Die Nacht kam ganz langsam, verscheucht durch die Abendlichter der Stadt, die mir immer wieder zuzwinkerten. Aber es war noch nicht zu spät. Aus dem halbgeöfnettem Fenster trat hier und da ein kalter Windzug hinein, von dessen stärke ich mich ein bisschen fürchtete. Doch die anderen standen gleichgültig herum, als wäre ihnen sowieso alles egal. Ich wartete und wartete... Wäre ich nur ein König gewesen, fiel ich langsam ins Schwärmen. Oder lieber eine Königin? Das wäre auch ganz egal, aber die Macht, oh ja... Ich wäre geachtet und beschützt, ich wäre kämpfend und bekämpft. Sieg oder Niederlage: Ich wäre bestimmend. Aber hier? Die warterei nimmt kein Ende. Niemand beachtet mich, sogar der Nachbar hinter mir steht stumm und ungerürht da, grün wie ein Soldat in voller Kriegsausrüstung, nichts tuhend, nichts sagend. Vielleicht grün vor Neid, dass ich doch viel weiter bin, viel näher meinem Ziel? Obwohl, naja, dass kann sich auch schnell ändern. Hinter jeder Ecke lauert Gefahr. Man muss immer vorsichtig gehen, ein Schritt nach dem anderen, ganz für sich allein. So ist das Leben. Du musst dich schon alleine durchkämpfen, niemand hilft dir, nein, du wirst sogar bedroht, überholt, rausgeworfen! Deine Gegner schlafen nicht. Das Spiel der Macht spielt jeder alleine und je weiter du gekommen bist um so schwieriger wird es. Es ist immer ein Wechselspiel, einmal bist du am Zug und dann wieder raus aus dem Spiel und kannst ganz von vorn anfangen. Ich spüre schon länger, dass es langsam zu Ende geht. Es kann ja auch nicht ewig dauern das Spiel, das unermüdliche Karussell des Lebens, voll farbigen Figürchen. Rot, Schwarz, Gelb. Welcher wird am Ende stehen..? Ich ahnte es von dem Moment an, an dem sie mich das erste Mal ansah. Ihre Anmut. Ihr Stolz. Ihre Entschiedenheit. Ich weiß es ganz genau, sie will mich. Sie allein ist es, die es jemals geschafft hat, mich aus meinem Nebel aus Träumen herauszulösen, ohne sich dieser Tat auch nur bewusst zu werden. Ihr Blick zieht mich an. Ihre schnellen Atemzüge lassen mich erschauern. Sie strengte die Hand, lies sie eine weile unentschlossen in der kalten Luft schweben um sie dann umso wirkungsvoller zu schwingen. Ich glaube es ist gleich da, gleich kommt es. Die Entscheidung wird schnell gefällt. Von Ihrer Hand wird es sein, so soll es sein, so ist es vorbestimmt an diesem Abend. "Alea iacta est" möchte ich nun sagen. Ja, die Würfel sind gefallen. Jetzt wird das ganze bestimmt entschieden werden. Eine kalte Hand umschliesst mich. Sie schaut mich an und die entschlossenheit, die aus Ihr herausflammt steckt auch mich an. Ihre Augen, die erfrorenen Blüten, so blau wie die kleinen Blümchen der Vergissmeinnicht. Wir gehören zusammen. Genau wie ein Magnet zieht sie mich zu ihr hin. Ich spüre ich bin gleich da, an mir vorbei flimmern rote, grüne, gelbe Figuren ich sehe sie ganz nah und dann, als wäre ich vom Wirbelwind getragen, sind sie fort, weit weg, bleiben hinten, traurig, bestürzt, wehrlos, machtlos. Es wird oft gesagt: Mann muss kämpfen, sonst geht man unter in dieser schlimmen Welt. Es ist ein Naturgesetz, das nur der stärkste überlebt, so wird es immer betont. Nur kein Schmerz zeigen Soldat. Nein. Ich habe keine schmerzen, ich bin stark, ich bin doch die schnellste hier, kann dieses Spiel ruhig wagen. Ich sehe es schon vor mir, gleich bin ich am Ziel angelangt. Noch nicht, aber bald, nur noch einen Zug davon entfernt... Aber halt, wieso stockt sie, wieso lässt sie mich los? Wir sind ja noch noch nicht da, nein, es ist noch nicht so weit. Sie hällt mich eine Weile unentschlossen, als ob sie noch was überlege, aber dann zieht sie ihre zarten weissen Fingerchen von mir, lässt sie auf dem Tisch fallen und schaut weg. Was ist den mit ihr los? Auf einmal schaut sie mich nicht mehr an, sie scheint als würde sie auf etwas warten, aber auf was? Ich bin gespannt. Meinem Ziel ganz nah. Nein, unserem Ziel! Ich will dass wir uns ganz klar verstehen, versuche irgendwie den Kontakt mit ihr wieder herzustellen, aber sie beachtet mich nicht. Ich sehne mich nach ihrer Entscheidung, aber es scheint so, als hätte sie nicht mehr die Macht dazu. Ich warte. Was ist jetzt wieder los? Ich halte inne. Hinter mir entsteht ein Tumult. Die Regung kommt näher und näher, es ist schon ganz nah bei mir und ich versuche es zu identifizieren. Bin mir sicher es wird nichts Gutes, ich hab es so im Gefühl. Was nun? Sie schaut mich jetzt wieder an, scheint als wollte sie mir etwas sagen, den Mund halbgeöffnet, bleibt starr, bleibt lautlos. Sie schaut weg und dann wieder zurück. Ich versuche zu entziffern wass sie will, aber irgendwie kann ich mich nicht so richtig konzentrieren, es ist hier viel zu viel los um mich. Der grüne Soldat nähert sich mir. Er scheint mir irgendwie unheimlich, als hätte er was schlimmes vor. Ich würde ihm gerne stoppen, aber er will nicht stehen bleiben. Er ist jetzt schon ganz nah bei mir. Nein. Was hat er denn vor? Er bleibt immer noch nicht stehen. Das wird er doch nicht wagen, oder? Oder doch? Jetzt! Jetzt bleib er bestimmt stehen. Er wird doch nicht so sein. Ich versuche cool zu bleiben. Unerschütterlich. Standhaft. Unverrückbar. Ich wünsche mich ins Häuschen. Ich wollte echt gerade hinein, aber es wird wohl nicht so einfach sein. Ist das nicht eine Ironie des Schicksals, dass er mich gerade jetzt erwischt? Er hat mich ja die ganze Zeit schon merkwürdig angeguckt, aber blieb immer auf Distanz und jetzt, wo ich gerade gehen will, jetzt schmeisst er mich raus? Verrückt, aber wahr. Ich bin aus dem Häuschen. Wie ungerecht das Leben mit uns spielt. Es zeigt uns die Möglichkeiten und dann zieht es uns den Boden unter den Füßen weg. Nur ein kleiner Missgeschick, eine alltägliche Peinlichkeit und wir sind weg vom Fenster. Nur hin und wieder tritt ein kalter Windzug zu mir, in den Warteraum des Lebenes. Die Wolken ziehen am Himmel vorüber, die leicht schummernden Klänge der Stadt ziehen an mir vorüber, als wäre es das normalste auf der Welt. Und die Nacht kommt ganz langsam, verscheucht durch die Abendlichter der Stadt, die mir immer wieder zuzwinkern. Aber es ist noch nicht zu spät...