Klaus Zelewitz „Weg aus Wien!“ - Die Gründung der Salzburger Festspiele am Ende des 1. Weltkriegs 1) Die Phase vor der Gründung: Am 1. Februar 1918 fand im heute montenegrinischen Cattaro ein Matrosenaufstand statt, am Ende des 1. Weltkriegs kam es zur Errichtung von sozialistischen Räterepubliken in Budapest und München eine Versorgungskrise hatte Wien erfasst - Es gab eine Bewegung „weg aus Wien“. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten bereits mehrere konkurrierende, zum Teil wiederum kooperierende Gruppierungen daran gearbeitet, in Salzburg (Musik-)Festspiele vor allem als Mozart-Pflege zu begründen. 2) Die Gründung: Am 15. April 1918 lud die Generalversammlung der damals eben gegründeten Salzburger Festspielgemeinde Max Reinhardt, Richard Strauss und Hofoperndirektor Franz Schalk ein, Festspiele vorzubereiten. Dazu kamen wenig später noch Hugo von Hofmannsthal und der Bühnenbildner Alfred Roller.[1] Reinhardt war in seiner Konzeption offener als Gehmacher, setzt aber naturgemäß stärker auf Sprechtheater, auf das christliche Mysterienspiel. Obwohl mit dem Komponisten Richard Strauß und dem Direktor der Wiener Hofoper Franz Schalk zwei ausgewiesene Musikexperten zu den Gründungsvätern zählten, dauerte es bis 1922, bis auch die musikalische Tranche der Festspiele realisiert wurde; dann aber gleich mit vier Mozartopern. 3) Zwei ausgeschlossene Neosalzburger: Hermann Bahr , ein bewährter Theatermann, der in Berlin auch zwei Jahre bei Reinhardt gearbeitet hatte, und Stefan Zweig , Hofmannsthals linksliberaler (?) Konkurrent. Nach dem plötzlichen Tod Hofmannsthal am 15. Juli 1929 versuchte Zweig vergeblich auf den Festspielzug aufzuspringen. 4) Christliches Mysterienspiel vor einer barocken Kulisse: „Hofmannsthals Mysterienspiele „Jedermann“ und „Das Salzburger große Welttheater“ liefen deshalb gut,“ schreibt Marina Auer, „weil sie die Ideologie der Festspiele widerspiegelten, indem sie eine österreichisch-katholische Identität mit barocken Anklängen präsentieren wollten“. Karl Kraus entschloss sich in heiligem Zorn über Den Großen Welttheaterschwindel (Rede am 24. September 1922), aus der katholischen Kirche wieder auszutreten, und Hermann Bahr, zwischenzeitlich bereits nach München übersiedelt, schrieb an Josef Redlich: Doch die Nähe dieser Salzburger Kabylen, diesen ununterbrochen die Wacht am Rhein anstimmenden Schiebern, ihr Geruch schon nach Geldgier und Geschäftsgemeinschaft, immer mit zum Teutoburgerwald verdrehten, zugleich von Valutageilheit und deutscher Treue verschwimmenden Augen, ist unerträglich: Zweig ist zum König von Salzburg geboren! (3. Jänner 1923) 3) Die Festspiele im NS-Regime und Salzburg als Karajanopolis: Der Jedermann wurde ebenso aus dem Repertoire verbannt wie Hofmannsthals übrige Dramen, und gegen Ende des 2. Weltkriegs fanden die Festspiele zuerst nur mehr rudimentär, dann überhaupt nicht mehr statt. Nach 1945 aber erwiesen sich die Festspiele in einem ganz hervorragenden Ausmaß als Reintegrationstopf für politisch Belastete. Herbert von Karajan durfte 1948 beim Fidelio ans Pult. 4) Die Festspiele in der Gegenwart: Kulturelles Ereignis, Tourismusmagnet, Wirtschaftsfaktor: Ein kurzer Blick in die Gegenwart zeigt, dass sich die Salzburger Festspiele in Salzburg, in Österreich und global stärker etabliert haben als je zuvor: Die aktuelle Sponsorenleiste der Festspiel ist gediegen und sprüht vor Geld: Credit Suisse „ist ein führendes, global tätiges Finanzdienstleistungsunternehmen mit Hauptsitz in Zürich“ (Selbstdarstellung), Siemens ein Elektronikunternehmen in europäischer Dimension, Audi eine innovative und recht noble internationale Automarke im VW-Konzern – eine Audi-Flotte prägt visuell das sommerliche Festspielgeschehen im Straßenbild, Nestlé ist ein weltweit tätiger Nahrungsmittelkonzern mit 100 Tochterfirmen und 265.000 Beschäftigten (Selbstdarstellung)[2], und Uniqua ist ein aufsteigendes, florierendes Versicherungsunternehmen. +-----------------------------+ |Salzburg | | | |€ 283,- | +-----------------------------+ +------------------------------------+ |Bayreuth ca. | | | |€ 150,- bis 180,- | +------------------------------------+ Tagesausgaben pro Festspielgast 2007 ------------------------------- [1] Josef Kaut: Festspiele in Salzburg, München 1969, S. 11. [2] http://www.nestle.at/Unternehmen/NestleInternational/default.htm