Klaus Zelewitz (Salzburg) Thomas Bernhards Ursache – mehr als nur eine Andeutung Der autobiografische Text Die Ursache. Eine Andeutung nimmt eher eine frühe Position in der Bernhardschen Skandalchronik ein: Der Ignorant und der Wahnsinnige, 1972, Holzfällen. Eine Erregung, 1984, Der Theatermacher, 1985, Heldenplatz 1988. Der Tod wird zum einen als Selbstmord, besonders als Schülerselbstmord, zum anderen als Tod in den Luftschutzstollen und durch Bombenangriffe als Motiv in die Ursache eingebracht. Die wenigsten der gegen Salzburg bis zum 1. Mai 1945 geflogenen Angriffe dürfte Bernhard freilich miterlebt haben, da er ja das Internat noch 1944 in Richtung Traunstein verlassen hatte. Bernhard spiegelt freilich persönliche Betroffenheit und Authentizität vor: Sowohl die Zahl der Bombenangriffe als auch jene der dabei Getöteten muss als kräftig übertrieben betrachtet werden. Eine Übertreibungs“kunst“ kann ich aber auch hierin nicht erkennen, sondern allenfalls eine gegen den Strich gekehrte Flunkerei eines miles gloriosus der besonderen Art. Ein Blick auf die sprachlichen Mittel, die Bernhard einsetzt, scheint geboten: Das Buch ist absatzlos geschrieben, die oft noch verschachtelten Satzkonstruktionen sind nicht selten komplex und mitunter recht lang. Selbst die Position dieser Figur im Erzählprozess ist inkonsistent, ist fragil: Sie erscheint vorzugsweise als berichtetes Ich, nur selten als berichtendes. Im Zusammenhang mit dem Geigenspiel wechselt der Erzähler ebenso wie bei der Schilderung der halbherzigen Selbstmordversuche selbst in eine auktoriale Erzählsituation und schiebt sich selbst, sein eigenes Leben, mit „Er“ auf Distanz. Da findet sich auch eine Häufung von Superlativen. Und von Seite 14 bis Seite 24 finden sich im Schnitt fast 2 „Immer“ pro Seite, und lediglich auf Seite 15 fand sich kein „Immer“. „Onkel Franz“ Wesenauer in der Ursache mit wahrheitswidrigen Behauptungen anzugreifen, die dann auf gerichtliche Anordnung in allen Auflagen ab Mai 1977 gestrichen werden mussten, im Text diskret mit einem Asterisk markiert (z.B. S. 95 oder 104), ist abzulehnen und nicht wahrhaftig. In der Ursache setzen sämtliche verfügbaren Signale – Distribution durch den Verlag, textimmanente Merkmale, Einordnung durch Literaturkritik und -wissenschaft diesen Text in die Sorte Autobiographie, was auch von Bernhard selbst unbeeinsprucht geblieben ist. Damit tritt die Ursache als pragmatischer Text in Erscheinung und beansprucht prinzipiell eine andere Qualität als ein fiktionaler Text: Die Frage ob (historisch) wahr oder falsch, darf an ihn gestellt werden. War Bernhard psychisch krank? Ständige Gedankenschleifen bzw. Wiederholungen (Dopaminmangel) sind als Symptom für Perseveration zu werten.