Barocklyrik die Spaltung zwischen der humanistischen Kunstdichtung opitzianischer Prägung u. der ›oberdeutschen‹ kath. Literatur bezeichnet, die als »Christenlehre und Predigt mit andern Mitteln« (Herzog 1979) einen eigenen Weg geht (Spee, Johannes Khuen, Laurentius von Schnüffis u. andere) u. - wie die ähnlich funktionsgebundene protestantische Kirchenlieddichtung u. andere Zweckformen - die stilistische Entwicklung zu gesteigerter Artistik u. Bildlichkeit nicht in dem Maße nachvollzieht, die als charakteristisch für die Literatur des 17. Jh. gilt. Als Ausschnitt aus einem wesentlich komplexeren Bild läßt sich diese Entwicklungsgeschichte so andeuten: Früher als bei den anderen Gattungen gelingt es in der Lyrik, sich die neuen sprachl., verstechn. u. poetischen Mittel u. den Formenkanon der nationalhumanistischen Kunstdichtung - Sonett, längeres Alexandrinergedicht (›Elegie‹), Lehrgedicht, Epigramm, Ode (als große dreiteilige ›pindarische Ode‹ u. als Lied), Sestine, Madrigal u. andere - anzueignen u., darauf aufbauend, zu eigenständigen Leistungen zu finden. Flemings Liebeslyrik vor dem Hintergrund des Petrarkismus u. seine neostoizistisch inspirierten weltanschaulich-philosophischen Sonette, die krit. Epigrammatik Logaus, die Vergänglichkeitsdichtung von Gryphius mit ihrem expressiven rhetorischen Pathos oder die virtuose, klangmalende Verskunst Zesens u. der Nürnberger Dichter (Harsdörffer, Johann Klaj, Sigmund von Birken) stehen für diesen Vorgang in der ersten Jahrhunderthälfte, der auch durch die Weiterentwicklung der opitzianischen Poetik durch Buchner, Zesen, Schottelius, Harsdörffer u. andere gefördert wurde. Die hier erkennbaren Tendenzen setzten sich fort in der formalen Meisterschaft der Lieder der Geharnschten Venus Kaspar Stielers (Hbg. 1660), der Sonettkunst Catharina Regina von Greiffenbergs mit ihren ans Manieristische grenzenden Wortbildungen, der paradoxen myst. Epigrammatik Johannes Schefflers u. dem ebenso ekstatisch-prophetischen wie rational kalkulierten Kühlpsalter des Chiliasten Quirinus Kuhlmann (Amsterd. 1684-86). Verstärkt wurde die Abkehr vom opitzian. Klassizismus durch die Rezeption der manieristischen Dichtung Italiens u. Spaniens vor allem im Werk Christian Hoffmann von Hoffmannswaldaus, Daniel Casper von Lohensteins u. anderer ›Schlesier‹; theoretischer Wegbereiter arguter[1] Poesie in Deutschland war der Jesuit Jacob Masen, dessen Ars Nova Argutiarum (Köln 1649) mit den entsprechenden Schriften Baltasar Graciáns (Agudeza y arte de ingenio. 1648) u. Emanuele Tesauros (Il Cannocchiale Aristotelico. 1654) konkurriert. Die - nie versiegte - klassizistische Gegenströmung wiederum, die durch die Poetik Nicolas Boileaus (L'Art poétique. 1674) u. die Gedichte von Friedrich Ludwig Rudolph von Canitz (1700) bestärkt wurde, setzte sich gegen die sensualistische, witzig-iron. Kunst mit ihrer als exzessiv u. unnatürlich empfundenen Bildersprache erst nach einer langen, nicht zuletzt von der galanten Dichtung geprägten Übergangsperiode mit dem Wirken Gottscheds durch. Dieser wiederum berief sich auf Opitz als den Vater der dt. Dichtkunst u. suggerierte damit eine literaturgeschichtl. Entwicklung, die nach manchen Irrwegen in der nachopitzian. Zeit nun wieder zur rechten Bahn zurückgefunden hatte. ________________________________ [1] jasný, zřetelný, pronikavý, vtipný, řízný