Viele Tschechen denken bei dem Wort Sudetendeutsche an Henlein und an die Trachtengruppen bei dem Sudetendeutschen Tag, der jedes Jahr zu Pfingsten in Bayern abgehalten wird. Diese Szene ist jedoch reich gegliedert. Nicht alle Mitglieder der in der Sudetendeutschen Landsmannschaft vereinigten Vereine und Institutionen identifizieren sich damit, was in der in München erscheinenden Sudetendeutschen Zeitung steht, die deutsch-tschechischen Beziehungen zwischen Kirchen, Bürgerinitiativen, Wissenschaftlern und Künstlern, die alle irgendwie von dem Geld abhängig sind, dass die Bundesrepublik durch die Sudetendeutsche Landsmannschaft ihnen zukommen lässt, sind oft besser, als die Schlagzeilen in der Presse einen glauben machen wollen. Über die Patenschaften[1] der Vertriebenen über ihre einstigen Heimatgemeinden erfährt man nicht nur auf der Homepage der Sudetendeutschen Landsmannschaft, sondern auch an den Fassaden der sanierten Kirchen und Kapellen in den Gegenden, wo die Neusiedler kaum praktizierende Katholiken und nicht bereit sind, sich an der Retttung ihrer Kirche vom Verfall zu beteiligen. Sprecher der Landsmannschaft ist Bernd Posselt, Mitglied des Europäischen Parlaments und Präsident der Paneuropa-Union Deutschland. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft ist Mitglied im Bund der Vertriebenen (BdV), mit dem sie sich für den Bau eines Zentrums gegen die Vertreibungen einsetzt. Seine Äußerungen werden gern in er tschechischen Presse zitiert, um antideutsche Stimmungen zu schüren. Er stimmte im europa-Parlament gegen den Beitritt der Tschechischen Republik, in der noch Beneš-Dekrete von 1945 nicht aufgehoben wurden. Als Anwalt der Sudetendeutschen stellt sich vor allem die CSU dar, die die Vertriebenen zu einem „vierten Volksstamm Bayerns neben Altbayern, Schwaben und Franken“ (Franz Josef Strauß) erklärte. In Bayern wie auch in anderen deutschen Ländern wandelten sich durch den starken Zuzug von Vertriebenen die Bevölkerungsstrukturen. In Baden-Württemberg trugen die Flüchtlinge dazu bei, dass bei der Volksabstimmung 1951 aus Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden ein starkes und modernes Bundesland entstand, das sich über die alten Landesgrenzen hinwegsezte. Die Vertriebenen wurden von der heimischen Bevölkerung in der Nachkriegszeit häufig mit Argwohn betrachtet und abfällig pauschal als „Flüchtlinge“ bezeichnet. Ganze Stadtteile oder Städte entstanden neu, wie etwa Neutraubling bei Regensburg, das zu Kaufbeuren gehörige Neugablonz[2], Geretsried, Traunreut oder Waldkraiburg. Man sollte unterscheiden, welche Politiker in den Vertriebenen-Verbänden aus der Opposition gegen die offizielle Außenpolitik der BRD Kapital schlagen wollen, duetsche Schuld am Zweiten Weltkrioeg herunterspielen, und welche andererseits keine Gebietsansprüche erheben, nur die kulturelle Identität der ehemaligen Deutschböhmen und Deutschmährer pflegen. Bemerkenswert sind vor allem Ausstellungen und Tagungen des Adalbert-Stifter-Vereins, des Collegiums Carolinum, der Ackermann-Gemeinde und der Potsdamer Kulturstiftung Östliches Europa. Ihre Offenheit signalisieren zweisprachige Ausstellungskataloge und Förderung von Projekten, die z. B. die jüdische Vergangenheit der böhmischen Länder betreffen. Der Vollversammlung des Sudetendeutschen Rates gehören manche CDU-Bundestagsabgeordnete sowie einige SPD-Bundestagsabgeordnete an. Dem Präsidium des Rates gehören derzeit der frühere bayerische Landtagspräsident Johann Böhm, der frühere bayerische Staatsminister für Arbeit und Soziales, Franz Neubauer, sowie der Verleger Herbert Fleissner[3] an. Seit März 2003 verfügt die Sudetendeutsche Landsmannschaft in Prag über ein Büro, das Kontakte zu tschechischen Politikern unterhalten soll, aber eher auf Misstrauen stößt. Auf tschechischer Seite ist z. B. der Publizist Bohumil Doležal[4], Peter Pithart, Vorsitzender der Bolzano-Stiftung, und vor allem Petr Mikšíček, Ondřej Matějka und Matěj Spurný aus dem Verein Antikomplex[5] aktiv, um tschechisch-sudetendetusche Beziehungen zu reflektieren und die tschechische Angst vor jeder deutscher Beschäftugung mit ihren deutschen Vorfahren aus den böhmischen Ländern zu überwinden. Da sie diese inadäquaten tschechischen Reaktion darauf als zakomplexované chování/ komplexbeladene Verhaltensweise einstufen, nennen sie sich Antikomplex. Die Tschechen sollten nicht mehr verdrängen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg dreieinhalb Millionen Sudetendeutsche aufgrund von kollektiver Schuld mit nur 30 kg Gepäck pro Person, vertrieben wurden. ________________________________ [1] Stadt Schwäbisch Gmünd - Brünn/Brno, seit 1953 Stadt Esslingen - Krummau/Český Krumlov, seit 1979 Stadt München - Aussig a.d. Elbe/Ústí nad Labem, seit 1952 Stadt Augsburg - Reichenberg/Liberec, seit 1955 Stadt Dinkelsbühl - Mies/Střibro, seit 1952 Stadt Bamberg - Troppau/Opava, seit 1958 Stadt Würzburg - Trautenau/Trutnov, sei 1956 Stadt Wolkersdorf/NÖ - Mödritz/Modřice (bei Brünn), seit 1981 Poysdorf/NÖ - Nikolsburg/Mikulov, seit 1987 Diese Patenschaften stimmen kaum mit offiziellen Städtepartnerschaften úber, die Brno z. B. mit Stuttgart und Leipzig geknüpft hat. [2] Kausbeuren ist eine kreisfreie Stadt im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben. Die Stadt liegt im Allgäu und verfügt über ein Isergebirgs-Museum in Neugablonz. [3] Vgl. Max Brym: Herbert Fleissner: Ein Verleger und der braune Sumpf. http://www.hagalil.com/archiv/2003/12/fleissner.htm. Fleissner ist Mitglied des Witikobundes, einer rechten Organisation der Sudetendeutschen Landsmannschaft, von der Ferdinand Seibt schrieb, die Ziele des Witiko-Bundes stehen im Widerspruch zu Stifters Romanfigur nicht in einer übernationalen Gemeinsamkeit, sondern in der „Rückgliederung jener Länder, die durch die allem menschlichen und göttlichen Recht widersprechende Gewaltlösung dem deutschen Volk und damit Europa verlorengingen“. [4] www.bohumildolezal.cz [5]