genera sind in beiden Sprachen in drei Kategorien gegliedert: Maskulinum, Femininum und Neutrum. Bei der Einteilung der Genera besteht zwischen den beiden Systemen Ungleichheit. Der größte Unterschied ist, dass im Dt. das Maskulinum und im Griech. das Neutrum am häufigsten auftreten (vgl.Tho-moglou 2004:26ff.). Ungleichheit zwischen den beiden Systemen besteht auch bei den Genuszuordnungskriterien (vgl. 28ff.). Eine Betrachtung der Zuordnungskriterien im Dt. und im Griech. zeigt, dass es Unterschiede in der Wirksamkeit der Genusindikatoren gibt. Als gemeinsamen Genusindikator haben beide Sprachen das natürliche Geschlechtsprinzip und eine semantische Motivation des Genus bei sexusneutralen Nomen (semantische Klassen). Die Systeme differieren bezüglich der formalen Genusindikatoren. Im Dt. kann man sich auf die Derivationssuffixe und zum Teil auf die phonologischen Regularitäten verlassen. Im Gegensatz zum Dt. scheinen im Griech. fast ausschließlich die differenzierten Flexive eine Hilfe bei der Genuszuordnung zu sein. 1.3 Fragestellung Es lässt sich festhalten, dass die Genera im Griech. anders verteilt sind als im Dt. und dass es bezüglich der statistischen Genusverteilung und der Wirksamkeit der Genuszuordnungskriterien in beiden Sprachen Ungleichheiten gibt. Werden die oben genannten vergleichenden Ergebnisse berücksichtigt, so wird erwartet, dass die griech. Untersuchungsteilnehmer bei der Genuszuweisung zu dt. sexusneutralen Nomen eher die Genusklasse der entsprechenden Äquivalente ihrer Muttersprache übertragen, als dass sie Gebrauch von den Genusindikatoren ihrer Muttersprache machen. Das würde dann gelten, wenn der sprachliche Input limitiert ist und es demzufolge Freiraum für sprachliche Interferenzen 1 Griech. und Dt. gehören zu den indoeuropäischen Sprachen, aber zu unterschiedlichen Sprachfamilien. Dt. ist eine germanische Sprache und Neugriech. stammt aus dem Altgriech. Aus diesem Grund sind keine gleichen/ ähnlichen phonetischen Formen zu beobachten wie zum Beispiel zwischen dt. Partei und engl, party. gibt. Sie würden sich eher an der Semantik als an der Morphologie orientieren, obwohl Neugriech. eine Sprache ist, deren morphologische Struktur Genusinformationen liefert, und dementsprechend erwartet werden könnte, dass griech. Lerner die Genuszuweisung mit formalen Kriterien assoziieren. Der Grund dafür ist, dass die griech. Sprache kaum ähnliche phonologische bzw. morphologische Strukturen mit dem Dt. hat,1 sodass eine Analogie auf formaler Ebene nicht stattfinden kann. Der Begriff der Analogie wird bei der Integration von Entlehnungen in einer Sprache oft erwähnt. Die Handlung der Analogie -schon von de Saussure erwähnt - dauert eine extrem kurze Zeit und ist keine neue konstruktive, sondern eine rekonstruktive Handlung, die assoziative Beziehungen im Gedächtnis hervorruft (vgl. Godel 1957, zit. in Anastasiadi-Simeonidi 1989: 169). In Bezug auf die Genusintegration von Entlehnungen ins Neugriech. werden zwei Arten von Analogien unterschieden: die semantische und die morphophonologische Analogie (vgl. Aposto-lou-Panara 1986: 97ff.; Newton 1963: 21). Nach der semantischen Analogie gilt bei der Genuszuordnung der Lehnwörter das natürliche Geschlechtsprinzip (NGP), wenn diese belebte Wesen bezeichnen. Bei unbelebten Referenten wird das Genus des Lehnwortes vom Genus des entsprechenden Hyperonyms (Oberbegriffs) oder des Äquivalents in der Empfangssprache beeinflusst. Die morphophonologische Analogie bezieht sich auf die Übereinstimmung der morphophonologischen Endung (Flexions-, Derivationssuffixe) der Wörter in der Ausgangs- und der Empfangssprache, wenn das NGP keine Anwendung findet. Es besteht aber die Möglichkeit, dass entlehnte Wörter in Lautung, Schriftbild und Flexion nicht vollständig an die Sprache, in die sie entlehnt wurden, angepasst sind. Diese nichtassimilierten Lehnwörter [-human] bekommen das unmarkierte Genus der Integrationssprache (vgl. Newton 1963). Im Griech. ist das unmarkierte Genus das Neutrum (vgl. Anastasiadi-Simeonidi 1989: 162; Newton 1963: 29). Hinsichtlich der Genuszuweisung von Lehnwörtern ins Griech. soll festgehalten werden, dass es die Tendenz gibt, das Neutrum, das als unmarkiert bezeichnet wurde, vor allem bei unbelebten Referenten zuzu- 21 weisen, wenn es sich um nichtassimilierte bzw. Fremdwörter handelt. Da die griech. Sprache im Vergleich mit Dt. kaum ähnliche phonologische bzw. morphologische Strukturen hat, bleibt bei der Genuszuordnung eines sexusneutralen dt. Lehnwortes als Möglichkeit, dass das Lehnwort die Genusklasse eines äquivalenten Nomens oder des Oberbegriffs in der Empfangssprache (Griech.) oder das unmarkierte Genus bzw. das Neutrum übernimmt. Wenn festgehalten wird, dass die Analogie, die bei der Integration stattfindet, ein automatischer und mechanischer Prozess ist, und gleichzeitig angenommen wird, dass ein Zusammenhang zwischen Entleh-nungs- und Erwerbsprozessen besteht, wird erwartet, dass beim Lesen/Hören eines dt. Wortes mit einem unbelebten Referenten einem griech. Deutschlerner automatisch das Genus des entsprechenden griech. Äquivalents oder das unmarkierte Genus bzw. das Neutrum einfällt. Diese Annahme würde allerdings für Anfänger gelten, die noch keinen großen sprachlichen Input erhalten haben. 2 Die experimentelle Studie Ziel der vorliegenden empirischen Querschnittstudie ist es, anhand der Beobachtung der Genuszuweisung zu einzelnen sexusneutralen Nomen zu ermitteln, inwieweit griech. DaF-Lerner von dem Genusregelsystem ihrer Muttersprache beeinflusst werden. Dabei wurden die Hypothesen aufgestellt, dass griech. Deutschlerner bei Nomen mit unbelebten Referenten - die Genusklasse auf der Basis der Bedeutung der einzelnen Wörter der Muttersprache in die Zweitsprache übertragen (Hypothese a) und - das Neutrum bei der Genuszuweisung prä-ferieren (Hypothese b). Die Genuszuweisungskompetenz der Probanden wurde auf der Grundlage eines Rollenspiels ermittelt. Zum besseren Verständnis der Ergebnisdarstellung werden eine allgemeine Darstellung des Datenerhebungsverfahrens gegeben, Informationen zu den Probanden genannt und der Auswahlprozess der Untersuchungswörter erklärt. 2.1 Experiment zur Genuszuweisung In einem Rollenspiel sollten die Probanden 49 Lestitems den thematisch-semantischen Ka- tegorien WOHNZIMMER, KÜCHE, URLAUB, KOFFER und MENSCH zuordnen. Als Testitems wurden Abbildungen verwendet, die konkrete Substantive bezeichnen. Einem Spieler wurden nun die Kategorien WOHNZIMMER und KÜCHE, dem anderen die Kategorien URLAUB, KOFFER und MENSCH zugeteilt. Ziel des Spiels war es, die Kärtchen des anderen Teilnehmers zu bekommen und diese dem jeweiligen Thema zuzuordnen. Dazu mussten die Spieler den Mitspieler nach den benötigten Kärtchen fragen und unbewusst eine Genuszuweisung treffen. Das Spiel war zu Ende, wenn alle Objekte den Kategorien zugeordnet waren. Das Experiment dauerte pro Untersuchungspaar ca. 30 Minuten. 2.2 Die Untersuchungsteilnehmer An der empirischen Untersuchung nahmen insgesamt 88 Probanden mit einem Durchschnittsalter von 21 Jahren und 7 Monaten zum Zeitpunkt des Experiments teil. Die Probanden waren erwachsene Deutschschüler am Goethe-Institut in Thessaloniki. 37 Schüler befanden sich zum Zeitpunkt des Experiments am Ende des ersten Jahres einer insgesamt zweijährigen Ausbildung für Grundstufe I und II und erhielten drei Einheiten Deutschunterricht (ä 90 Minuten) pro Woche. 37 weitere Schüler waren am Ende des zweiten Grundstufenjahres und erhielten ebenfalls drei Einheiten Deutschunterricht (ä 90 Minuten) pro Woche. 14 Probanden besuchten die Oberstufe Klasse I. Sie erhielten sechs Einheiten Deutschunterricht (ä 90 Minuten) pro Woche. Da der Einfluss der Muttersprache bei der Genuszuweisungskompetenz der Versuchsteilnehmer untersucht wurde, war es wichtig, festzustellen, ob interlinguale Interferenzen mit einer anderen Fremdsprache zu erwarten sind. Die erste Fremdsprache für alle Probanden war Englisch und sie hatten keine andere Fremdsprache gelernt. Solche interlingualen Interferenzen konnten deshalb ausgeschlossen werden.1 1 Das englische Genussystem ist einerseits nur semantisch motiviert und andererseits wird das Genus nicht am Artikel, sondern nur am Personalpronomen in der 3. Person Singular ausgedrückt (he, his, him; she, her, it, its). 22 kunft über den Einfluss der Muttersprache der Untersuchungsteilnehmer. In der Datenanalyse ist das Dominanzverhältnis der Muttersprache gegenüber den regelhaften formalen Genusindikatoren (-e-Auslaut und Nullsuffix) der Fremdsprache von Interesse. Es wird untersucht, wie sich die Untersuchungsteilnehmer bei Konfliktsituationen zwischen Regelhaftigkeit in der Fremdsprache und eventuellem Mutterspracheinfluss verhalten. Ob die Genuszuweisungskompetenz in einem besonderen Zusammenhang mit dem Sprachniveau der Untersuchungsteilnehmer steht, wurde durch die Korrelation zwischen der Korrektheit der Genuszuweisung und der DaF-Sprachkompetenz der Gruppen I, II und III überprüft. 3.1 Datenanalyse zu regelhaften Kategorien Von besonderem Interesse ist es, zu beobachten, wie die Genera bei den sechs regelhaften Kategorien verteilt sind (s. Tab. 1). Diese Daten erlauben Aussagen über eine Genusübertragung auf der Basis der Bedeutung der einzelnen Wörter der Muttersprache (Hypothese a) oder über eine mögliche Präferenz neutraler Genuszuweisung (Hypothese b), was die aufgestellten Hypothesen bestätigen würde. Bei der Datenanalyse und Interpretation werden die Werte der drei einzelnen Gruppen betrachtet. Bei den einsilbigen Maskulina mit Femininum in der Muttersprache (Mf) und bei den Feminina auf -e mit Maskulinum in der Muttersprache (Fm) stehen die Regelhaftigkeit einsilbige Maskulina Mm Mn Mf Gruppe M F N M F N M F N I 65% 13% 22% 62% 11% 27% 42% 39% 20% II 64% 14% 21% 66% 16% 18% 60% 21% 19% III 90% 4% 5% 81% 3% 17% 74% 13% 3% Feminina auf -e Fm Fn Ff Gruppe M F N M F N M F N I 35% 59% 5% 13% 65% 22% 8% 83% 9% II 11% 84% 5% 14% 73% 13% 6% 89% 5% III 0% 100 % 0% 5% 87% 8% 0% 99% 1% Tab. 1: Genusverteilung zu regelhaften Kategorien bei den Gruppen I, II und III 23 2.2 Die Untersuchungswörter Als Testitems wurden 49 konkrete Nomen, die auf -e und auf Nullsuffix enden, ausgewählt. Nomen, die auf -e auslauten, sind im unmarkierten Fall Feminina (Schwa-Regel), während Nomen mit Nullsuffix nach der so genannten Einsilberregel Maskulina sind (vgl. Wegener 1995a). Die Wörter wurden in neun Kategorien nach dem Genus der Muttersprache und der Fremdsprache aufgeteilt: Mm, Mn, Mf, Fm, Fn, Ff, Nm, Nn und Nf. Mn ist z. B. Maskulinum in der Fremdsprache (Dt.) und Neutrum in der Muttersprache (Griech.). Im ersten Analyseschritt wurden die Kategorien Mm, Mn und Mf (einsilbige Maskulina) und Fm, Fn und Ff (Feminina mit -e-Auslaut) analysiert. Anschließend wurden die Kategorien, die Ausnahmen zu den zwei formalen Regeln sind, analysiert. Die Kategorien sind: NmE, NnE, NfE, FmE, FnE, FfE, Mne und Nne. NmE, NnE und NfE sind Einsilber, aber bestätigen die Einsilber-Regel nicht, weil sie Neutra sind. Die Kategorien FmE, FnE und FfE sind Feminina, obwohl sie Einsilber sind. Die Kategorien Mne und Nne sind Wörter mit -e-Auslaut und sind Maskulina bzw. Neutra. 3 Ergebnisse Die Genuszuweisung der Testitems wurde als korrekt bzw. inkorrekt klassifiziert. Welchen Anteil Maskulina, Feminina und Neutra haben, ist auch von Wichtigkeit, da die Hypothese geprüft wird, ob die meisten Testitems als Neutra klassifiziert werden. Angaben über die Systematizität von Fehlern geben Aus- (Gültigkeit der Einsilber- und der Schwa-Regel) und der Einfluss der Muttersprache (Genusübertragung und die Neutrum-Präferenz-Hypothese) bei Gruppe I in starker Konkurrenz. Es ist möglich, dass bei diesen Kategorien das Genus der Muttersprache auf der Basis der semantischen Analogie in die Fremdsprache übertragen wurde. Eine Tendenz zu Neutrum-Präferenz konnte nicht festgestellt werden. Vor allem die Ergebnisse der einsilbigen Maskulina und Feminina auf -e mit Neutrum in der Muttersprache (Mn und Fn) unterstreichen das Erkennen der formalen Genusindikatoren (-e-Auslaut und Nullsuffix), weil auf den Einfluss der Muttersprache bei diesen Kategorien spekuliert wurde. Hinsichtlich der Unterschiede bei der korrekten Genuszuweisung innerhalb der drei Gruppen kann gesagt werden, dass nur bei Gruppe I die Genusübertragung die Genuszuweisung negativ beeinflusst. Bei Gruppe II und vor allem bei Gruppe III ist der Einfluss der Muttersprache gering; die formalen Genusindikatoren werden zum größten Teil erkannt und es besteht keine besondere Tendenz zum Neutrum. Die Tatsache, dass die Gruppe III von der Muttersprache kaum beeinflusst wird, könnte daran liegen, dass ein ausreichender Input bei den Untersuchungsteilnehmern dieser Gruppe vorhanden ist und demzufolge die formalen Genusindikatoren erkannt werden. 3.2 Datenanalyse zu den Ausnahmen bei formalen Kategorien Die Werte der Genusverteilung bei den Gruppen I, II und III werden in der unten stehenden Tabelle dargestellt (s. Tab. 2). Die Aufschlüsselung der Tab. 2 führt zu folgenden Ergebnissen: - Die Genusübertragung auf der Basis der Bedeutung der Wörter in der Muttersprache beeinflusst die Genuszuweisung. Als eindeutiges Indiz dafür können die Kategorien NmE, FnE und FmE genommen werden. - Eine deutliche Tendenz zur Zuweisung des Neutrums wurde nicht nachgewiesen. - Die falschen Genuszuweisungen bei den Ausnahmen zur Einsilber- und zur Schwa-Regel - wie bei Nne, Mne und FmE - weisen darauf hin, dass auf das Regelwissen zurückgegriffen wurde. Darüber hinaus sollte festgehalten werden, dass es Spielraum für Transfer gibt, wenn die einsilbige Neutra NmE NnE NfE Gruppe M F N M F N M F N I 40% 30% 30% 17% 11% 71% 27% 19% 54% II 38% 24% 38% 10% 19% 71% 26% 18% 56% III 36% 5% 59% 13% 2% 85% 17% 11% 72% einsilbige Feminina FmE FnE FfE Gruppe M F N M F N M F N I 53% 16% 32% 24% 34% 42% 32% 53% 15% II 50% 22% 28% 23% 42% 36% 25% 69% 7% III 61% 33% 6% 23% 47% 30% 25% 74% 2% Maskulina und Neutra auf -e Mne Nne Gruppe M F N M F N I 15% 65% 20% 10% 65% 25% II 29% 62% 10% 10% 57% 33% III 43% 48% 9% 0% 48% 52% Tab. 2: Genusverteilung zu Ausnahmen bei den Gruppen I, II und III 24 Kategorien der Annahme widersprechen, dass Einsilber nicht Feminina (wie FmE und FnE) und Nomen auf -e Feminina sind (wie Mne und Nne). Abweichungen von diesen Regeln können den Lernprozess erschweren. Bei den acht regelwidersprechenden Kategorien wurde festgestellt, dass vor allem bei Gruppe I und II der Einfluss der Muttersprache deutlich ist. 4 Zusammenfassung Wenn die Werte zwischen den regelhaften Kategorien und den Ausnahmen zur Regel verglichen werden, wird deutlich, dass die Werte bei der Genuszuweisung zu den regelhaften Kategorien einen beträchtlichen Anteil von richtigen Genuszuweisungen dokumentieren, während die Genuszuweisung zu den nicht re- Anastasiadi-Simeonidi, Anna (1989): To yévog Toiv mjyXQovcov ôayeícov tng NE. In: Studies in Greek Linguistics. Thessaloniki, 155-177. Andersson, Anders-Börje (1993): Second Language Learners' Acquisition of Grammatical Gender in Swedish. Gothenburg (Gothenburg Monographs in Linguistics, 10). Apostolou-Panara, Athena (1986): Gender Assignment of English Substantives in Modern Greek. In: LIaoou0Ĺa A. Thessaloniki, 97-104. Diehl, Erika u. a. (1991): Lernstrategien im Fremdsprachenerwerb. Tübingen. 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Deutschlernenden bei der Genuszuweisung zu Nomen mit unbelebten Referenten generalisiert wird (Hypothese b), ist die Antwort in beiden Fällen negativ. Die?? Das??? Genuszuweisung bei Anfängern: Zufall, Pauken oder Strategie? In: DaF 1,12-22. Newton, Brian (1963): The Grammatical Integration of Italian and Turkish Substantives into Modern Greek. In: Word 19, 20-30. Pfaff, Carol W. (1984): On input and residual LI transfer effects in Turkish and Greek children's German. In: R.W. Andersen (Hg.), Second Languages. A cross-linguistic perspective. Rowley, Mass., 271-298. Thomoglou, Polichronia (2004): Genuserwerb bei griechischen Lernern des Deutschen. Frankfurt a. M. u. a. Wegener, Heide (1995a): Die Nominalflexion des Deutschen - verstanden als Lerngegenstand. Tübingen. Wegener, Heide (1995b): Das Genus im DaZ-Er-werb. Beobachtungen an Kindern aus Polen, Russland und der Türkei. In: B. Handwerker (Hg.), Fremde Sprache Deutsch. Tübingen, 1-24. Literatur 25 Klaudia Prokopczuk Wissenschaftliche Nationalstile und Grounding 1 Die Gegenüberstellung von Vordergrund und Hintergrund im Text, die in der linguistischen Literatur als „Grounding" oder „Re-liefgebung" bezeichnet wird, ist das linguistische Gegenstück der gestaltpsychologischen Unterscheidung zwischen Figur und Grund und geht auf die Analogien zwischen der Verarbeitung von visuellen und textuellen Informationen zurück. Beim visuellen Wahrnehmungsprozess ist die Figur-Grund-Trennung die wichtigste Wahrnehmungsfunktion und geht der Verarbeitung einzelner Details voraus. Sie besteht darin, dass man ein gesehenes Ganzfeld immer in zwei Komponenten aufzuteilen versucht: in eine Figur, die scharf und durchgliedert im Vordergrund gesehen wird, und in einen Grund, der eher diffus erscheint und sich hinter der Figur erstreckt (vgl. Goldstein 2001: 176f.). Im vorliegenden Aufsatz wird die Anwendung des Grounding-Konzepts bei der Erforschung nationalspezifischer Stilunterschiede der aus verschiedenen Kulturen stammenden Wissenschaftstexte thematisiert. Die Untersuchung bezieht sich vor allem auf geisteswissenschaftliche Texte, da bei ihnen der Stil - im Unterschied zu den meisten Naturwissenschaften - nicht vollständig konventionalisiert ist und neben dem Musterhaften die nationalspezifische (und/oder individuelle) Komponente eine bemerkbare Rolle spielen kann (vgl. Schröder 1995: 158; Busch-Lauer 2001: 469f.). 2 Das Grounding-Phänomen wurde in der Linguistik über lange Zeit hauptsächlich an narrativen Texten untersucht (vgl. z. B. Wein-rich 1964; Dressler 1972: 47ff.; Bartschat 1987), wobei behauptet wurde, dass „für Textsorten mit stark beschreibendem Aufbau - z. B. viele wissenschaftliche Texte - [...] die Dichotomie foreground : background offensichtlich von geringem Einfluß" ist (Bartschat 1987: 770). Eine derartige Auffassung war nicht zuletzt mit dem Umstand verbunden, dass in wissenschaftlichen Texten die Vordergrund-Hinter- grund-Unterschiede in geringerem Maße an grammatische Kategorien gebunden sind als in narrativen Texten, wo eine Korrelation zwischen einer Gegenüberstellung von Vordergrund und Hintergrund und einem Bündel von morphologischen, syntaktischen und lexikalisch-semantischen Faktoren zu beobachten ist.1 Eine Alternative zur vorwiegend grammatischen Beschreibung des Groundings in narrativen Texten wurde von Reinhart (1984) vorgelegt, indem sie direkt auf die Analogien zwischen der Figur-Grund-Gliederung beim visuellen Wahrnehmungsprozess und der Unterscheidung des Vorder- und Hintergrundes bei der Textrezeption hinweist. Generell können im Rahmen dieses wahrnehmungstheoretischen Ansatzes auch Wechselbeziehungen zwischen Vorder- und Hintergrund in Wissenschaftstexten charakterisiert werden. Wie in einer Erzählung zwischen Äußerungen unterschieden wird, die sukzessiv aufeinanderfolgende Ereignisse darstellen und den Handlungsfaden durch den Text hindurchziehen (und somit den eigentlichen Fluss der Geschichte, also den Vordergrund, bilden), und Äußerungen, die als beschreibende, kommentierende, erläuternde u. ä. Segmente (d. h. Hintergrundinformationen) in den Plot eingeschoben werden, so kann man auch bezüglich der wissenschaftlichen Texte zwischen Äußerungen unterscheiden, die direkt „zum Thema gehören" und die Kontinuität der Themen-Abhandlung aufrechterhalten (Kontinuität 1 Als das entscheidende Kriterium für den Vordergrund in narrativen Texten werden sequenzieller Erzählablauf und Zugehörigkeit zum „chronologischen Faden" der Erzählung angesehen. Zu den weiteren am Grounding beteiligten Faktoren werden gezählt: Dynamizität und Aktivität der Ereignisse selbst, die Fokusstruktur und ihre Versprachlichung durch Wortfolge, Aspekt, Aktionsart, Modus, Versprachlichung durch Hauptsätze oder subordinierte Sätze, Tempusfolge der Verben, Affirmation/Negation, Agens-Charakter u.a.m. (vgl. z.B. Bartschat 1987). 26 wird von Reinhart (vgl. 1984: 803) als grundlegendes Kriterium für den Vordergrundcharakter herausgestellt), und dem heterogenen, schwächer organisierten Material, das ergänzende, wenn auch oft wichtige Informationen vermittelt und als Hintergrund wahrgenommen wird. Schriftliche Texte verfügen außerdem über solche Signale des Hintergrunds wie Fuß- und Endnoten, ggf. Randbemerkungen, Exkurse, Anhang oder Bibliographie, welche durch Überschriften, oft auch durch typographische Markierungen leicht identifizierbar sind. 3.1 Dass die Besonderheiten der Wechselbeziehungen zwischen Vorder- und Hintergrund, die Zuordnung bestimmter Informationen zum Vordergrund oder Hintergrund durch den Gebrauch entsprechender sprachlicher Mittel unter Umständen als stilistisch markiert angesehen werden können, wurde vor allem anhand künstlerischer Texte demonstriert. Geht man z.B. davon aus, dass in narrativen Texten die Versprachlichung eines Ereignisses durch eine Partizipial- oder Gerundialkon-struktion oder durch einen Nebensatz ein starkes Indiz für seine Zuordnung zum Hintergrund ist (vgl. Reinhart 1984: 796; Chvany 1990), so wird die Verwendung eines dieser grammatischen Mittel bei der (erstmaligen) Nennung eines für den Erzählablauf wichtigen oder sogar kulminativen Ereignisses vom Leser als ungewöhnlich, als eine Abweichung von der Norm und somit als stilistisch markiert empfunden (vgl. Bartschat 1987: 770). Zu stilistischen Merkmalen gehören auch ein auffälliges Übergewicht der vordergründigen bzw. hintergründigen Informationen im Text sowie eine Umkehrung des Verhältnisses von Vorder- und Hintergrund, wenn der Hintergrund (z.B. eine Darstellung des gesellschaftlichen Hintergrunds) beim Aufbau der Sinnstruktur eines literarischen Textes etwas kommunikativ Wichtigeres ist als die Kette der den Vordergrund bildenden Ereignisse (vgl. Weinrich 1964: 163ff.). 3.2 Man kann annehmen, dass auch für wissenschaftliche Texte solche Fälle der Verteilung von vordergründigen/hintergründigen Informationen registriert werden können, die als stilistische Besonderheiten dieser Texte aufzufassen sind. Diese Hypothese wird m. E. bestätigt durch eine Reihe von Ergebnissen kontrastiver Wissenschaftssprachenforschung - einer in den 1980er Jahren entstandenen linguistischen Subdisziplin, die sich mit den Fragen des kulturell determinierten wissenschaftlichen Schreibens und Redens beschäftigt. Es liegen inzwischen zahlreiche Belege dafür vor, dass „das wissenschaftliche Handeln in seinen Denkmethoden, Forschungs- und Darstellungsverfahren eigenkulturelle Konventionen und Traditionen haben" kann (Liang 1993: 158) und dass wissenschaftliche Texte bis zu einem gewissen Grad kulturabhängig sind (zu Literatur zur Universalität bzw. Kulturbedingtheit der Wissenschaftskommunikation vgl. z.B. Schröder 1995; Adamzik 2001). Ziel der nachfolgenden Darlegungen ist es, zu zeigen, dass viele der schon festgestellten divergierenden Merkmale in der Struktur der von Wissenschaftlern unterschiedlicher Nationalitäten verfassten Fachtexte auf unterschiedliche Strategien in der Gestaltung des Vorder-und Hintergrunds hindeuten. Offensichtlich richtet dieses Herangehen die Aufmerksamkeit nur auf eine bestimmte Phänomenklasse, doch das Bild, das auf diese Weise ermittelt wird, trägt dazu bei, festzustellen, wie es zur Konstituierung eines bestimmten Wissenschaftsstils kommt. 3.3.1 Versteht man unter Stil nicht nur die Art und Weise, wie etwas gestaltet wird, sondern auch, was wie stilistisch gestaltet wird (vgl. Sandig 1995: 28; Schröder 1995: 153f.), dann steht die Bezeichnung „wissenschaftlicher Stil" sowohl für Besonderheiten der sprachlichen Darstellungsformen als auch für Besonderheiten der inhaltlichen Struktur des wissenschaftlichen Produkts. Die letzteren zeigen sich u. a. im Wechselverhältnis zwischen Theorie und Empirie. Diese Position vertritt z.B. Galtung (1981; dt. Übersetzung 1985), indem er versucht, ausgehend von seinen Beobachtungen und Erfahrungen eine Typologie der „intellektuellen Stile" in unterschiedlichen Wissenschaftskulturen zu erstellen. Galtung sieht die Besonderheiten des teutonischen (d. h. auf der deutschen Tradition basierenden) intellektuellen Stils u. a. darin, dass für teutonische (wie auch für gallische) Intellektuelle im Zentrum ihrer Tätigkeit die Theoriebildung steht, wobei den empirischen Daten eher eine illustrierende als eine beweisende Funktion zukommt. Der sachsoni-sche Stil dagegen sei sehr stark im Dokumen- 27 tieren von Daten aller Art. Als Schwachpunkte des sachsonischen Stils werden die Theoriebildung und die Wahrnehmung von Paradigmen angesehen. Ebenso sei der nippo-nische Stil mehr faktenorientiert.1 Nach den gleichen oder zumindest nach ähnlichen Kriterien wie Galtung geht auch Stedje vor, wenn sie formuliert: „Ein schwedischer akademischer Vortrag zeichnet sich einmal dadurch aus, dass er oft von konkreten Beispielen ausgeht. Empirie ist bevorzugt, und lieber experimentell belegbare Untersuchungen als phänomenologische Vorgehensweisen. Ausländern fällt vielfach auf, dass der theoretische Überbau dabei in den Hintergrund rückt." (Stedje 1990: 30) Greift man auf die Opposition Figur -Grund zurück, dann lassen sich die von Galtung dargestellten intellektuellen Stile auf der einen Seite auffassen als deduktiv-theoretische Stile, die mehr dazu neigen, theoretische Ausführungen in den Vordergrund und das empirische Material in den Hintergrund zu stellen, und auf der anderen Seite als induktivempirische Stile mit dem empirischen Material im Vordergrund. 3.3.2 Einige interkulturelle Differenzen in Wissenschaftsstilen hängen mit einem unterschiedlich hohen Anteil der hintergründigen Informationen im Text zusammen. In diesem Sinne können die Ergebnisse textlinguistischer kontrastiver Untersuchungen in Clyne (z.B. 1981; 1987) interpretiert werden, wonach sich wissenschaftliche Aufsätze (aus den Domänen Linguistik und Soziologie) von Wissenschaftlern mit englischer Ausbildungs- und Muttersprache und solche von ihren Kollegen mit deutscher Ausbildungs- und Muttersprache im Grad der inhaltlichen Linearität, d.h. im Ein- bzw. Ausschließen von Fakten oder Argumenten je nach Beziehung zum Titel und Thema, unterscheiden. Ein Text gilt als „linear", wenn alle Textsegmente, alle Makropropositionen direkt aus den vorhergehenden folgen. Texte mit Abweichungen von der linearen Themenentwicklung oder mit viel zusätzlichen Informationen bezeichnet Clyne als „digressiv".2 Eine zentrale These Clynes ist, dass sich Texte von Englischsprachigen durch einen hohen Grad an Linearität auszeichnen, dagegen Texte von deutschsprachigen Wissenschaftlern (wie auch von französisch-, italienisch- und russischsprachigen - hier verweist Clyne 1987 auf Kaplan 1966; 1972) mehr zu Digressivität tendieren. Zwar bedeutet ein hoher Grad an Digressivität nicht unbedingt auch einen höheren Anteil von hintergründigen Informationen. Nach Clyne stellen sich über 65 % von Digres-sionen in Texten englischsprachiger Wissenschaftler als Resultat einer fehlerhaften Planung oder eines missglückten Versuchs, den Text zu kürzen, heraus. Anders in deutschen Wissenschaftstexten: Dort haben Digressionen, so Clyne, ihre spezifischen Funktionen, indem sie dem Autor ermöglichen, eine theoretische Perspektive einzufügen, eine historische Übersicht herzustellen, dem Text eine ideologische Dimension zu geben, eine Polemik mit Vertretern anderer Schulen zu führen usw. (vgl. Clyne 1987:227f.). Digressionen dieser Art tragen meistens dazu bei, dass ein detaillierterer, breiterer Hintergrund zur Hauptlinie der Argumentation entsteht. 3.3.3 In einigen Fällen zeugen die Besonderheiten in der Abfolge der Textsegmente von verschiedenen Strategien bei der Gliederung der Informationseinheiten in hervorgehobene, vordergründige einerseits und ergänzende, hintergründige andererseits. Eine häufige Strategie des Textaufbaus besteht darin, das Wichtigere zuerst darzustellen (wie z. B. dann, wenn man bei der Bildbeschreibung mit der Hauptfigur beginnt; vgl. Dressler 1989: 48ff.) und den wissenschaftlichen Text mit einer Definition des Themas, eines zentralen Begriffs oder der Untersuchungsziele anzufangen, z. B.: 1 Die von Galtung vorgetragenen Aussagen über intellektuelle Stile haben allerdings den Nachteil, dass sie nicht auf Korpusuntersuchungen basieren, was aber nicht automatisch bedeuten soll, dass seine Beobachtungen und die daraus abgeleiteten globalen Intuitionen falsch sein müssen. Das Verfahren der Selbst- und der Fremdbeobachtung in der interkulturellen Stilforschung gilt -trotz seiner offensichtlichen Schwächen - als eine wichtige Erkenntnisquelle und Grundlage für Hypothesenbildung (vgl. Schröder 1995: 1631). Außerdem schränkt Galtung den Geltungsbereich seiner Überlegungen auf die Sozialwissenschaften ein. 2 Um ein Beispiel zu geben: Zu „Digressionen" - Abweichungen vom angekündigten Thema - gehören im vorliegenden Aufsatz die Ausführungen über die stilistische Leistung des Groundings in literarischen Texten in 3.1, der parenthetische Hinweis auf die Literaturübersicht zu den Themen „Universalität" und „Kulturbedingtheit der Wissenschaftskommunikation" in 3.2 oder die Fußnoten nach dem Haupttext. 28 (1) Der Bericht befasst sich mit einem Experiment, das im Rahmen des Projekts [...] durchgeführt wurde. (2) Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der Frage [...] unter folgendem Aspekt: [...]. Ich konzentriere mich dabei auf einen Teilbereich des Problems: [...]. Es ist aber auch eine andere Strategie möglich, nämlich den Text mit den Hintergrundinformationen zu beginnen, entsprechend dem Prinzip: „Da man eine Figur als solche nur innerhalb des Grundes beobachten kann, ergibt sich schon daraus für die sukzessive Textverarbeitung als natürlichere Reihenfolge, dass die Figur erst nach wenigstens einem Exemplar des Grundes auftritt." (Dressler 1989: 51) Vgl: (3) Interkulturelle Kommunikation: vom Sprachkontakt zum Dialog der Kulturen Sprachkontakt, Kontaktlinguistik sind keine neuen Gegenstände der Linguistik. Zwar hat sich trotz der bereits in den fünfziger Jahren gesetzten Marksteine von Uriel Weinreich [...] und Einar Haugen [...] erst in den letzten Jahren eine systematische interlingual und soziolinguistisch ausgerichtete Sprachkontaktforschung herausgebildet. Dennoch sind Phänomene von Sprachkontakt, Sprachmischung, sprachlicher Überlagerung bereits von der Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts als Erklärung von Sprachwandel herangezogen worden. [...] Diese wissenschaftsgeschichtlichen Hintergründe im Blick zu haben, ist insofern bedeutsam, als [...] (Spülner, in: B. Spülner (Hg.) 1990: 17) So lässt sich aus der vergleichenden deutschrussischen Studie von Kotthoff (2001) schließen, dass in den Vorträgen von russischsprachigen Geisteswissenschaftlern die Tendenz zu beobachten ist, zunächst sehr viel (im Vergleich zu ihren deutschsprachigen Kollegen) an Hintergrundinformationen zu präsentieren, bevor die zentrale Information kommt; dasselbe - hier gehe ich von meinen eigenen Korpusuntersuchungen aus - gilt auch für die Textsorte Kongressakte. 3.3.4 Eine gewisse Unvollständigkeit in Bezug auf bibliographische Angaben, Quellen oder zusätzliche Materialien, das Fehlen von unterstützenden Zitaten etc. können in bestimmten Fällen eine Folge der (absichtlichen oder gewohnheitsmäßigen) Reduzierung von ergänzenden Informationen sein. Das Verzich- ten auf bestimmte hintergründige Informationen wurde zu einem stilistischen Merkmal vieler sowjetischer wissenschaftlicher Artikel (vgl. Baßler 1999); die Ursachen dafür lagen nicht zuletzt in begrenzten Kapazitäten universitärer Verlage und in den daraus resultierenden Einschränkungen des durchschnittlichen Umfangs der in Sammelbänden zu publizierenden Aufsätze. Auf dieser Ebene ist auch die Vermutung von Clyne (vgl. 1987: 234) angesiedelt, dass einige von ihm festgestellte Besonderheiten des wissenschaftlichen Stils in der DDR im Vergleich zu dem westdeutschen Stil - höherer Kompressionsgrad, höhere Integration von Daten etc. in den Text, häufigere Fälle von Diskontinuität - sich wahrscheinlich aus dem Wunsch ergaben, Papier zu sparen. 4 Die stilistische Wirkung des Groundings in Texten der Wissenschaft ergibt sich aus dem Abweichen von bestimmten Konventionen innerhalb einer wissenschaftlichen Gemeinschaft - dem Abweichen von intuitiv erfassten oder institutionell festgelegten Normen, die die Organisation eines Wissenschaftstextes als eines Textsortenexemplars bestimmen. Die Beschreibung und der Vergleich eigen- und fremdkultureller Rezeption wissenschaftlicher Texte liefern uns Beispiele, bei denen der Autor und der Rezipient von unterschiedlichen Normvorstellungen ausgehen, sodass die Rekonstruktion des Stils der Texte durch den Rezipienten Missverständnisse, ja Ablehnung des wissenschaftlichen Produkts hervorruft (vgl. z.B. Clyne 1981: 63f.; Stedje 1990: 30; Kotthoff 2001; Clyne/Kreutz 2003). So wird z.B. in Clyne (1981) oder in Clyne/Kreutz (2003) darauf hingewiesen, dass in der anglo-amerikanischen Sprachkultur die mitten in den Haupttext eingebetteten Digressionen (vgl. 3.3.2) vielfach negativ eingeschätzt werden und ein durch solche „Abschweifungen" gekennzeichneter Text als schwerfällig, weitschweifig oder sogar unzusammenhängend empfunden wird. In der Tat - mit dem angloamerikanischen Ideal eines „linearen" Textes, in dem alle Textsegmente, alle Makropropositionen aus den vorhergehenden folgen und der Anteil der „Abschweifungen" vom Thema gering ist, wird dem gestalttheoretischen Prinzip „Je mehr der Kontrast zwischen Figur und Grund verschärft wird, desto besser kann die Figur perzipiert werden, desto größer ist ihre Transparenz des Sig- 29 nans" (Dressler 1989: 47) in reichem Maße Rechnung getragen. Das sollte aber nicht automatisch bedeuten, dass der auf der angloame-rikanischen Tradition basierende „lineare" Darstellungsstil für die Zwecke der wissenschaftlichen Kommunikation am besten geeignet ist, was nicht selten aufgrund des zunehmenden Erfolgs des Englischen als Lingua franca des internationalen Wissenschaftsbetriebs unhinterfragt angenommen wird (vgl. z. B. die kritische Auseinandersetzung mit den Vorstellungen von der angeblich universalsprachlich idealen Linearität englischer Wissenschaftssprache in Kretzenbacher 2003). Erkennt man die Parallelen zwischen der Figur-Grund-Gliederung bei visuellen Wahrnehmungsprozessen und der Gegenüberstellung des Vorder- und Hintergrundes bei der Textrezeption an, so sei ein Text mit viel Hintergrundinformationen, die vielleicht noch mehrfach gestaffelt sind, mit einem komplexeren Bild zu vergleichen, bei dem „weder der Betrachter noch der Zuhörer, dem er das Bild beschreibt, Adamzik, Kirsten (2001): Kontrastive Textologie. Untersuchungen zur deutschen und französischen Sprach- und Literaturwissenschaft. Tübingen. Bartschat, Brigitte (1987): Aspekt und „grounding" in russischen Texten. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 6, 758-771. Baßler, Harald (1999): „Der folgende Diskurs hat eine empirische Basis." 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In: Journal of Pragmatics 11, 211-247. die Hauptfigur verstehen kann, ohne etwas von ihrem Bildkontext (also Grund) verstanden zu haben" (Dressler 1989: 50). Wie es keinem einfallen würde, ein Bild, das eine menschliche Figur auf einem dunklen, verschwommenen Hintergrund darstellt, aus dieser Tatsache allein besser oder schlechter zu nennen als ein Bild mit einer komplexeren Komposition, so wenig begründet sollte die Fragestellung erscheinen, ob der stärker „lineare" oder der stärker durch eine Digressivität gekennzeichnete Text mehr den Anforderungen der Wissenschaftskommunikation entspricht. Wie bei visueller Wahrnehmung die Interpretation der Figur durch ihren Grund beeinflusst wird (vgl. Reinhart 1984: 788ff.), so machen auch die hintergründigen, aus einer bestimmten Sicht überflüssigen Texteinheiten die für die Interpretation einer Textstelle oder des ganzen Textes vom Autor gemachten Prämissen explizit, tragen zur vollständigeren Konstruktion des besprochenen Problemfeldes bei und geben dem Text eine Perspektivenvielfalt. Clyne, Michael/Kreutz, Heinz (2003): Kulturalität der Wissenschaftssprache. In: A. Wierlacher/A. Bogner (Hg.), Handbuch Interkulturelle Germanistik. Stuttgart/Weimar, 60-68. Dressler, Wolfgang (1972): Einführung in die Textlinguistik. Tübingen. Dressler, Wolfgang (1989): Semiotische Parameter einer textlinguistischen Natürlichkeitstheorie. Wien. Galtung, Johan (1981): Structure, Culture and Intellectual Style. An Essay Comparing Saxonic, Feutonic, Gallic and Nipponic Approaches. In: Social Science Information 20, 817-856. Galtung, Johan (1985): Struktur, Kultur und intellektueller Stil. Ein vergleichender Essay über sachsonische, teutonische, gallische und nipponi-sche Wissenschaft. In: A. Wierlacher (Hg.), Das Fremde und das Eigene. Prolegomena zu einer interkulturellen Germanistik. München, 151-193. Goldstein, Bruce E. (2001): Wahrnehmungspsychologie. Eine Einführung. Heidelberg u. a. Kaplan, Robert B. (1966; 1972): Cultural thought patterns in intercultural education. In: Language Learning 16, 1-20. Wieder abgedruckt in: K. Croft (Hg.) (1972), Readings on English as a Second Language. Cambridge, Mass., 245-262. Kotthoff, Helga (2001): Vortragsstile im Kulturvergleich. Zu einigen deutsch-russischen Unterschieden. In: E.-M.Jakobs/A.Rothkegel (Hg.), Perspektiven auf Stil. Fübingen, 321-350. Literatur 30 Kretzenbacher, Heinz L. (2003): Sprachliche und kognitive Klammerstrukturen in Deutsch als Fremd- und Wissenschaftssprache - oder: Wein-rich'sche Brückenschläge. In: M. Thurmair/ E.-M. Willkop (Hg.), Am Anfang war der Text. 10 Jahre „Textgrammatik der deutschen Sprache". München, 113-133. Liang, Yong (1993): Fremdsprachenproblematik in der interkulturellen Fachkommunikation. In: A. Wierlacher (Hg.), Kulturthema Fremdheit. Leitbegriffe und Problemfelder kulturwissenschaftlicher Fremdheitsforschung. München. 153-171. Reinhart, Tanya (1984): Principles of gestalt perception in the temporal organization of narrative texts. In: Linguistics 22, 779-809. Sandig, Barbara (1995): Tendenzen der linguistischen Stilforschung. In: G. Stickel (Hg.), 27-61. Schröder, Hartmut (1995): Der Stil wissenschaftlichen Schreibens zwischen Disziplin, Kultur und Paradigma. Methodologische Anmerkungen zur interkulturellen Stilforschung. In: G. Stickel (Hg.), 150-180. Spillner, Bernd (Hg.) (1990): Interkulturelle Kommunikation. Kongressbeiträge zur 20. Jahrestagung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik. Frankfurt a. M. u. a. Stedje, Astrid (1990): Sprachliche Handlungsmuster und interkulturelle Kommunikation. In: B. Spillner (Hg.), 29-40. Stickel, Gerhard (Hg.) (1995): Stilfragen. Berlin/ New York. Weinrich, Harald (1964): Tempus. Besprochene und erzählte Welt. Stuttgart. 6., neu bearb. Aufl. 2001. München. Bielefelder Bibliographie Deutsch als Zweitsprache (BiDaZ) Im Juni 2006 wurde nach mehrjähriger Arbeit die Bielefelder Online-Bibliographie Deutsch als Zweitsprache (BiDaZ) ins Netz gestellt (http://www.uni-bielefeld.de/lili/studiengaenge/daf/bidaz/). Für BiDaZ wurden zahlreiche Print- und Online-Bibliographien sowie Fachzeitschriften ausgewertet. Das Ergebnis ist eine Bibliographie mit zurzeit über 3000 Einträgen. Die Bibliographie umfasst sowohl eine Vielzahl unterschiedlicher Lehr- und Lernmaterialien als auch wissenschaftliche Publikationen für den Kontext Deutsch als Zweitsprache. BiDaZ präsentiert sich als interaktive Materialbörse. Mit den zusätzlichen Funktionen werden alle Interessenten dazu eingeladen, sich am Ausbau der Bibliographie zu beteiligen und zu ihrer Aktualität beizutragen. Wissenschaftliche Projektleitung: Prof. Dr. Claudia Riemer (claudia.riemer@uni-bielefeld.de) Ansprechpartnerinnen: Sevilen Demirkaya (sevilen.demirkaya@uni-bielefeld.de), Julia Richter (julia.richter@uni-bielefeld.de) 31 Cornelia Debes Mündlicher Wissenschaftsdiskurs Russisch - Deutsch Ein sprechwissenschaftlicher Vergleich 1 Einleitung Vergleichende Untersuchungen zur Kommunikation zwischen Wissenschaftlern mit verschiedenen Muttersprachen stehen in Zeiten des internationalen Austauschs wissenschaftlicher Erkenntnisse und gemeinsamer Lehr-und Forschungsarbeiten im Mittelpunkt zahlreicher interkultureller Studien. Das Interesse der Forschung richtete sich dabei bisher vor allem auf den Bereich der geschriebenen Wissenschaftssprache - mündliche Formen der Kommunikation zwischen Wissenschaftlern wurden jedoch kaum thematisiert. Das trifft auch für die Kommunikation zwischen russischen und deutschen Wissenschaftlern zu, der überhaupt erst seit einigen Jahren Aufmerksamkeit zuteil wird. Eine größere Untersuchung schriftlicher russischer und deutscher Wissenschaftstexte wurde bis Ende 2004 am Deutschen Seminar der Universität Freiburg durchgeführt (vgl. Baßler 2001; 2002a; 2002b; ein Sammelband dazu soll Anfang 2007 erscheinen). Im vorliegenden Beitrag geht es um die mündliche Textsorte Tagungsvortrag im Vergleich Russisch - Deutsch. Je vier deutsche und russische Vorträge von je zwei soziologischen Fachtagungen in Russland und in Deutschland (2001 und 2002) wurden einer empirischen Textanalyse unterzogen (vgl. Debes 2003). Das Untersuchungsmaterial stammt aus dem Korpus der Universität Freiburg. Der Vergleich konzentrierte sich auf Aspekte des Inhalts, der Strukturierung, des Stils und des Kommunikationsziels. Trotz des relativ kleinen Untersuchungskorpus ließen sich verallgemeinerbare Tendenzen feststellen, die im Folgenden zusammengefasst sind. 2 Ergebnisse der Textanalyse 2.1 Vortragsinhalt Die russischen und die deutschen Vorträge wurden inhaltlich auf zwei Aspekte hin untersucht: 1. Welche Rolle spielen empirische Untersuchungen und Daten? 2. Inwieweit wird auf das wissenschaftliche Umfeld Bezug genommen? In den russischen Vorträgen waren Verweise auf empirische Untersuchungen oder Daten sehr selten. Wenn sie auftraten, dienten sie allenfalls der Verdeutlichung eines Textabschnitts oder unterstützten punktuell die Aussage des Referenten. In keinem der Vorträge stellten sie den Hauptgegenstand des Vortrags dar. Dagegen standen in den deutschen Vorträgen aktuelle empirische Untersuchungen und deren Ergebnisse durchgängig im Mittelpunkt der Ausführungen und nahmen den größten Teil der Vortragszeit ein. Sie waren manchmal zusätzlich flankiert von weiteren empirischen Daten wie Interviewaussagen oder statistischen Angaben. Für diese Unterschiede können verschiedene Ursachen vermutet werden. So mangelt es z. B. der russischen Wissenschaft an Geld, um empirische Untersuchungen durchzuführen, auszuwerten und publik zu machen (vgl. Baßler 2001:1; Kotthoff 2001:345; Gaponenko/ Gokhberg/Mindeli 1995). In Deutschland dagegen sind Forschungsinstitute und Universitäten vergleichsweise gut ausgestattet und es besteht die Möglichkeit, Forschungen über Stiftungen zu finanzieren. Ein weiterer Grund kann in der Geschichte der russischen Soziologie liegen: „In ihrem dreißig Jahre, wenn nicht in seinen Auswirkungen noch weit länger dauernden Winterschlaf war es der sowjetischen Soziologie verboten gewesen, handfeste Daten zur Situation ihrer Gesellschaft zu sammeln." (Füllsack 1999b: 1010) Möglicherweise haben aber auch empirische Daten und Fakten für russische Wissenschaftler prinzipiell eine geringere Beweiskraft bzw. gehören empirische Untersuchungen nicht zu den Orten, an denen überzeugende Argumente für die wissenschaftliche Diskussion gesucht werden. 32 In der Bezugnahme auf das wissenschaftliche Umfeld zeigten sich gleichfalls deutliche Unterschiede zwischen den deutschen und den russischen Vorträgen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Frage, wie und wie oft andere Wissenschaftler und Theorien benannt oder Literaturangaben gemacht werden. In den russischen Vorträgen gab es wesentlich seltener Verweise auf Wissenschaftler und Theorien. Häufiger als in den deutschen Vorträgen kamen jedoch Literaturverweise ohne konkrete Quellenangabe vor. Diese Ergebnisse korrespondieren mit Kotthoffs Erfahrungen bei russischen und bei deutschen Tagungsbeiträgen: In deutschen Vorträgen würden oft Kollegen zitiert sowie Theorien und Thesen konkret benannt (vgl. Kotthoff 2001: 326), die russischen Referenten verorteten sich dagegen weniger stark im wissenschaftlichen Umfeld (vgl. 322). In der Untersuchung von Zeitschriftenabstracts stellte auch Baßler fest, dass russische Autoren seltener Bezug auf den wissenschaftlichen Diskurs nähmen und dabei unkritischer als ihre deutschen und amerikanischen Kollegen seien, was sich in unserer Untersuchung gleichfalls abzeichnete: „Das deutet darauf hin, dass in den russischen Abstracts im Gegensatz zu den westlichen weniger Lücken im Forschungsdiskurs aufgedeckt bzw. andere Ansätze kritisiert werden." (Baßler 2001: 17) Gründe für diese Unterschiede können auch hier zum Teil im Geldmangel vermutet werden, der es den russischen Wissenschaftlern nur eingeschränkt erlaubt, andere, besonders ausländische Literatur zur Kenntnis zu nehmen. Deutlich werden diese Diskrepanzen z.B. bei der Ausstattung von Bibliotheken (vgl. Füllsack 1999a). Besonders westliche Bücher sind vielfach zu teuer in der Anschaffung. Ein weiteres, nicht weniger grundsätzliches Problem ist die Arbeitsvergütung der Wissenschaftler. Die Zeit, die für die Finanzierung des Lebensunterhalts aufgewendet werden muss, fehlt für umfangreichere Untersuchungen, für empirisch fundierte Veröffentlichungen oder einfach für die Rezeption von Literatur. Hinzu kommen die Größe Russlands und die Trennung zwischen Zentrum (hauptsächlich Moskau und St. Petersburg) und Peripherie (das restliche Land). Diese Konstellation führt dazu, dass Wissenschaftler recht isoliert arbeiten und auch der Forschungsstand des eigenen Fachs nicht unbedingt verfolgt werden kann. Kotthoff (2001: 345) beschreibt dagegen für die westliche Wissenschaft: „Im Westen verfügt das wissenschaftliche Feld über eine eng vernetzte Informationsstruktur, innerhalb deren sich prinzipiell alle orientieren können." Aus argumentationstheoretischer Sicht könnte man interpretieren, dass der Verweis auf andere Mitglieder der Wissenschaftsgemeinschaft und auf Literatur für russische Wissenschaftler weniger Beweiskraft besitzt als für deutsche. Eine Besonderheit der russischen Vorträge war das Zitieren von Schriftstellern. Das kann als Überbleibsel kommunistischer Wissenschaftskultur gewertet werden, wo der Bezug auf Schriftsteller eine erlaubte Nische der Meinungsdarstellung war (vgl. Füllsack 1999b: 1010), oder auch als Zeichen der allgemein größeren Bedeutung von schöngeistiger Literatur als Referenzadresse für die Geisteswissenschaften in Russland. 2.2 Vortragsstrukturierung In diesem Bereich wurde das Vorhandensein von Textkommentaren untersucht, d.h. von Sequenzen, in denen der Vortragende aus dem Textinhalt heraustritt, eine andere Haltung einnimmt und von außen den Verlauf des Vortrages kommentiert. Solche Kommentare kamen sowohl in den russischen als auch in den deutschen Vorträgen vor - die Häufigkeit des Auftretens unterschied sich jedoch auffallend. In den russischen Vorträgen traten strukturierende Hinweise viel seltener auf als in den deutschen Vorträgen. Dort hingegen waren Textkommentare ständig anzutreffen und gleichmäßiger über den Text verteilt. Die deutschen Vorträge schienen regelrecht in sich „verschaltet" zu sein durch Verweise auf später Folgendes oder schon Vorangegangenes. Dieses Phänomen der deutschen Wissenschaftssprache bestätigen andere Autoren so häufig (vgl. Eßer 1997; Gaberell 2001; Fand-rych/Graefen 2002), dass man es als grundlegendes Charakteristikum annehmen kann. Der Hörer wird „an die Hand genommen" und mit ihm wird gemeinsam Schritt für Schritt gegangen. Hofstede (vgl. 1993: 129ff.) beschreibt Deutschland als ein Land mit stark ausgeprägter Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung, was sich in dieser Vorgehensweise wiedererkennen lässt. In den russischen Vorträgen hingegen muss sich der Hörer relativ allein in der Struktur zurechtfinden. Auch Kotthoff (vgl. 2001: 344f.) 33 schreibt, dass Unterthemen nicht explizit genannt würden, und verweist auf die allgemein „sehr offen gehaltene Themenführung". Eine interessante Parallele zur Theaterkultur ergibt sich bezüglich des Perspektivwechsels: Das von deutschen Wissenschaftlern gepflegte „Von-außen-Schauen" - den Fluss des Vortrags unterbrechen und ihn kommentieren -erinnert an die Brecht'sche Theaterauffassung, während das Gegenteil, das „Im-Ge-schehen-Bleiben", Stanislawski zugeordnet werden könnte. 2.3 Vortragsstil Hier lag die Blickrichtung der Untersuchung auf den Einleitungen und den Schlussteilen der Vorträge. Zusätzlich wurden auftretende Fragetypen, Pauschalisierungen und Humor-Sequenzen sowie der Verweis auf die Zeit analysiert. Die russischen Vortragseinleitungen unterschieden sich von den deutschen durch ihre Gestaltungsvielfalt. Während in zwei Vorträgen knapp das Thema genannt und sofort zum Hauptteil übergegangen wurde, fielen die beiden anderen durch einen langen Einstieg auf, in dem viele, zum großen Teil emotionalisie-rende rhetorische Mittel verwendet wurden. Hingegen erschienen die deutschen Einleitungen vor allem sachlich, themenzentriert und vom Grundaufbau her einheitlich. In drei Vorträgen wurde das Thema genannt und mit Zusatzinformationen ausgestattet. Nur ein Vortrag wählte einen anderen Beginn, in dem eine Argumentationskette zum Thema hinführte, wobei auch hier die sachlich-rationale Nachvollziehbarkeit durch den Hörer im Vordergrund stand. Die Schlussteile wurden in den deutschen Vorträgen präzise angekündigt und bezogen sich deutlich auf den Inhalt oder den Anfang des Vortrags. In den russischen Vorträgen erkannte man den Übergang vom Hauptteil zum Schluss nur undeutlich oder gar nicht. Auch waren die Vorträge gedanklich nicht „gerahmt", der Bogen zurück zum Anfang wurde nicht geschlagen. Die russischen Vorträge unterschieden sich von den deutschen zusätzlich durch den Einsatz rhetorischer Fragen und Frage-Antwort-Sequenzen (der Redner stellt eine Frage und beantwortet sie selbst). Dieses Phänomen stellt auch Radünzel in ihrer Untersuchung politischer Reden vor der UNO fest: „Er- wähnt werden soll an dieser Stelle eine bemerkenswerte Besonderheit der russischen Reden: Der Textemittent stellt hier oft Fragen, die er danach selbst beantwortet." (Radünzel 2002: 351) Ein weiteres, auffälliges Merkmal der russischen Vorträge waren verabsolutierende Aussagen wie: „es ist allen klar, dass ..." oder „natürlich kennt man ...", die in den deutschen Vorträgen nur bei einem Referenten vorkamen. Auch Radünzel beschreibt in ihrer Untersuchung solche Sequenzen für das Deutsche als „absolut untypisch", während sie im Russischen „in weitaus größerem Umfang und ergänzt um diverse Varianten" (320) auftraten. Radünzel interpretierte sie als Anzeichen für intensivierenden, agitatorischen Stil. Sie dienten „als sprachliche Mittel zur Vereinnahmung des Auditoriums, indem sie subjektive Interpretationen der Realität und Meinungsäußerungen des Textemittenten gleichsam als allgemein bekannte und unstrittige Sachverhalte darstellen." (320) Noch stärker problematisiert Straßner (1992:1): Sprachliche Verabsolutierung „lenkt ab von eigenem Denken, suggeriert, daß die Aussagen stimmig sind, daß eine Überprüfung zu aufwendig ist und doch zu nichts führt. Sprachliche Verabsolutierung ist geeignet, die Adressaten zu überreden, zu überrumpeln, nicht zu überzeugen. Strittiges wird nicht mehr argumentativ in Geltendes überführt. Die gemachten Aussagen vertragen keinen Widerspruch." Dem sei der Kommentar eines zu diesem Phänomen befragten Russen gegenübergestellt: „Man hat die Empfindung, dass alle sowieso wissen, wovon ich spreche." Kopperschmidt (1989: 169) schreibt, sich auf Habermas beziehend und von der westlichen Sichtweise ausgehend, von einer „zur Zeit ausgreifende [n] Verfallstendenz weltbildabhängiger Plausibilitäten und einheitsstiftender Prinzipien (Gott, Geschlecht, Natur, Kosmos)" und dem daraus resultierenden Problem, „sich argumentativ auf ,letzte' Gründe berufen zu können." Es wäre möglich, dass dieses für Russland nicht zutrifft und bestimmte Grundannahmen als gemeingültig anerkannt werden. In drei deutschen Vorträgen fiel als Besonderheit auf, dass die Referenten mehrmals scherzhafte Bemerkungen machten, die vom Publikum mit Lachen quittiert wurden. Die meisten dieser Bemerkungen schienen von den Referenten geplant worden und nur bei einem Vortrag spontan und unbeabsichtigt ge- 34 wesen zu sein. Zusammen mit den sehr lockeren Ankündigungen durch die Moderatoren ergab sich eine wenig offizielle Atmosphäre -im Gegensatz zu den russischen Vorträgen, in denen es nur eine sachliche Publikumsreaktion gab und auch die Ankündigungen sehr formal ausfielen. Ein weiteres Phänomen in den deutschen Vorträgen war der häufige Verweis auf die knappe Zeit. Auch das könnte wieder im Sinne der Unsicherheitsvermeidung interpretiert werden: Dem Hörer wird nicht nur der inhaltliche, sondern auch der zeitliche Rahmen bekanntgegeben. Die sprecherischen Merkmale der Vorträge (Sprechgeschwindigkeit, Melodie, Dynamik und Emotionalität) wurden mithilfe muttersprachlicher Kontrollhörer anhand eines Fragebogens ermittelt. Dabei zeigten sich weniger eindeutige Tendenzen als erwartet. Es lässt sich festhalten, dass die russischen Kontrollhörer die sprecherischen Merkmale der russischen Vorträge als abwechslungsreicher bewerteten. Sie wurden als etwas schneller und lauter eingeschätzt und enthielten weniger Pausen. Die vier deutschen Vorträge wurden von den deutschen Kontrollhörern als sachlich und (eher) distanziert eingestuft. Vorsichtig interpretiert, könnte man eine größere Emotionalität der russischen Vorträge annehmen, die sich in einer bewegteren phonetischen Gestaltung zeigt. 2.4 Vortrags ziel Das Vortragsziel bzw. die kommunikative Absicht der russischen und der deutschen Vorträge lässt sich interpretierend entwickeln aus den Analyseergebnissen zu Inhalt, Strukturierung und Stil. Diese Interpretation muss allerdings sehr vorsichtig vorgenommen werden, da weder die Intention der Vortragenden noch die erreichte Wirkung bei den Zuhörenden abgefragt wurden. Das Hauptziel der deutschen Vorträge schien das Vorstellen von Untersuchungen, Vorgehensweisen, Ergebnissen und daraus resultierenden neuen Erkenntnissen und Fragestellungen zu sein, was bis zu drei Viertel der Vortragszeit ausmachen konnte. Meistens widmeten sich diese Untersuchungen einem klar abgegrenzten, sehr speziellen Gebiet - einer Forschungslücke, die geschlossen werden sollte (vgl. Baßler 2001: 15). Angesprochen war also ein enger Kreis von Forschern und Spezialisten auf diesem Gebiet. Den Referen- ten schien es erstrebenswert, seriös, wissenschaftlich und vorbereitet zu wirken - die häufige Bezugnahme auf andere Wissenschaftler und Theorien, der Verweis auf die Zeit sowie der wissenschaftliche Sprach- und Sprechstil unterstrichen diesen Eindruck. Gleichzeitig versuchten sie, eine lockere Atmosphäre zu schaffen und nicht zu langweilen. Scherzhaft gemeinte Äußerungen und wiederum der Verweis auf die Zeit belegen dieses Bemühen. Durch textorganisierende Kommentare sollte ein stringenter, runder Vortrag entstehen, in dem der „rote Faden" für den Zuhörer erkennbar ist. Das wurde besonders deutlich am Ende eines Vortrags beim Rückbezug auf dessen Anfang. Die kommunikative Absicht der russischen Vorträge dagegen war durch ihre uneinheitliche Gestaltung schwieriger zu bestimmen. Die russischen Referenten waren weniger bemüht, sich grundlegend theoretisch abzusichern, weder über empirische Untersuchungen noch über konkrete Bezugnahme auf wissenschaftliche Literatur, andere Wissenschaftler oder Theorien. Der Vortragsgegenstand musste auch nicht unbedingt neu oder exklusiv sein. Wichtiger schien es, eigene Gedanken und Ansichten zu einem Thema mitzuteilen. Dabei folgten die Vortragenden weniger einem logisch stringenten Gedankengang, oft reichten Assoziationsketten als Verbindungsglied zwischen den Textteilen aus. Es wurden keine Spezialthemen referiert, der Vortrag wäre auch einem breiteren Publikum zugänglich gewesen und bestätigte eher die „Zugehörigkeit zur Intelligenz" (Kotthoff 2001: 346). In den deutschen Vorträgen stand also die sachlich-rationale Nachvollziehbarkeit im Vordergrund mit der Möglichkeit, sich von Fakten und Zahlen überzeugen zu lassen. In den russischen Vorträgen dagegen kam es mehr auf die Übermittlung der eigenen Ansichten und Gedanken an. Würde man die deutschen Vorträge eher zwischen Informations- und Meinungsrede einordnen, so stünden die russischen Vorträge zwischen Mei-nungs- und Festrede, was sich mit Kotthoffs Einschätzung (vgl. 2001: 345f.) deckt. 3 Abschließende Gedanken und weiterführende Forschungsansätze Die vorliegenden Analyseergebnisse sollten nicht unter dem Gesichtspunkt „besser" vs. „schlechter" betrachtet werden, sondern als 35 differierende Varianten, die in ihren Eigenheiten Existenzberechtigung haben. Gerade in der unterschiedlichen Herangehensweise an ein wissenschaftliches Thema liegt ein großes Potenzial, das man sich bewusst zunutze machen kann, indem man versucht, den anderen „intellektuellen Stil" nachzuvollziehen und damit den eigenen Horizont zu erweitern. Bisher vorliegende Untersuchungen sind nur teilweise aussagekräftig, deshalb sollten Baßler, H. (2001): Russische, deutsche und anglo-amerikanische Zeitschriftenabstracts der Soziologie. Worin unterscheiden sie sich? Unveröff. Ms. eines Vortrags auf dem Wiener Kolloquium 15.-17.11.2001. Baßler, H. (2002a): Die Verortung deutscher und russischer Autoren im wissenschaftlichen Diskurs. Unveröff. Ms. eines Vortrags auf der 24. Jahrestagung der DGfS am 27.02.2002 in Mannheim. Baßler, H. (2002b): Identitätskonstruktion russischer Soziologinnen. Wissenschaftstexte in Deutschland und Russland. Subjektivität und Verortung des Autors im Wissenschaftsdiskurs. Unveröff. Ms. eines Vortrags auf dem Forschungssymposium der Volkswagenstiftung. Debes, C. (2003): Vergleichende Untersuchung der sprachlich-sprecherischen Gestaltung von russischen und deutschen Konferenzvorträgen. Halle (Diplomarbeit). Eßer, R. (1997): „Etwas ist mir geheim geblieben am deutschen Referat." Kulturelle Geprägtheit wissenschaftlicher Textproduktion und ihre Konsequenzen für den universitären Unterricht von Deutsch als Fremdsprache. München. Fandrych, Ch./Graefen, G. (2002): Text commenting devices in German and English academic articles. In: Multilingua 21/1, 17-34. Füllsack, M. (1999a): Auf Wunder hoffen ... Zur tristen Situation in russischen Provinzbibliotheken. In: Zeitschrift für Gegenwartsfragen des Ostens 49/6, 584-596. sie systematisiert und ergänzt werden. Dazu könnten auch weitere Kommunikationssituationen unter zusätzlichen Fragestellungen untersucht werden. Anzustreben sind interdisziplinäre Projekte, bei denen gleiche Korpora von unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen analysiert und Ergebnisse wechselseitig und einander ergänzend interpretiert werden. Füllsack, M. (1999b): Zwischen Business und politischem Engagement. Zur Situation der postsowjetischen russischen Soziologie. In: Zeitschrift für Gegenwartsfragen des Ostens 49/10. 1010-1020. Gabereil, R. (2001): Das Problem der Linearität wissenschaftlicher Texte. Aspekte der Kohäsion und Kohärenz des Deutschen und des Französischen. In: K. Adamzik (Hg.), Kontrastive Tex-tologie. Tübingen, 287-327. Gaponenko, N. u.a. (1995): Transformation der Wissenschaft Russlands. In: R. Mayntz u. a. (Hg.), Transformation mittel- und osteuropäischer Wissenschaftssysteme. Länderberichte. Opladen. 382-570. Hofstede, G. (1993): Interkulturelle Zusammenarbeit, Kulturen, Organisation, Management. Wiesbaden. Kopperschmidt, J. (1989): Methodik der Argumentationsanalyse. Stuttgart. Kotthoff, H. 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Klieme et al. 2003) findet gegenwärtig im gesamten Bildungsbereich eine intensivierte Diskussion über Qualität statt; Helmke/Hornstein/Terhart (2000) meinen gar eine „epidemische Bezugnahme auf .Qualität'" (7) erkennen zu können. Der viele Sach- und Handlungsfelder übergreifende Qualitätsdiskurs hat seine Wurzeln in den 1990er Jahren, als knapper werdende öffentliche Mittel, ein stetiger Kommerzialisierungsdruck, die daraus resultierende gestiegene Konkurrenz unter Bildungsanbietern, veränderte Ansprüche von Teilnehmern und Mitarbeitern sowie das Bedürfnis nach einer größeren Transparenz von Bildungsangeboten im Sinne des Verbraucherschutzes (vgl. Heimlich 2003) zu einer Übertragung des Qualitätsansatzes aus den Arbeits- und Organisationswissenschaften auf das gesamte Sozial- und Bildungswesen führten (für einen Überblick vgl. Helmke/Hornstein/Terhart 2000). Wurde dies zunächst noch als kurzlebige Modeerscheinung abgetan, so erwies sich in den folgenden 15 Jahren die Nachhaltigkeit der Entwicklung. Um nur zwei Beispiele mit weitreichenden Konsequenzen zu nennen: Die Europäische Union (vgl. 1992) verpflichtet ihre Mitgliedsstaaten im Artikel 126 des Maastrichtvertrages zu einer gezielten Entwicklung von (nachweislich) qualitativ hochwertigen Bildungsangeboten. Ebenso benennt die Deutsche Kultusministerkonferenz (1997: 28) als wichtige Aufgabe die „Entwicklung von Maßnahmen zur Sicherung der Qualität schulischer Bildung"; als hierfür erforderliches Mittel wird die Entwicklung von „Instrumenten der Evaluation" angesehen. Ökonomisch-gesellschaftliche Rahmenbedingungen und politische Vorgaben haben im Laufe der Zeit zur Entwicklung bzw. Anpassung von Qualitätsmanagementsystemen speziell für den Bildungssektor geführt (für einen Überblick vgl. z.B. Altrichter/Posch 1997; Gnahs 1998; Arnold/Faber 2000). Hierzu gehören auf internationaler Ebene u. a. eine externe Zertifizierung von Bildungsanbietern gemäß den Industrienormen DIN EN ISO 9000-9004 oder DIN EN ISO 10015. Ein weiteres, vor allem auf Selbstevaluationen von Bildungsanbietern basierendes Modell beruht auf den Arbeiten der „European Foundation for Quality Management" (EFQM) (vgl. z. B. Hei-nold-Krug/Griep/Klenk 2001). Darüber hinaus bestehen eine Reihe bundesweiter Initiativen wie die „Lernerorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung" (vgl. Zech 2005) oder die „Stiftung Bildungstest" (vgl. 2001) nach dem Modell der Stiftung Warentest. Schließlich stellen auch „hausgemachte" Qualitätssysteme -überwiegend auf der Grundlage von Selbstevaluationen - Maßnahmen zur Sicherung bzw. Entwicklung von Qualität dar. Was die Realität des Qualitätsmanagements angeht, so praktizieren in der beruflichen Weiterbildung zur Qualitätssicherung bereits 76 % der befragten Einrichtungen in Eigenverantwortung erstellte Selbstevaluationen; 29 % wenden eine ISO-Zertifizierung an und 15 % das EFQM-Modell. Dies ergab eine Telefonbefragung mit 1.496 Teilnehmern (vgl. Gnahs/Kuwan 2004). Ferner gehen insgesamt 90 % der Befragten von einer „viel wichtigeren" bzw. „wichtigeren" Rolle der Qualitätsentwicklung in den kommenden drei Jahren aus. Als besonders zukunftsfähiger Ansatz wird neben Selbstevaluationen (51 %) vor allem die ISO-Zertifizierung angesehen (38 %). Es liegt auf der Hand, dass auch der Fremdsprachenbereich von der allgemeinen Diskussion über Qualität im Bildungssektor erfasst wurde (vgl. dazu den Überblicksartikel von von der Handt 2003). Im Grunde stehen Qualitätsaspekte - freilich meist ohne dies explizit so zu benennen - schon seit jeher im Brenn- 37 punkt der Fremdsprachendidaktik - etwa wenn nach den Merkmalen eines guten Fremdsprachenunterrichts gefragt wurde, nach Maßnahmen zur Professionalisierung von Lehrkräften, nach Indikatoren zum Vergleich von Leistungen unterschiedlicher Lerner, nach Kriterien zur Ermittlung der Qualität von Lehrwerken, nach der Überlegenheit bestimmter didaktischer Methoden usw. Sosehr auch Antworten auf die genannten Fragen im Einzelfall zu einer Optimierung von Lehr- und Lernprozessen führen mögen, so fehlen doch zwei wesentliche Elemente, um von einem Qualitätsmanagement im eigentlichen Wortsinne sprechen zu können: Wie weiter unten noch ausführlicher dargestellt wird, müssen erstens sämtliche qualitätsrelevanten Maßnahmen in einem System koordiniert sein; zweitens müssen diese dokumentiert sein. Diesbezügliche Aktivitäten beginnen Anfang der 1990er Jahre, als der Arbeitskreis der Sprachenzentren (AKS) ein vereinheitlichtes Ausbildungs-, Zertifikations- und Akkreditierungssystem für Fremdsprachen im Bereich der deutschen Hochschulen vorschlägt: UNI-cert® (vgl. Voss 2004; http://rcswww.urz.tu-dresden.de/~unicert). Außer mit einer Systematik zur Beschreibung fremdsprachlicher Kompetenzen (ähnlich wie später der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen) bemüht sich UNIcert um Transparenz und Qualität bei Sprachkursen durch die Formulierung von Mindeststandards für vorhandene Ressourcen, den zeitlichen Umfang von Unterricht, Gruppengrößen usw. Über 50 zertifizierte Einrichtungen, mittlerweile sogar im europäischen Ausland, belegen Erfolg und Nutzen des UNIcert-Konzeptes. Auf europäischer Ebene wurde etwa zur gleichen Zeit die „European Association for Quality Language Services" (EAQUALS) gegründet (www.eaquals.org). Es handelt sich dabei um die einzige paneuropäische Organisation, die Inspektionen von Sprachlehreinrichtungen durch internationale Experten durchführt (vgl. von der Handt 2003). Auf der Basis eines „code of practice" und darauf aufbauender Chartas zu den Themenbereichen „Lerner", „Mitarbeiter" und „Informationsmaterialien" wurde ein Inspektionsschema entwickelt, auf dessen Grundlage sich Sprachkursanbieter extern evaluieren lassen können (vgl. Hey worth 2000). Bei Erfüllung der entsprechenden Kriterien werden die überwie- gend privaten Einrichtungen für drei Jahre Mitglied im EAQUALS-Verbund; anschließend muss für eine Reakkreditierung eine neuerliche Inspektion durchlaufen werden. Die Beschreibung einer deutschen EA-QUALS-Schule liefert Roos (vgl. 2000). Speziell für den Bereich Deutsch als Fremdsprache erfolgte 1996 die Gründung des Vereins „Interessengemeinschaft Deutsch als Fremdsprache" (IQ) (vgl. Schneider 1998). Analog zum Konzept von EAQUALS wurden DaF-spezifische Qualitätskriterien und Inspektionsrichtlinien erarbeitet, wobei jedoch ein besonderer Schwerpunkt auf der Qualität des Unterrichts liegt. Inspizierte Sprachlehreinrichtungen erhalten beim Nachweis der Qualitätskriterien ein Gütesiegel. Ein weiterer großer Strang der Qualitätsdebatte in der Domäne Deutsch als Fremdsprache spielt sich in Zusammenhang mit der DIN EN ISO-Zertifizierung ab (vgl. z.B. Hildenbrand 1998). In dieser Hinsicht liegt eine Reihe von Erfahrungsberichten privater Kursanbieter vor (vgl. z. B. Brummund 1998; Freudenfeld 1998; Brunk 2000). Nach Einschätzung der Autoren hat die externe Zertifizierung in ihren Einrichtungen u. a. positive Auswirkungen gezeitigt im Hinblick auf eine stärkere Kundenorientierung und höhere Kundenzufriedenheit, eine Stabilisierung von Arbeitsprozessen, eine transparente Verteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten sowie einen gewinnbringenden Umgang mit Ressourcen. Komplementär zu den qualitätsbezogenen Aktivitäten in der Praxis finden sich im Fach Deutsch als Fremdsprache zunehmend auch Arbeiten mit eher theoretischem und methodologischem Interesse. Diesbezüglich sind vor allem Publikationen zu Evaluationsinstrumenten zu nennen, etwa zur Unterrichtsbeobachtung (vgl. Krumm 1999), zu Fragebögen, Interview, Unterrichtsbeobachtung (vgl. Bausch/ Helbig-Reuter 2003), zu Lernstandserhebun-gen (vgl. Bebermeier 2000), zu Zielsprachen-audits (vgl. Raasch 2000) und zur Unterrichtsforschung (vgl. Boeckmann 2004). Ganz neue Impulse hat der Qualitätsdebatte die Veröffentlichung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) (vgl. Europarat 2001) gegeben. Mit dem GER liegt seit jüngerer Zeit ein Werk vor, das die Fremdsprachendidaktik wohl wie kein zweites beeinflusst hat (vgl. Bausch 2003), beispielsweise in Handlungsfeldern wie 38 der curricularen Planung, der Erstellung von Lehr- und Lernmaterialien oder der Leistungsmessung. Obschon der GER nicht explizit für sich in Anspruch nimmt, die Qualität des Fremdsprachenlernens und -lehrens zu erhöhen, so ist doch das Ziel einer Förderung von fremdsprachlichen Kompetenzen der europäischen Bürger (Mehrsprachigkeitskon-zept) ganz eindeutig qualitätsbezogen. Der Zusammenhang zwischen dem GER und Fragen der Qualitätssicherung wurde in der Fachliteratur auch immer wieder ausdrücklich anerkannt (vgl. u.a. Brown/Hey worth 1999; Council of Europe 2002; Abel 2003; Bausch 2003; von der Handt 2003; Königs 2003). Vor dem Hintergrund des außerordentlich hohen Bekanntheitsgrades und der großen Akzeptanz des GER geht der vorliegende Aufsatz der Frage nach, inwieweit dieser zum Aufbau eines fremdsprachenbezogenen Qualitätsmanagementsystems geeignet ist. Die Ausführungen sollen primär Praktikern dazu dienen, unter Verwendung von Elementen des GER mit relativ geringem Aufwand ein funktionierendes fremdsprachenbezogenes Qualitätsmanagementsystem einrichten zu können. Vorab ist jedoch in Abschn. 2 zu klären, was genau unter der Bezeichnung „Qualitätsmanagement" eigentlich zu verstehen ist; auch werden einige damit in Zusammenhang stehende Termini ausführlicher vorgestellt. Abschn. 3 beschäftigt sich auf einer allgemeinen Ebene mit den spezifisch qualitätsrelevanten Aspekten des GER. Abschn. 4 stellt dar, wie der GER als Hilfsmittel für die Qualitätsplanung im Hinblick auf Lernprodukte und Lernprozesse sowie für die Qualitätslenkung dienen kann. Ein abschließender Abschnitt bilanziert die Leistungen des GER bei der Schaffung und Sicherung von Qualität im Bereich des Fremd-sprachenlehrens und -lernens. 2 Ein klassisches Qualitätsmanagementmodell Qualitätsmanagement (QM) zielt auf die systematische Kontrolle über relevante Arbeitsprozesse (vgl. Zollondz 2002:198). Besondere Verdienste bei der Entwicklung und Verbreitung des Qualitätsmanagements kommen den nationalen und internationalen Normierungsinstanzen zu. Richtungsweisende Dokumente finden sich darum in den deutschen, europäischen und internationalen Industrienormen (DIN, EN, ISO). DIN EN ISO 9000: 2000 fasst Qualitäts- management prägnant als „aufeinander abgestimmte Tätigkeiten zum Leiten und Lenken einer Organisation bezüglich Qualität" (nach Zollondz 2002:192). Genauer gesagt, soll Qualitätsmanagement sicherstellen, dass Arbeitsprozesse nach bestimmten, von einer Einrichtung selbst festgelegten Anforderungen ablaufen. Mittel des Qualitätsmanagements sind Qualitätsplanung, Qualitätslenkung, Qualitäts-sicherung/QM-Darlegung und Qualitätsverbesserung (vgl. Zollondz 2002:33). Für das Verständnis des Qualitätsmanagements ist sein Systemcharakter ausschlaggebend. Qualitätsmanagement ist demnach nicht als Bündel isolierter Einzelmaßnahmen aufzufassen. Vielmehr ist entscheidend, dass qualitätsrelevante Ziele, aufeinander abgestimmte Methoden zur Erreichung der Ziele sowie Verantwortlichkeiten in ein so genanntes Qualitätsmanagementsystem integriert und in einem Text, der „QM-Darlegung", ausführlich dokumentiert werden. Ein wichtiges Instrument des Qualitätsmanagements bildet die Qualitätsplanung. DIN EN ISO 9000:2000 begreift darunter „Teile des QM, gerichtet auf die Erklärung der Qualitätspolitik, der Qualitätsziele und der Qualitätsforderungen sowie auf die Spezifizierung, wie diese zu erreichen bzw. zu erfüllen sind" (nach Zollondz 2002: 33). Während die Qualitätspolitik recht abstrakte Aussagen zur Qualität trifft, also gewissermaßen die „Qualitätsphilosophie" einer Organisation ausbuchstabiert, geht es auf den anderen Ebenen um die Benennung von Qualitätszielen und um die Spezifikation konkreter Anforderungen an Produkte bzw. Arbeitsprozesse. In der Folge beschäftigt sich Qualitätsplanung sowohl mit der Planung des Produkts als auch mit Festlegungen zu Führungs- und Ausführungstätigkeiten bei der Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems. Ein weiterer Teilbereich der Qualitätsplanung ist die Erstellung von Qualitätsmanagementplänen, die Angaben darüber enthalten, welche Tätigkeiten in einer Organisation zur Entwicklung und Verbesserung von Qualität durchgeführt werden und in welchem Zusammenhang sie stehen. Auf den Planungstätigkeiten baut die Qualitätslenkung auf. Hierbei handelt es sich um einen „Teil des QM, gerichtet auf die Erfüllung von Qualitätsforderungen" (DIN EN ISO 9000: 2000; nach Zollondz 2002: 33). Die Kernidee besteht darin, dass Ergebnisse bzw. 39 Zwischenergebnisse mit den zuvor gefassten Qualitätsforderungen verglichen werden. Im Falle von gravierenden Diskrepanzen sind dann Gegenmaßnahmen einzuleiten. Um alle diesbezüglichen Tätigkeiten überhaupt steuern zu können, ist evidenterweise die Erhebung von Ist-Werten - oder mit anderen Worten: eine Qualitätsprüfung - erforderlich. Die QM-Darlegung versteht sich als „Teil des QM, gerichtet auf die Schaffung von Vertrauen, daß relevante Qualitätsforderungen erfüllt sein werden" (DIN EN ISO 9000: 2000; nach Zollondz 2002: 33). Gemeint ist damit u. a. die Dokumentation und Bekanntmachung aller Maßnahmen zur Entwicklung und Sicherung von Qualität. Als letztes Element des Qualitätsmanagements ist die Qualitätsverbesserung zu nennen. Sie meint einen „Teil des QM, gerichtet auf die Steigerung von Effektivität und Effizienz" der für die Erreichung eines Ergebnisses durchzuführenden Prozesse (DIN EN ISO 9000: 2000; nach Zollondz 2002: 33). Vor dem Hintergrund dieser komprimierten Darstellung des Qualitätsmanagements industrieller Provenienz stellt sich vor allem für Praktiker die Frage, wie sich seine Grundelemente auf Sprachlehr- und Sprachlernprozesse anwenden lassen. Völlig zu Recht lassen sich Zweifel daran anbringen, ob dies überhaupt möglich ist (vgl. Brown/Heyworth 1999; von der Handt 2003). Zum einen ist die Fremdsprachendidaktik weit von einem Konsens darüber entfernt, was unter der Qualität von Fremdsprachenlernen überhaupt zu verstehen sei, nicht zuletzt weil es sich bei dem Gegenstand des Qualitätsmanagements um ein äußerst komplexes „Produkt" handelt, die fremdsprachliche Kompetenz. Auch sind an den Fremdsprachenunterricht mit seinem genuin interaktiven Charakter ganz andere Maßstäbe anzulegen als an industrielle Prozesse oder Dienstleistungen. Zum anderen ergeben sich aus der Kundenorientierung des industriellen Ansatzes Probleme, denn beim Fremdsprachenlernen trägt der Anbieter einer Dienstleistung offensichtlich nicht die alleinige Verantwortung für das Produkt. Überdies besitzt der Fremdsprachenlerner als „Kunde" häufig gar keine Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Produkten, da diese (über institutionelle Rahmenbedingungen wie Curricula) weitgehend vorgegeben sind. Weiterhin ist der industrielle Ansatz nur eingeschränkt auf den Bereich des Fremdsprachenlernens übertragbar, weil sich die langfristigen Erfolge von Lernprozessen nur schwer messen lassen. Schließlich weisen Brown/Heyworth (vgl. 1999) darauf hin, dass das Ideal der Null-Fehler-Toleranz beim Fremdsprachenlernen keine sinnvolle Kategorie sei, da Fehler in der Fremdsprachenerwerbsforschung mittlerweile überwiegend als notwendige Etappen auf dem Weg zur Entwicklung der fremdsprachlichen Kompetenz angesehen werden. Ungeachtet aller berechtigten Bedenken zeigen Erfahrungen aus der Praxis, dass Qualitätsmanagement - in welcher Spielart auch immer - die Qualität von Prozessen und Dienstleistungen in Bildungseinrichtungen nachhaltig verbessern kann. Zudem sind auch Qualitätsexperten der Meinung, dass die Offenheit des Qualitätsmanagementansatzes eine Anpassung an die spezifischen Gegebenheiten des Fremdsprachenlernens erlaubt (vgl. Brown/Heyworth 1999; von der Handt 2003). In Abschn. 3 soll darum gezeigt werden, welche Anhaltspunkte speziell der GER für ein Qualitätsmanagement bei Sprachlehr- und -lernprozessen bietet. 3 Qualitätsrelevante Aspekte des Referenzrahmens Am bekanntesten und geschätztesten ist der GER zweifellos für die Beschreibung fremdsprachlicher Kompetenzen und ihre Zuordnung zu den sechs Niveaustufen Al, A2, Bl, B2, Cl und C2. Neben der allgemeinen Formulierung fremdsprachlicher Kompetenz (Globalskala) findet sich auch deren Auffächerung in verschiedene Teilkompetenzen (Detailskalen). Die globale Beschreibung der fremdsprachlichen Kompetenz auf dem Niveau B2 lautet beispielsweise: Kann die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen; versteht im eigenen Spezialgebiet auch Fachdiskussionen. Kann sich so spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne größere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist. Kann sich zu einem breiten Themenspektrum klar und detailliert ausdrücken, einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben. (Europarat 2001:35) Ergänzend zur holistischen Kompetenzskala enthält der GER 54 Skalen zur Beschreibung von Teilkompetenzen, und zwar für die Berei- 40 che „kommunikative Aktivitäten", „interaktive Aktivitäten", „produktive Aktivitäten", „kommunikative Strategien", „Textarbeit" sowie „kommunikative Sprachkompetenz". Sämtliche genannten Kategorien unterteilen sich nochmals in Subkategorien, etwa die Kategorie „Interaktion schriftlich" in die Subkategorien „schriftliche Interaktion allgemein", „Korrespondenz" und „Notizen, Mitteilungen und Formulare". Ein Beispiel für die Detailskala „Korrespondenz" auf dem Niveau B2 wäre der Deskriptor: Kann in Briefen verschieden starke Gefühle zum Ausdruck bringen und die persönliche Bedeutung von Ereignissen und Erfahrungen hervorheben sowie Mitteilungen oder Ansichten der Korrespondenzpartner kommentieren. (Europarat 2001: 86) Sowohl die globale als auch die analytische Beschreibung fremdsprachlicher Kompetenzen können im Rahmen des Qualitätsmanagements eine wichtige Rolle spielen, denn beide bilden Kriterien dafür, wie fremdsprachliche Kompetenz(en) beschaffen ist (sind) oder beschaffen sein soll(en). Terminologisch ausgedrückt, erlauben Kompetenzdeskriptoren zum einen im Sinne der Qualitätsplanung die Formulierung von Qualitätsforderungen an das Produkt „fremdsprachliche Kompetenz". Zum anderen sind Kompetenzdeskriptoren als Kriterien für die Qualitätsprüfung geeignet. Für das Qualitätsmanagement sind Kompetenzdeskriptoren jedoch insofern von nur begrenztem Nutzen, als sie allein die Produkte von Lehr- und Lernprozessen betreffen, nicht aber die Vorgänge, die zur Erstellung der Produkte führen. Schneider (vgl. 2003: 99) weist zudem darauf hin, dass nicht für alle denkbaren Teilkompetenzen Skalen entwickelt wurden; diese nichtskalierten Kompetenzen seien aber nicht minder wichtig als die skalierten. Weniger bekannt als für skalierte Kompetenzbeschreibungen ist der GER für seine in großer Anzahl enthaltenen Aufforderungen an seine Benutzer, über bestimmte qualitätsrelevante Aspekte ihrer Tätigkeit zu reflektieren und diese zu explizieren. Der Inhalt jedes Fragekastens bezieht sich auf die Dimensionen des Lernens, des Lehrens und der Beurteilung. Wie im Folgenden gezeigt werden soll, sind besonders diese Aspekte des GER keineswegs „Strass und Tand" (Quetz 2003: 154; ähnlich auch Edmondson 2003), sondern im Gegenteil von sogar zentraler Bedeutung für die Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung bei Lehr- und Lernprozessen. Ein Beispiel für einen Fragekasten im GER bezieht sich auf die Anwendungssituationen der zielsprachlichen Sprachverwendung: Die Benutzer des Referenzrahmens sollten bedenken und, soweit sinnvoll, angeben, in welchen Lebensbereichen die Lernenden handeln müssen, auf welche sie vorbereitet werden sollen und welche Anforderungen an sie gestellt werden. (Europarat 2001: 53) Der zitierte Fragekasten versucht offensichtlich, eine Nutzergruppe (gemeint sind Sprachlehrer, Prüfer, Ersteller von Curricula oder Autoren von Lehr- und Lernmaterialien) zum Nachdenken darüber zu veranlassen, welche zielsprachlichen Situationen Lernende bewältigen können müssen. Ferner impliziert das Zitat Überlegungen dazu, über welche diesbezüglichen Fertigkeiten Lernende schon verfügen und welche Fertigkeiten demzufolge noch zu vermitteln sind. Schließlich sollen unter dieser Perspektive auch konkrete Anforderungen im Sinne von prüfungsrelevanten Kriterien an die Lernenden ausbuchstabiert werden. Auf einer anderen Abstraktionsebene betrachtet, sollen durch Fragekästen differenzierte Aussagen über eine Facette des Produkts „fremdsprachliche Kompetenz" elizitiert werden. Ähnlich wie die oben diskutierten Kompetenzdeskriptoren ist dieser Gesichtspunkt leitend für die Qualitätsplanung und Qualitätslenkung. Die Fragekästen gehen aber insofern über die Kompetenzdeskriptoren hinaus, als sie die Verwender des GER auch systematisch zu einer Einbeziehung der Voraussetzungen eines Lernprozesses sowie der eingesetzten Lehr- und Lernmethoden veranlassen. Vor allem die für das Qualitätsmanagement primär interessierende Prozessdimension wird erst über die Fragekästen abgedeckt. Die exemplarisch vorgestellten Fragekästen verteilen sich über den gesamten GER und sind daher (im Unterschied zu den skalierten Leistungsdeskriptoren) vergleichsweise schwer gezielt auffindbar. Wegen ihrer großen Bedeutung in Zusammenhang mit Anwendungsszenarien wie Sprachkursen, ganzen Sprachlernprogrammen oder der Erstellung von Materialien für das selbst gesteuerte Lernen systematisiert Abschn. 4 unter Einbeziehung der Kompetenzdeskriptoren die im GER vorkommenden Fragekästen. 41 4 Qualitätsmanagement mit dem Referenzrahmen Gemäß den Grundannahmen des Qualitätsmanagements müssen seine Teilaspekte möglichst präzise implementiert und miteinander verzahnt werden. Wie nachfolgend zu entwickeln sein wird, bietet der GER eine hervorragende Basis für die Qualitätsplanung im Hinblick auf fremdsprachenbezogene Lernprodukte und Lernprozesse, auf diesbezügliche Techniken der Qualitätsüberprüfung, der Dokumentation von qualitätsbezogenen Aktivitäten sowie der Qualitätsverbesserung. Mit diesem Rüstzeug sollte es jedem Praktiker möglich sein, mit nur geringem Aufwand ein funktionierendes fremdsprachenbezogenes Qualitätsmanagement aufzubauen. Als Arbeitshilfe finden sich ergänzend zum vorliegenden Text Checklisten auf der Internet-Seite www.uni-leipzig.de/herder/mitarbeiter/ baeren/qualitaet.htm. 4.1 Qualitätsplanung 4.1.1 Produkte Eine der zentralen Aufgaben im Zuge der Qualitätsplanung ist die Konzeption des Produkts bzw. die Explizierung diesbezüglicher Qualitätsforderungen. Für diese Aufgabenstellung enthält der GER in seinen Kap. 4 und 5 eine Fülle von Hinweisen. So beschäftigt sich Kap. 4 primär mit den Fragestellungen, wie das Produkt „fremdsprachliche Kompetenz" beschaffen sein soll im Hinblick auf Kommunikationssituationen, auf Voraussetzungen für die Lernenden, auf Themen, Begriffe und Konzepte, auf kommunikative Aufgaben sowie auf in Sprachverwendungs-situationen vorkommende Medien. Kap. 5 geht demgegenüber ausführlich auf allgemeine Kompetenzen und Fertigkeiten der Lernenden ein sowie auf ihre spezifisch (fremd)sprachlichen Kompetenzen und Fertigkeiten. In beiden genannten Kapiteln des GER sind in großer Zahl die in Abschn. 3 vorgestellten Kompetenzskalen und Fragekästen enthalten. Bekanntlich können die Kompetenzdeskriptoren des GER als Spezifikation von Anforderungen an die fremdsprachliche Kompetenz von Lernenden fungieren. Welche Skalen in concreto vorhanden sind, ist einer Übersicht im GER (vgl. 214f.) oder der o.g. Internetseite zu entnehmen. So nützlich die vorhandenen Kompetenzskalen für die Bestimmung von Qualitätsanforderungen auch sein mögen - zwangsläufig greifen sie zu kurz, wenn auch Ausgangsvoraussetzungen für den Fremdsprachenerwerb bedacht werden sollen. Solches leisten in Ergänzung zu den Kompetenzskalen die Fragekästen. (Auf der zuvor genannten Internetseite sind auch alle diesbezüglichen Fragekästen systematisiert.) 4.1.2 Prozesse Für die Prozessdimension des Fremdsprachenlernens und -lehrens stehen im GER keine skalierten Deskriptoren zur Verfügung, sondern nur eine vergleichsweise kleine Anzahl von Fragekästen in den Kap. 6, 7 und 8. Genauer gesagt, beschäftigt sich Kap. 6 vor allem mit den Fragen, wie „Lernende die Fähigkeit, kommunikative Aufgaben, Aktivitäten und Prozesse" auszuführen, erwerben, wie Lehrende sie dabei am besten unterstützen können und welche curricularen Maßnahmen in dieser Hinsicht zielführend sind (vgl. Europarat 2001: 131). Kap. 7 diskutiert ausführlich die Rolle kommunikativer Aufgaben für den Erwerb kommunikativer Fremdsprachenkompetenz. Kap. 8 schließlich beleuchtet Probleme einer Curriculumgestaltung mit dem Ziel, Mehrsprachigkeit europaweit zu fördern. (Die Fragekästen sind wiederum auf der o. g. Internetseite zusammengestellt.) 4.2 Qualitätsprüfung und Qualitätslenkung Qualitätslenkung hat zur Aufgabe, Produkte und Prozesse auf ihre Konformität mit festgelegten Anforderungen hin zu vergleichen und die Ursachen nicht zufriedenstellender Prozesse zu beheben. Wie unmittelbar einleuchten sollte, lassen sich die in Kap. 4 und 5 des GER vorkommenden Kompetenzdeskriptoren zugleich als Kriterien zur Überprüfung dafür einsetzen, ob ein Lernender diese Kompetenzen tatsächlich erreicht hat. Insofern sind sämtliche Kompetenzdeskriptoren des GER unmittelbar für die Erstellung von Tests bzw. Sprachprüfungen relevant. Ergänzend zu den Kompetenzdeskriptoren enthält Kap. 9 „Beurteilen und Bewerten" zwei Fragekästen, in denen die Benutzer des GER die Rahmenbedingungen von Tests bzw. Sprachprüfungen reflektieren sollen. Für die Etablierung eines funktionierenden Qualitätskontrollsystems ist es von elementa- 42 rer Bedeutung, auf dem Hintergrund der jeweiligen Lernsituationen angemessene Test-und Bewertungsverfahren auszuwählen. Beispielsweise ist zu klären, - ob Lernfortschritte kontinuierlich gemessen werden (formative Evaluation) oder erst am Ende einer Lernmaßnahme (summative Evaluation), - ob das Erreichen bestimmter Lernziele überprüft wird („achievement test") oder eher allgemeine fremdsprachliche Kompetenzen („proficiency test"), - ob die Ergebnisse eines Tests in Hinblick auf eine Bezugsgruppe interpretiert werden (normorientierte Bewertung) oder auf dem Hintergrund objektiver Kriterien (kriterienorientierte Bewertung), - ob Leistungen direkt oder indirekt gemessen werden, - ob sprachliches Wissen überprüft wird (Kompetenztests) oder die Fähigkeit, dieses Wissen anzuwenden (Performanztests), - ob die Beurteilung subjektiv oder objektiv erfolgt, - ob Leistungen ganzheitlich oder analytisch bewertet werden, - ob die Beurteilung anhand einer Kategorie oder anhand mehrerer Kategorien stattfindet, - ob Tester die Leistung beurteilen (Fremdbeurteilung) oder der Lerner selbst (Selbstbeurteilung). Im Hinblick auf die Evaluation fremdsprachlicher Kompetenzen und mithin zur Realisierung von Teilaspekten der Qualitätslenkung stehen im GER Fragekästen zur Verfügung (die wiederum auf der o.g. Internetseite tabellarisch dargestellt sind). 4.3 QM-Darlegung und Qualitätsverbesserung Für die Aspekte „QM-Darlegung" und „Qualitätsverbesserung" finden sich im GER keine klaren Anhaltspunkte. Allerdings lässt sich die Gesamtkonzeption des GER dergestalt interpretieren, dass die sicherlich intendierte systematische Dokumentation sämtlicher durch ihn initiierten Maßnahmen zu einer allseitigen Steigerung des Vertrauens in die Qualität der Lehr- und Lernmaßnahmen führen soll. Mit anderen Worten: Wenn in einem Text ausbuchstabiert wird, welche Lernziele im Zuge einer Lernmaßnahme realisiert werden sollen, was diesbezüglich bei Lernern vorausgesetzt wird, welche Methoden zum Einsatz kommen und welche Anforderungen an Lernende gestellt werden, dann sind die Anforderungen an eine QM-Darlegung erfüllt. Ähnlich verhält es sich mit der Qualitätsverbesserung. Einen maßgeblichen Beitrag hierzu leistet der GER indirekt dadurch, dass er seine Benutzer zu einer Explikation der von ihnen eingesetzten Lehrmethoden einschließlich der zugrunde liegenden didaktischen Annahmen auffordert. Ebenso sollen sich die Benutzer des GER über Merkmale der Lernsituation und über Voraussetzungen bei den Lernenden Gedanken machen. Mit einer Offenlegung von Methoden wird die notwendige Voraussetzung dafür geschaffen, dass eben diese Methoden zuverlässiger kontrolliert und verbessert werden können. Auf diese Weise wird ä la longue auch die Qualität der Produkte erhöht, und es entsteht zusätzlicher Nutzen für Vermittler von Fremdsprachen und Lernende. 5 Qualitätsmanagement mit dem Referenzrahmen: Chancen und Grenzen Die vorangegangenen Abschnitte haben ein klassisches Konzept zur Qualitätsentwicklung und Qualitätsverbesserung vorgestellt und aufgezeigt, welche Fülle von Ansatzpunkten der GER in dieser Hinsicht bietet. Insbesondere Praktikern sollte durch die Systematisierung von qualitätsrelevanten Aspekten eine Handhabe gegeben werden, mit einfachen Mitteln ein für ihre jeweiligen Zwecke geeignetes Qualitätsmanagementsystem einzurichten. Die im Internet publizierten Tabellen können dabei im Sinne von Checklisten verwendet werden, um im Zusammenhang mit dem Fremdsprachenlehren und -lernen schwerpunktmäßig Qualitätsplanung und Qualitätslenkung zu betreiben. Der GER weist indessen einige Schwachpunkte auf, will man ihn als Grundlage für den Aufbau eines vollwertigen Qualitätsmanagementsystems verwenden. Problematisch erscheinen beispielsweise die verschiedentlich beklagte „Unscharfe der Begrifflichkeit" (House 2003: 101; ähnlich auch Barkowski 2003) und die unzureichende Kohärenz des Konzepts (vgl. Bausch 2003: 31; ähnlich auch Christ 2003; Kleppin 2003; Vollmer 2003). Auch wurden Bedenken über die Abgrenz-barkeit von Niveaustufen besonders im oberen Kompetenzbereich geäußert (vgl. Eggens- 43 perger 2000: 127). Schwerer noch wiegt die Fokussierung des GER auf die Produktdimension des Fremdsprachenerwerbs (vgl. House 2003; Königs 2003; Tönshoff 2003; Vollmer 2003), denn vergleichsweise spärlich sind die Hinweise, wie sich Lehr- und Lernprozesse präziser beschreiben lassen und welche Möglichkeiten bestehen, diese Prozesse gezielt zu optimieren (Qualitätsverbesserung). Schließlich macht der GER wenig konkrete Vorschläge zu Standards, mit denen qualitätsrelevante Maßnahmen dokumentiert werden können (Qualitätssicherung/QM-Darlegung). Insofern also der GER wesentliche Bestandteile des Qualitätsmanagements unberücksichtigt lässt, ist er lediglich ein Mittel zur Realisierung von „Qualitätsmanagement light". Aller Kritik am GER ungeachtet kann dieser Abel, Fritz (2003): Eine wichtige Etappe auf dem Weg zur transparenten Zertifizierung von Fremdsprachenkenntnissen - nicht mehr. In: K-R. Bausch et al. (Hg.), 9-21. Altrichter, Herbert/Posch, Peter (1997): Möglichkeiten und Grenzen der Qualitätsevaluation und -entwicklung im Schulwesen. Innsbruck. Arnold, Rolf/Faber, Konrad (2000): Qualität entwickeln - aber wie? Qualitätssysteme und ihre Relevanz für die Schule. Einführung und Überblick. Seelze/Velbe. 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Nur eine Minderheit der Schüler entscheidet sich, in der 12. Klasse den jeweiligen australischen Schulabschluss (z.B. Victorian Certificate of Education) oder das International Baccalaureate in einer Sprache abzulegen. An australischen Schulen sind in Deutschland konzipierte DaF-Lehrwerke nur bedingt einsetzbar, weil diesen wie selbstverständlich die Lehr- und Lernbedingungen europäischer Schulsysteme zugrunde liegen. Deshalb gibt es immer wieder Versuche, DaF-Lehrwerke speziell für den Markt in Australien und Neuseeland zu erarbeiten - eine Aufgabe, die unter den gegebenen Bedingungen eine sehr große Herausforderung ist. Das hier vorgestellte Lehrwerk (Edda Kamphues u. a.: Ganz genau! Melbourne u. a. 2005) reiht sich ein zwischen dem für Anfänger konzipierten „Genau!" (Klassen 7 und 8)1 und „Genau! Senior Magazin" (Klassen 11 und 12).2 Es wurde von einer Reihe bewährter Fachleute erarbeitet, welche die realen Bedingungen des Deutschunterrichts an australischen Schulen sehr gut kennen, ob nun als Schüler(in), Lehrer(in) oder sogar beides: Edda Kamphues als die hauptverantwortliche Autorin, beraten von Tarran Elaine, unter Mitarbeit von Alison Bradbury, Susanne Haywood, Andrea Rei- chert, Tim Adams, Dianne Tamburro, Karin Freeman und Alexander Wright. Deren Praxiserfahrung spiegelt sich im Lehrwerk wider und zeichnet es gegenüber in Deutschland produzierten Lehrwerken für das Fach Deutsch als Fremdsprache aus. Zum Lehrwerk gehören Lehrbuch (LB), Arbeitsbuch (AB), Lehrerhandbuch und fünf Audio-CDs. Der erste Eindruck zählt oft. Das ist bei Lehrwerken nicht anders. Dieses Lehrwerk hat es geschafft, meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Es macht Spaß, in „Ganz genau!" zu blättern. Das sei als größtes Kompliment an das Team der Autoren und Lektoren vorausgeschickt, denn ich kann mir gut vorstellen, dass es Schülerinnen und Schülern genauso gehen wird. Beim Inhaltsverzeichnis hat man sich offenbar von Trends deutscher DaF-Lehrwerke inspirieren lassen. Es werden nicht nur die Themen aufgelistet, sondern auch „Objectives", „Grammar", „Speaking and Writing Tips" und „Cultural Information". Das Lehr-werk gliedert sich in 12 Kap. mit den folgenden Themen und Lernzielen: 1. Bitte, Papa! - Um Erlaubnis fragen, überreden 2. Der Wochenendausflug - Eine Mahlzeit bestellen und bezahlen 1 Karin Freeman/Alison Bradbury/Susanne Haywood /Karen Bartley/Bronwyn Salton/Linda Mains/Catherine Jamieson/Andrea Reichert/Edda Kamphues/ Tim Adams/Dianne Tamburro / Janette Lange/Maria Brownhall/Tina Pfeiffer/Friedericke Polster/Alexander Wright, beraten von Elaine Tarran (2004): Genau! Melbourne u. a. Zum Lehrwerk gehören Kursbuch, Materialienbuch für Lehrer und fünf Audio-CDs. 2 Edda Kamphues unter Mitarbeit von Sonja Ahrens/ Christiane Momberg (2006): Genau! Senior Magazin. Melbourne u. a. Zum Lehrwerk gehören Kursbuch, Arbeitsbuch, Grammatikbüchlein, sechs Audio-CDs und eine DVD. Ein Grammatikübungsbuch ist in Vorbereitung. 46 3. Sport macht Spaß - Über Sport reden, vor allem Fußball 4. Gesundheit - Unwohlsein und Krankheitssymptome beschreiben 5. Das bisschen Haushalt ... - Über Haushaltsarbeiten berichten, Räume im Haus beschreiben 6. Einkaufen bis zum Umfallen - Übers Einkaufen reden, Kleidung anprobieren, Vorlieben äußern, über Abteilungen in einem Kaufhaus reden 7. In Australien - Darüber reden, was erlaubt und was nicht erlaubt ist 8. Die Ferien - Über Ferienziele und -aktivitä-ten reden 9. Berliner Luft - Orts- und Wegbeschreibungen, Verabredungen treffen 10. Zurück zur Natur - Transportmöglichkeiten, Natur und Umwelt 11. Göttinger Nachtleben - Jugendkultur, Ausgehen, Tagesablauf 12. Jobs, Jobs, Jobs - Über Jobs reden, Lehre und Berufsmöglichkeiten Die Kapitelüberschriften sind kurz und prägnant, ohne langweilig zu sein. Überhaupt gefällt mir die sprachliche Gestaltung, die authentisch ist und den gegenwärtigen, alltäglichen Sprachgebrauch junger Leute in den deutschsprachigen Ländern widerspiegelt, ohne übertrieben zu wirken. Ausdrücklichen Dank auch dafür, dass im Gegensatz zu den meisten (west) deutschen Lehrwerken nicht nur Samstag, sondern auch Sonnabend gelehrt wird. Allerdings würde ich Australian Rules Football nicht als australischer Fußball übersetzen; Football ist Football und Fußball ist Fußball oder eben Soccer. Bei den Gegensatzpaaren im LB S. 31 leuchtet mir zwar gesund - krank ein, aber ich protestiere dagegen, faul zu sein, nur weil ich nicht durchtrainiert bin. Leider finden sich auch Anglizismen wie Vielen Dank für deine Zeit als Gesprächseröffnungsformel eines Reporters, der eine Fußballerin interviewt (LB S. 27) und Ich rufe meine Fitem an, wenn ich spät komme (LB S. 110). Statt skateboarden wäre Skateboard fahren angebrachter, zumal mir Ich gehe nicht skateboarden (LB S. 29) ebenfalls zu direkt aus dem Englischen übersetzt zu sein scheint. Statt ein Tor machen wäre ein Tor schießen besser (LB S. 25). 1 Man vergleiche z.B. Gerd Neuner u.a. (1979): Deutsch Aktiv. Berlin u.a. - ein Lehrwerk des Langenscheidt-Verlags, das als eine Art „Pionier" des kommunikativen Ansatzes gelten kann. Jedes Kapitel im LB beginnt mit einer Art Cartoon: drei bis vier Dialoge, denen jeweils eine gezeichnete Illustration zur Seite steht. Die Cartoon-Charaktere sind Teenager aus Deutschland und Australien: Anna, Max, Christian, Julia, Sibel, Ahmet, Jessie und Nick. Die Schüler begleiten diese Cartoonfiguren in der Schule, beim Einkaufen, beim Sport, in der Disco usw. Diese Bildgeschichten sind gut geschrieben, geben viel Gelegenheit zum Sprechen und zu Rollenspielen im Unterricht. In ihnen wird neues Vokabular eingeführt. Den Cartoons folgen jeweils fünf Richtigfalsch-Fragen. Darin erschöpft sich leider bereits die Leseverständnisübung. Außerdem setzt die richtige Beantwortung dieser Fragen größtenteils bereits das neue Vokabular voraus. Besser fände ich, wenn die Fragen auf dem Vorwissen der Schüler aufbauen und ihnen somit mehr Selbstvertrauen geben würden. Das neue Vokabular könnte dann in einer folgenden Verständnisübung abgefragt und gefestigt werden. Generell wird ein vermutlich intendierter kommunikativer Lehransatz als rein dialogisch missverstanden. Das zeigt sich auch daran, dass die jeweils dem Cartoon und den Richtig-falsch-Fragen folgende so genannte Fokus-Übung nur mit dialogischen Versatzstücken arbeitet: Darf ich Kann ich am Montagmorgen am Dienstagnachmittag am Mittwochabend am Wochenende bei Anna übernachten? mit Max Tennis spielen? ins Kino gehen? mit Christian ausgehen? zu Julias Party gehen? eine CD kaufen? ein Buch kaufen? [...] (LB S. 4) Das hilft den Schülern bis zu einem gewissen Grad, Satzstrukturen zu verstehen und zu automatisieren, aber zur Entwicklung einer selbstständigen und kreativen Sprachproduktion der Lerner trägt dieses Vorgehen allein wenig bei. Dialogischer Pattern-Drill,1 wie ich diesen Ansatz bezeichnen würde, macht nach heutigem Verständnis keinen kommunikativen Ansatz aus und kann nicht reichen. Der 47 eigentliche Erwerb von Informationen, mündlich wie schriftlich, wird ebenfalls nur unzureichend vermittelt und geübt. Nach dem Durcharbeiten dieses LB könnte ein Schüler immer noch keine Fahrkarte kaufen, Durchsagen auf dem Bahnhof verstehen, sich um einen Job bewerben usw. Ich würde mir deshalb eine weit größere Textsortenvielfalt wünschen.1 Gleiches trifft für die Kommunikationssituationen zu, die in diesem Lehrbuch über lockere Gespräche unter Freunden, Schulkameraden und gelegentlich mit den Eltern nicht recht hinauskommen. Das ist für einen Deutschkurs auf diesem mittleren Niveau und im Hinblick auf einen geplanten Schulabschluss im Fach Deutsch einfach zu wenig. Die Fokus-Abschnitte enthalten auch Sprachtipps, in der Regel Aussprachehinweise, wie u/ü, o/ö, f/v/w, z/s, ch, j, also die typischen phonetischen Klippen für australische und neuseeländische Lerner des Deutschen. In farblich hervorgehobenen Kästchen und unter der Überschrift „Achtung" werden noch einmal besonders häufig vorkommende Fehlerquellen behandelt, z.B. der Unterschied zwischen ich mag und ich möchte, heute Abend im Deutschen, aber this evening im Englischen und die Verbendstellung in Nebensätzen. Den Cartoons, den Richtig-falsch-Fragen und dem Fokus-Abschnitt folgen in jedem Kapitel Grammatikerklärungen unter der Überschrift „Struktur". Zusätzlich gibt es am Ende des LB einen zusammenhängenden Grammatikteil „Strukturüberblick - Summary of grammar points". Die Grammatikvermittlung beginnt mit den Modalverben und enthält im Weiteren trennbare Verben, die Konjunktionen denn, aber, oder und sondern, den Akkusativ, Präpositionen, dass-Sätze, den Imperativ, das Perfekt, reflexive Verben, Adjektivendungen, den Komparativ und den Superlativ, Sätze mit weil, dass, obwohl, wenn, als, bevor, den Dativ und endet mit den Formen für sein und haben im Präteritum. Aus den bereits zu Beginn dieser Lehrwerkbesprechung erwähnten Gründen stellen Grammatikerklärungen die größte Herausforderung dar. Sie müssen vereinfacht werden wie nur möglich und mit Kompromissen, bei denen manchem Linguisten das Herz bluten wird. Die Grammatikerklärungen in diesem Lehrwerk - wie im Übrigen auch die sprachliche Progression generell - sind einem mittleren australischen Schülerniveau angemessen. Anerkennen möchte ich auch, dass die Autoren den Kasus und den Satzteilen überhaupt so viel Raum geben. Die Satzteile werden auf Verb, Subjekt, direktes Objekt (Akkusativ) und indirektes Objekt (Dativ) reduziert. So wird z. B. der nominale Prädikatsteil Fußball in Ich spiele Fußball als direktes Objekt interpretiert (LB S. 18, AB S. 16). Das halte ich durchaus für gerechtfertigt, denn eine linguistische Diskussion an dieser Stelle würde den Schülern nicht helfen, obwohl das Fehlen eines Artikelwortes in Ich spiele Fußball einer Erklärung bedürfte. Satzteile im Dativ werden generell als indirekte Objekte klassifiziert und unterschieden in indirekte Objekte mit Präpositionen und indirekte Objekte ohne Präpositionen (LB S. 148). Dieser Kompromiss ist freilich weniger gelungen, denn die Tatsache, dass Präpositionen bestimmte Fälle regieren, fällt völlig unter den Tisch. Und wie sollten dann Präpositionalobjekte mit Akkusativ-Präpositionen eingeordnet werden? Übrigens hört man zwar in Deutschland sich auf eine Stelle bewerben (LB S. 116,119; AB S. 125), es ist aber nicht standardsprachlich. Ähnlich verhält es sich mit auf Besuch sein statt zu. Besuch sein und auf etwas sparen statt für etwas sparen (LB S. 113). Da der Uluru ein Berg ist, sollte es Wir fahren zum Uluru heißen, nicht nach Uluru (AB S. 7). Bei reflexiven Verben wird nicht zwischen echten reflexiven Verben {sich freuen) und reflexiven Konstruktionen {sich waschen) unterschieden, wobei ich das in diesem Fall ebenfalls für gerechtfertigt halte, um die Schüler nicht zu überfordern. Possessive Dative werden nicht als solche ausgeführt. Stattdessen wählten die Autoren eine Erklärung dieser Art: Reflexivpronomen stehen im Akkusativ: Ich wasche mich. Wenn das Verb bereits ein direktes Objekt (Akkusativ) hat, steht das Reflexivpronomen im Dativ: Du wäschst dir die Haare. (LB S. 150) Diese Erklärung, die sich auch in anderen DaF-Lehrwerken finden lässt, ist für Schüler angemessen, logisch und verständlich. Bei der Einteilung der Verben finde ich, dass es Zeit ist, die historischen, aber heute für einen Schüler nicht 1 Zu Textsorten und Spracherwerb im Fremdsprachenunterricht vgl. z.B. Elke Rößler (2002): Intertextualität und Textverstehen. In: I. Pohl (Hg.), Prozesse der Bedeutungskonstruktion. Frankfurt a. M. u. a., 283-308. 48 mehr logisch nachzuvollziehenden Begriffe „stark" und „schwach" aufzugeben und die Verben in „unregelmäßig" und „regelmäßig" einzuteilen. Die Morphologie findet in „Ganz genau!" leider gar keine Berücksichtigung. Hier werden viele Möglichkeiten der Entwicklung eines strukturellenVerständnisses und von Lernerautonomie vergeben. Jedes Kapitel endet mit kurzen Lesetexten: in der Regel landeskundliche Informationen, z.B. über Fachwerkhäuser, die Deutsche Bahn, Fußball in Deutschland, deutsche Traditionsunternehmen, das deutsche Schulsystem und den grünen Punkt. Außerdem gibt es vier längere so genannte „Infos" über deutsche Wasserlandschaften, deutsche Einwanderer in Australien und Neuseeland, die Geschichte Berlins, die deutsche Teilung und Vereinigung sowie die Europäische Union. Landeskundliche Informationen betreffend gilt ebenso, dass im Deutschunterricht an australischen und neuseeländischen Schulen ein Kompromiss gefunden werden muss. Alles auf Deutsch vermitteln zu wollen wäre naiv. Die Autoren dieses Lehrwerks haben versucht, eine Balance zwischen Deutsch und Englisch zu finden. Dennoch hätte ich mir von ihnen mehr Mut gewünscht, eine größere Anzahl an landeskundlichen Artikeln auf Deutsch zu präsentieren. Die Europa-Karte im LB S. 177 ist so weit simplifiziert, dass sie alles andere als hilfreich ist - Finnland, Rumänien, Griechenland, Bulgarien und viele weitere Länder tauchen auf der Karte nicht auf. Am Ende jedes Kapitels wird das Vokabular sehr übersichtlich in reinen Wortlisten präsentiert, und zwar farblich unterschieden nach dem Genus und den Wortarten. Leider wechseln die Farben für die Wortarten, was diese an sich gute Lern- und Lehrstrategie zunichte macht. Angegeben werden die Pluralendungen sowie die Verben im Infinitiv und im Partizip IL Selten werden auch sprachliche Formeln und Kollokationen angeführt, z.B. in Ohnmacht fallen und Was ist los? (LB S. 41). Am Ende des Buches stehen den Schülern jeweils eine komplette alphabetische deutschenglische und englisch-deutsche Wortliste und eine Tabelle unregelmäßiger Verbformen zur Verfügung. Bei der Darstellung der Rechtschreibung gibt es kleinere Inkonsequenzen. Z. B. werden auf sehr gute Weise Gegensatzpaare wie am Montagmorgen - heute Morgen gelehrt. Kon- sequenter und hilfreicher fände ich, den Schülern ebenso Montag Morgen beizubringen, da es einsichtiger mit heute Morgen korrespondiert. Auch die Großschreibung der Verben in Ich bin Tauchen gegangen; Wir sind Schwimmen gegangen; Ich gehe Babysitten usw. (LB S. 78, 79, 113) ist falsch. Die Schreibung zuviel (AB S. 20) wurde mit der neuen Rechtschreibung in zu viel geändert. Die Großschreibung aller Wörter in Überschriften ist im Deutschen nicht üblich, z. B. Wir Backen (LB S. 23). Neben Gitarre spielen findet sich leider auch Fern sehen (AB S. 10). Was man im LB vermisst, wird zum Teil durch das AB ausgeglichen. Dort gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen, abwechslungsreichen und anregenden Übungen, die Spaß versprechen: Lückentexte, Richtig-falsch-Fra-gen, Rätsel, Schreibübungen, Rollenspiele, Übersetzungsaufgaben. Die englischen Arbeitsanweisungen und Übungsziele sind eindeutig und klar. Reihenfolge, Aufbau und Progression der Übungsarten sind logisch und einsichtig. So werden z. B. im Cartoon im 1. Kap. des LB Modalverben eingeführt, Sprechakte wie „überreden" und „um Erlaubnis fragen" und indirekt auch das Thema „strenge Eltern". Im AB beginnt dieses Kapitel mit weiteren Hörübungen, in denen ähnliche Situationen dargestellt werden wie im Cartoon. Die Schüler müssen Richtig-falsch-Fragen beantworten, Informationen herausfinden wie z. B., wer wann was unternehmen möchte, und einen Lückentext ausfüllen, in dem neues Vokabular im Kontext vertieft wird. Es folgen eine Reihe von Ausspracheübungen, eine Übung, in der das jeweils unpassende Verb herausgefunden werden muss (z. B.: mitfahren - abholen - abfahren - wegfahren), und Worträtsel, danach grammatische, strukturelle Übungen, in denen richtige Verbformen eingesetzt werden müssen. In einem nächsten Schritt beantworten die Schüler deutsche Fragen auf Deutsch, vervollständigen Sätze und schreiben schließlich kurze Briefe bzw. E-Mails. In vielen Kapiteln schließt sich der Kreis noch einmal mit mündlicher Sprachproduktion, z. B. bei Rollenspielen. Am Ende jedes Kapitels im AB finden die Schüler eine Checkliste, in der sie abhaken können, was sie gelernt haben, und die von Klassenkameraden, Eltern bzw. Lehrern unterschrieben werden kann. Allerdings würde ich ein Lehrbuch, das Wissensvermittlung und Übungen integriert - 49 eben ein Kursbuch im besten Sinne - und dem ein Arbeitsbuch mit zusätzlichen Übungen und Erklärungen zur Seite steht, bevorzugen. Im vorliegenden Fall sind Lehrer und Schüler jedoch gezwungen, oft zwischen LB und AB zu wechseln. Diese Art der Lehrwerkproduktion mag für den Verlag kostengünstig sein (das AB wird im Einfarbdruck hergestellt), ist es aber weniger für den Schulalltag. Die Funktionsverteilung zwischen AB und LB ist außerdem nicht immer klar - phonetische Übungen gibt es z. B. in beiden. Gegen Humor ist natürlich nichts einzuwenden, aber was für kundige Erwachsene lustig ist, muss es nicht für Schüler sein. Ich sehe vor allem keinen didaktischen Sinn darin, in einem Lesetext über so einen wichtigen Film wie „Good bye, Lenin" die Namen von Regisseuren, Schauspielern und Hauptfiguren zu verändern: „Wolf Bäcker", „Karin Saft", „Adrian", „Alexis" (AB S. 94f.). Aufgrund dieser Namenkarikaturen bin ich mir auch nicht sicher, ob die folgenden Fehler intendiert sind: Leben in Ostberlin bevor und nach deem Mauerfall. Als sie wieder aufwacht, ist alles anderes. Die Mutter ist auch nicht am Abend vor dem Mauerfall ins Koma gefallen, sondern am Vorabend - eine völlig andere Bedeutung. Sollte die Aufgabe für die Schüler darin bestehen, Fehler zu finden, sollte das in einer klaren Arbeitsanweisung ausgedrückt werden. Das Lehrerhandbuch ist sehr gut gelungen. Man hat auf überflüssige und bevormundende Anleitungen völlig verzichtet. Stattdessen werden kopierfertige und vielfältige Arbeitsblätter, Bewertungsbögen, Vokabeltests, Grammatiktests, Proj ektdarstellungen usw. geboten. Die grafische Gestaltung ist ausgezeichnet; zugleich sind Aufgaben und ihr jeweiliger Zweck klar und übersichtlich gekennzeichnet. Über die Audio-CDs werden die Meinungen unter den Deutschlehrern wahrscheinlich sehr weit auseinandergehen. Alle Texte werden klar und deutlich gesprochen. Es gibt eine gute Breite an unterschiedlichen sympathischen Stimmen. Aber im Versuch, die Hörtexte für Schüler zu adaptieren und fair zu gestalten, ist man über das Ziel hinausgeschossen, denn mit der Verlangsamung des Sprechtempos kann man es auch übertreiben. Die künstliche Überdehnung praktisch aller Vokale ist sogar falsch und führt dazu, dass z. B. die Übung zu kurzen und langen Vokalen (CD 1, Track 49) ihren Wert ver- liert. Die Verbendung -en enthält im Deutschen einen Schwa-Laut und eben kein langgedehntes /e:/. Natürlich müssen nicht alle Hörverständnisübungen im Bühnen- oder „Tages-schau"-Deutsch gesprochen werden, aber explizite Ausspracheübungen sollten von phonetisch geschulten Fachleuten erstellt werden. Gleiches gilt für die Einführung neuen Vokabulars, das den Schülern in akkurater und bestmöglicher Aussprache präsentiert werden muss, ansonsten kann man sich diese Lehrstrategie und eine Audio-CD ebenso gut sparen. Einige Sprecher haben eine gute Balance zwischen natürlichem und schülerangemessenem Sprechen gefunden, andere dagegen haben ein Sprechtempo und eine Intonation gewählt, die der Entwicklung eines guten Hörverständnisses nicht mehr dient und sogar unangenehm wirken kann. Letztlich müssen die Schüler -wenn auch behutsam - an den natürlichen Sprachgebrauch und echtes Hörverständnis herangeführt werden. Viele Dialoge wirken leider auch abgelesen, was gerade bei Schulkindern zu einem Verlust an Aufmerksamkeit führen kann.1 Zusammenfassend kann man über dieses Lehrwerk sagen, dass eine größere Vielfalt an Texten und Kommunikationssituationen, ein kommunikativer Ansatz, der Lesen und Schreiben in weit größerem Maße einbezieht, und die Übertragung der Natürlichkeit der Sprache in den Texten auch auf die Höraufnahmen seine Qualität erhöhen würden. In der 9. Klasse ist „Ganz genau!" gut einsetzbar, weil genau so viel vermittelt wird, wie möglich und nötig ist. Für die 10. Klasse und im Hinblick auf Schüler, die Deutsch bis zum Schulabschluss in der 12. Jahrgangsstufe weiterlernen, bleiben Wünsche offen. Wäre es für den Verlag und die Autoren dieses Lehrwerks eine Überlegung wert, ein zusätzliches Materialienbuch mit Lesetexten und schriftlichen Aufgaben zu erarbeiten? Oder wie wäre es mit einer Art Brückenkurs? 1 Natürlich bin ich mir des Problems von Fremdsprachenverlagen in Australien und Neuseeland bewusst, für die es sehr schwer ist, eine ausreichende Anzahl an jungen und geeigneten Sprechern zu finden, die dann auch Zeit für die Studioaufnahmen haben. Zudem muss die Produktion der Audio-CDs so schnell und billig wie möglich vonstatten gehen. 50 Rezensionen Christopher Beedham: Language and Meaning. The structural creation of reality John Benjamins Publishing Company, Amsterdam/ Philadelphia 2005, 225 S., 115,00 € Adressaten des Buches sind Linguisten, Studenten und ein breiteres Publikum. Sprache wird als wichtigstes Attribut des Menschen bestimmt, als „our vehicle of thought" (1). Ausgangspunkt ist de Saus-sures „Revolution" der Linguistik. Das Buch umfasst sieben Kap.: 1. Saussurean structuralism, 2. Aspect, 3. The passive, 4. Generative grammar, 5. Tense and irregular verbs, 6. Text grammar: Parole versus langue, 7. The method of lexical exceptions. Es folgt ein umfangreicher Apparat. Beispiellieferant ist Englisch, in einigen Kapiteln werden Deutsch und Russisch herangezogen. Ausgehend von de Saussures Diktum „C'est le point de vue qui crée ľobjet" (12), erklärt der Vf., die objektive Realität existiere nicht ohne einen Betrachter. Er meint wie Humboldt (ohne ihn zu erwähnen, auch Sapir und Whorf erscheinen nur beiläufig), Weltanschauung sei sprachlich geprägt. Kronzeugen sind Berkeley und Kant, also der subjektive Idealismus. Der wird bisweilen auf eine groteske Spitze getrieben (vgl. 57). In Anm. 67 zitiert der Vf. den Satz eines früheren Kritikers: „Between [...] generalizations about the form-meaning relationship and further about language and reality, there is an enormous logical gap" (179). Dem ist nichts hinzuzufügen. In Kap. 1 wird gezeigt, dass eine referenzielle Bedeutungstheorie (die Lautfolgen auf Gegenstände bezieht) scheitern muss, weil zahllose lexikalische und grammatische Konzepte keine Entsprechung in der (objektiven) Realität haben. Ein sprachliches Zeichen sei (nach de Saussure) eine Verknüpfung zwischen einem Konzept („signifié") und einem Lautmuster („signifiant"). Ausgangspunkt jeder theoretisch-linguistischen Analyse müsse die Form sein, ihr Zielpunkt die Bedeutung. Dies sei strukturalisti-sches und eigentlich linguistisches Vorgehen. In Kap. 2 werden die Formen von „Aspekt" analysiert: 1. Auxiliar + Partizip (Progressiv und Perfekt), 2. lexikalischer Aspekt /Aktionsart (statíve Verben), 3. kompositionaler Aspekt (telischer und atelischer Aspekt). Die formalen Ausprägungen des Aspekts sollen zeigen, dass die Bedeutung des engl. Progresses oder des russ. Imperfektivs nicht prä-formal, d. h. nicht vor-sprachlich, existiere. In Kap. 3 wird postuliert, dass das Passiv, da es formale Unterschiede zum Aktiv aufweist, mit dem Aktiv semantisch nicht identisch und nicht aus diesem ableitbar sei. Das engl, mit be + V-ed gebildete Passiv habe im Gegensatz zum Aktiv eine statale Bedeutung. Passiv sei ein Aspekt wie Progressiv und Perfekt, aber keine „voice" im Sinne einer (pragmatischen) Thema-Rhema-Analyse. Vielmehr seien Passiv und Perfekt „similar in meaning and similar in form" (43). Im Russ. seien nur perfektive Verben mit byť passivierbar; die sog. Passivbildung mit -sja bei imperfektiven Verben habe mit Reflexivität zu tun, nicht mit Passivität. Im Dt. sei das Vorgangspassiv gemäß der Aspektanalyse semantisch aktional und statal, weshalb das Partizip attributiv (mit adjektivischen Endungen) verwendet werden könne. Das Partizip des Zustandspassivs sei rein statal und identisch mit adjektivischen Prädikativen. In Kap. 4 werden deskriptive und generative Grammatik (GG) gegenübergestellt. GG wird in verschiedenen Ausprägungen nur deshalb behandelt, um ihre vermeintlichen Fehler und Schwächen zu demonstrieren. Schon an früherer Stelle heißt es: „Chomsky came along with his competence-performance distinction, to muddy the waters" (10). GG sei eine „misguided enterprise" (11). Der Vf. wirft der GG vor, dass sie den deskriptiven Zugang ignoriere und dessen Existenz überhaupt leugne. Er übersieht, dass eine generative Theorie drei Adä-quatheitsstufen erfüllen muss: Beobachtungs-, Be-schreibungs- und Erklärungsadäquatheit. Die Ignorierung dieses Tatbestands ist Ursache dafür, dass der Vf. die Konzepte „competence", „I-language" und „universal grammar" fälschlich identifiziert (vgl. 10). Es ist hier nicht möglich, auf die Invekti-ven des Vf. gegen die GG zu replizieren. Er empfiehlt Lesern, die meinen, genügend von GG zu wissen, Kap. 4 zu überschlagen. Wir halten uns an diesen Rat und besprechen es nicht näher. In Kap. 5 wird bestritten, dass Tempus sich auf Zeit beziehe. Argument dafür sei die bekannte Polyfunktionalität der Tempusformen. Ein anderes mit der Tempus-Zeit-Relation verbundenes Problem bieten die unregelmäßigen Verben (im Engl., Dt. und Russ.). Ihre Formen könnten nicht als Idiosynkrasien behandelt werden, sondern hätten Bedeutung und seien von Regeln bestimmt. Diese müssten allerdings entdeckt werden. Starke Verben seien resultativ/perfektiv, schwache hingegen prozessorientiert/durativ. Der Vf. kann noch keine Bedeutungen und Formbildungsregeln für unregelmäßige Verben liefern, wohl aber einige Regularitäten phonotaktischer Natur. Morphologisch gesehen 51 seien starke Verben typischerweise einsilbig, sie weisen jedoch bestimmte VC- bzw. CV-Kombina-tionen auf, die bei (einsilbigen) schwachen Verben kaum auftreten. Die Interpretation dieser Befunde wird von Pinker übernommen (vgl. 120ff). Die VC-Kombinationen teilen starke Verben mit einsilbigen Funktionswörtern. Für Dt. und Russ. lassen sich vergleichbare Resultate zeigen. Künftige Forschungen des Vf. zu irregulären Verben sollen „a whole new analysis of the category tense" (125) bringen. In Kap. 6 werden Sprechakte bzw. kommunikative Funktionen, Thema-Rhema-Analyse, Stil und Register sowie Korpusstudien erörtert. Die Analyse von Texten (und ihres kommunikativen Sinns) wird als nicht nur legitimes, sondern notwendiges Studium der Parole betrachtet, könne aber nicht die Analyse von Sätzen als Studium der Langue ersetzen. Leider wird an keiner Stelle auf die bahnbrechende Arbeit von Bierwisch „Wörtliche Bedeutung - eine pragmatische Gretchenfrage" (1978) verwiesen, in der gezeigt wird, wie Wörter im Kontext des Satzes ihre Äußerungsbedeutung und Sätze im Handlungskontext ihren kommunikativen Sinn erhalten. Da es keine eindeutigen Relationen zwischen syntaktischen Strukturen und kommunikativen Funktionen gibt, mache das Ausgehen von kommunikativen Funktionen im Fremdsprachenunterricht keinen Sinn, sondern führe nur zu einem Desaster (vgl. 139). Dem kann der Rezensent nur zustimmen. Das Kapitel demonstriert an Textbeispielen illokutive Funktionen von Sprechakten, Thema-Rhema-Gliederungen sowie Stilformen und Register (journalistische, juristische, wissenschaftliche) und zeigt Texteigenschaften anhand acht verschiedener Parameter (Funktion, Situation, Inhalt des Textes, Vokabular, grammatische Formen, Komposita, engl. Bindestrichkomposita sowie Satzlänge), vgl. Abb. 5 (148). Aus der Korpuslinguistik (als Instanz von Parole-Analyse) könne Evidenz für satzlinguistische Phänomene gewonnen werden. Wenn vier von fünf Passivsätzen keine Agensphrase aufwiesen, so stütze das die vom Vf. vertretene Aspekt-Analyse des Passivs. In Kap. 7 soll nachgewiesen werden, dass es in einem System keine Ausnahmen geben dürfe: „If a language really is systematic it should no allow any exception at all, i. e. items which stand outside the system, not a part of it." (153) In den Kapiteln über Passiv und irreguläre Verben sei bereits der Nachweis geführt, dass Ausnahmen weitgehend durch tiefergehende Analysen (aus der grammatischen Deskription) eliminierbar sind. Verwiesen wird dabei auf das Konzept „Negation der Negation" und dessen Protagonisten Hegel, Marx und Engels. Der Vf. nennt die Übertragung dieses Konzepts auf seine Untersuchungen „the method of lexical exceptions". Er gibt einen Überblick, wie er die Methode auf seine Forschungsgegenstände (Passiv und irreguläre Verben) angewandt hat. Durch Einbeziehung von Experimenten werde die Linguistik zu einer empirisch begründeten Wissenschaft. Die Forschungsschritte werden am Ende des Kapitels aufgeführt. Im abschließenden Abschnitt des Buches („Conclusion") fasst der Vf. seine Hauptthesen und -ergebnisse zusammen. Selbst wenn man die Grundvoraussetzungen des Vf. nicht teilt und nicht seine Auffassung, dass sein Weg der einzig erfolgreiche in der Linguistik sei, so muss man einräumen, dass das Buch in seinen empirisch fundierten Teilen Anregungen gibt für wissenschaftliches Arbeiten im Rahmen anderer linguistischer Grundannahmen. Peter Suchsland Dorothee Schlegel: Alles hat seine Zeiten. Zeiten zu sprechen - Zeiten zu schreiben Peter Lang Verlag, Frankfurt a. M. u.a. 2004, 244 S., 45,50 € (Europäische Hochschulschriften. Reihe XXI: Linguistik, 274) Ausgehend von der Überzeugung, dass es ein „überaus relevantes Bedürfnis" ist, „Zeit als außer-und übereinzelsprachliche Dimension in der Sprache zu verorten", beschäftigt sich Schlegel mit der Frage, wie Temporalität „als der subjektive Ausdruck objektiver Zeit" (1) wiedergegeben wird. Der Schwerpunkt liegt dabei a) auf einer onomasiologischen Perspektive, d.h., Vfn. interessiert sich für das Zusammenspiel vielfältiger sprachlicher Mittel bei der Realisierung temporaler Bedeutungen; b) auf der Untersuchung gesprochener Sprache. Die Arbeit, bei der es sich um eine von G. Zifonun betreute und von J. Ballweg „temporal inspirierte" Druckfassung der Dissertation der Vfn. handelt, gliedert sich im Wesentlichen in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Im theoretischen Teil (Kap. 2-4) spannt Schlegel den Bogen recht weit, indem sie in Kap. 2 Zeitverständnis als übereinzelsprachliche Kategorie zum Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen macht, in Kap. 3 lexikalische Tempusmarkierungen aus kognitiver Perspektive betrachtet und darüber hinaus je ein Teilkapitel dem Spracherwerb von Tempusstrukturen und dem Vergleich von Tempus- und Zeitsystemen in verschiedenen Sprachen widmet und in Kap. 4 schließlich temporale Informationen im Deutschen beschreibt. Während die Ausführungen in Kap. 3 so stich-punktartig sind, dass ihre Relevanz für die weitere Analyse nicht ganz einsichtig ist, legt Vfn. in Kap. 4 die Grundlagen für die empirischen Untersuchungen. Als relevant für temporale Informationen werden hier Verbkategorien (gemeint sind die Verbarten Voll-, Kopula-, Modalverb und Auxiliar -der Terminus „Verbkategorie" ist also nicht zu verwechseln mit „verbaler Kategorie"), Aktionsarten, explizite nichtverbale Temporalmarkierungen, ver- 52 bale Tempusmarkierungen sowie eine kontextbezogene Betrachtung der Tempusmarkierung vorgestellt. Um zu veranschaulichen, dass Schlegel einen multidimensionalen onomasiologischen Ansatz verfolgt, sei folgende zusammenfassende Liste der für die temporale Interpretation von Sätzen relevanten Faktoren zitiert: „- Kontext(un)gebundenheit bzw. ein geeigneter zeitlicher Intepretationskontext - Sprechzeitverankerung bzw. die Zugänglichkeit zu einem realen Weltmodell - Räsonnements zwischen Sprechendem und Hörendem bzgl. des relevanten Kontexts - Grice'sche Maximen - Verfügbares Weltwissen - Wahrheitsbedingungen - Tempus, Aspekt und Aktionsarten - Trägheitsprinzip - Temporaladverbiale und ereignisquantifizierende Durativ- und Frequenzadverbiale - Nominale Ausdrücke - und die mit BZ [Betrachtzeit - M. FL] verknüpfte Situationsvariable (s)." (149) Der empirische Teil (Kap. 5) gliedert sich in zwei Bereiche: eine vorrangig quantitative Auswertung eines Fragebogens, in dem die Befragten vorgegebene Sätze durch vorgegebene infinite Verben mit den Markierungen der verbalen Kategorien mündlich zu ergänzen hatten, und eine qualitativ ausgerichtete Untersuchung empirischer Daten (Interviews und Diskussionen). Der empirische Teil geht folgender „Anterioritäts-hypothese" nach: „Das Präsensperfekt ist das Ante-rioritätstempus der gesprochenen Sprache." (168) Ausgehend davon wird untersucht, auf welche Verben/Kontexte dies tatsächlich zutrifft und was die Bedingungen für Abweichungen von diesem De-faultfall sind. Bei der Entwicklung des Fragebogens ging es um die Erfassung von frequenten Verben, wobei durch die 21 Sätze gleichzeitig Kontextbezogenheit (z. B. Tempus des vorangestellten Matrixsatzes) sowie die Rolle von Aktionsarten und Adverbialen berücksichtigt werden konnten. Auf diese Weise gelangte Vfn. mit einfachen Mitteln zu einem umfangreichen Datenmaterial. Aufschlussreich ist u. a. das Ergebnis, dass anteriore Temporaladverbiale keine Kongruenz mit einem bestimmten Tempus aufweisen, sondern dass für die Wahl eines Vergangenheitstempus die Aktionsart ausschlaggebender ist (vgl. 178). In der Auswertung der Temporalitätsmarkierun-gen in Interviews und Diskussionen widmet sich Vfn. hauptsächlich den Vollverben im Präteritum und den Temporaladverbialen. Als Grund für die Präteritumverwendung wird hier hauptsächlich die Verbsemantik angeführt (mentale Verben, Zustandsverben etc.). Die Belege lassen auch eine Relevanz der Sie-berg'schen Klammerthese (wenn die Klammer- struktur durch die Komplexität des verbalen Ausdrucks ohnehin gegeben ist, wird Präteritum bevorzugt) vermuten, die leider unberücksichtigt bleibt. Schlegel rundet ihre Untersuchungen mit dem Vorschlag einer „Tempusgrammatik der gesprochenen deutschen Sprache" ab (Kap. 6). Aus diesem Kapitel lässt sich vor allem ableiten, dass Tempo-ralität in gesprochener Sprache durch ein komplexes Zusammenspiel der hier angedeuteten Faktoren realisiert wird. Darin, den Blick auf die Komplexität der Tempo-ralitätsmarkierungen zu lenken, besteht m. E. das Hauptverdienst der vorliegenden Arbeit. Die Komplexität führt andererseits auch dazu, dass die Ausführungen teilweise stichpunktartig und die empirischen Analysen punktuell wirken. So wird durch den sehr globalen Blick auf temporale Phänomene manches einschlägige Phänomen nebenbei abgehandelt, ohne wirklich diskutiert zu werden. Z.B. spricht Schlegel von „nominalisierten Infinitiven" in Bezug auf Konstruktionen wie Er ist ständig am Quasseln, was dem Stand der Forschung, die i. d. R. von einer progressiven Form als verbaler Kategorie {Er ist am Quasseln) ausgeht, nicht entspricht. Konsequenzen für das Zusammenspiel von temporalen und aspektuellen Markierungen bleiben dadurch unberücksichtigt. Nichtsdestotrotz bietet die vorliegende Arbeit einen guten Ansatzpunkt für weitere Untersuchungen zum Zusammenspiel verschiedener sprachlicher Mittel zur Realisierung von temporalen Bedeutungen. Mathilde Hennig Karin Pittner/Judith Berman: Deutsche Syntax. Ein Arbeitsbuch Gunter Narr Verlag, Tübingen 2004, 198 S. 19,90 € (narr Studienbücher) Das vorliegende Buch „ist als Begleitlektüre zu Einführungskursen in die deutsche Syntax gedacht, kann jedoch auch zum Selbststudium benutzt werden". Es ist „weitgehend theorieneutral" und „nicht als Einführung in eine bestimmte Grammatiktheorie gedacht" (trotz gelegentlicher Hinweise auf Auffassungen bestimmter Grammatikmodelle), arbeitet „weitgehend mit traditioneller Grammatikterminologie" (weil deren Beherrschung - das betonen die Vf. zu Recht - die Grundlage für jede weitere Beschäftigung mit Syntax ist) (9). Das Buch ist in zehn Kapitel gegliedert. Nach einer kurzen Einführung (Kap. 1) über den Status der Syntax wird in den nächsten beiden Kapiteln in Grundbegriffe und Methoden der syntaktischen Analyse eingeführt. Kap. 2 behandelt die „Syntaktischen Kategorien", und zwar die Wortarten (die Einteilung erfolgt in überzeugender Weise nach syn-taktisch-distributionellen und morphologischen Kri- 53 terien) undin die Phrasenkategorien (Nominal-, Präpositionalphrasen usw. - bezeichnet jeweils nach dem als Kopf der Phrase auftretenden Wort). Außerdem werden die zur Ermittlung von Phrasen benutzten „Konstituententests" (Frage-, Pronominalisie-rungs-, Verschiebe-, Vorfeldtest u. a.) vorgestellt -womit die Frage verbunden ist, ob der Vorfeldtest nicht ein Spezialfall des Verschiebe tests ist. Daraus werden dann im Kap. 3 („Syntaktische Funktionen") die Satzglieder abgeleitet (als Konstituenten, die pronominalisierbar, erfragbar, alleine verschiebbar und insbesondere auch vorfeldfähig sind). Als Satzgliedfunktionen werden behandelt das Subjekt, die Objekte (in ihren verschiedenen Realisierungsformen), das Adverbial und das Prädikativ (die Vf. begründen (vgl. 39f), warum sie das Prädikat nicht als Satzglied auffassen). Die Attribute werden - mit vollem Recht und in Übereinstimmung mit den meisten neueren Grammatiken - nicht als Satzglieder, sondern als Teile von Satzgliedern verstanden. Die nächsten Kapitel gehen über eine Einführung etwas hinaus, sind spezielleren Bereichen gewidmet, die erst in jüngerer Zeit differenzierter beleuchtet worden sind. Kap. 4 („Valenz, Argumentstruktur") stellt den aus der Dependenzgrammatik stammenden Begriff der Valenz vor, behandelt insbesondere die Unterscheidung von valenzgebundenen Ergänzungen (= E) und freien Angaben (= A), die Tests zur Differenzierung von E und A sowie die verschiedenen Ebenen der Valenz. Von besonderem Interesse sind dabei die (bisher kontrovers diskutierte) Zuordnung der „freien Dative" zu den E oder A (die Vf. argumentieren dabei sehr differenziert, stufen die Dative commodi, incommodi und posses-sivus als E, den Dativus iudicantis als A, den Dativus ethicus weder als E noch als A ein; vgl. 54ff.) sowie die Zuordnung von thematischen Rollen (bzw. semantischen Kasus im Sinne der Kasustheorie von Fillmore - wie z. B. Agens und Patiens) zu den syntaktischen Funktionen. Hervorzuheben ist auch die (entgegen manchen landläufigen Vereinfachungen) vorgenommene deutliche Differenzierung von Satzgliedfunktionen und Valenzeigenschaften (vgl. 46 ff), damit auch zwischen Adverbial und A (weil ein Adverbial A oder E sein kann); Adverbiale sind zwar nie regiert, können aber valenzgebunden sein (was im Übrigen auch auf einen offensichtlichen Unterschied zwischen Valenz und Rektion hindeutet). Kap. 5 ist dem Passiv gewidmet. Als Formen des Passivs werden unterschieden und beschrieben das Vorgangs- (mit werden), das Zustands- (mitsein) und das Rezipientenpassiv (mit bekommen/erhalten/kriegen + Part. II); auch hier wird eine Zuordnung von thematischen Rollen zu den syntaktischen Funktionen vorgenommen. In Kap. 6 („Wortstellung: Das topologjsche Satzmodell") werden behandelt die topologischen Felder (Vor-,Mittel-,Nachfeld), die Satzklammer, die Verbstellungstypen (Verberst-, Verbzweit-, Verbendstellung), das Verhältnis von Verbstellungstypen und Satztypen (z.B. Aussage-, Frage-, Aufforderungssatz). In spezifischer Weise erörtern die Vf. Besonderheiten bei der Vorfeldbesetzung (z. B. die Frage, ob es Ausnahmen von der Verbzweitregel gibt), Besonderheiten des Nachfeldes (z. B. Extraposition, Ausklammerung, davon zu trennen: Rechtsversetzung, Nachtrag) und die Abfolge der Elemente in der rechten Satzklammer (unterschiedliche Statusrektion, wenn mehrere Verben auftreten). Kap. 7 thematisiert den „Komplexen Satz" und kehrt damit noch einmal zum „Grund-Wissen" zurück. Behandelt werden der Aufbau komplexer Sätze (Parataxe vs. Hypotaxe) sowie die Einteilung der Nebensätze einerseits nach formalen Kriterien (zunächst eingeleitete und uneingeleitete Nebensätze - bei Ersteren Konjunktional-, Relativ- und indirekte Fragesätze, bei Letzteren Verberst-, Verbzweit- und infinite Sätze), andererseits nach funktionalen Kritierien (Nebensätze mit Satzglied-, mit Satzgliedteil- und „ohne syntaktische Funktion", bei Ersteren Subjekt-, Objektsätze und Adverbialsätze, bei Letzteren die weiterführenden Nebensätze). Daran schließt sich Kap. 8 an, das sich einigen (noch umstrittenen) infiniten Strukturen zuwendet: den satzwertigen Infinitiven und den Acl-Konstruktionen. Die letzten beiden Kapitel behandeln speziellere Erscheinungen. Kap. 9 thematisiert die unterschiedlichen Verwendungsweisen des Pronomens es (als Personalpronomen, als expletives es - ohne thematische Rolle und Referenzbezug, oft als formales Subjekt bzw. Objekt bezeichnet -, als Vorfeld- bzw. Platz-halter-es und als Korrelat zu einem extraponierten Komplementsatz) und des Reflexivpronomens sich (anaphorisches sich bei reflexiv gebrauchten Verben, lexikalisches sich bei inhärent reflexiven Verben, mediales sich, außerdem das „Reflexivpassiv") - in der Tat Erscheinungen, die einer genauen Differenzierung bedürfen. Das gilt auch für die in Kap. 10 („Wortstellung und Informationsstruktur") erörterten Ebenen der Informationsstruktur (Topik-Kommentar-Gliederung, Thema-Rhema-Gliederung, Fokus-Hintergrund-Gliederung - die nicht einfach gleichgesetzt werden dürfen). Die Vf. gehen schließlich auch den Auswirkungen der Informationsstruktur auf die Wortstellung nach, besonders der Abfolge im Mittelfeld (vor allem unmarkierten Abfolgen und Abfolgen von Adverbialen). Insgesamt haben die Vf. ihr im Vorwort angegebenes Ziel vollauf erreicht: Sie haben ein „Arbeitsbuch" mit Überblickscharakter vorgelegt, das sich als Einführung vorzüglich eignet. Dazu tragen nicht nur die Theorieneutralität und die weitgehende Anlehnung an die traditionelle Terminologie bei, sondern auch die jedem Kapitel angefügten (durchweg sehr gut gelungenen) Übungsaufgaben mit entsprechenden Lösungshinweisen am Ende - dadurch schließt das Arbeitsbuch zugleich eine Art „Übungsgrammatik" in sich ein -, das allgemeine 54 Literaturverzeichnis sowie die den einzelnen Kapiteln angefügten „Literaturtipps zum weiteren Lesen". Die Vf. beschränken sich indes keineswegs auf das traditionelle grammatische Wissen, sondern weisen durchaus auch auf neuere Entwicklungen hin: einerseits auf speziellere, an bestimmte grammatische Theorien gebundene Interpretationen (z. B. der Valenz- und Kasustheorie oder der generativen Grammatik), andererseits auch auf neuere Entwicklungstendenzen in der Sprache selbst (vgl. z. B. Hinweise auf den Gebrauch von „Nebenkasus" bei Präpositionen wie während, wegen, trotz u. a.; vgl. 23). Bei der Interpretation gehen sie immer von einer fundierten kritischen Auswertung der internationalen Fachliteratur aus, sind stets um eine ausgewogene und nachvollziehbare Deutung bemüht. Hervorgehoben werden muss besonders auch die starke Orientierung an der sprachlichen Oberfläche, der intensive Einsatz von operationeilen Tests (speziell solcher auf topologischer Ebene), mit denen sie ihre Entscheidungen auf „handfeste" Weise begründen (und damit über die Berufung auf bloße intuitive Evidenz weit hinausgehen). Auch dadurch werden dem Benutzer wertvolle Instrumentarien für die linguistische Arbeit an die Hand gegeben. Natürlich werden bei einem (vom äußeren Umfang her) relativ knapp gehaltenen Überblickswerk immer Wünsche nach mehr „Vollständigkeit" offenbleiben. So könnte mancher Leser z. B. - neben dem vorhandenen Kapitel zum Passiv - entsprechende Kapitel auch zu den verbalen Kategorien des Tempus und des Modus vermissen. Ebenso wird mancher Leser wohl im Detail manches Problem haben, das er anders sieht und/oder über das er mit den Vf. gern diskutieren möchte. Wir deuten nur einige Fragen dieser Art an. Bei den Wortarten fällt die Beibehaltung der heterogenen Klasse des „Pronomens" (vgl. 17f.) (d. h. einschließlich der als Artikelwörter auftretenden Pronomina) auf, bei den Partikeln die Annahme von vier Klassen nicht als Subklassen, sondern als eigenständige Wortklassen (Modal-, Fokus-, Steigerungs-, Antwortpartikeln - von ihnen haben darüber hinaus die „Antwortpartikeln" u. E. als Satzäquivalente einen anderen Status) (vgl. 24ff). Der weiteren Diskussion bedürfen wohl auch für das Deutsche die Termini „direktes" und „indirektes Objekt" für Akkusativ- und Dativobjekt (und ihre nahezu „inhaltbezogene" Interpretation; vgl. 36f), der (eher irreführende) Terminus „unpersönliches Passiv" für das subjektlose Passiv (vgl. 70) (auch dieser Passivtyp setzt ein Agens voraus), die Erläuterung des Zustandspassivs an Fällen (vgl. 72), die eine vora-Phrase bei sich haben können, aber kein Agens haben und deshalb kein (oder wenigstens: kein prototypisches) Zustandspassiv sein können (und manchmal auch als „allgemeine Zustandsform" von diesem getrennt werden). Nicht ganz überzeugend dürfte auch die traditionelle Subklasse der „indirekten Fragesätze" sein (bei den formalen Subklassen der Nebensätze; vgl. 98, 104ff), weil es sich seman- tisch durchaus nicht immer um Fragen handelt und die mit ob eingeleiteten Nebensätze eigentlich Konjunktionalsätze sind (die vorgenommene „Doppelzuordnung" dürfte nicht zufriedenstellen). Diese Hinweise auf Details mindern in keiner Weise die in der Tat vorzügliche Qualität des vorliegenden Buches. Im Gegenteil: Das Arbeitsbuch gibt nicht nur dem Studenten ein sehr gutes Hilfsmittel zur Orientierung und als Überblick in die Hand, es regt gewiss auch zum weiteren Nachdenken und zur weiteren Forschung an. Gerhard Heibig Ruth Reiher / Antje Baumann (Hg.): Vorwärts und nicht vergessen. Sprache in der DDR -was war, was ist, was bleibt Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2004, 384 S., 9,95 € Manfred Hellmann formuliert in der vorliegenden Veröffentlichung in seinem Beitrag „Thema erledigt - oder doch noch nicht? Was bleibt zu tun bei der Erforschung des DDR-Sprachgebrauchs?" folgenden Appell: „Lassen wir nicht zu, dass die Geschichte der DDR, auch ihre Sprachgeschichte, marginali-siert wird, als habe sie - wenn überhaupt - irgendwo im Ausland stattgefunden. Auch die Sprachgeschichte der DDR ist zu dokumentieren, zu kodifizieren, zu beschreiben und zu erinnern als Teil unserer gemeinsamen deutschen Geschichte." (23) Damit fasst er in wenigen Worten das erklärte Ziel des Buches zusammen: den leider viel zu oft verbreiteten Eindruck sprachlicher Homogenität im Sinne des öffentlichen Sprachregisters aufzubrechen und unterschiedliche Facetten des Sprachgebrauchs unter wechselnden kommunikativen Bedingungen zu beschreiben. Entstanden war diese Idee als Ergebnis des Symposiums „Rechenschaftsbericht oder Verpflichtungserklärung" an der Humboldt-Universität zu Berlin 2003, das sich mit dem Umgang von Texten aus der DDR auseinandersetzte. 29 Vf. betrachten in ihren Beiträgen Sprachgebrauch und Kommunikationspraktiken in der DDR unter dem Einfluss spezifischer Lebensformen und sozialer Konstellationen. Sie lassen ein weit gefächertes Spektrum von Kommunikationssituationen entstehen, das in den meisten Fällen durch detailgetreue Analyse, Faktenreichtum und Authentizität besticht. Dem Leser bietet sich ein differenziertes Bild von Sprache in der DDR, die neben dem offiziellen Sprachstil (R. Geier, P Stevenson) durchaus auch bunt, witzig, kreativ und seriös sein konnte (A. Burkhardt, K. Pape, U. Wittich). Dem kurzen Vorwort der Hg., in dem sie die Notwendigkeit einer Beschreibung der sprachlichen Wirklichkeit der DDR in ihrer Komplexität fernab vom Verharren im öffentlichen Sprachregister hervorheben, folgen drei Betrachtungsschwerpunkte. Die beiden ersten Teile „Was die Kommunikation 55 in der DDR prägte" und „Sprache und Sprachgebrauch in der DDR" beziehen sich auf Textsorten, die vor 1989 entstanden sind, während sich der dritte Schwerpunkt „Kein Thema mehr? Zum gegenwärtigen Umgang mit DDR-spezifischen Sprachformen", wie bereits im Titel erwähnt, mit dem Umgang und der Analyse von Texten unter heutiger Betrachtungsweise und mit dem Wissen um den heutigen Zeitgeist auseinandersetzt. Aufgrund der Fülle der in diesem Band vorgestellten Arbeiten, die sowohl relativ kurz gehalten sind als auch sehr unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche beinhalten - das ist der Genese des erwähnten Symposiums geschuldet -, können hier stellvertretend nur einige Beiträge erwähnt werden, die exemplarisch für das Anliegen aller stehen. W. Engler gibt in seinem Beitrag „Sozialer, praktischer und sprachlicher Sinn" eine in ihrer Prägnanz überzeugende Analyse zur „kulturellen Grammatik" der DDR-Gesellschaft und beleuchtet unter dem Blickwinkel der Homogenisierung des sozialen Raums sowohl das Eindringen des „arbeiterlichen Idioms" in die akademische Welt als auch die Aufwertung der literarischen Kommunikation als Lebenshilfe und moralische Instanz. W. Härtung („Was die Kommunikation in der DDR prägte") analysiert Lebensformen und ihren Einfluss auf Kommunikationspraktiken und Sprache, wobei er in seine Untersuchungen die Gesellschaft an sich, den einzelnen Sprecher, Orte des Kommunizierens und Wege des Wahrnehmens einbezieht. Aufschlussreich und erheiternd führt uns A. Burkhardt („,Verehrte Abgeordnete! (...) Danke schön.' Zum Kommunikationsstil der Volkskammer in der Phase der Selbstabwicklung") am Beispiel von Metaphorik, Zwischenrufen und Zwischenfragen vor Augen, wie lebendig, witzig und entlarvend Sprache auch sein kann. R. Reiher kommt in ihrem Beitrag ^„Sozialistisch arbeiten, lernen und leben.' Alltagssprache in der DDR") zu dem Schluss, dass die von der DDR propagierte Ideologie der sozialen Gleichheit im arbeitsweltlichen Alltag kooperative Sprachstrategien und Konsens bedingende Formulierungen voraussetzte. Diese Art von Konfliktvermeidung und das damit einhergehende kollektive Gemeinschaftsgefühl werden heute zum Teil rückblickend von einem Teil der Ostdeutschen vermisst. B. Wolf-Bleiss („,Es ist mir ein innerer Parteitag, dass das Muttiheft lebt.' Wörterbücher zum DDR-Wortschatz") plädiert dafür, den noch nicht untergegangenen DDR-Wortschatz zu analysieren und für die Rezipienten - mittlerweile erinnern sich auch junge Ostdeutsche nicht mehr so genau -„durchsichtig" zu machen, damit unter anderem auch das Lesen von DDR-Literatur zu einem vollständigen Genuss werden und zu einem besseren Verständnis führen kann. I. Kühn („Erinnerungsvokabular mit Verfalls- datum. Wie erklärungsbedürftig ist DDR-spezifische Lexik?") kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass für Literatur, die DDR-Lebenswelt beschreibt, ein Wortfeldglossar für zukünftige Leser hilfreich sein wird. Hier wird Wortgeschichte mit Kulturgeschichte einhergehen müssen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in allen drei Schwerpunkten der östliche Teil Deutschlands weder als linguistisches Kuriositätenkabinett noch als dämonisierter Bürokraten-Gulag vorgeführt wird, sondern als ein natürliches Sprachgebiet, in dem neben erstarrter Begriffsdogmatik und Variationsarmut auch unterschiedliche Facetten von Sprachverwendung und sprachliche Vielfalt existierten. Somit entsteht eine wohltuende sprachliche Differenzierung, die durchaus als Desiderat aktueller Geschichtsschreibung einzufordern ist. Hervorhebenswert ist auch der Anhang, der Beispiele bringt, wie in der DDR gesprochen (Transkription mündlicher Rede aus einem staatlichen Betrieb) und geschrieben wurde (Eingaben, Brigadetagebuch, Leserpostmappe des „Neuen Deutschland"). Die kurzen Angaben zu den Vf. am Schluss des Buches lassen den interessierten Leser - falls er nicht Sprachwissenschaftler ist - erkennen, dass die Sicht auf die Sprache der DDR aus ganz unterschiedlichem Blickwinkel erfolgt ist. Vf. aus allen Teilen Deutschlands und aus dem Ausland bemühen sich um einen ungetrübten und objektiven Blick auf eine sprachliche Vergangenheit, die nicht trivialisiert werden darf, sondern als Teil deutscher Geschichte aufbewahrt werden muss. Auch das könnte im Interesse der inneren Einheit Deutschlands dazu beitragen, dass Ostdeutsche sich ihrer Identität als solcher bewusst werden und damit umgehen können, ohne sich schuldbewusst, verkannt oder zurückgesetzt fühlend in Nischen oder auf die andere Seite des Grabens zurückzuziehen. Die Vf. argumentieren klug und überzeugend, sie verfallen in keinerlei ostalgische Sichtweisen. Insofern kann dieses Buch als ein weiterer Beitrag zur „sprachlichen Einheit" Deutschlands betrachtet werden. Barbara Giigold Ursula Hirschfeld /Lutz Christian Anders (Hg.): Probleme und Perspektiven sprechwissenschaftlicher Arbeit Peter Lang Verlag, Frankfurt a. M. u. a. 2006, 202 S., 39,00 € (Hallesche Schriften zur Sprechwissenschaft und Phonetik, 18) Der vorliegende Band soll Anlass sein, die seit Jahrzehnten zum beiderseitigen Nutzen gewachsenen Forschungsbeziehungen zwischen dem Institut für Sprechwissenschaft und Phonetik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und dem Herder-Institut an der Universität Leipzig zu thematisieren und den Lesern dieser Zeitschrift Perspektiven 56 aufzuzeigen, die sich durch Kooperation mit der äußerst facettenreichen und wissenschaftlich produktiven Fachdisziplin Sprechwissenschaft ergeben. Die Hg. des Sammelbandes betonen im Klappentext die Interdisziplinarität des Faches Sprechwissenschaft, das sich mit dem sprachlich-sprecherischen Handeln von Menschen beschäftigt. Die Berührungspunkte des Faches, die „von klinischen Diagnose- und Therapieverfahren über rhetorische und sprechkünstlerische Fragestellungen bis zu normphonetischen Gegenständen und zur Sprachsynthese" (Umschlagtext) reichen, spiegeln sich in den 15 Beiträgen von Autoren verschiedener Institutionen wider. Einen Überblick über Forschungsinteressen, Forschungsarbeiten und Berührungspunkte der Sprechwissenschaft mit anderen Fachgebieten bieten die Beiträge von E. Stock und U. Hirschfeld. Stock („Dynamik der halleschen Sprechwissenschaft"; 9-24) verdeutlicht u. a., dass das Fach Sprechwissenschaft auf eine nunmehr einhundertjährige Tradition zurückblicken kann und seit mehr als einem halben Jahrhundert sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht beispielhafte Forschungsarbeit geleistet hat. Erwähnenswert im Zusammenhang mit Deutsch als Fremdsprache ist die Tatsache, dass seit den 1970er Jahren „kontrastiv-phonologische und kontrastiv-phonetische Studien zu zahlreichen fremden Sprachen als Ausgangssprache und Deutsch als Zielsprache" (14) von Sprechwissenschaftlern in Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen (auch DaF) durchgeführt worden sind und mit ständig aktualisierten Untersuchungsmethoden und Forschungsfragen immer noch durchgeführt werden. Auch die über Jahrzehnte hinweg vorgenommenen sozio- und normphonetischen Untersuchungen sind für Praxis und Forschung im DaF-Bereich von äußerster Brisanz, schöpfen doch DaF-Ausbildung, DaF-Lehre und jedes Lehrwerk mit zeitgemäßem Phonetikangebot aus diesen Quellen. Ebenso sind unter dem Aspekt interkultureller Kommunikation fast sämtliche Untersuchungen zur Psychophonetik und Soziophonetik sowie kulturgeschichtliche und rhetorische Untersuchungen zur Sprechkommunikation von großer Relevanz. Hirschfeld äußert sich zu „Gegenstandsbestimmung und Perspektiven der sprechwissenschaftlichen Phonetik" (37-48). Ebenso wie Phonologie/ Phonetik eine der tragenden Säulen des Faches darstellt, bildet sie auch im DaF-Bereich eine entscheidende Voraussetzung für gelungene Kommunikation in der Fremdsprache. Besonders interessant ist im genannten Beitrag eine Zusammenfassung der gegenwärtigen Forschungsschwerpunkte der sprechwissenschaftlichen Phonetik. Der Be- 1 Eine Auflistung sämtlicher erschienener Bände der Halleschen Schriften findet sich unter http://www.sprechwiss. uni-halle.de/ veroeffentlichungen/index.htm. reich Deutsch als Fremdsprache spielt auch hier eine zentrale Rolle. Verwiesen sei auf das zitierte Projekt „Phonetische Merkmale und ihre Wirkungen in der interkulturellen Kommunikation" (46), das auf internationaler und interkultureller Ebene eine Reihe wichtiger Forschungsarbeiten hervorgebracht hat und weiterhin erwarten lässt. Der Sammelband enthält natürlich noch weitere interessante Beiträge; auf einige davon soll hier kurz eingegangen werden. So beklagt S. Lemke unter dem Titel „Zur stimmlich-sprecherischen Ausbildung Lehramtsstudierender" (85-94), dass künftige Lehrende an deutschen Hochschulen und Universitäten viel zu wenig oder gar nicht auf ihren künftigen sprechintensiven Beruf vorbereitet werden, ja dass nicht einmal stimmliche Eignungsvoraussetzungen überprüft werden. Sie berichtet über eigene umfangreiche Untersuchungen und resümiert, dass fast die Hälfte aller Lehramtsanwärter stimmlich auffällig sind und auch die für Lehrende notwendigen kommunikativen Handlungen (Vorlesen, Vortragen, Ansprechhaltung im Unterricht ...) insgesamt sprechsprachlich nur defizitär bewältigen. Wenn man bedenkt, dass in DaF-Studiengängen - im Unterschied zu Lehramtsstudiengängen - gar keine Sprecherziehung angeboten wird, so sollte dies besonders nachdenklich stimmen, da immerhin die meisten DaF-Studienabgänger später als DaF-Lehrer tätig sein und für DaF-Lernende zudem als sprachliches Vorbild gelten werden. Zwei der Beiträge beschäftigen sich mit phonetischen Aspekten zweier Varianten des Deutschen -des schweizerischen und des österreichischen Deutsch -, die für DaF-Lernende in Bezug auf die spätere kommunikative Realität Relevanz besitzen (können) und daher seit einiger Zeit in den Blickpunkt von Wissenschaftlern und Lehrwerksautoren gerückt sind. Besonders hoch ist ihr Stellenwert in der Aussprachenorm-Diskussion anzusetzen. Ch. Ulbrich berichtet über experimentelle Untersuchungen zur „F0-Deklination in den Standardvarietäten der deutschsprachigen Schweiz und der Bundesrepublik" (161-176). D. Klaaß („Zur Realisierung des lil bei österreichischen Nachrichtensprechern"; 177-192) präsentiert in diesem Bereich empirisch gewonnene Ergebnisse. Beide Beiträge vervollständigen Kenntnisse über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den drei (Stan-dard-)Varianten des Deutschen. Insgesamt bietet der Sammelband einen guten Überblick über einige der derzeitigen Forschungsvorhaben der Fachdisziplin Sprechwissenschaft. Er kann für DaF-Wissenschaftler und -Praktiker zugleich Anregung sein, auch die zuvor erschienenen Monographien und Sammelbände der Halleschen Schriften zur Kenntnis zu nehmen.1 In diesen geht es um Fragen der Standardaussprache und Norm-kodifizierung (Bd. 1), soziale Fragen der Kommunikation (Bd. 2), Entwicklungen, Aufgaben und Fra- 57 gen des Faches Sprechwissenschaft - immer im Hinblick auf dessen Interdisziplinarität (Bde. 3, 5, 10, 12, 18) - sowie (vorwiegend in Monographien) um relevante Forschungsarbeiten zur Phonetik und zu weiteren Themenbereichen der gesprochenen Sprache (Bde. 4, 7, 8, 9,11,13, 14, 16, 17). Es wäre zu wünschen, dass Forschungskooperation zwischen DaF und Sprechwissenschaft nicht auf den Bereich der Phonetik/Phonologie - wie bisher traditionell üblich - beschränkt bleibt, sondern dass auch DaF-Linguisten, -Didaktiker und andere Interessierte das bereits vorhandene sprechwissenschaftliche Potenzial berücksichtigen, ausschöpfen und ihrerseits zum gemeinsamen Nutzen befruchtend ergänzen. Kerstin Reinke Margit Breckle: Deutsch-schwedische Wirtschaftskommunikation. „In Schweden ist die Kommunikation weicher" Peter Lang Verlag, Frankfurt a. M. u.a. 2005, 337 S., 56,50 € (Werkstattreihe Deutsch als Fremdsprache. 78) Die vorliegende interkulturelle Studie, die auf der Dissertation der Vfn. beruht, zeichnet einen Ausschnitt der deutsch-schwedischen Wirtschaftskommunikation, der facettenreich nach Kulturstereotypen durchleuchtet wird. Forschungsergebnisse im Bereich deutsch-schwedischer Studien sind bisher recht dünn gesät. Lediglich G. Hofstede weist in komparatistischen Untersuchungen besonders darauf hin, dass Deutsche ein höheres Bedürfnis nach Vermeidung von Unsicherheiten haben als Schweden und dass Frauen dort eher eine Führungsposition als in Deutschland bekleiden. Nach B. ist „Kommunikation [...] für das Unternehmen überlebenswichtig" (13), denn nur so kann es seine Botschaft überbringen und erfolgreich verhandeln. Die Vfn. möchte jedoch nicht nur Zustände in der Wirtschaftskommunikation konstatieren, sondern ihre Ergebnisse auch für den deutschschwedischen Fremdsprachenunterricht nutzbar machen. In einem umfangreichen Theorieteil werden Leitthesen, Ziel und Methode der Arbeit, Begriffsdefinitionen und Forschungsstand sorgsam erläutert. Kommunikation basiert für B. auf interaktionaler Kompetenz. Sie lässt sich auch in Kommunikationsakte, Kultureme genannt, unterteilen, z. B. Grüßen, Denken, Schweigen, Zustimmen oder Ablenken. Unter „Kultur" wird der gemeinsame Wissensbestand von Mitgliedern einer Gesellschaft verstanden, der aus Erfahrungen, Denkstrukturen, Vorstellungsformen und Handlungspraktiken in historisch standardisierter Form besteht. Mittels der qualitativen Methode halbstrukturierter Interviews mit schwedischen wie deutschen Geschäftsleuten und Institutionen sowie mittels anonymisierter Gespräche an einem deutsch- schwedischen Messestand greift die Vfn. auf zweierlei Quellen zurück, um ihre Untersuchung empirisch zu fundieren. Zur Interviewanalyse wird ein differenzierter Leitfaden verwendet. Dort finden sich Daten zu Firma und Geschäftskontakten, Daten zur Sprache, Erfahrungen mit Kulturunterschieden und Missverständnissen im jeweils anderen Land sowie die Kernfragen nach Sprachunterschieden, Wahl des Kommunikationsmittels, Ausgestaltung der Zeitauffassung, Handhabe der zwischenmenschlichen Beziehungen und Gespräche sowie Daten zur Arbeitsorganisation. Bei den befragten Institutionen wird der Leitfaden etwas schlichter gestaltet und greift auch Kontextinformationen wie etwa den Einfluss der EU auf, der in Schweden als „Nichteuroland" einen eigenen Charakter hat. Als Ergebnis schält sich folgende Kulturspezifik heraus: In Deutschland gibt es intern (Ost/West, Nord/Süd) eklatante Unterschiede, die so auch interkulturell im deutsch-schwedischen Dialog wahrgenommen werden. Konkurrenzdruck wird in Deutschland stärker empfunden. Die Hierarchien sind in Schweden flacher bzw. weniger offensichtlich als in Deutschland. Hier sind die Chefs eher Spezialisten als Generalisten. Schwedische Chefs verstehen sich eher als Coachs, die nicht auf alle Fragen der Mitarbeiter eine Antwort wissen und die viel delegieren. In Sitzungen haben die schwedischen Mitarbeiter mehr Rederechte als ihre deutschen Kollegen. Auch äußern sie ihre Positionen offener. Deutsche wagen oft nicht, die Initiative zu ergreifen. Schweden sind in der Wahrnehmung durch Deutsche flexibler, teamorientierter und improvisationsfreudiger. Jobrotation und Erledigen von Arbeiten außerhalb des Aufgabengebietes sind in Schweden selbstverständlicher als in Deutschland. Die „Punktgröße" von Gesprächen ist in Schweden eine andere: Hier werden große Punkte, d. h. Richtungsbestimmungen, erledigt. In Deutschland sind kleine Punkte, d. h. viele Detailbeschlüsse, die Regel. Unterschiede in den Zeitauffassungen gibt es kaum, allerdings legt man in Schweden weniger Hektik an den Tag. Die Deutschen gelten als formeller, höflicher und „besserwisserischer" als die Schweden, deren Kommunikationskultur dagegen auf Teamentscheidungen angelegt ist. Letztere wählen eher einen indirekten Ausdrucksmodus, um zu kritisieren, zu scherzen oder einen emotionalen Bezug zum Gesprächspartner herzustellen. Das alles meint B. mit ihrem Untertitel „In Schweden ist die Kommunikation weicher". Dieser zugkräftige Titel hat sicher Marketingqualitäten, denn er stilisiert ein Einzelphänomen zum durchgreifenden Kulturstereotyp. Die Analyse der Messegespräche belegt, dass sich die unternehmerischen Imagezwecke in linguistischen Kategorien abbilden lassen. So ist z.B. die Tendenz, das Gesagte mittels „Heckenausdrücken" zu relativieren, eine indirekte, d.h. in der Terminologie der Vfn. „weiche" Kommunikationsweise. 58 Leider werden die Arbeitsergebnisse nicht immer klar genug formuliert. Somit mutet das detailreiche Werk bisweilen selbst ein wenig „weich" (in der Bedeutung ,wenig griffig') an. Auch fehlt zur Erklärung der untersuchten Phänomene manche Information zu wirtschaftsbezogenen Hintergründen, z. B. zum Konsumverhalten. Insgesamt liegt eine interessante Studie vor, die viele Anregungen zum Denken und Handeln in konkreter interkultureller Kommunikation gibt. Michaela de Groot Claus Altmayer: Kultur als Hypertext. Zu Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache ludicium Verlag, München 2004, 511 S., 52,80 € Nicht ganz unbescheiden bemerkt Vf. bereits in den ersten Zeilen des Vorworts, diese Studie (überarbeitete Habilschrift, Saarbrücken 2002, 460 S. Haupttext, extensive Bibliografie) unternehme „nichts Geringeres als den Versuch, den herkömmlicherweise als ,Landeskunde' mehr schlecht als recht bezeichneten kulturellen Aspekt des Fremdsprachenlernens auf eine neue wissenschaftliche Basis zu stellen" (9). In der Tat gelingt es Altmayer, sowohl eine wissenschaftliche Fundierung für die Bereiche Landeskunde, Kulturwissenschaft oder Cultural Studies innerhalb des Faches Deutsch als Fremdsprache herzustellen als auch ein auf andere Fächer übertragbares Theoriefundament zu entwerfen. Damit trägt er wesentlich zur wissenschaftlichen Legitimation und Reputation seiner Fachrichtung bei und leistet mit seinem Werk zudem einen wichtigen Beitrag zur kulturwissenschaftlichen Diskussion in anderen Fachwissenschaften wie Fachdidaktiken. Der große Wurf gelingt aus zwei Gründen: zum einen durch die höchst anspruchsvolle theoretische Diskussion und die mit ihr verbundene theoretische Grundlegung in den Kap. 1-4, zum anderen durch den praktischen Teil (Kap. 5), der nicht, wie in vielen ähnlichen Arbeiten, ganz abgekoppelt wirkt und bei dem die Theorie auch nicht künstlich aufgesetzt erscheint. Vielmehr beweist Vf. hier in großem Detailreichtum, dass sein Theoriegebäude nicht im luftleeren Raum steht, sondern sich in höchstem Maße als praktisch applizierbar erweist. Dies geschieht dazu auf stark modellhafte und damit auch auf andere Wissenschaftsdisziplinen übertragbare Weise. In diesem Sinne werden in den folgenden Ausführungen jeweils nur prägnante und besonders übertragbare Erträge aus den einzelnen Kapiteln beschrieben. Kap. 1 widmet sich der grundsätzlichen Frage nach dem Stellenwert der Landeskunde im Zusammenhang mit dem Selbstverständnis von DaF Dabei werden historische und aktuelle Diskussio- nen zur Auseinandersetzung mit anderen Kulturen erörtert (um die es ja auch immer beim Lernen einer Fremdsprache geht). Zu Recht konstatiert Vf. hier, dass es für die Landeskunde an Universitäten weder eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte noch eine bedeutsame wissenschaftliche Forschung gibt - ein Sachverhalt, der nicht allein für Deutsch als Fremdsprache gilt. Die Umetikettierung von „Landeskunde" zur methodisch-theoretisch aufgefrischten „Kulturwissenschaft" hilft dabei in vielen Fällen auch nicht, wie Vf. vermerkt, der bewusst bei dem traditionellen Terminus „Landeskunde" bleibt, diesem aber mit dieser Arbeit eine feste kulturwissenschaftliche Basis verschafft. Er diskutiert weiterhin in diesem Kapitel eingehend verschiedene Ausrichtungen landeskundlicher Forschung, etwa die in der Anglistik debattierten Konzepte von Nünning (stärkere philologische Ausrichtung der Kulturwissenschaft), von Hansen (der v. a. kollektive Gewohnheiten und Formen der Standardisierung als Gegenstand bevorzugt) und von Kramer (der einen landeskundedidaktischen Ansatz vertritt, also die Beschäftigung mit einer anderen Kultur v. a. mit Blick auf die spätere kulturelle Mediatorenrolle von Studierenden betrachtet). Weitere transdisziplinäre Ansätze zur Kulturwissenschaft, wie sie v. a. von Seiten der Germanistik vertreten werden, würdigt Vf. gleichfalls kritisch. Zur gedanklichen Umkreisung des Begriffs „Landeskunde" gehören die in Kap. 2 ausführlich diskutierten Themenkomplexe des interkulturellen Lernens, insbesondere des Fremdverstehens, welches unter der bisweilen aus dem Blick geratenen Prämisse erörtert wird, dass jede Art des Verstehens „zunächst einmal ,Fremdverstehen'" darstellt (39). So diskutiert Vf. eingehend allgemeine philosophische Probleme des Verstehens und der Verständigung, unter besonderem Rekurs auf Theorien des Konstruktivismus und des kommunikativen Handelns (Habermas, Gadamer). Intensiv beschäftigt er sich mit dem komplexen Themenbereich des Fremdverstehens als Dialektik von Außen- und Innenperspektive. Kap. 3 widmet sich in größerem Rahmen der kulturtheoretischen Grundlegung der Arbeit, d.h. einer zukünftigen Ausrichtung des Faches Deutsch als Fremdsprache. Dazu gehört eine eingehende Beschäftigung mit verschiedenen Kulturbegriffen im Hinblick auf deren historische Funktion. Hier plädiert Vf., wie erwartet und inzwischen Usus im kulturwissenschaftlichen Diskurs, für einen erweiterten Kulturbegriff. Kultur wird als Ausdruck von kollektiven Mentalitäten verstanden, wobei diese im Zeitalter der Globalisierung zunehmend komplexer, offener und ambivalenter werden. Vf. beruft sich auf kulturwissenschaftliche Ansätze der hermeneutischen Sozialwissenschaften (Schütz: Kultur als „Lebenswelt"), der Ethnologie (Geertz: semiotischer Kulturbegriff) und auf verschiedene 59 Theorien zum kulturellen Wissen als „Gedächtnis und Text" (Halbwachs/Assmann: kulturelles Gedächtnis). Unter Verwendung eines der beliebtesten Deutungsmuster des amerikanischen New Histori-cism, des Chiasmus, schließt Vf. dieses Kapitel mit einem Fazit zur „Kulturalität der Texte und Textua-lität der Kultur". In Kap. 4 entwickelt Vf. seine in dem bisher erarbeiteten Theorieentwurf wurzelnde Methodik, indem er „Prinzipien und Verfahren der kulturwissenschaftlichen Textanalyse" beschreibt (vgl. 169ff). Nach allgemeinen Ausführungen zum Textbegriff und zum Textverstehen innerhalb eines landeskundlich oder kulturwissenschaftlich orientierten Ansatzes stellt er den Kernbegriff seiner Textanalyse vor - den der „Präsupposition(en)" oder „sprachlichen Implikatur(en)" (dazu werden linguistische Arbeiten diskutiert, v. a. im Hinblick auf Besonderheiten bei Implikaturen wie situatives Kontextwissen, Textmusterwissen, Intertextualität oder kulturelle Schlüsselwörter). Hier gilt die Erkenntnis, dass allen sprachlichen Äußerungen, wie sie etwa in Texten fixiert sind, „selbstverständliche Voraussetzungen zugrunde" (191) liegen; es geht also nicht um die Wahrheitsbedingungen, sondern um die Sinnbedingungen einer Äußerung oder -einfach ausgedrückt - um die Frage, welche kulturell bedingten Anspielungen bei einer Aussage „mitschwingen", d.h., auf welches von den Kommunikanten geteilte kulturelle Wissen angespielt bzw. wie dieses aktiviert wird. Vf. formuliert hier als Kernfrage, welche Wirklichkeitskonzepte in einer Kommunikationssituation (sei sie intersubjektiv, sei sie zwischen Text und Rezipient) zum Tragen kommen und wie dabei Versionen von Wirklichkeit verhandelt werden: „Wirklichkeit ist immer schon gedeutete Wirklichkeit, bei deren Deutung und Konstruktion vor allem sprachlich vermittelte Deutungsmuster eine konstitutive Rolle spielen." (254) Aufgabe des wissenschaftlichen Zugangs bzw. des Landeskundeunterrichts ist es demnach, diese verschiedenen Voraussetzungen für die unterschiedlichen Konstruktionen von Realität eingehend zu analysieren: „Die Aufgabe der kulturwissenschaftlichen Textanalyse [...] besteht dann darin, diese Präsuppositionen als das in den betreffenden Text eingehende kulturelle Hintergrundwissen möglichst explizit zu machen." (245) Möglich ist dies auf Grund eines neuen, se-miotischen Kulturverständnisses, das hier mit folgendem Zitat zusammengefasst sei: Es handelt sich „bei ,Kultur' um diejenigen als selbstverständlich und allgemein bekannt und vertraut unterstellten Wissensbestände, die den Hintergrund kommunikativer Handlungen bilden und als solche Kommunikation als Verständigung zwischen Subjekten erst ermöglichen, die aber in aller Regel selbst nicht thematisch werden." (245) Damit lässt sich Kultur nicht direkt oder durch empirische Untersuchungen erschließen, sondern nur indirekt, durch eine von der Makro- bis zur Mikroebene verlaufende Analyse der in jeweiligen Texten eingeschriebenen Präsuppositionen. Es ist dies also ein Textverständnis, welches Texte nicht als fertige Produkte, sondern als Bedeutungsträger versteht, die von (potenziellen) Rezipienten unterschiedlich gedeutet werden können. Ziel der Analyse ist es demnach, das in den betreffenden Text eingehende kulturelle Hintergrundwissen möglichst vollständig offenzulegen. Dass dies nicht allein von Kulturwissenschaftlern erhebliches Hintergrundwissen, ein großes Maß an Recherche und einen genauen Blick für Details und die Symbol-haftigkeit von Äußerungen verlangt, sondern in der Praxis der Analyse und Interpretation geradezu in Kärrnerarbeit münden kann, beweist Vf. mit seinem Praxisteil in Kap. 5. Hier geht es um eine exemplarische Fallstudie zum Thema „Ausländer in Deutschland". Die ausgewählten Texte umfassen dabei ein breites Spektrum: eine Plakatserie zum Thema „Einbürgerung", Einträge zum Thema „Ausländer in Deutschland" in einem Internet-Gästebuch, die kurze Geschichte „Dialog" von Nasrin Siege, ein Essay Cem Özdemirs mit dem Titel „Deutschland - meine Heimat", Einträge zum Thema „Menschenrassen" in der Brockhaus Enzyklopädie im historischen Überblick (1971-1998), Ausschnitte aus einer Talkshow zum Thema „Was ist deutsch?" sowie das Kunstplakat „Deutscher ist, wer in Deutschland Steuern zahlt" (Staeck). Sämtliche Texte - von denen die meisten um das Jahr 2000 entstanden sind und somit aktuelle Bezüge zeigen - werden im Anhang mitgeliefert, sodass man der Argumentation problemlos folgen kann. Aus Platzgründen sei hier lediglich auf das minutiöse Vorgehen des Vf. beim analytischen Umkreisen dieser Texte - ähnlich der dichten Beschreibung von Geertz - verwiesen, welches Schicht für Schicht die Bedeutungs- und Anspielungsebenen der kulturellen Texte aufdeckt und dabei verdeutlicht, wie faszinierend das von ihm hier modellhaft beschriebene Verfahren in der Unterrichtspraxis beim Verwenden ähnlicher Texte und ähnlicher, sicherlich nie in diesem extensiven Maße nachvollziehbarer Deutungsverfahren sein kann. Fassen wir kurz die wichtigsten sich aus dieser Arbeit ergebenden Erkenntnisse zusammen: 1. Vf. geht es um eine Umkehrung der bisherigen Perspektivierung des Gegenstandes Landeskunde, um eine „Revolution der Denkensart". Es geht nicht primär um eine auf einzelne Gegenstände oder Inhalte fokussierte Herangehensund Behandlungsweise, sondern es muss von den „Lehr- und Lernprozessen des landeskundlichen Unterrichts her gedacht werden", von den „erkenntnisleitenden Interessen" her (9). 2. Dieses alternative Konzept ist verankert in Wissenschaftstraditionen der Soziologie und Ethno- 60 logie und operiert mit einem Kulturbegriff, der Kultur als lebensweltliches Schema- und Musterwissen begreift. Dabei kommt insbesondere die von Geertz verwendete Metapher von „Kultur als Text" zum Tragen. 3. Vf. wendet sich mehrfach und sehr überzeugend gegen die häufig verbreitete Vorstellung einer Homogenität von Kulturen im Sinne von Nationen, da diese besonders die Stereotypenbildung fördere. Die Annahme homogener Nationalkulturen erscheint im Zeitalter der Globalisierung als „anachronistisch" (75); vielmehr sei zu betonen, dass die „Problematik der Dynamik, Heterogenität, Polyvalenz, ja der Widersprüchlichkeit von ,Kulturen' im Sinne von Sprach- und Kommunikationsgemeinschaften mitzudenken" ist (77). 4. Vf. geht zugleich von einem erweiterten, semio-tisch zu verstehenden Textverständnis aus. Texte werden begriffen als Repertoire gesellschaftlich präsupponierter Deutungsmuster, als „Zirkulationsstellen" für das im kulturellen Gedächtnis gespeicherte und verfügbare kulturelle Wissen. Diese Muster gilt es sorgfältig herauszupräparie-ren, wobei im Sinne der Intertextualität Bezüge zwischen den analysierten und anderen Texten hergestellt werden. 5. Als zentrale Metapher der Arbeit dient dabei der aus der Informationstechnologie stammende Terminus „Hypertext". Er verweist auf die vielfachen Vernetzungen einzelner Texte und zugleich auf die Unmöglichkeit, zu festen, immer gültigen Bedeutungsfixierungen zu gelangen. Es bleibt als Fazit des Rezensenten, der als Anglist selbst mehrere Jahre im Ausland Deutsch als Fremdsprache lehrte: Zweifellos ist Altmayer mit diesem Opus magnum ein substanzieller Beitrag nicht allein zur Entwicklung des Faches Deutsch als Fremdsprache gelungen. Die Erkenntnisse und das wissenschaftliche Fundament, die er hier für eine kulturwissenschaftlich ausgerichtete Fremdsprachenausbildung erarbeitet hat, sind unbedingt auch in Forschung und Lehre anderer Sprachfächer zu beachten. Laurenz Volkmann Ingrid Mummert: Begegnungen mit „Gertrud" und „Elsa". Mündliche und schriftliche Interpretation deutschsprachiger Literatur mit ausländischen Studierenden. Eine Studie Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2006, 298 S., 22,00 € Ingrid Mummert muss man in der Fachdidaktik, insbesondere in der Literaturdidaktik, nicht mehr vorstellen. Sie ist einschlägig bekannt geworden mit „Schüler mögen Dichtung" (1984), „Literamour" (1987), „Nachwuchspoeten" (1989). Mit dem hier vorzustellenden Werk legt sie nun gleichsam ihre „Summa" vor. Diese handelt, wie der Titel ausweist, nicht vom Umgang mit französischer Literatur für deutsche Schüler, sondern vom Umgang mit deutschsprachiger Literatur für ausländische Studierende. Auch hier geht es der Vfn. darum, ihre ganz spezifischen praktischen Erfahrungen vorzustellen und in neuartigen theoretischen Ansätzen aufzuheben. Im vorliegenden Fall geht es um den Werkstattbericht ihrer mehrjährigen Lehrtätigkeit am Studienkolleg zu Hamburg; der Berichtszeitraum erstreckt sich auf die Zeit zwischen 1997 und 2003. In dieser neuerlichen Studie zur Literaturvermittlung in interkulturellem Umfeld erreicht Mummert erneut hohe inhaltliche und stilistische Qualitäten. Auch in diesem sehr persönlich gehaltenen fachwissenschaftlichen und didaktischen Diskurs gelingt ihr wieder eine bruchlose Verbindung von Sprechen und Schreiben. Das legt schon der unprätentiöse Titel nahe, der sogleich auf die Begegnung der - fiktiven - Personen Gertrud und Elsa mit den Studierenden aus ganz unterschiedlichen Kulturen neugierig macht. Diese „Vermittlung von Literatur" (7) setzt damit auf Begegnung, vor allem auf die zwischen den literarischen Gestalten und den je einzelnen Kollegiaten mit ihren ganz spezifischen Herkunftsvorstellungen. Bei dieser - subjektiven - Konfrontation setzt die Vfn. durchgängig auf Empathie. Dieser aus der Psychologie vertraute Begriff der Einfühlung wird hier literaturdidaktisch aufgeladen und durch die aus der Rezeptionsästhetik bekannten Leerstellen operationalisiert. „Voraussetzung für Empathie ist, dass jemand an einem anderen interessiert ist, dass er ihn verstehen will. Dann wird er aufmerksam und neugierig. Er muss offen, vor allem aber gelassen sein und bleiben." (25) Diese „subjektive Reflexion von Praxis" (11) bedeutet, dass der Unterricht gründlicher als normal vorbereitet und evaluiert werden muss. Diese radikale „subjektive Rezeption" (21) und die Zurücknahme eines „kognitiven Zugangs" (20) haben zur Folge, dass es den „Abschluss der Analyse mit einer einzigen richtigen Interpretation" (19) nicht mehr geben darf. Auch hier sei Empathie gefragt, müsse entsprechend die Lehrstrategien prägen. „Der Lehrer macht sich ein Bild von dem jeweiligen Lernenden" (27), was in jeder interkulturellen Situation von großer Schwierigkeit begleitet sein kann. Im Lichte dieser allgemeinen Grundlagen entwirft das 2. Kap. die genaueren Ausarbeitungen dieser innovativen „Didaktik des Literaturunterrichts". In überzeugender Klarheit werden zentrale Erkenntnisse bisheriger Ansätze referiert, gefiltert und für das Zentrum der Überlegungen fruchtbar gemacht. Das trifft auch auf die unabweisbaren (Prüfungs-)-Klausuren zu, auch hier gilt: „Ohne Empathie kein Verstehen literarischer Texte." (28) Doch heißt es sogleich einschränkend, dass diese einfühlende Sub- 61 jektivität des Kollegiaten sich nicht in schrankenloser Beliebigkeit verlieren kann: „Denn wenn er sein Probehandeln reflektiert, sich klar macht, mit wem er da in der Fantasie so mitgefühlt hat und gehandelt hat, wird er sich selbst besser verstehen." (31) Auf S. 33 wird ein solches Schema gelingender Interaktion zwischen Text und Leser entwickelt, weist Subjektivität in kognitive Schranken zurück. An einigen Kürzesttexten wird das Vorgehen exemplarisch vorgeführt. Ziel ist es, dem - nichtdeutschen - Leser gleichsam die Würde seiner Subjektivität bewusst zu machen. Das geschieht in vier Phasen: erste Rezeptionsphase, Textarbeit, Reflexionsphase und Textproduktion. Der damit verbundene Sachbezug wird in dem Gedankenduktus zunehmend verdeutlicht: Es geht um die jeweilige Referenz des Textes, um den historischen Kontext. Erläutert wird das einsichtig an dem Film „Good bye, Lenin" aus dem Jahr 2003. Nur in dieser fachwissenschaftlichen Perspektivierung könne vermieden werden, dass es zu beliebigen unfundierten moralischen Urteilen bzw. Verurteilungen komme. Die Wertvorstellungen, die aus der jeweiligen Kultur kommen, müssen hinterfragt und relativiert werden, um dergestalt zum „Prozess der Selbstbesinnung" (52) anzuleiten. In der Reflexionsphase führt das zu so genannten „Gegentexten" (54), die sehr unterschiedlich kreativ sein können, um Empathie und auch Distanz zu erfahren und zu erproben. Mummerts selbstkritische Schlussfolgerung hinsichtlich der Qualität des Lehrenden in diesem schwierigen Umfeld kann nicht überraschen: „Er ist in dieser multikulturellen Situation kein Überlegener." (59) Für jeden müssen sich Erkenntnis- und Kompetenzzuwächse eröffnen. „Diese Haltung gehört ganz wesentlich zur interkulturellen Kommunikationskompetenz." (65) Wie das im Einzelnen vonstatten geht, wird im 3. Kap. „Didaktik des Schreibens im Literaturunterricht" dargelegt. Auf S. 72 wird in einer Gegenüberstellung planvoll vor Augen geführt, wie herkömmliche „mitgebrachte Schreibkonventionen" (71) relativiert werden: Es „entsteht aus bindender Vorlage und kreativ Eigenem ein ,neues' Werk neben dem Original, [...] eine intensive Ko-Autorenschaft." (94) Angesichts notwendiger Benotung klingt das eher unrealistisch, aber die Vfn. geht dieser heiklen Problematik nie aus dem Weg, sie lässt den Leser über Form und Inhalt der Korrekturen nicht im Unklaren. Dabei erfahren wir, dass sich auch die Betroffenen selbst zu dieser Rückmeldung zustimmend verhalten haben, dass sie sogar zu weiteren Fassungen ihrer Klausuren bereit waren. Dennoch kann Mummert den - offensichtlichen - Spagat zwischen Subjektivität und Benotung nicht immer bewältigen. „Die Vielfalt der Deutungen schafft Lehrenden Ver-stehenschancen und Beurteilungsprobleme. Sie sind unter den Gegebenheiten schulischen Lehrens nicht zu lösen. Man muss sie auf sich nehmen" (237) - eine Aporie, die in der gesamten Studie operationalisiert wird. Es wäre spätestens hier einzuwenden, dass andere Verfahren der Textdeutung wie Intratextua-lität oder Intertextualität hätten diskutiert werden können. Doch darf im Sinne der Zielvorstellungen postuliert werden, dass diese Ansätze zu den eigentlichen interkulturellen Zielvorstellungen keinen vertieften Beitrag hätten leisten können. Der Vfn. geht es darum, zu definitive Setzungen zu vermeiden: „Im Unterrichtsgespräch ist keine Deutung falsch, sondern interessant. Die eigenen Sinngebungen werden nicht verworfen, sondern verstanden." (56) Wie lebendig Literaturdeutung sein kann, wird im 5. Kap. „Berichte aus der Praxis" vorgeführt. Hier erfahren wir vor allem einiges zu den Texten, die für diesen Literaturunterricht ausgewählt wurden. Sie stammen im Wesentlichen aus dem 20. Jahrhundert; aber es werden auch ältere Texte behandelt, einer sogar von Goethe. So ergibt sich in Maßen für die Lernenden ein repräsentatives Bild deutschsprachiger Literatur. In sechs Fallbeispielen wird das theoretische Modell exemplarisch in praktischer Unterrichtsarbeit abgearbeitet. Bei aller Unterschiedlichkeit werden die Erzählungen von F. Hohler, P Watzlawick, F. Kafka, H. M. Enzensberger und W H. Fritz in größere Zusammenhänge eingebracht. So wird die fiktive „Elsa" des Letzteren titelgebend, zusammen mit K. Schwitters „Gertrud". In diesen Literaturbegegnungen wird ein durchaus aufregender Einblick in die Interkulturalität des Literaturkurses gewährt, für Mummert zu Recht ein neuartiger Weg zur „Selbstreflexion" (165). In einem Abschlusskap. „Ergebnisse und Ausblicke" werden die hier protokollierten „lignes de forces" nochmals verstärkt, Subjektivität, Empathie, kommunikative Schreibstrategien gleichsam zur Blaupause eines interkulturell geprägten Lehrerprofils geformt. Das Cluster „Literaturunterricht" auf S. 246 fasst in positiven Besetzungen nochmals alle dahin gehenden Zielvorstellungen zusammen. In der Praxis hat die Vfn. daraus eine Konsequenz besonderer Art gezogen. Sie hat - eine beispielhafte Initiative - die Teilnehmer ihres so genannten G-Kurses kurze Zeit nach dem Studienabschluss nochmals zusammengerufen, um sie nach ihren Erfahrungen rückwirkend zu befragen. Einige der Unterhaltungen sind in Zusammenfassung oder im Wortlaut wiedergegeben. „Alle würden mehr über den Reichtum eines literarischen Werks erfahren, seine Fülle, ja Unerschöpflichkeit an Verstehensmöglichkeiten, die es enthält, je nachdem, wer es und aus welcher Sicht, aus welchem Kontext er es liest und deutet." (255) Diesem hohen Anspruch an zukunftsweisenden -interkulturellen - Literaturunterricht ist Ingrid Mummert in der Praxis wie auch jetzt in der Theorie gerecht geworden. Man darf ihr zu ihrer „Summa didactica" gratulieren. Dietmar Fricke 62 Schreibhinweise für Autoren Zum Druck werden nur Arbeiten angenommen, die an keiner anderen Stelle veröffentlicht sind bzw. werden sollen. Eine entsprechende (formlose) Erklärung erbitten wir als Anlage (s.u.). Das Manuskript (Artikel ca. 15 S., Rezensionen max. 4 S.) soll in drei Exemplaren, in reformierter Rechtschreibung, im Format DIN A4, einseitig, mit Computer oder Maschine linksbündig geschrieben, eingereicht werden. Alle folgenden Angaben gelten sowohl für den Text als auch für Anmerkungen und Literaturangaben: Computer: Maschine: Times New Roman, zweizeilig (Abstand zwischen den Zeilen mindestens 8 mm), 14pt, eineinhalbzeilig (1,5), je Seite max. 30Zeilen, Seite oben: 2,5 cm, unten: 2,0 cm, je Zeile max. 60 Anschläge (mit Leerzeichen). links: 2,5 cm, rechts: 8,0 cm; Schicken Sie uns Ihren mit einem gängigen Textverarbeitungsprogramm (DOS) erstellten und/oder als ASCII-Datei gespeicherten Text auch auf Diskette bzw. als E-Mail-Anhang. Beispiele und Aufgaben stehen eingerückt und werden fortlaufend nummeriert: (1)... (2) ... Anmerkungen werden im Text mit fortlaufenden Ziffern markiert (hochgestellt, ohne Klammern) und stehen am Ende des Beitrags vor dem Literaturverzeichnis. Literaturverweise stehen in Kurzform im Text, z.B.: „... wie Schmidt (1992:15ff.) hervorhob ...". Das Literaturverzeichnis wird am Ende des Beitrags in alphabetischer Folge der Verfassernamen gegeben, z. B.: Eismann, Volker/Thurmair, Maria (1993): Wie schwer soll die deutsche Grammatik sein? In: DaF 4, 238-245. Götze, Lutz (Hg.) (1987): Deutsch als Fremdsprache. Situation eines Faches. Bonn-Bad Godesberg. Pfeiffer, Waldemar (1989): Ein sprachdidaktisches Konzept für Mehrsprachigkeit. In: J.Buscha/J. Schröder (Hg.), Linguistische und didaktische Grammatik. Leipzig, 39-47. Als Anlagen erbitten wir: - Namen mit akademischen Titeln, Dienstanschrift, Privatanschrift, Telefonnummer(n), Faxnummer(n), E-Post-Adresse(n), - max. neun Zeilen Zusammenfassung des Beitrags (einschließlich Überschrift), - Urheberrechtserklärung (s.o.). Autorenverzeichnis Dr. Olaf Bärenfänger, Universität Leipzig, Philologische Fakultät, Herder-Institut, Beethovenstraße 15, 04107 Leipzig Cornelia Debes, Liebfrauenstraße 1, 04277 Leipzig Dr. Dietmar Fricke, Universität Duisburg-Essen, FB Geisteswissenschaften, Romanistik/Institut für fremdsprachliche Philologien, Geibelstraße 41, 47057 Duisburg Dr. Michaela de Groot, Am Skip-Schacht 12, 46236 Bottrop Dr. Barbara Gügold, Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät II, Institut für deutsche Sprache und Linguistik, Psycholinguistik/Deutsch als Fremdsprache, Unter den Linden 6,10099 Berlin Prof. Dr. Gerhard Heibig, Universität Leipzig, Philologische Fakultät, Herder-Institut, Beethovenstraße 15, 04107 Leipzig Dr. Mathilde Hennig, Universität Kassel, FB 02: Sprach- und Literaturwissenschaften, Institut für Germanistik, 34109 Kassel M. A. Max Möller, Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät II, Institut für deutsche Sprache und Linguistik, Deutsch als Fremdsprache, Unter den Linden 6,10099 Berlin Stefan Mummert, School of Languages, Cultures and Linguistics, Building 11, Monash University, Clayton VIC 3800, Australien Dr. Klaudia Prokopczuk, Rudelsweiherstraße 13, 91054 Erlangen Dr. Kerstin Reinke, Universität Leipzig, Philologische Fakultät, Herder-Institut, Beethovenstraße 15, 04107 Leipzig Prof. Dr. Peter Suchsland, Vor dem Buckel 41, 99444 Blankenhain Dr. Polichronia Thomoglou, Lessingstraße 4, 69221 Dossenheim Prof. Dr. Laurenz Volkmann, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Philosophische Fakultät, Institut für Anglistik/Amerikanistik, Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 Jena Prof. Dr. Barbara Wotjak, Universität Leipzig, Philologische Fakultät, Herder-Institut, Beethovenstraße 15, 04107 Leipzig 63 Barbara Wotjak: Fünfzig Jahre Herder-Institut der Universität Leipzig - Fundamente und neue „Gründungen". DaF 1/2007, 3-5. Aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des Herder-Instituts wird ein knapper Abriss gegeben zu Strukturen und Aufgaben des Instituts zwischen 1951 und 1989/90 sowie zum Charakter des neuen Herder-Instituts und seinem Zusammenwirken mit dem Studienkolleg der Universität Leipzig und dem Verein interDaF e.V. am Herder-Institut. Gerhard Heibig: Gibt es eine „performative Wende" in der Linguistik? Anspruch, Möglichkeiten und Grenzen. DaF 1/2007, 6-10. In dem Beitrag wird reflektiert, dass in mehreren Publikationen der letzten Jahre eine neue „Linguistik der Per-formanz" gefordert wird. Dabei wird u. a. erörtert - v. a. unter wissenschaftshistorischen Bezügen -, ob damit eine neue, einheitliche Strömung in der Linguistik vorliegt, ob berechtigterweise von einem „Paradigmenwechsel" gesprochen werden kann oder in welchem Verhältnis die dabei gebrauchten Schlüsselbegriffe („Oberfläche", „Per-formanz", „Text") zueinander stehen. Max Möller: Psychische Wirkungsverben des Deutschen. DaF 1/2007, 11-19. Der Beitrag stellt das charakteristische Verhalten psychischer Wirkungsverben wie enttäuschen oder begeistern auf der Grundlage ihrer Semantik vor und plädiert für eine Berücksichtigung der Verben im DaF-Unter-richt. Thematisiert werden u. a. Konstruktionen mit dem Partizip 2, das eingeschränkt bildbare Passiv sowie die Besonderheit des prädikativ verwendbaren Partizips 1 dieser Verben. Polichronia Thomoglou: Mutterspracheinfluss beim Genuserwerb. Beobachtungen an griechischen Lernern des Deutschen. DaF 1/2007. 20-25. In einer experimentellen Studie wird durch Beobachtung der Genuszuweisung zu einzelnen deutschen Nomen untersucht, inwieweit griechische DaF-Lerner von dem Genusregelsystem ihrer Muttersprache beeinflusst werden. Dabei werden die Hypothesen überprüft, dass griechische Deutschlerner bei Nomen mit unbelebten Referenten a) die Genusklasse auf der Basis der semantisch äquivalenten Wörter der Muttersprache in die Fremdsprache übertragen oder b) bei der Genuszuweisung das Neutrum präferieren. Klaudia Prokopczuk: Wissenschaftliche Nationalstile und Grounding. DaF 1/2007, 26-31. Unter Bezug auf Ergebnisse kontrastiver Untersuchungen deutscher, englischer und russischer Wissenschaftstexte wird gezeigt, dass viele der für diese Wissenschaftssprachen festgestellten interkulturellen Stilunterschiede auf unterschiedliche Strategien bei der Gestaltung in Vorder- und Hintergrund zurückgehen und die damit verbundene Auswahl des Stoffes zu den Faktoren gehört, die sich stark auf die Rezeption eines wissenschaftlichen Textes auswirken. Cornelia Debes: Mündlicher Wissenschaftsdiskurs Russisch-Deutsch. Ein sprechwissenschaftlicher Vergleich. DaF 1/2007, 32-36. Im vorliegenden Beitrag wird die mündliche Textsorte Tagungsvortrag im Vergleich Russisch-Deutsch untersucht. Aufgezeigt werden Eigenheiten der inhaltlichen, der sprachlichen und der sprecherischen Gestaltung. Der Vergleich konzentriert sich dabei auf Aspekte des Inhalts, der Strukturierung, des Stils und des Kommunikationsziels. Olaf Bärenfänger: Qualitätsmanagement mit dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen. DaF 1/2007, 37-45. Der Beitrag gibt einen Überblick zu Qualitätsaspekten beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen im Speziellen wie auch zur Entwicklung bzw. Anpassung von Qualitätsmanagementsystemen für den Bildungssektor generell. Auf der Basis eines klassischen Qualitätsmanagementmodells (mit den Komponenten Qualitätsplanung, -lenkung, -Sicherung und -Verbesserung) wird gezeigt, inwieweit der Referenzrahmen Aspekte enthält, mit deren Hilfe ein für jeweilige Ziele brauchbares Qualitätsmanagementsystem aufgebaut werden kann. 64