„Drei...fünf...eins...wieder nichts...wie lange wird es noch dauern, wie lange werde ich in Erwartung bleiben müssen...Hoffen und Harren, macht dich zum Narren, sagt man und das stimmt verdammt noch mal...“ Der Spielstein dreht sich wieder zweimal in der Luft um und zum dritten Mal fällt er auf den Tisch, auf dem er noch ein paar Mal immer leiser rollt. „Ein Sechser! Na endlich kann es losgehen!“ und die kleine gelbe Figur macht sich auf ihren langen Weg auf das Spielbrett. Sie ist die Allererste, es bleibt ihr also das Privilieg, sich auf den Weg ohne Angst vor den Anderen zu begeben. Die zurücklassenen Kollegen starren aus ihren Käfigen, aus den kleinen 4Zimmer-Häuschen, die für sie eine Art Gefängnis darstellen. Sie alle schreien durcheinander wie wilde Tiere, die ihre Beute jagen wollen, aber nicht dürfen. „Herst oida!“ schreit der Größte und Stärkeste von der grünen Nachbarschaft. „Wos soll des? Des is ja so org!“ Der Kleine schaut sich aber nicht um und verweilt an dem für ihm bestimmten Ort. Er kennt die Regeln, er weiß, dass man sie einhalten muss. Der Gedanke, es nicht zu tun, zu rebelieren, aus der Reihe zu tanzen, sogar in den schnellsten Rhytmen, falls möglich, kommt ihm immer wieder in den Sinn. Er sitzt schon länger in seiner Phantasie, der Floh im Ohr. Langsam geht das Spiel weiter, es gibt sogar schon mehrere verschiedenfarbige Kumpel auf der nicht mehr wie am Anfang so leeren „Spielstraße“. Es gibt nur eine, in der ganzen Gegend. Die Eine oder Keine, weiß man hier Beschied. Der Kampf ums Überleben kann beginnen. Das wird das Spiel des Lebens sein. „Vier...Sprung nach vorne....einen wieder hinten lassen...der schlanke Rote steht drei Felder vorne...das hinzukriegen....das lässt sich schon machen...“ „Scheiße, der gelbe Trottel nähert sich gefährlich schnell, drei Schritte sind aber doch noch eine lange Strecke, so einfach wird er es nicht haben...warte mal, ich bin dran...Eins? Nur Eins? Na geh man, das ist doch nicht dein Ernst!“ „Wos wor des? Des is ja urgeil, so brauchs den gor net mitzuspüln!“ lacht der Riese und amüsiert sich königlich. „Na ja, sehr lustig“, sagt der Schlanke mit seiner Nase, als ob sie bis zum Himmel fliegen möchte. „Wos host du gsagt? Wills mi verorschen, oida?!“ „ Aber natürlich nicht“, erwidert der Rote mit einer gewißermassen naiven Leichtigkeit und Eleganz, an der es aber selbst manchen Königen in ihren weiten warmen roten Hermelinkitteln mangelt. „Na dann, du roter Foden, holt die Koschen!“ brüllt der Unhöfliche. „Mensch, reg di net of!“ schreit sein grüner Kumpel fünf Felder hinter ihm. „Was für eine kluge Strategie, meine Herren“, sagt der rote Faden in aller Seelenruhe zu den beiden blassen etwas grünlichen Gesichtern. „So kommt ihr nie ans Ziel, das könnt ihr mir glauben, denn ich bin in Sachen der Strategie ein Profi. Dieser lieber „Profi-Doofi“, wie ihn alle Anwesenden hinter verschlossenen Türen nennen, nimmt sich regelmäßig, jeden Tag aber ausnahmsweiße nicht montags, viel zu wichtig. Er ist sich dessen bewusst und genießt diese dicke Luft in vollen Zügen. Die grüne Manschaft, die aus dem Land kommt und sonst ganz lieb ist, auf ihre Art und Weise, kann dies aber nicht als Spaß nehmen und der rote „Herr“ bringt sie immer aus der Ruhe, bis sie sich bis aufs Blut ärgern, was für alle anderen Beteiligten überaus amüsant ist. Diese Streitereien, wie abgelehnten Hennen im Hof, wenn sich der Hahn für die zukünftige Mutter seiner Herbstkindern entscheidet, nehmen kein Ende.