•iHÍíff Kroaten. Die deutschen Freiheits-ľ,n u ..j-risieren sich mit diesen Völkern. Restauration und Revolution (1815-1850) «# Einführung Die 35 Jahre vom Wiener Kongress bis zum Scheitern der Revolution von 1848/49 werden im Allgemeinen das Zeitalter der Restauration und Revolution genannt. Damit sind die beiden entgegengesetzten, miteinander ringenden Hauptströmungen der Zeit bezeichnet, die die Geschichte dieser Jahre ganz wesentlich bestimmt haben. Auch sonst ist diese Zeit eine Epoche der Gegensätze, eine Zeit- des Umbruchs auf zahlreichen Gebieten, in der Altes noch Bestand hat, aber Neues daneben sich immer stärker ausbildet. Es ist die Zeit der Idylle, und es ist auch die Zeit der Verdächtigungen und Verfolgungen, der Verhaftungen und Verurteilungen. Es ist die Zeit des behaglich-privaten Lebens im kleinbürgerlichen Milieu des »Biedermeier«, und es ist zugleich die Zeit, in der immer mehr Menschen politisches Bewusstsein entwickeln und von den Herrschenden die Teilhabe an der Macht fordern. Es ist noch die Zeit der Postkutschen und doch schon die der Eisenbahnen mit der ersten Bauphase eines sich schnell ausweitenden Schienennetzes: Die kommende industrielle Revolution kündigt sich bereits an. Am Beginn dieser Epoche steht das Werk des Wiener Kongresses, steht die wieder hergestellte (»restaurierte«) europäische Ordnung nach Beseitigung der durch die Französische Revolution und die napoleonische Herrschaft verursachten Veränderungen. Es ist, soweit es Mittel- und Osteuropa betrifft, vornehmlich ein Werk der Monarchen - des russischen Zaren, des österreichischen Kaisers und des preußischen Königs - und ihrer Berater mit dem österreichischen Außenminister Fürst Metter-nich an der Spitze. In der von ihnen beschlossenen »Heiligen Allianz« verpflichteten sich die drei Herrscher feierlich, diese Ordnung zu ga- rantieren und streng darüber zu wai lien, j,. künftig keine der mit der Französischen Rtl lution freigesetzten Kräfte erneut die Vii]^.. Unruhe versetzen und die erreichte l'riaiir. Ordnung infrage stellen könne. Nicht v,j,^ hergestellt wurde das alte, 1806 .uifjjeli,,-»Heilige Römische Reich deutscher N'jtiy, Stattdessen entstand auf deutschem Kmlen; : den noch existierenden oder wieder lieiyi-tť ten 35 deutschen souveränen Fürstensijii,. und den letzten vier freien Reichsstädi en tin; ser Staatenbund, der lediglich durch d ie m Hr.;:. in Frankfurt am Main tagende Gesamltenl-v ferenz zusammengehalten wurde. Das aber ist nicht das von den Dichtern dur 1 rS. heitskriege besungene deutsche VaterLmd, fc das die Freiwilligen von 1813 in den K "mpf j: R gen Napoleon gezogen waren. Entt.iusiiiu.-. und Verbitterung bewegen die heimkuhieni';.-Soldaten, vor allem die in die Hörsäle /in üd-.; kehrten Studenten. Mit der Gründung der .v bisherigen Landsmannschaften einN'/ieh» den Burschenschaft geben die Studeniuii /u i:-kennen, dass sie dieses künstliche Gebiltlu nich-akzeptieren, dass sie vielmehr mit ihii-ni Kur: das kommende, das wirkliche geeinte ilťimŕ: Vaterland vorwegnehmen wollen. L>ie miM nale Bewegung, gepaart mit der liberaK'ii in iic: Forderung nach einer Verfassung, die die Iic: heitsrechte des Einzelnen und die Mii whkur.: des Volkes am politischen Geschehen k-\-schreibt, breitet sich rasch aus. Sie isi .Mit'-, durch Verbote und Verfolgungen niJn niih: aufzuhalten. Diese nationale Bewe;;-m^ I-' keine auf Deutschland beschränkte l>clnv nung, sie erfasst gleichzeitig nahezu g.nv. Ku:-tinentaleuropa. Überall erheben sich jiM/l A:' unterdrückten Völker zum Freiheitskam]if. ľ-len und Ungarn, Griechen und Italiener, Tsche-i LT.',n y A afisieren Sien mit uieseii voiüein. Ua)?i"ľ jistaat bringt den Ruf nach Einheit Ü!<- ľ,ihpit nicht zum Schweigen. ,j:,:! 1848 springt der Funke der Revolu- ci ft*1 "r^nkreich auf Deutschland über und don vľ" „rz in fast allen deutschen Staaten, fünf "" ' r]jn und Wien, zu spontanen Erhe-'" 1 ■ ■ Volkes, vor denen die alten Gewal-pJ,i?T M zurückweichen. Es kommt zur Ein-""Ü \ liberaler Ministerien und zu Zuge-Ň**, an die Revolutionäre, deren Führer f!-in1 ". ,jt(,ehend der bürgerlichen Oberschicht r'°" j ören- Metternich, der verhasste Exponent j"Sl![lesi.ir.rationspolitik, muss zurücktreten, "n. Staaten stimmen schließlich der Durch-t hrung .lllgemeiner und gleicher Wahlen und j" Zu.-.iinmentritt einer Nationalversamm-ť > in Frankfurt am Main zu. Mit Böllerschüs-„"fuiid Glockengeläut wird der Einzug der ge-V\hliťn V( ilksvertreter in die Paulskirche gefeiert eine ni' ue Zeit scheint für die Deutschen an-^■brochciiiusein. ;ber während noch die Abgeordneten dieses Honor.iiiiTenii-Parlaments in der Paulskirche über die Verfassung des neuen Deutschland beuten und sich lange und leidenschaftlich über die Poim und die Ausmaße des künftigen Rei-hľs streik«, wird schnell erkennbar, dass die lurili'ii der Einzelstaaten nicht gewillt sind, M.1J11 J" die Nationalversammlung und die so cernnniť Reichsregierung in Frankfurt abzugeben. Vor allem die beiden Großmächte Österreich und Preußen gewinnen nach dem ersten Schock im März 1848 rasch ihr Machtbewusst-M'in 7.111 iic. k und betreiben wieder Politik, ohne die N'.uion ilversammlung in Frankfurt mitein-zubciii-hi-n. Als schließlich der preußische König die ihm von den Parlamentariern angetra-ti-ne Kronu des »Kaisers der Deutschen« brüsk /unickwoist, ist die Nationalversammlung am Fnde. Dio National-Konservativen und die Li-liLril-Cemäßigten resignieren, ja, sie nehmen j-.-i/t «>i;.ir aus Furcht vor der Radikalisierung der Revolu rion Verbindung zu den alten Mächten ,111 f. Hie linksdemokratischen Abgeordneten allein bemühen sich, mit der Verlegung des Rumpf-piil.iiTienies nach Stuttgart die Verfassungsar-l'eit neu /u beleben und die Revolution doch mich /.u vollenden, indem sie die Abschaffung der Ninn.irdb.ien fordern. Die von ihnen geförderten Aulstände radikaler Kräfte in Baden, in der Pfalz und in Sachsen aber werden mithilfe preußischer Truppen rasch niedergeschlagen. Die Reaktion hat gesiegt, die Aufbruchstimmung der Frühjahrsmonate des Jahres 1848 ist verflogen. Der Versuch, ein neues Deutschland, eine parlamentarische Monarchie zu errichten und die bisher souveränen Einzelstaaten zu bewegen, in diesem neuen Reich sich mit der ihnen in der Verfassung zugewiesenen Rolle im »Staatenhaus« zufrieden zu geben, ist gescheitert. Aber dennoch wird der alte Zustand vor der Revolution nirgends wieder hergestellt. Auch in Preußen und in Österreich werden jetzt Verfassungen eingeführt, die allerdings die Monarchen »von oben« und ohne Mitwirkung der Völker erlassen. Die Epoche ist damit beendet, aber am Horizont kündigen sich bereits neue Verwicklungen an. Mit der Industrialisierung, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Ausmaße einer industriellen Revolution mit vielen negativen Begleiterscheinungen annehmen wird, tritt nun zunehmend die soziale Frage in den Vordergrund. Neben die Kräfte des Nationalismus und des Liberalismus, die die geschichtliche Entwicklung vom Beginn des Jahrhunderts an wesentlich geprägt haben, tritt nun der Sozialismus und meldet seine Ansprüche an. Er wird sogleich internationale Dimensionen annehmen. Das am Vorabend der Revolution von 1848 von Marx und Engels verkündete »Kommunistische Manifest« hat den Kampfruf des Sozialismus zuerst ausgesprochen: »Proletarier aller Länder, vereinigt euch!« In der 48er Revolution noch kaum beachtet, wird dieser Ruf bis weit in das 20. Jahrhundert hinein nicht mehr verstummen und die Welt in Atem halten. y.l Deutscher Bund Auf dem Wiener Kongress (►6.18) versuchten die maßgeblichen Staatsmänner, allen voran der österreichische Außenminister Fürst Metternich {>7-7), Europa neu zu ordnen. Der Wunsch der deutschen Patrioten, von denen viele am Freiheitskampf gegen Napoleon teilgenommen hatten, nun einen neuen nationalen deutschen Bundesstaat zu errichten, erfüllte sich nicht. Auch das 1806 aufgelöste Heilige Römische Reich deutscher Nation (►ô.S) wurde nicht wieder hergestellt. Geschaffen wurde ein locker gefügter Staatenbund, der Deutsche Bund. Er setzte sich aus 35 149 11 91 67 :íj A Das gemeinsame Organ des 1815 gegründeten Deutschen Bundes war die Versammlung der Gesandten aller Mitgliedstaaten in Frankfurt (Bundesversammlung, auch Bundestag genannt; Stich um 181/) Fürstenstaaten und vier freien Städten zusammen. Den Vorsitz in diesem Staatenbund übernahm Österreich. Das einzige Bundesorgan war die Bundesversammlung der bevollmächtigten Gesandten der Mitgliedsstaaten, die später hauptsächlich Bundestag genannt wurde; sie tagte als ständiger Kongress in Frankfurt am Main. Neben den deutschen Fürsten gehörten auch ausländische Herrscher dem Deutschen Bund an, und zwar der König von Großbritannien und Irland als König von Hannover, der König von Dänemark als Herzog von Holstein sowie der König der Niederlande als Großherzog von Luxemburg. Österreich und Preußen gehörten ihm nur mit den Gebieten an, die Bestandteile des Heiligen Römischen Reichs gewesen waren. Die am 8. Juni 1815 auf dem Wiener Kongress von den deutschen Fürsten und Bürgermeistern angenommene Verfassung, die Bundesakte, bezeichnete den Staatenbund als »unauflöslich«. Ihre endgültige Form erhielt diese Verfassung mit der am 8. Juli 1820 einstimmig von der Bundesversammlung angenommenen Wiener Schlussakte. Zur Regel wurde es (bis 1848), dass sich Österreich vor allen wichtigen Schritten in der Bundesversammlung mit Preußen als der stärksten norddeutschen Macht absprach. Innenpolitisch wurde der Deutsche Bund mehr und mehr das Vollstreckungsorgan der Restaurationspolitik Metternichs bei der Abwehr undiEindämmung 15° liberaldemokratischer und nationaler i< bungen. Den Einzelstaaten war zwai /< ľ. ligt worden, Verfassungen zu erlassen. in i.' die ständige Vertretung des Volkes :\,,C- werden konnte, doch nur einige Fürst«" Mittel- und Kleinstaaten, so als einer di.fi-'' der Großherzog von Sachsen-Weiniir-c nach, gaben ihrem Land eine Verfassuiiii ,■ jedoch Preußen und Österreich. So v.ncj,^. Unzufriedenheit im Lande zunehmend ,B. 1" sonders unter der studentischen Jugend. Zar Alexander I. von Russland hatte di 111K-von Österreich und dem König von ľre.|i:-. ein gemeinsam zu unterzeichnendes M'njf,. vorgelegt, in dem die christlichen Geliu^. Richtschnur für die Politik fest veranliori %. den sollten. In der Bearbeitung des Enunir-' durch Metternich (k-y.y) wurde die voiu'wirfj Monarchen am 26. September 1815 abp^ch!: sene Heilige Allianz ein Bündnis zur Al^irf, ■' um!: ili-i im W'fiirr K"i:gii ^ 1 X1.1S) euer. /'ij^v's. hť Atf-'irlli-fl.iritjl' Aíľfiri/i iifii #/'■■( lliiin'iit ■\liiii)i^bi y.riiii iiľ-ťiiiťii .\ii~ntt tľ<>it :iiií-i):'/i!: ;\lc*!nii///'M ill' StlillHlIltlIľ < \H;-ilh'ili ľti-iclien Zustandes. Alle europäischen ""''ľ, ,ii Ausnahme Großbritanniens, der !.!■'•" .""i j.^s Kirchenstaates, traten der Heili-'■^''"jii-,„/ hei, die in ihrer christlich-konser-'-'"''. c;rn'ídtendenz das Zeitalter der Res-'■ä"''\' Ľi'|>rägt hat. Die Heilige Allianz ist ,J"r-,,licli .111 den sich verstärkenden Interes- «mi/en der europäischen Großmächte „..broíliľ"- \n Deutsche Bitischens „ 1UH dun liefreiungskriegen gegen Napoleon Burschenschaft Dis.m «"vis) '" L''e Hörsäle der Universitäten zu-^-'■eeki'l'1 Il'ü Studenten waren tief enttäuscht '"■i der P"''1 iscnen Entwicklung, die den er-, XfQfi [inlii'itsstaat aller Deutschen nicht'.ge-h'fiflii Iw'11"- -^s ReakfJ°n darauf vereinigten vh die viirli'T in verschiedenen Landsmann-,'íiiľtľii in;.!.inisierten Jenaer Studenten zu ei-r-x .1II1' Sniilenten zusammenschließenden .'iiirsciK'iin :1.1ft«. Symbolisch wollten sie mit ihrem hinlii'iisbund die kommende Einheit L'oi diiil-dii'n Vaterlandes vorbereiten. Als Bundcifarbuii wählten sie die Farben der Uni-fbrm des ehemaligen lützowschen Freikorps, in dum viel«.- Studenten am Krieg gegen Napoleon ii'iliynommen hatten: Schwarz-Rot-G'nld. Die stiuli'iuisi he Bewegung breitete sich rasch jus Als die lenaer Burschenschaft zu einem SiudvnU'iii 1 i-l'len auf der Wartburg einlud, dem Wuilhwy.lľ-i 1 ^7.4) am 18. Oktober 1817, ka-ir.en SuídľiiU'iiabordnungen aus elf deutschen UnivciMMU'M. Am 18. Oktober 1818 wurde in Jena die Allgemeine Deutsche Burschen-iclnft ■ dmi li Vertreter aus 14 deutschen Uni-vcrsiljleii ;;■ :.'mndet. Die politische Entwicklung iinli'i dľ a Studenten erregte mehr und mehr das Misstrauen der staatlichen Behörden, ziim.il mi h i-inige Gruppen radikalisierten. N'icli del I imordung des in russischen DivnMi'ii sU'lnnden Schriftstellers August von Kdizehiu' i.Si.j durch den Studenten Karl ludvvig S.iiiii wurden die Burschenschaften in aen Karlsbader Beschlüssen (P-7.5) verboten. In vielen Universitätsstädten bestanden sie j:di'ih als Geheimbünde weiter. Viele ehemalig' Burschenschaftler wurden 1848 Abgeordnete in der Frankfurter Nationalversammlung (►7.18). Restauration und Revolution b^i-y,^. Wartburgfest Die Jenaer Burschenschaft hatte zur Erinnerung an die Reformation 1517 und an die Völkerschlachtbei Leipzig 1813 (►6.16) zu einem Treffen auf der Wartburg am 18. und 19. Oktober , 1817 eingeladen. 500 Teilnehmer aus elf Universitäten folgten der Einladung. In allen Festansprachen wurde zur Einheit und Freiheit Deutschlands aufgerufen. Eine Minderheit der Studenten verbrannte im Andenken an Luthers Verbrennung der päpstlichen Bannbulle 1520 mehrere als reaktionär bezeichnete »undeutsche Schriften« sowie einige Uniformstücke, um so gegen Fürstenherrschaft und Unterdrückung zu protestieren. Besonders diese Vorgänge, die nicht im Mittelpunkt des Wartburgfestes gestanden hatten, ließen die Polizeibehörden in Preußen und Österreich aufhorchen. Der preußische König ließ Teilnehmer des Festes vernehmen und Polizeiakten anlegen. y.^ Karlsbader Beschlüsse Die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue, der in seinem »Literarischen Wochenblatt« 1818/19 die liberale Studentenbewegung der Deutschen Burschenschaft (^-7.3) verhöhnt hatte, durch den Burschenschaftler Karl Ludwig Sand am 23. März 1819 in Mannheim nahm Metternich zum Anlass, nun energische Maßnahmen zu ergreifen, um mit der ganzen Macht der Staaten gegen die seit langem mit Misstrauen beobachteten nationalen und liberalen Bestrebungen vorzugehen. Auf den von Metternich einberufenen Karlsbader Konferenzen vom 6. bis 31. August 1819, an denen neben Österreich und Preußen acht weitere deutsche Staaten teilnahmen, wurden Beschlüsse gefasst, die am 20. September 1819 von der Bundesversammlung einstimmig angenommen wurden. Diese Beschlüsse enthielten das Verbot der Burschenschaft und die Einsetzung eines »außerordentlichen landesherrlichen Bevollmächtigten«, der an den Universitäten das Auftreten und Verhalten der Professoren und Studenten streng zu überwachen hatte. Alle Hochschullehrer, die »durch Missbrauch ihres rechtmäßigen Einflusses auf die Gemüter der Jugend, durch Verbreitung verderblicher, der öffentlichen Ordnung und Ruhe feindseliger oder die Grundlagen der bestehenden Staatseinrichtun- 5481 Kapitel 7 < Nach den Karlsbad Beschlüssen von ik,, wurde in den dew^j. Staaten eine streng- ' Zensur eingeführt'. /„ dieser Zeitgenossin^. Karikatur tragen #/,■,."' Mitglieder einesp„litj sehen Klubs Maulkůti und sinnieren gemeinsam schweif,,, darüber, ob baldami' die Gedankenfreihcii c.r Ende habe gen untergrabender Lehren ihre Unfähigkeit zur Verwaltung des ihnen anvertrauten wichtigen Amtes unverkennbar an den Tag gelegt haben«, sollten rigoros aus ihren Ämtern entfernt und auch in keinem anderen Bundesstaat wieder angestellt werden. Ferner wurde in den Karlsbader Beschlüssen eine staatliche Vorzensur für alle Zeitungen, Zeitschriften und sonstige Druckschriften »unter 20 Bogen im Druck« eingeführt. Eine außerordentliche Zentral-Un-tersuchungskommission des Bundes wurde mit Sitz in Mainz eingerichtet, die die »revolutionären Umtriebe und demagogischen Verbindungen« zu untersuchen und zu verfolgen hatte. Durch eine Exekutionsordnung wurde dem Bund das Recht zuerkannt, gegebenenfalls gegen einen Mitgliedsstaat des Bundes eine Bundesexekution durchzuführen, wenn in diesem Staat revolutionäre Entwicklungen von den regionalen Behörden nicht unterbunden werden konnten. Die Karlsbader Beschlüsse führten bald, am stärksten in Preußen, zu den Demagogenverfolgungen {>-/.?,). y. 6 Restauration Das Wort »Restauration« bedeutet Wiederherstellung eines früheren Zustandes. In der Geschichte der europäischen Staaten und besonders auch der deutschen Geschichte wurde der Begriff »Restauration« als Bezeichnung der geschichtlichen Periode vom Wiener Kongress bis zu den Revolutionen der Jahre 1830 und 1848/49 verwendet. In dieser Epoche stand im Vordergrund der Versuch der.leitenden Staatsmänner Europas, insbesondere des österrei- 152 chischen Staatskanzlers Fürst Melln,., {*77)> den Zustand vor dem Ausbruch,;. Französischen Revolution wieder herziwd1--Wie für die französische Verfassung vna $.. war auch für die Staaten des Deutschen Huri.'-das monarchische Prinzip verbindlich, lodern die alleinige und einheitliche Staatsytv.;'. in der Hand des Monarchen liegt. Der Momr,-konnte demnach seine Befugnisse duirh í;.. Verfassung beschränken, diese aber kon nie ;..• Begrenzung, niemals Grundlage der Si.ut;,.:. wait des Monarchen sein. Gegen die sich überall im Lande regendej 1 ntc« Kräfte, die vor allem von Studenten und l'rufes-soren getragenen nationalen und liberalen 3«. wegungen, wurden mit den Karlsbader Hs-Schlüssen (V7.5) alle staatlichen Machtmittel eingesetzt. Dennochkonntendie tiefgreifender, sozialen, rechtlichen, wirtschaftlichen und territorialen Wandlungen, die durch die n.ipnleo-nische Neuordnung eingetreten waren, nichtit vollem Umfang rückgängig gemacht wurde« zumal sich auch, vor allem im Rheinland und is Sachsen, zunehmend die Auswirkungen derln| dustrialisierung bemerkbar machten. /./ Metternich Klemens Wenzel Graf Metternich (seit 1815.* Fürst) wurde am 15. Mai 1773 in Koblenz geboren. Der Sohn eines kaiserlichen Diplomaten studierte Rechts- und Staatswissenschaften sowie Geschichte in Straßburg und Mainz, später Naturwissenschaften und Medizin in Wien. 1801 wurde er kaiserlicher Gesandter in Dresden, 1803 in Berlin, von 1806 bis 1809 war ei österreichischer Botschafter in Paris. Schultern des österreichischen Auf-S'-. , uchu-« gegen Napoleon 1809 wurde "'"l 1 ;;>,i,■rreichischer Außenminister. Er ( i>ď er" ... einu >"'" an der Realität orientierende '•■''''i .ipcnüher dem Europa beherrschenden ■','' \'ii)»lci>n !•» vermittelte die Heirat der ii'i\;-hischuii Kaisertochter Marie-Louise -"~rI ',"a0]ctni 1810 und unterstützte mit der '"■'-,' '„ (.jni-. österreichischen Truppenkon-- * [g.ipdkons Pläne im Russlandfeldzug '■'■■'"'flcicli'uiiig aber erhielt er während des :>",-njfukl/uges auch Kontakte zum russi-*•". 7.irun Alexander I. aufrecht. Der preu-i,"'*i1.rifc6.i8) fort. Als .-■»chiuilcni-i 1 legner der Revolution sorgte er i.-.-its l»l'r ll,r die Rückkehr des besiegten '■iiikreich miliar einem wieder eingesetzten ■i.-irbeniM'li'1» König in den Kreis der europäi-.-'•.onCriiNni.u'lite. A Der Name des österreichischen Staatskanzlers Fürst Metternich ist untrennbar mit der von 1S15 bis 1848 andauernden Periode der Restauration verbunden. Kopie eines Gemäldes von 1818/19 Restauration und Revolution Auf dem Wiener Kongress betrieb Metternich erfolgreich die Wiederherstellung der politischen und sozialen Ordnung in Europa, die mit der von ihm mitgestalteten Heiligen Allianz der Fürsten abgesichert wurde. Seine Politik der Restauration, auch als System Metternich bezeichnet, führte in der Folgezeit zur rücksichtslosen Unterdrückung aller nationalen und liberaldemokratischen Kräfte, die er im Deutschen Bund in Zusammenarbeit mit Preußen mit den Karlsbader Beschlüssen 1V7.5) und den sich daraus entwickelnden Demagogenverfolgungen (>7.8) mit aller Konsequenz betrieb. Da Metternich nicht bereit war, an die Volkssouveränität irgendwelche Zugeständnisse zu machen, musste er bei Ausbruch der Revolution 1848 zurücktreten und als verhasster Reaktionär ins Ausland fliehen. Erst im September 1851 kehrte er nach Wien zurück. Seine Versuche, wieder Einfluss auf die österreichische und europäische Politik zu gewinnen, blieben jedoch erfolglos. Er starb am 11. Juni 1859 in Wien. y.o Demagogenverfolgungen Mit den Karlsbader Beschlüssen (>7-5) vom 20. September 1819 begannen die so genannten Demagogenverfolgungen, die sich vornehmlich gegen Universitätsprofessoren und Journalisten, Schriftsteller und Studentenführer richteten. Am schärfsten ging die preußische Regierung gegen diej enigen vor, die in Veröffentlichungen, Vorlesungen und bei öffentlichen Anlässen für die nationale und liberale Bewegung eintraten. Unter den Verfolgten, die aus ihren Ämtern vertrieben und teilweise sogar zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, waren auch prominente Teilnehmer der Befreiungskriege wie der Dichter Ernst Moritz Arndt, der Publizist Johann Joseph von Görres und der Vater der Turnbewegung Ludwig Jahn. Selbst das Turnen wurde in Preußen verboten. Später geriet auch der mecklenburgische Dichter Fritz Reuter in den Sog der Demagogenverfolgung und wurde 1836 zu Festungshaft verurteilt (»Ut mine Fes-tungstid«). In diesem Zusammenhang kann auch der Schritt der »Göttinger Sieben« genannt werden. Sieben Göttinger Professoren, unter ihnen die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm, protestierten am 18. November 1837 öffentlich gegen die 153 2H Kapitel j - Aufhebung der Verfassung des Königreichs Hannover durch König Ernst August II. und wurden deshalb aus ihren Ämtern entlassen. In ihrem durch die Presse in ganz Deutschland bekannt gewordenen Protest beriefen sich die Professoren auf ihren Verfassungseid, durch den sie verpflichtet seien, zur Verteidigung der Verfassung der Staatsgewalt entgegenzutreten. Ihr außergewöhnliches Handeln erregte großes Aufsehen, die öffentliche Meinung nahm für die Göttinger Professoren nahezu einhellig Partei. Ihr Schritt trug wesentlich zur Ausbildung des deutschen Liberalismus bei. y.() Hambacher Fest Trotz aller Unterdrückungsmaßnahmen der staatlichen Organe gegen die liberale, demokratische und nationale Bewegung war der Freiheitsdrang im Volk nicht mehr zu ersticken. Die Pariser Julirevolution 1830 hatte der deutschen Sehnsucht nach Freiheit und Einheit neuen Auftrieb gegeben. Als zwei Publizisten zu einem Treffen aller freiheitlich gesinnten Kräfte aufriefen, kamen zu dem Hambacher Fest vom 27. bis zum 30. Mai 1832 etwa 30000 Menschen. Anders als bei dem 15 Jahre vorher veranstalteten Wartburgfest, bei dem vor allem Professoren und Studenten vertreten waren, hatten sich auf Schloss Hambach bei Neustadt an der Weinstraße auch zahlreiche Bürger, Handwerker und Arbeiter eingefunden. In den Festansprachen wurde die s et ■ zos Forderung nach einem freien und Deutschland erhoben und die EntschL bekundet, dass das Volk selbst das Eini werk vollenden werde, wenn die Fürstin • von ihrem »Wolkenthron« herabsteige,,. den. Damit war erstmalig deutlich gev.fj. dass die Freiheitsbewegung auch eine |0 ohne die Fürsten in Betracht zog. Zugl klärte sich die Versammlung solidary den Freiheitskämpfern in anderen sehen Staaten, vor allem mit den Franzi den Polen. Metternich nahm diese Vorgänge zum A» im Deutschen Bund (►7.1) weitere verscV-Maßnahmen durchzusetzen; die Press,--, ■ eins- und Versammlungsfreiheit wurde völlig unterdrückt, einige der Initiato Hambacher Festes wurden verhaftet, .1 flohen ins Ausland. y.lO Liberalismus Liberalismus bezeichnet eine weltanscruiil:;-Richtung, in der der einzelne Mensch und ;c -Recht auf Freiheit im Vordergrund stehen. F. ist die Weltanschauung des aufstrebendi-n |>.:. gertums, das sich gegenüber den Voriudi;,-der bevorzugten (= privilegierten) Stände c:. Adels und der Geistlichkeit und gegenül'urd.-: Allmacht des absolutistischen Staates zu ^ haupten begann. Der Liberalismus tritt fur fit.: wirtschaftliche Betätigung des Einzelnen (l>. ternehmers) ein und fordert die Abscli.iffu.; n A Beim Treffen auf dem Hambacher Schloss bei BadDürkheim in der Pfalz Ende Mai 1S32 versammelten sich Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, um im Zeichen der Farben Schwarz-Rot-Gold ein Bekenntnis für Freiheit und die Einigung Deutschlands abzulegen (zeitgenössisches Gemälde) 154 schrieben wurden, und in den amerikáni und französischen Erklärungen der Menschte, die 1776 bzw. 1789 formuliert wur- 7 nftsystems und der Zollschranken. tei . . liberale Forderungen sind Gewalten-^.'C . Rechtsstaat und Pressefreiheit. Alle li-1.ň Bewegungen haben ihren Ursprung in 'f'1'''„lachen »Bill of Rights« von 1689, dem """ľscht-'n Staatsgrundgesetz, in dem erstmalig ir'^.. .|lle des Parlaments gegenüber der Krone &>«' .,-hc 'en- \ rjjutsftiland war die vor allem in den Befrei- '' oškrieť611 1^13_15 erstarkte liberale Bewe-„ V0I1 Anfang an eng verbunden mit der na-K-jlen llewegung, die für ein geeintes deut-!,kri Vorland angetreten war. Nach der Grün-yunodi"> Deutschen Bundes {>7.1), den sowohl ,-, Liivulen wie auch die Nationalen als un-l'lkoirmiene Lösung strikt ablehnten, fanden , onjo-;i li is in den süddeutschen Staaten, in de-- 7.17) nicht voneinander zu trennen. Der Ruf nach einem geeinten deutschen Vaterland war zugleich der Ruf nach einem deutschen Staatswesen, das in einer Verfassung die Grundrechte des Volkes verankern sollte. Die nationale Bewegung war nicht auf Deutschland beschränkt. Überall in Europa und in der Welt standen unterdrückte Völker auf und suchten sich ihre nationale Freiheit zu erkämpfen, so u.a. die Griechen gegen die Türkenherrschaft, die Polen gegen die russische Staatsgewalt. Die Ausbreitung der nationalen Bewegungen musste, das sah gerade der österreichische Staatskanzler Metternich (^-7.7) deutlich, eines Tages für die Existenz des habs-burgischen Vielvölkerstaats zu einer tödlichen Gefahr werden. Der als Sohn eines Handwerkers am 6. August 1789 in Reutlingen geborene List hatte sich aus der bescheidenen Position eines Verwaltungsbeamten zum Professor für Staatswissenschaften an der Universität Tübingen (1817) emporgearbeitet. Vertraut mit den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen im Lande, setzte 155 Kapitel 7 ■ er sich bald als Abgeordneter im württembergischen Landtag (ab 1820) für durchgreifende demokratische Verwaltungsreformen ein sowie für die Aufhebung der Zölle innerhalb des Deutschen Bundes. Wegen seines unerschrockenen Auftretens verlor er 1820 sein Hochschulamt, 1821 wurde ihm sein Abgeordnetenmandat entzogen, 1822 wurde er wegen »demagogischer Umtriebe« zu zehn Monaten Festungshaft verurteilt. Er floh zunächst ins Ausland, trat dann aber seine Strafe auf der Festung Hohenasperg an. Weil er sich verpflichtete, in die USA auszuwandern, wurde ihm ein Teil seiner Strafe erlassen (1825). Während seines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten lernte er die enormen technischen A Der schwäbische Volkswirtschaftler und Politiker Friedrich List trat unermüdlich fiir die Schaffung eines Zollvereins sowie den Eisenbahnhau in Deutschland ein (Lithographie aus dem Jahr 1844; Reutlinger Stadtarchiv) \ Fortschritte im Verkehrswesen durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes kennen und kehrte 1832 als amerikanischer Konsul nach Deutschland zurück in der Absicht, seine Erfahrungen nun zum Nutzen des deutschen Vaterlandes zu verwerten. Er forderte den Bau eines ganz Deutschland umfassenden Eisenbahnnetzes als gemeinschaftliche Aufgabe und propagierte die 5 Schaffung des Deutschen Zollvereins (► 7. Abkehr von seiner früheren freihäiHlkrj,.. Auffassung forderte er für den Aufb.iu c-deutschen Industrie in der Entwicklung,,.^ staatliche Schutzzölle gegen die Ulvip,.' insbesondere der englischen Indusi rictr^ nisse. List erreichte durch seine unernniji:. Tätigkeit von Leipzig aus, dass 1837 die ,, größere und wirtschaftlich zu nutzende Ejs, bahnstrecke zwischen Dresden und I.cip?v. öffnet werden konnte. Mit seinen Plänen und seinen Schrifu-n, j;ir. nen er langfristige Entwicklungen mhfa. war List seiner Zeit weit voraus. Erst nach«-, nem Tod fanden seine Arbeiten die gil)iihri.;,j Beachtung. Enttäuscht über die gering' Ri:r nanz seines Wirkens setzte er seinem I üben •■■ 30. November 1846 ein Ende. y.l^ Deutscher Zollverein Bereits seit 1818 gab es in einzelnen Si .ukii d;-Deutschen Bundes Bestrebungen, duroh Al;. hebung der Binnenzölle den Handels verkehr?,-erleichtern. Preußen schuf sich für M'ini' uCii auseinander liegenden Staatsteile ein i'inlki;':. ches Zollgebiet und gründete 1828 mil I lc<«tn. Darmstadt einen Zollverein, während nn gl;;, chen Zeit im süddeutschen Raum B.iycrn uni Württemberg eine Zollvereinbaruiis: morgen. Ebenfalls 1828 schlossen sich I l.mnour. Kurhessen, Sachsen und die thürin»i»ihin Staaten zum »Mitteldeutschen HancluKvurein-zusammen. Trotz der verbreiteten Abneigung der minierer, und kleineren Staaten gegenüber eim-i prciili-sehen Vormachtstellung kam es durch Verhandlungen zwischen der norddeut-i'Iion umí der süddeutschen Zollbereichsgrup|v zui Gründung des Deutschen Zollven-ins. •>. scii:c Isolierung zu durchbrechen und eiiu-n «roť-deutschen Handels- und Zollverband /'i crrirJi-ten (1849/50), hatte keinen Erfolg. In den Verstellungen der Deutschen, die den /nllvorcm Restauration und Revolutict ,n Schritt zu einem geeinten Vaterland "'' newann nun allmählich das Bild eines ■:,'.ju,n Reiches in der kleindeutschen Lö-'\-7.io) an Konturen, von dem Österreich ■ -",j„oii Sonderinteressen und fremdvölki-'.'", iicichsteilen ausgeschlossen blieb. Die "^'tcli-;che Reichsgründung von 1871 begann :'u"jl./u/eichnen. -ji EifJfinbahn . .-Jrit .'Tinien war seit dem Sieg über Napole-""■ jji; führende Weltmacht unter den Groß-".uyin und zugleich, seit den großen techni-\n i-.rfindungen am Ende des 18. Jahrhun-..s (Dampfmaschine, Spinnmaschine, me-'.'iijifhuľ Webstuhl), die erste und modernste :.,.irJĽ!iation der Welt. Auch die erste Schie-..-.ciiibähn war eine britische Erfindung, die ;.-/urn 1 iinsatz kam und schnell auch auf dem .-■ini-ni erprobt wurde, auch in Deutschland. -..., f.jM'nbahnbauprojekt standen in den Staa-. jo> I )ľutschen Bundes viele Kritiker gegen--i. Die meisten Fürsten lehnten Schienen-.;, die über ihre Landesgrenzen hinausgin-;. sofort ab, Fuhrleute protestierten, Ärzte -Juden Gesundheitsschäden durch Rauch-•iťi;klungund hohe Geschwindigkeiten. -:r(ii'i ionigen, die sich mit aller Kraft für ei-3 r.T-Ľli« n Aufbau eines bundesweiten Eisen-hnnui/.i s einsetzten, war der 1832 aus den >A/.iituckgekehrte Friedrich List (^7.12). So ,.;er k? herren ab, denen sie anfanglich hilflos auso I* fert waren. Gesetzliche Bestimmungen 0 * die Ausbeutung der Lohnarbeiter exisri» nicht. Um ihre Lage zu verändern, blieb ih." 1 nur die Möglichkeit, sich zusammenzuscht ßen und sich zu wehren - obwohl Zusammen Schlüsse von Arbeitern und Handwerkern v' boten waren. Am 4. Juni 1844 kam es zu eine» Aufstand von 3000 schlesischen Webern t gen ihre Arbeitgeber. Die schlesischen Weber waren Heimarbeit» die ihre Webstühle im Handbetrieb bedienie-Sie waren abhängig von ihren Arbeitgebern & ihnen die Rohstoffe lieferten und dann die fer. tigen Waren abnahmen. Die Konkurrenz ein. heimischer und britischer Waren, die bereits industriell produziert wurden - die britisch-Textilindustrie profitierte von der Anwendu» der Spinnmaschine und des mechanischer Webstuhls sowie von einem für sie günstiger. Zolltarif-, führte dazu, dass über Jahrzehnte hinweg die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung der schlesischen Weber immer meh; % verschlechtert wurden. Auch vermehrte Kinderarb eit und die Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit konnten den Lohnverfall nicht ausgleichen. Die mit ihren Familien im Elend lebenden Weber taten sich zusammen und for- I derten höhere Löhne. Als diese abgelehnt wir- ; den, drangen sie in die Häuser der Fabrikherreri ein, zerstörten Einrichtungen und Maschinen. Ihr Aufstand wurde nach drei Tagen durch preußisches Militär blutig niedergeworfen. Am Vorabend der Revolution von 1848 hatdie-ser erste größere Aufstand von verzweifelten Arbeitern, die begannen, sich ihrer Macht bewusst zu werden, überregionale Bedeutungerlangt. J.lö Hungersnöte und Auswanderung Die katastrophale Missernte des Jahres 1816 hatte besonders stark die bereits verarmte und Restauration und Revolution "*-fcj m rncae ccv^^orung auf dem Lande, vor al-' ■ \Vesten un^ Südwesten Deutschlands, 'e!(1 ,t 0 Das starke Wachstum der Gesamtbe- SetT ung und die Umschichtung der Bevölke- struktur auf dem Lande durch die Agrar- ( men führten zusätzlich zu einem raschen achsen der Unterschichten, die am Rande Existenzminimums lebten und in Notzei- nter diese Grenze sanken. So kam es schon te (.hl zur ersten Massenauswanderung aus peutscnia»". —........... ---------- t Her Auswanderer war schon in dieser ers-phase hauptsächlich Nordamerika, eine ■ Anzahl ging nach Russland. Die Ver- * ndung der Unterschichten infolge der sich ■i'rch den Bevölkerungsdruck ausbreitenden Massenarbeitslosigkeit ließ die Auswanderer-'jhlen nach 1830 wieder steil ansteigen. Wenn »Ute Ernten die Ernährungslage verbesserten, vie. Anfang der 1840er-Jahre, ebbte sofort auch die Aus Wanderungswelle wieder ab. Erneut erfolgte ein sprunghafter Anstieg mit Beginn der Hungersnot, die die in der Revolution von 1848 gipfelnde wirtschaftliche, soziale und politische Krise einleitete. Betrug die Zahl der Auswanderer zwischen 1834 und 1845 jährlich etwa 20 000, so wanderten im folgenden Jahrzehnt von 1846 bis 1855 insgesamt r,i Millionen Menschen aus, im Jahr 1854 allein 239 000. Weiterhin war Nordamerika das bevorzugte Einwanderungsziel, erst in zweiter Linie Südamerika und Australien. Da sich infolge einer jetzt besser geregelten Organisation der Auswanderung - die Auswanderertransporte nahmen vor allem die Hansestädte Hamburg und Bremen vor - die Überfahrtkosten verbilligten, konnten auch die Ärmsten die Auswanderung anstreben, die zum Teil durch Auswanderervereine gefördert wurde. Auch Gemeindebehörden, die ihre sie stark belastenden Unterschichten loswerden wollten, unterstützten die Auswanderungsbereitschaft. Der Anteil der politischen Emigranten war anfänglich gering, steigerte sich jedoch mit der Zunahme der Demagogenverfolgungen (^-7.8) und schwoll nach dem Scheitern der Revolution 1848/49 deutlich an. Der Verlust an politischer Substanz war besonders Anfang der i8$oer-Jahre beträchtlich. Es hat offenbar Versuche gegeben, diesen Verlust an Menschen durch die Massenauswanderung aufzuhalten A Gezwungen durch Hungersnöte und phasenweise auftretende Massenarbeitslosigkeit verließen im 19. Jh. Hunderttausende Menschen Deutschland. Der Stich aus dem Jahr - 18/4 zeigt die Einschiffung von Auswanderern im Hamburger Hafen oder doch den Auswandererstrom in den südosteuropäischen Raum umzulenken, wobei man wohl an eine Verstärkung des deutschen Bevölkerungsteils im Habsburgerreich (Donauraum) gedacht hat. Diese Versuche sind jedoch in Ansätzen stecken geblieben. Von 1830 bis 1870 sind allein nach Übersee, vornehmlich nach Nordamerika, über 2,5 Millionen Deutsche ausgewandert. 7.I7 Märzrevolution Von den französischen Revolutionsunruhen im Februar 1848, die zur Abdankung des Königs und zur Ausrufung der Republik führten, sprang der Funke der Revolution auf die Staaten des Deutschen Bundes über. Überall kam es zu Volksversammlungen und Demonstrationen, bei denen Forderungen nach der Presse- und Vereinsfreiheit, nach Volksmiliz und der Einberufung eines bundesweiten Parlamentes erhoben wurden. Einige vor allem kleinere Staaten zeigten Entgegenkommen und beriefen Vertreter der liberalen Bewegung als Minister in ihre Kabinette. In Wien kam es bei Demonstrationen von Studenten und Arbeitern zu Straßenkämpfen, wobei immer wieder der Rücktritt Metternichs (V7.7) gefordert wurde, der dem Druck nachgab und nach Großbritannien floh. Der Kaiser versprach am selben Tage, dem 13. März, eine 158 Kapitel 7 Verfassung zu bewilligen. Überall in den Ländern der Donaumonarchie verlangten jetzt die Volksgruppen der Italiener, Tschechen, Ungarn nach einer Verfassung, die ihnen die Autonomie gewähren sollte. Auch in Preußen hatte der König eine Verfassung angekündigt. Als aber bei einer Großkundgebung vor dem Berliner Schloss am 18. März plötzlich Schüsse fielen, entwickelten sich aus der entstandenen Panikstimmung heraus blutige Barrikadenkämpfe mit dem Militär, an deren Ende 254 Tote und viele Verwundete zurückblieben. Im Morgengrauen des 19. März ordnete der König den Abzug der Truppen an, wandte sich mit einem Aufruf »an meine lieben Berliner« und grüßte die Toten, die im Schlosshof aufgebahrt worden waren. Er bewilligte eine verfassunggebende Nationalversammlung in Preußen und verkündete: »Preußen geht fortan in Deutschland auf«. Die Einzelstaaten des Deutschen Bundes willigten nun ein, durch allgemeine und gleiche Wahlen ein gesamtdeutsches Parlament wählen zu lassen, das in Frankfurt am Main zusammentreten und eine Verfassung ausarbeiten sollte. Ein schnell und willkürlich zusammengerufenes »Vorparlament« mit 574 Mitgliedern, das vom 31. März bis zum 3. April in Frankfurt tagte, bereitete die Einberufung der deutschen Nationalversammlung vor. Schon hier prallten die Gegensätze zwischen den Radikalen, die alle Monarchien abschaffen und eine föderative Bundesverfassung nach amerikanischem Muster mit einem frei gewählten Präsidenten an der Spitze beschließen wollten, und den Gemäßigten, die an einer monarchischen Staatsform festhielten, aufeinander. y.lo Frankfurter Nationalversammlung/ Paulskirchen-Parlament Am 18. Mai 1848 trat das erste gesamtdeutsche Parlament in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Im Rahmen der jeweiligen Landesverfassungen waren insgesamt 812 Abgeordnete und Stellvertreter gewählt worden. Bei einer gesetzlichen Mitgliederzahl von 649 bestand die Frankfurter Nationalversammlung aus 585 Abgeordneten, da in zahlreichen österreichischen Wahlbezirken mit nichtdeutscher Bevölkerung keine Abgeordneten gewählt wor- 160 den waren. Die Volksvertreter gehörten überwiegenden Mehrheit den fjju " Schichten des gebildeten Bürgertums an entsprachen in ihrer Zusammensetzung der sozialen Gliederung des Volkes, Die "—-ten kamen aus akademischen Berufen ■«• TÍf höhere Verwaltungsbeamte, Richter, Staa3=i walte oder Rechtsanwälte sowie Univers' Professoren. Nur vier Abgeordnete kamen dem Handwerk, Arbeiter waren überh nicht vertreten. Man hat deshalb auch von *--nem »Professoren«- oder »Honoratiorens.pX'i lament gesprochen. Sj Das Parlament wählte am 19. Mai den he ■*■ sehen Liberalen und Mitbegründer der Rwr: schenschaft (6>v.3), Heinrich Reichsfreirw! von Gagern, zu seinem Präsidenten. CW! '■ sierte politische Parteien gab es noch nicht doch bildeten sich sogleich politische Grupni' rungen oder Klubs (benannt nach Frankf™» Gasthöfen), aus denen dann später die Parteit-, entstanden sind. In der Sitzordnung des Vié ments saßen die Demokraten links, die Liber, len in der Mitte, die Konservativen rechts (vom Parlamentspräsidenten aus gesehen). Als pro;}, sorische Zentralgewalt wurde die Position des »Reichsverwesers« geschaffen, der die Reichs, geschäfte bis zur endgültigen Verabschiedung der Verfassung wahrzunehmen hatte. Die Abgeordneten einigten sich auf die Person des 05-terreichischen Erzherzogs Johann. Der deutsche Bundestag löste sich auf. Das Parlamem setzte einen Verfassungsausschuss ein, dermis der Ausarbeitung der Grundrechtsbestimmus-gen begann. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass die Nationalversammlung nicht in der Lage war, die provisorische Reichsregierung mit wirklicher politischer und militärischer Macht auszustatten, mit der allein der deutsche Nationalstaat gegen die Soriderinteressen der Einzelstaaten, insbesondere der Großmächte Österreich und Preußen, hätte durchgesetzt werden können. So nahm Preußen in dem mit Zustimmung des Paulskirchenparlaments geführten Krieg gegen Dänemark - wegen der Einverleibung Schleswigs in den dänischen Reichsverband - keine Rücksicht auf die Nationalversammlung, als es unter dem Druck Großbritanniens und Russlands am 26. August 1848 mit dem Dänenkänig den unbefriedigenden Waffenstillstand vos Malmö schloss; ein Votum der Nationalversammlung gegen das Abkommen blieb wir- n und Revolution , si„s und musste später zurückgenommen , rden. Im September musste die Nationalver-mmlung sogar preußische und österrei-hische Waffenhilfe gegen Aufständische in Frankfurt in Anspruch nehmen, die aus natio-jler Empörung über den »Verrat von Malmö« die Parlamentarier zwingen wollten, ihre kompromissbereite Einstellung gegenüber den Fürs-tenaufzugeben und eine Republik anzustreben. Ein Aufstand radikaler Demokraten in Südbaden die die deutsche Republik ausriefen, wurde von badischen Truppen niedergeschlagen. In Österreich warfen kaiserliche Truppen nationale Aufstände der Ungarn, Tschechen und Italiener nieder. Bei der Niederschlagung des Wiener Oktoberaufstandes, in dessen Verlauf radikaldcrnokratische Studenten, Bürger und Arbeiter zeitweise die Stadt beherrschten, wurde von kaiserlichem Militär sogar der Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung Robert Blum standrechtlich erschossen (9. November 1848). Während die Parlamentarier in der Nationalversammlung noch über die Grundrechte, die schließlich am 27. Dezember 1848 verabschie-detwurden, diskutierten und bei der Ausarbeitung der Rcichsverfassung (^7-i9) lange über die zukünftige Gestalt des Deutschen Reiches {großdeulsch oder kleindeutsch? >j.io) stritten, hatten die Bundesstaaten, vor allem die beiden Großmächte Österreich und Preußen, ihr Selbstbewusstsein wiedergewonnen, war weh die euphorische Stimmung des Frühjahrs ■848 im Lande einer Ernüchterung gewichen, nicht zuletzt wegen der Radikalisierung der Re- ■4 Eröffnungssitzung der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche am 18. Mai 184.8 (zeitgenössische Darstellung) volution und der blutigen Ausschreitungen in Frankreich. Die Nationalversammlung entschied sich endlich mit Mehrheit für die kleindeutsche Reichslösung und für die Wahl des preußischen Königs zum Kaiser in dem neuen Reich. Als dieser aber am 3. April 1849 den Abgeordneten der Nationalversammlung, die ihm seine Wahl tandsberg (Zentrum) liberal Casino (rechtes Zentrum) liberal-konservativ Café Milam konservativ Württemberger Hof (linkes Zentrum) entschieden liberal Deutscher Hof liberal-demokratisch 60 Donnersberg demokratisch ohne Fraktions-zugehörigkeit 40 150 Politische Zusammensetzung Berufe der Abgeordneten und i 46 Landwirte 35 Kaufleute 14 Fabrikanten 4 Handwerker 44 ohne Berufsangabe 18 Offiziere II Diplomaten 110 Richter/Staatsanwälte 115 höhere Verwaltungsbeamte 21 Bürgermeister hrer Stellvertreter 37 mittlere Beamte 94 Professoren 30 Lehrer 39 Geistliche 106 Advokaten 23 Ärzte 10 Bibliothekare, Verleger, Buchhändler 20 Schriftsteller 35 sonstige Akademiker A Nationalversammlung in der Paulskirche jzi Kapitel 7 < zum »Kaiser der Deutschen« mitteilten, eine Absage gab und es ablehnte, die Kaiserkrone aus der Hand der Revolutionäre entgegenzunehmen, war die Nationalversammlung endgültig gescheitert. In den Maiaufständen in Sachsen, Baden und der Pfalz versuchten radikaldemokratische Kräfte die Annahme der Reichsverfassung doch noch zu erzwingen. Sie wurden mithilfe preußischer Truppen rasch und endgültig niedergeworfen. Etwa hundert, vornehmlich radikaldemokratische Abgeordnete bildeten in Stuttgart ein Rumpfparlament, das freilich am 18. Juni 1849 von württembergischem Militär gewaltsam aufgelöst wurde. J.l() Frankfurter Reichsverfassung Am 28. März 1849 war von der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche die Reichsverfassung verabschiedet worden. Sie war ein Kompromiss zwischen den Vorstellungen der monarchisch-konservativen und denen der liberal-demokratischen Abgeordneten. Die zuvor verkündeten »Grundrechte des deutschen Volkes« (27. Dezember 1848) wurden als Bestandteil in die Reichsverfassung aufgenommen. Mit den Grundrechten waren erstmalig in der deutschen Geschichte die Freiheitsrechte des einzelnen Bürgers formuliert und in der Verfassung verankert worden, wie sie bereits in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 und in der Menschenrechtserklärung der Französischen Revolution von 1789 ausgesprochen worden waren: Freiheit der Person, Freiheit der Meinungsäußerung, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit, Gleichheit aller Deutschen vor dem Gesetz, Freizügigkeit innerhalb des Reichsgebietes, Berufsfreiheit,; Unverletzlichkeit des Eigentums; die Todesstrafe wurde weitgehend abgeschafft, ebenso abgeschafft wurden alle Standesvorrechte. Die langwierigen Beratungen der Nationalversammlung drehten sich vor allem um die Frage der äußeren Gestalt und der Staatsform des neuen Reiches. Beide Verfassungsprobleme hingen voneinander ab. Die Frage großdeutsch oder kleindeutsch? (>7.2o), bei der es im Wesentlichen um die Einbeziehung Österreichs in 162 das neue Reich ging, wurde schließ): 1 Sinne der kleindeutschen Lösung entschi .'"■ In der Frage der Staatsform stritten sich c|;-,V" hänger des konservativen, monarchiiijs.i Flügels, die ein Erbkaisertum als oberste snľ.:'' des Reiches wollten, mit den demokr.iij,,''1'1 und radikalen Abgeordneten, denen ■ Volksregierung, eine demokratische Re-y.ii vorschwebte. Hier setzten sich die Kon«[.r ' ven mit Unterstützung der Mehrheit dor Ij',..' len Abgeordneten durch. '': Nach dem Grundsatz der Gewalten!,.]:... sollte nun die Regierungsgewalt, die Exekitf '* bei dem »Kaiser der Deutschen« liegen, /.u J.^"' in der kleindeutschen Lösung- der proiiH-.^. König Friedrich Wilhelm IV. gewähli v,-u,V. und bei den von ihm ernannten ver.intwi,» liehen Ministern. Die Legislative solliť /. Reichstag bilden, der aus zwei Kammern !■■ stand: dem Volkshaus aus den nach dem $:\ meinen und gleichen Männerwahlredit -,. wählten Abgeordneten und dem Staaicnhř: das je zur Hälfte von den Regierungen und 4-Landtagen der Einzelstaaten beschickl weri!-, sollte. 28 Einzelstaaten erkannten die Reichsvuriii. sung an, aber die Ablehnung der KaiM-ikn,:-: durch den preußischen König ließ das .ucmir: Verfassungswerk scheitern. Der erste Wr-,11;'-. ein neues geeintes Deutschland zu scha (Ten ur.i in diesem Staatswesen auch die Rechte de-. W-kes fest zu verankern, war misslungen Dir «;. beit der Paulskirchen-Parlamentarier w.ir d.r.-noch nicht vergebens. Die liberalen und -7.i3) vorgezeichnet *"..,, [),i jedoch der preußische König es ab-'••v.-e die ihm angebotene deutsche Kaiser-'11-0 .ms der Hand der Revolutionäre entge-ľ \M,inĽhin»!n, war auch diese Lösung zum l-lioiii'"1 verurteilt. Auch in der deutschen Po-■■■■i'idcr fi>K' enden Jahre wurde über die Frage „fuifelciiiM'h oder kleindeutsch?« weiterhin ".innen, Ws sie durch Bismarcks Einigungs-- -ijitik 18(1(1-7! im Sinne des kleindeutschen y-aon.1M.11ts unter preußischer Führung ent-.-.-liicden \mi rde. ' 7,21 Kommunistisches Manifest i'.dľii vei.umten Unterschichten hatte sich in ' ii.n Jihi/ilinten vor der Revolution von 1848 ►7.17) mu. h kein Klassenbewusstsein entwi- ;'.;!;, das /ur Ausbildung einer Arbeiterbewe- , :li.? (► K.S \ führen konnte. Auch in den süd- i einsehen Staaten, die eine Verfassung erhalten I :uitn. v.'.ir jede Art von Zusammenschluss in- .riiilh dei sich zum Proletariat entwickelnden . ".'ifiiT-chii-liten strikt untersagt. So entstanden :*;e pnlUi-.e.he Vereinigungen mit bewusst so- /iiliiiJMihľii Zielvorstellungen zwangsläufig Restauration und Revolution im benachbarten Ausland, in der Schweiz, in Frankreich und in Großbritannien, überall dort, wo sich politische Emigranten zusammenfanden. Einer dieser Zusammenschlüsse war der 1837 gegründete »Bund der Gerechten« in Paris, aus dem unter dem Einfluss von Karl Marx (> 8.6) und Friedrich Engels 1847 der »Bund der Kommunisten« entstand. Als politisches Programm dieses Bundes veröffentlichten Marx und Engels im Februar 1848 in London das »Manifest der Kommunistischen Partei«. Es enthielt bereits die wesentlichen Grundsätze der politischen Theorie des Marxismus. Mit seinen späteren Werken, vor allem dem »Kapital«, zielte Marx dann darauf, dem politischen Kampf der Arbeiterklasse eine umfassende wissenschaftliche Grundlage zu geben. Das Kommunistische Manifest, wie es künftig meist genannt wurde, verkündete die Lehre vom Klassenkampfcharakter der ganzen bisherigen Geschichte. Der dauernde Kampf zwischen den Besitzenden und den Besitzlosen, den Freien und Sklaven, den Unterdrückern und den Unterdrückten werde erst durch den Sieg des Proletariats über die Bourgeoisie in der kommunistischen Revolution beendet werden. Sie werde der Ausbeutung der Massen durch die kleine Schicht der Herrschenden ein Ende setzen, die Diktatur des Proletariats errichten und der Bourgeoisie die Produktionsmittel entreißen. Endziel sei eine klassenlose Gesellschaft, in der die politische Gewalt des Staates überflüssig geworden sei. Der Kampfruf »Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!«, mit dem das Manifest schloss, wies auf die internationale Zielrichtung hin. Die deutschen Proletarier wurden von Marx aufgefordert, die bevorstehende bürgerliche Revolution in Deutschland voll zu unterstützen, da sie das Vorspiel zu der kommenden proletarischen Weltrevolution sei. In der bürgerlichen Revolution 1848/49 hat das Manifest jedoch noch keine wesentliche Bedeutung gewonnen; langfristig aber übte es einen außerordentlich starken Einfluss auf die internationale Arbeiterbewegung (> 8.8) aus. Kapitel 7 Daten 8. Juni 1815 26. Sept. 1815 5. Sept. 1816 18./19. Okt. 1817 1818 18. Okt. i8i8 23. März 1819 20. Sept. 1819 8. Juli 1820 1830/31 27.-30. Mai 1832 28. Juni 1832 3. April 1833 1834 12. Juni 1834 1835-1848 7. Dez. 1835 1840-1861 1844 Febr. 1848 13. März 1848 18. März 1848 20. März 1848 31. März-3. April 1848 April 1848 April-Aug. 1848 15. Mai 1848 18. Mai 1848 19. Mai 1848 16. Juni 1848 29. Juni 1848 26. Aug. 1848 18. Sept. 1848 21.-25. Sept. 1848 6.-31. Okt. 1848 9. Nov. 1848 2. Dez. 1848 1848-1918 5. Dez. 1848 27. Dez. 1848 28. März 1849 3-/28. April 1849 April/Mai 1849 12.-16. Mai 1849 26. Mai 1849 30. Mai 1849 6.-18. Juni 1849 10. Dez. 1849 Deutsche Bundesakte Heilige Allianz Eröffnung des Bundestages in Frankfurt am Main Wartburgfest konstitionelle Verfassungen in Bayern und Baden Gründung der Deutschen Burschenschaft in Jena Ermordung Kotzebues in Mannheim Karlsbader Beschlüsse Wiener Schlussakte Unruhen im Gefolge der französischen Julirevolution Hambacher Fest Sechs Artikel (Bundesbeschluss gegen die liberale Opposition) Frankfurter Wachensturm Deutscher Zollverein Sechzig Artikel (Bundesbeschluss mit weiteren Rechtsbeschränkungen) Kaiser Ferdinandi, von Österreich Jungfernfahrt der 1. deutschen Eisenbahn (Nürnberg- Fürth) König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen Weberaufstand in Schlesien Kommunistisches Manifest Beginn der Märzrevolution in Wien (Flucht Metternichs) Beginn der Märzrevolution in Berlin Abdankung König Ludwigs I. von Bayern Vorparlament in Frankfurt am Main 1. republikanischer Aufstand in Baden (Hecker, Struve, Herwegh) 1. Deutsch-Dänischer Krieg 2. Aufstand in Wien (gesamtösterreichischer Reichstag erzwungen) Zusammentritt der Frankfurter Nationalversammlung Heinrich von Gagern Präsident der Nationalversammlung Pfingstaufstand in Prag Erzherzog Johann von Österreich Reichs verweser preußisch-dänischer Waffenstillstand von Malmö Aufstand in Frankfurt am Main 2. republikanischer Aufstand in Baden 3. Aufstand in Wien Erschießung Robert Blums Abdankung Kaiser Ferdinands I. Kaiser Franz Joseph I. Verkündung der »oktroyierten Verfassung« in Preußen Verabschiedung der Grundrechte Verabschiedung der Reichsverfassung Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. Aufstände für die Durchsetzung der Reichsverfassung (u. a. in Dresden) 3. republikanischer Aufstand in Baden Dreikönigsbündnis zwischen Preußen, Hannover und Sachsen preußisches Wahlgesetz (Dreiklassenwahlrecht) Rumpfparlament in Stuttgart Rücktritt des Reichsverwesers Erzherzog Johann :*J^^^^M 164 >aktion und Bismarckzeit (1850-1890) E|0fiJJM."Og ■ iihri' nach dem Scheitern der Revolution 18i8 winden als »Reaktionszeit« bezeich-V H h als eine Phase, die durch starres Fest-fiten an überholten politischen und gesell- hafdichen Verhältnissen geprägt ist. Tatsäch-r h schien es so, als ob das vorrevolutionäre Deutschland wieder hergestellt wäre: Die deut-che Nationalbewegung hatte mit der Erneue-„ des Deutschen Bundes unter der Führung Österreichs eine schwere Schlappe erlitten; die liberale und demokratische Bewegung war mit der Beseitigung der Frankfurter Reichsverfassung und der Verfolgung aller, die revolutionärer Umtriebe verdächtig waren, mundtot gemacht. Dennoch hatte die Revolution tiefe Spuren hinterlassen. Selbst in Preußen gab es jetzt eine Verfassung und eine Volksvertretung, wenngleich die politische Ordnung und das Dreiklassenwahlrecht keineswegs demokratischen Vorstellungen entsprachen. Als 1858 Prinz Wilhelm von Preußen die Regentschaft für seinen nicht mehr regierungsfähigen Bruder Friedrich Wilhelm IV. übernahm, erwarteten die Liberalen eine »Neue Ära«. Wilhelm berief wirklich ein liberaleres Ministerium, und der innenpolitische Druck der Verfolgungen ließ nach. Weiter gehende Hoffnungen erwiesen sich allerdings als unbegründet. Das zeigte sich in dem Verfassungskonflikt zwischen der Krone und der liberalen Mehrheit des Abgeordnetenhauses um eine Heeresreform. Im Verlauf dieser Auseinandersetzung wurde 1862 der Konservative Otto von Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten ernannt. Bismarck war in den soer-Jahren als preußischer Gesandter am Bundestag in Frankfurt am Main mit den Schwierigkeiten eines friedlichen Dualismus zwischen Preußen und Österreich vertraut geworden. Nachdem der Versuch Preußens, auf antirevolutionärem Wege eine Union deutscher Staaten unter preußischer Führung zustande zu bringen, mit der Olmützer Punktation von 1850 fehlgeschlagen war, hatte sich ein offener politischer und militärischer Gegensatz zwischen den beiden deutschen Großmächten herausgebildet. Bismarck, der ursprünglich die Partnerschaft mit Österreich aus monarchischabsolutistischer Tradition als ein selbstverständliches Erbe ansah, entwickelte sich im diplomatischen Kampf um die Gleichberechtigung Preußens in der Führung des Deutschen Bundes zum entschiedenen Verfechter des preußisch-kleindeutschen Nationalstaatsgedankens, also einer Einigung Deutschlands unter Ausschluss des Vielvölkerstaats Österreich. Der preußisch-österreichische Gegensatz geriet in Bewegung, als Österreich 1859 Krieg gegen Piemont-Sardinien und Frankreich führte. Während der französische Kaiser Napoleon III. als Vorkämpfer der nationalen Einheit Italiens auftrat, verteidigte Österreich in Oberitalien nicht nationale und damit vielfach als überlebt empfundene Interessen. Trotzdem gab es viele Befürworter einer militärischen Unterstützung Österreichs durch den Deutschen Bund. Aber obwohl das österreichische Heer bei Magenta und Solferino (4. und 24. Juni 1859) blutige Niederlagen erlitt, kam es nicht zu einer positiven Entscheidung, vor allem weil Preußen aus Sorge vor einer gesamteuropäischen Ausweitung des Krieges zögerte. Für die italienischen Staaten bildete der Krieg den Auftakt zur Entstehung des Königreichs Italien. Dieser Erfolg gab auch der deutschen Nationalbewegung Auftrieb. In Österreich führte die Niederlage zu einer verfassungsmäßigen Neuordnung: Das zentralistische und in- 165 b»v-> '^^^^^m Kapitel 8 nenpolitisch reaktionäre »Silvesterpatent« von 1851 wurde schrittweise durch eine liberalere Verfassung abgelöst, die auch den nichtdeutschen Nationalitäten Mitspracherechte einräumte. Nach der Niederlage Österreichs gegen Preußen kam es 1867 zur staatsrechtlichen Umwandlung der Habsburgermonarchie, die dann bis 1918/19 Österreich-Ungarn hieß. In Preußen gab der Krieg von 1859 Anstoß zu den Heeresreformplänen, die zum Verfassungskonflikt und zum Ende der »Neuen Ära« führten. Bismarck rückte seit seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten ganz in das Zentrum der preußischen wie der deutschen Politik, sodass man die von ihm geprägte Epoche als »Bis-marckzeit« bezeichnet. Wenn es auch immer etwas fragwürdig ist, einen bestimmten Zeitabschnitt nach einer einzelnen geschichtlichen Persönlichkeit zu benennen, so erscheint dies im Falle Bismarcks doch als gerechtfertigt: Er gilt nicht nur mit Recht als der eigentliche Gründer des Deutschen Reiches, dessen Verfassung mit der starken Stellung des Reichskanzlers ganz auf ihn zugeschnitten war, sondern er übte auch auf die Entwicklung der Kräfte und Strömungen seiner Zeit, denen er innerlich völlig fern stand, beträchtlichen Einfluss aus. So bediente er sich geschickt der Unterstützung des rechten Flügels der Liberalen, der sich 1867 in der Nationalliberalen Partei zusammenschloss, bei der Einigung Deutschlands »von oben«, d. h. durch die Machtmittel des preußischen Staates, wobei das eigentliche liberale Ziel, der freiheitliche Rechtsstaat, zumindest teilweise in den Hintergrund trat. Das deutsche Kaiserreich entstand durch drei Kriege unter preußischer Führung: 1864- noch gemeinsam mit Österreich - gegen Dänemark um Schleswig-Holstein, 1866 gegen Österreich - woraufhin als Vorläufer des Deutschen Reiches der Norddeutsche Bund gegründet wurde - und 1870/71 gegen Frankreich. Als entscheidender Akt der Reichsgründung galt die Proklamation Wilhelms I. von Preußen zum Deutschen Kaiser am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses. Nicht nur die führende Rolle Preußens bei der Reichsgründung und die Verklammerung von preußischer und deutscher Regierungsspitze, sondern auch das gebiets- und bevölkerungsmäßige Übergewicht Preußens machten dieses zum tonangebenden Bundesmitglied. Man hat- vor allem im Hinblick auf die zunehmende Verbreitung der auffallendsten preußischen Tradition ' Überbewertung militärischer Tugenden' C': = im zivilen Bereich - von einer »Verprtiw/"'" Deutschlands gesprochen. Anderen-' - ' nicht zu verkennen, dass die Herrscruri n ' ßens über das Reich sein allmähliche-, \ Í'"' hen im Reich einleitete. ?■ War das Deutsche Reich auch ein Bund s räner Fürsten, kein Zusammenschluss des \ ' sehen Volkes, so wurde die Reichsgrtin,i..' doch von der überwältigenden Mentha ■ = Deutschen begrüßt. Die nationale Begebt,..., ließ nur allzu leicht vergessen, dass die \\C\' ' zusammenballung in der Mitte Europis > Nachbarstaaten als Gefahr für das Mlci," gleichgewicht erscheinen musste. Bisni.irclt«!. sich dieser Tatsache stets bewusst, und er v ľ suchte daher, durch eine betont maßvolle \-ßenpolitik und ein kunstvolles Bündnk-.u'ti das auf Revanche bedachte Frankreich zu U0\ľ ren und die europäischen InteressengeyenV«,, nach außen, besonders in die koloniale Kiv.i|'t= ' abzuleiten. Dem von der Öffentlichkeit a',,.. derten Erwerb deutscher Kolonien st.inn ■■ lange ablehnend gegenüber. Als ihm keine cj. dere Wahl blieb, versuchte er die Ei richtur.-deutscher »Schutzgebiete« durch eine V1.7-t.ir.'. digung mit Großbritannien abzusichei 11. In der Innenpolitik führte Bismarck wehr., weniger souverän und erfolgreich Ri't;ie. Vc:-mutete er zuerstin der neu entstandenen k iti-/.. ' lischen Zentrumspartei den Hauptgcyncr iL : preußisch-protestantischen Kaiserreii iis, (.-.: '■ er durch den »Kulturkampf« in die Knie zwingen wollte, so war später die Sozialdemokrat:., mit ihren internationalen Verflechtungen d:: »Reichsfeind«, den er mit dem Sozialist engev..' (1878) bekämpfte. In beiden Fällen ist lÜMinrc's gescheitert; Zentrum und sozialdemokrati-,;!:-: Partei wurden zu tragenden Elementen iL: i deutschen Politik. Angesichts der so/i.ili-tiii » feindlichen Politik konnte es auch der woiikt ! als vorbildlich gerühmten Sozialgesetzgebung : der 8oer-Jahre nicht gelingen, die Atheitci- . schaft für den Bismarckstaat zu gewinnen. i o.l Dreiklassenwahlre« !*t : in Preußen : Nach dem Scheitern des ersten gesíimtdeu:- f sehen Parlaments in Frankfurt am M.n'11 "1! ; Frühjahr 1849 setzte sich in den iiiek™ 'tynMMKBa 166 Staaten die Reaktion durch. Viele der Jrl'i""lll-rn.>en der Märzrevolution errungenen .de" Wn den Landtagen wieder ver- lit--1 '-'""' „ M1 hatte König Friedrich Wilhelm IV. :,i "tf" "t ,it der preußischen verfassunggehen-á,eT^onalversammlung (22.5. bis 5.12.1848), lct>^\er gehende Forderungen (u.a. Periodi-'ie *jl,lt Sitzungen, Steuerbewilligungsrecht) "!J1- .Frinkfurter Nationalversammlung erho-'^ľ. U' rigoros mithilfe des Militärs beendet. tL-n n ,],ernber 1848 erließ er ohne parlamen-Afl \c Mitwirkung eine Verfassung, die - da "''"ob-'"» aufgezwungen - als »oktroyierte« ■)"! u'm, bezeichnet wurde. Diese noch rela-'■'"Vr-ci iIľ Verfassung wurde schon im Mai "!', 'iniT konservativen Revision unterzogen. n« nw Wahlgesetz vom 30. Mai 1849 legte J .. w'.ihlen zur zweiten Kammer, die sich •'■' den gewählten Volksvertretern zusammen-''? w wahrend die erste Kammer, das Herrenlos Jen Prinzen der königlichen Familie und '■m Adel vorbehalten blieb, ein Dreiklassen-ttihlrucln fest. o,(h diesem Wahlrecht wurde die Bevölke-'■we 11.11h ihrer Steuerleistung in drei Klassen »ni'utoill- fe(le dieser drei Steuerklassen hatte ■i:; gleiche Anzahl von Wahlmännern zu wäh-!.-n dir dann die Abgeordneten wählten. In der , k] isst- der am höchsten Besteuerten waren íi:ŕ Unternehmer und Fabrikherren, sie hatten ityj mir 4,7% Anteil an der Gesamtbevölke-rU;ife, die .'. Klasse hatte 12,6 %, während in der -, Üiw. in der 82,6 % der Bevölkerung stimm-tt;i, .nich nicht mehr Wahlmänner aufgestellt Anden konnten als in jeder der beiden anderen K'i-m*ii: ľjo8 stimmten in der 1. Klasse 4%, in ir 2. Kl.i-.se 14% und in der 3. Klasse 82%, die ungleiche Verteilung der Stimmen hatte sich '!-i> nicht geändert. Dieses Wahlrecht ent-.prach den Vorstellungen des mit der Industria-!::!t-rung lasch zu Ansehen und wirtschaftli-chiT M.iJvt aufgestiegenen Großbürgertums, ■L-r 'Rnui>;eoisie«. Viele dieser Bürger, die an-Finglicli den Ereignissen der Revolution im Iruhj.ihr und Sommer 1848 durchaus positiv .iijeiiulvi gestanden hatten, waren jetzt aus iuľclii vi« den sozialen Konsequenzen der Re-'■uiuiiim und der Parlamentarisierung eher beto!:, die Maßnahmen des Königs zur Wieder-rvMel!i:iu> der Ruhe und Ordnung im Lande '.i.ik/v;itieren. Das Wahlgesetz von 1849 war flľrciiiii-iibis 1918 gültig. Reaktion und Bismarckzeit ..... 8,2 Liberales Musterbild Baden Im Gegensatz zu Preußen und Österreich und , den meisten Mittel- und Kleinstaaten, in denen nach dem Scheitern der Revolution und der Frankfurter Nationalversammlung (►^lS) nahezu alle liberalen Errungenschaften in der Zeit der Reaktion wieder zurückgenommen wurden, bemühte sich das Königreich Bayern zunächst mit Erfolg, die liberale Reformpolitik fortzusetzen; auch das Großherzogtum Baden vermochte einen gemäßigten liberal-konservativen Kurs aufrechtzuerhalten. Bereits mit seiner Verfassung von 1818, die beiden Kammern weit gehende Rechte eingeräumt hatte, und mit einem für diese Zeit fortschrittlichen Wahlgesetz, einem Dreiklassenwahlrecht, war Baden für die liberale Bewegung zu einem Vorbild geworden. Das im März 1832 erlassene Pressgesetz hob sogar die Zensur für öffentliche Erörterung innenpolitischer Fragen gegen geltendes Bundesrecht auf; es galt aber nur bis Juli 1832. Damit war nun jedoch der Weg geebnet für die Ausbildung des demokratischen Radikalismus, der sich vor und während der Revolutionsjahre 1848/49 gerade in Baden durch wiederholte Aufstände bemerkbar machte und im Sommer 1849 erst durch den Einsatz preußischer Truppen endgültig niedergeschlagen werden konnte. Diese »Auswüchse« der Revolution führten jedoch nicht zu einer nun besonders verhärteten Reaktionspolitik der Regierung in Baden. Vielmehr wurde der liberal-konservative Regierungskurs bald wieder aufgenommen. Friedrich I., Regent des Landes seit 1852 und Großherzog seit 1856, wurde zum Garanten für eine liberale Politik, die mit Reformen in Staat und Gesellschaft das Land Baden zum »liberalen Musterland« werden ließen. Verantwortlich für diese Politik war Friedrichs politischer Berater und späterer Außenminister Franz von Roggenbach, eine der stärksten Persönlichkeiten der Zeit und entschlossener Gegner der bis-marekschen Innenpolitik. - Friedrich war der Kopf der liberalen Fürstengruppe, zu der auch sein Schwager, der preußische Kronprinz, gehörte. Er befürwortete die kleindeutsche Lösung unter preußischer Führung und spielte in den Verhandlungen vor der Reichsgründung 167 44 i^é p»- Kapitel 8 (►8.22) eine wichtige vermittelnde Rolle. Baden blieb der einmalige und einzigartige Fall einer beständigen Zusammenarbeit zwischen Monarchie und Liberalismus. 3.3 Preußisch-Öster- reichischer Dualismus Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. hatte die ihm von einer Delegation der Frankfurter Nationalversammlung (ŕ-7.18) angebotene Kaiserkrone zurückgewiesen und damit das Scheitern des Paulskirchen-Parlamentes eingeleitet. Jetzt versuchte er selbst, in Absprache mit anderen Monarchen, einen kleindeutschen Bundesstaat unter preußischer Führung aufzubauen und diese »Union« in einem erweiterten Bund mit dem Kaiserstaat Österreich zusammenzuschließen. Da jedoch Österreich sich seinen Plänen widersetzte und Russland Einspruch erhob, musste er in die Wiederher- \ ^ S ■WQi&rjj£9 ^ . Der preußisch-österreichische Dualismus, der die deutsche Geschichte seit Mitte des 18. Jh. mitbestimmt hatte, endete schließlich mit der Vorherrschaft Preußens in Deutschland, die Pickelhaube wurde zum Symbol seiner Dominanz. Das Bild zeigt den zur Kürassieruniform Bismarclcs gehörenden Helm (Berlin, Deutsches Historisches Museum) iv<">t. 85O j" 1 Stellung des Deutschen Bundes (ť-yA ,. ! einwilligen und sich noch dazu damit akf" "':-' dass Österreich, wie bisher, den allpin: ""■■' sitz innehatte. ° ''•:■■ In Preußen wurde diese Abmachung mutz, die Olmützer Punktation i» schwere diplomatische Niederlage eini/i'' • Fortan kam es im Deutschen Bund zu ein hen Rivalitätskampf zwischen den beiden ■'*' sehen Großmächten, bei dem Preußen i ""* wieder seine durch die schnelle Indiisirii'.'4"' rung rasch wachsende wirtschaftliche M-'j' die noch durch den unter seiner Regit st,.i~ r den Deutschen Zollverein (^7.13) untorstrii,' wurde, auszuspielen wusste. Neben diesen beiden Mächten gab Ci , »Dritte Deutschland«, die Mittel- um! Kt-staaten und die vier freien Reichsstädte mit, sammen 17,5 Millionen deutscher Bün^r (lv" ßen hatte 17 Millionen Einwohner, Čku-trp-i Ungarn 39 Millionen). Dieses »Dritte Deutschland« bemühU' mJi ■.. Deutschen Bund als eigenständige Knfi, jV... »reine« Deutschland aufzutreten und ,c|j,.l. ständige Politik zu machen. Aus Furcht vu, =. nem Überhandnehmen der preußischen Mi', tärmacht neigte diese Staatengruppe ii:»',ir ; einer Zusammenarbeit mit Österreich, nridire. seits forderten ihre wirtschaftlichen lmerc>»-und die Attraktivität der wirtschaftlichen Vc:-bindungen zur preußischen Industrie ei:\-s. meinsame Politik mit Preußen. Zunehmend zeigte sich, dass im DrM-Jr Bund der Gestaltungsraum für zwei sich ^0 r ■ terschiedlich entwickelnde Großmächteyuc, war, zumal der preußische Gesandte .11:1 Bundestag, Otto von Bismarck (i* 8.n), enwhirdK für die volle Gleichberechtigung Prei 1 Neils nr dem Kaiserstaat eintrat. Nachdem ei pnu:»- ' scher Ministerpräsident geworden w .ir fiW; ' betrieb er ganz gezielt eine Politik, die /wing* » läufig diesen unbefriedigenden Zusi.ind i!.- ■ Dualismus über kurz oder lang hound-.: musste. Dabei schloss er auch eine I iiIm.Ii-.-.-dung auf dem Schlachtfeld nicht aus. Hei Kneif grätz 1866 (Deutscher Krieg, ►S.i^ fiel dir--diese Entscheidung zugunsten Preußi'iis. 0..4 Industrielle Revolt«•'ion Mit dem Begriff »industrielle Revolution- wi:: ř ein Entwicklungsvorgang beschrieben, der irden bahnbrechenden Erfindungen dei P.imr;- i**'';1' A. 0? § , chine der Spinnmaschine und des mecha-Üüicn Webstuhls in England gegen Ende des ľš'ljhrhunderts begann, in Deutschland in der !".,c(i Hälfte des 19. Jahrhunderts seine ersten ',yswj,klingen zeigte und ab 1850 bis zum Ende j„- ijhrhunderts in immer schnellerem Tempo 11 einer totalen Veränderung in nahezu allen 1 -bensbereichen fiihrte. Die industrielle Revo-ijúun vollzog die Umwandlung der bisherigen Vurgi'iellschafl m die Industriegesellschaft Uiisrier Zeit. \'i;r Fünftel der deutschen Bevölkerung hatten ■weh iHjo in der Landwirtschaft ihren Lebensunterhalt gefunden. Fünfzig Jahre später war es :.iir noih knapp die Hälfte der Bevölkerung, [jlnikcn entstanden, Massenfabrikation er-.(iz'.e die frühere handwerkliche Einzelanferti-t:ing. In (Gebieten, die über gute Rohstoffvor-ijie verfügten, entwickelten sich Großbe-irii-bj, die die Massen der arbeitslos gewordene llnulwerksgesellen, der verarmten und ksityldsen Kleinbauernsöhne anzogen. Aus sin/igen Dörfern im Bereich der entstehenden I1brik.1nl.1gen wuchsen in wenigen Jahren Ar-f-vilerstädte empor, Industriereviere entstanden Ücr rische Ausbau eines Eisenbahnnetzes und J:ľ beginnende Dampfschifffahrt revolutionierten zugleich das Verkehrswesen. Jetzt erst wurde ein lohnender, umfangreicher Güter-::insptiri möglich. Der Eisenbahnbau führte iiiitdeni schnellen Ausbau der Bahnverbindun-SP zu einem stürmischen Anstieg der Eisen-':r-:l Stahlindustrie, entsprechend entwickelte !';b der Bergbau. Deutsche Großfirmen wie Krupp, Klöckner, Mannesmann im Ruhrgebiet, Reaktion und Bismarckzeit *4 Im Verlauf der industriellen Revolution entstanden ab etwa 1830 auch in Deutschland Produktionsbetriebe in bis dahin unbekannter Größe. Das Gemälde aus dem Jahr 1847 zeigt die von August Borsig gegründete Maschinenfabrik mit Eisengießerei vor dem Oranienburger Tor in Berlin (Berlin, Verkehrsmuseum) Borsig in Berlin errangen Weltruf. Zur Finanzierung industrieller Vorhaben, die die Möglichkeiten einzelner Unternehmer weit überstiegen, entstanden Kapitalgesellschaften, meist in der Form von Aktiengesellschaften; Großbanken wurden gegründet. Das Ruhrgebiet entwickelte sich zu einem der größten Industrieräume in Europa. Durch Erfindungen, vor allem auf dem Gebiet der Chemie, modernisierte sich auch die Landwirtschaft. Die neuen Erkenntnisse der »Agrikulturchemie« schufen mit der künstlichen Düngung wesentlich höhere Ernteerträge, sodass die Ernährung der rapide wachsenden Bevölkerung sichergestellt werden konnte. Auch die in den Anfangen der Industrialisierung und der damit verbundenen Umschichtung der Bevölkerung aufgetretene Massenarbeitslosigkeit und Massenverarmung wurde j etzt überwunden. 0.5 Die soziale Frage 169 ^^^^m ň •: .1 ,-:«■■ *■— Mit den durch die rasche Industrialisierung verursachten gesellschaftlichen Veränderungen, die ganze Bevölkerungsschichten aus ihren jahrhundertealten Lebenskreisen und -bindungen herausrissen, entwurzelten und in Not und Armut stürzten, entstand auch die soziale Frage. Sie stellte die Diskrepanz zwischen wirtschaftlichem Aufschwung einerseits und den krassen sozialen Missständen andererseits fest und führte zu Überlegungen und Initiativen, wie den Missständen am wirkungsvollsten und schnellsten begegnet werden könnte. In der Phase der beginnenden Industrialisierung waren durch den gleichzeitigen Rückgang 8 ft-'- fs-jf Kapitel 8 des Handwerks Tausende von Handwerksgesellen arbeitslos geworden. Sie strömten in die Fabriken und Industriestädte ebenso wie die besitzlosen Landarbeiter und verarmten Kleinbauern, mit denen zusammen sie das Industrieproletariat bildeten. Ein Teufelskreis war entstanden durch Bevölkerungsexplosion und Landflucht, die das Arbeitskräfteangebot vermehrten, was wiederum die Löhne drückte und zur Ausnutzung der billigeren Frauen- und Kinderarbeit führte. Nur die Tätigkeit mehrerer Personen konnte einer Familie das Existenzminimum sichern. Hinzu kam für die junge deutsche Industrie der ausländische, v.a. britische Konkurrenzdruck, dessen sich die Industriellen durch rigorosen Lohndruck zu erwehren suchten. Die Arbeitszeiten lagen zwischen 12 und 14 Stunden, oft noch darüber. Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz waren völlig ungenügend, die Unfallhäufigkeit war groß. Die Folge dieser Verhältnisse waren Armut, fehlende Ausbildung, psychische und physische Schäden der Arbeiter aufgrund der mangelhaften Arbeits- und Wohnverhältnisse; die aus dem Boden schießenden, kasernenartigen Arbeiterwohnunterkünfte waren äußerst dürftig, ja menschenunwürdig. Der Tod des Ernährers, Krankheit, Arbeitsunfähigkeit durch Unfall, kurzfristige Kündigung, Arbeitslosigkeit bei konjunkturellen Schwankungen waren Ereignisse, die die Existenz ganzer Familien bedrohten. Hinzu kamen der Verlust der sozialen Bindungen und die Umstellung auf die kapitalistische Produktionsweise. Versuche, diesen unhaltbaren Zuständen wirkungsvoll zu begegnen, kamen zuerst von einzelnen Persönlichkeiten, vor allem aus den Kirchen. Es kam zur Bildung kirchlicher Organisa- tionen und Hilfswerke. Nach und nach auch das Verbot der Kinderarbeit durcho ' Auch einzelne Unternehmer suchten in D ' chalischer Manier die Probleme zu 1ös. hatten den Wunsch, in ihren Werken ein»' ten Stamm von Arbeitern zu beschäftige,, strebten eine Art Treueverhältnis an ti' ^6 Stützungskassen bei Krankheit und Invalid wurden eingerichtet, hier und da entstsi, Werkswohnungen, Konsumanstalten Kantinen. Allmählich erwachten auch in der Arbef schaft Kräfte und Initiativen, diesen Zustan zu begegnen. Handwerkerbünde und Arbeii vereine wurden gegründet, um zunächst im«a gionalen Bereich Verbesserungen der LebeJI und Arbeitsverhältnisse zu erzielen. Sie sindd^l Anfänge der Arbeiterbewegung. 8.6 Karl Marx Geboren am 5. Mai 1818 in Trier als Sohn ein« von Rabbinern abstammenden jüdischen Fi. milie, die 1824 zum Protestantismus übertrat studierte Marx 1835 in Bonn und ab 1836 in Bei' lin Jura, Philosophie und Geschichte und pro. movierte 1841 an der Universität Jena. Nach vergeblichen Bemühungen, in die Hochschul, laufbahn übernommen zu werden, war er aj der »Rheinischen Zeitung« in Köln tätig musste aber bereits im März 1843 wegen seiner kritischen Artikel zur politischen und sozialen Situation ausscheiden. Die Zeitung wurde verboten. Im Juni 1843 emigrierte er nach Paris. Hier begann seine lebenslange Freundschaft und Zusammenarbeit mit dem Fabrikantensohn Friedrich Engels. Aus Paris auf Betreiben der preußi- m :.•£££&*&??& 170 mmmm ťíÄwWWSŕ* 4 Fast immenschliche Arbeits- und Lebensbedingungen kennzeichneten besonders die frühe Phase der Industrialisierung im 19.JI1 Der Holzstich von 1844 zeigt Kinderarbeit in einem englischen Bergwerk Kurl Marx. Koloriertes Foto um 1880 sehen Regierung 1845 ausgewiesen, zog Marx nach Brüssel. Hier verfasste er zusammen mit Eneels im Auftrag des Londoner Bundes der Kommunisten das im Februar 1848 veröffentlichte Kommunistische Manifest (*- 7.21). Wahrend der Revolutionsjahre 1848/49 nach Köln zurückgekehrt, gab er dort die »Neue Rheinische Zeitung« heraus, die dem linken Flügel der Demokraten nahe stand und in der er eine einheitliche deutsche Republik und den geraeinsamen Kampf der deutschen Staaten gegen das reaktionäre Russland forderte. Nach dem Scheitern der Revolution ging Marx im August 1849 nach London ins Exil. Hier widmete er sich seinem Hauptanliegen, einer kritischen Darstellung des Kapitalismus und der kapitalistischen Produktionsweise. Kern seines wissenschaftlichen Hauptwerkes ist die 1859 veröffentlichte »Kritik der politischen Ökonomie« (1867 nochmals im ersten Band des •Kapitals« vorgelegt), in der er die Produktionsverhältnisse einer Gesellschaft in ihren Wirkungen auf die allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnisse genauer zu analysieren versucht. Mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen wurde Marx zusammen mit Engels einer der Führer der neuen Bewegung des Sozialismus. An der am 28. September 1864 in London gegründeten Internationalen Arbeiterassoziation, Reaktion und Bismarckzeit der Ersten Internationale, war Marx maßgeblich beteiligt. Mit der nach 1871 sich rasch entwickelnden deutschen Arbeiterbewegung (>8.8) stand Marx über persönliche und briefliche Kontakte in Verbindung; die Entwicklung der ersten deutschen Arbeiterpartei zur Sozialdemokratie .und ihr Gothaer Programm von 1875 kritisierte er durch seine »Randglossen« zum Gothaer Programm. Marx gab mit seinen theoretischen Arbeiten der Sozialismusbewegung eine wissenschaftliche Grundlage, die in unterschiedlicher Auslegung von den überall entstehenden sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien als ideologisches Fundament übernommen wurde. Marx starb am 14. März 1883 in London; der größere Teil seines Hauptwerkes »Das Kapital« wurde von Friedrich Engels erst nach seinem Tod veröffentlicht. O.J Sozialismus Die Lehre des Sozialismus verbreitete sich vor allem seit Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Durchsetzung der industriellen Produktionsweise, dem sich mit ihr entfaltenden kapitalistischen Wirtschaftssystem und der sich immer dringlicher stellenden sozialen Frage (ŕ-8.5). Bereits vor dem Entstehen der industriellen Gesellschaft gab es dem Sozialismus vergleichbare oder ihn vorbereitende Lehren, so vor allem im Frankreich des 18. Jahrhunderts, wo Kritik am Privateigentum geübt und u. a. durch Noěl Babeuf Gesellschaftsutopien entwickelt worden waren, die durchaus als Vorläufer sozialistischer und kommunistischer Ordnungsvorstellungen anzusehen sind. Die Kritik des Sozialismus an den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen bezieht sich nicht auf die Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft, sondern orientiert sich an den Interessen der Bevölkerungsschichten, die an der Herrschaftsausübung nicht teilhaben oder dieser Gesellschaft entfremdet sind. Der Sozialismus klagt deshalb die jeweils bestehende Ordnung an, die Armut, Unrecht, Abhängigkeit und Unterdrückung zulässt, entwickelt als Gegenmodell die Utopie einer besseren Ordnung nach dem Prinzip der sozialen Gleichheit und Gerechtigkeit und der Möglichkeit, die materiellen Bedürfhisse aller zu befriedigen, um dann den Versuch zu unternehmen, die kritisierte Ordnung-wenn nötig mit Gewalt-zu stürzen. 171 Reaktion und Bismarckzeit In dem von Karl Marx (>8.6) entwickelten proletarischen Sozialismus war der Arbeiterklasse die führende Rolle im Kampf um die Verwirklichung des Sozialismus, mit dem eines Tages die klassenlose Gesellschaft erreicht werden sollte, zugewiesen worden. In der bürgerlichen Revolution von 1848/49 in Deutschland spielten sozialistische Forderungen und Ideen -ganz im Gegensatz zu Frankreich - noch keine wesentliche Rolle. Erst in der letzten Phase, als die Frankfurter Nationalversammlung (► 7.18) bereits gescheitert war, verstärkten sich in den verschiedenen Aufstandsversuchen sozialistische Tendenzen. Der Sozialismus war von Anfang an international. Die soziale Gleichheit aller Menschen und aller Klassen über alle Grenzen hinweg, alle Völker und Rassen einschließend, wurde eine Grundforderung des Sozialismus, wie sie Marx und Engels schon im Kommunistischen Manifest von 1848 mit dem Aufruf zur Vereinigung der Proletarier aller Länder formuliert hatten. 0,0 Arbeiterbewegung Die katastrophale Lage, in die große Teile der Bevölkerung in Deutschland durch den mit der Industrialisierung ausgelösten Umschich- k Im Mai 1863 wurde in Leipzig auf Veranlassung Ferdinand Lassalles der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein gegründet, seine Fahne wurde zum Banner der Sozialdemokratie (Fahne der Breslauer Lassallěaner; Bonn, Friedrich-Ebert-Stiftung) tungsprozess in der ersten Hälfte de., hunderts geraten waren, führte zu er.' 'iv sammenschlüssen der besonders HK, "JV-der lohnabhängigen Arbeiter, mit dum 7^' völlig unzureichenden sozialen, v.-i!K'.'"''■ chen und politischen Verhältnisse zu v. ■"* und zu verbessern. Die Hungern-v ]!"' schlesischen Weber 1844, der so geiunn'!..: beraufstand, hatte gezeigt, dass die \\u'!j'/ ten, ausgebeuteten und am Rande dos \.^' minimums dahinvegetierenden \\„,' V'' nicht mehr bereit waren, ihre Situatim, ji!'.""" gewollt hinzunehmen. Da die standic^,*'.' hörden hinter der Revolte revolution'ire i!','5' bungen vermuteten und die Ordnum.'«.''!" sahen, wurde der Aufstand vom preuß-.-Militär blutig niedergeschlagen. Zur vry1 gung gegen ähnliche Ereignisse Vorboten V Polizeibehörden jede Zusammenkunft ,". Vereinsbildung unter den Arbeitern, <.„,'..' standen die ersten deutschen Arbeil orun..,-, tionen von Exilgruppen im westlichen Au«!., her: in der Schweiz, in Paris und London. r>" ■■ dieser Bünde war der Bund der Kommuni."" mit Sitz in London, für den Karl Mui.\ (>j,, und Friedrich Engels das KommunNi in-lic »t nifest verfasst hatten. Nach dem Sc hein.rn i-Revolution 1848/49 wurden in der Ro.ikr-V. zeit alle in Deutschland vereinzelt onuir nen Zusammenschlüsse örtliche! AriVi,-gruppen sofort wieder aufgelöst, vi "-liii.-i-.il.-. Exilgruppen im westlichen Ausland weite:;-beiten konnten. In Deutschland kam es daher erst Anl.intJ.-i86oer-Jahre zur Entstehung politisi luv Ar!-., terorganisationen. 1863 gründete leidir;-;: Lassalle in Leipzig den »Allgemeinen De: sehen Arbeiterverein«, gleichzeitig eiiKl.iinl.-:.: liberal-demokratische »Vereinstag I VuK'h.-Arbeitervereine«, aus dem 1869 in Ei-.cn ichi-. ter Führung August Bebeis (►8.29) und Wi heim Liebknechts die »Sozialdemnki.uk!. Arbeiterpartei« hervorging. Beide Oig.inkt! nen lehnten den gewaltsamen Kla^enkn:;,' ab. Lassalle forderte das allgemeine und gloi.:.-Wahlrecht und erhoffte sich davon die In:: gration der Arbeiter in den Staat und die Bf-. tigung der Klassengegensätze. La-.-ilk'. '■•' auch, jedoch ohne greifbares Ergebniv mini, preußischen Ministerpräsidenten Otl" 1011H-marck (►S.n) verhandelt hatte, -i.irl« !-. reits 1864. Das Programm der Eisenai bei I'"-.; sich im Wesentlichen auf die Grunil~.il/k- ii' ■ und Engels mitgegründeten Internals ^''. r(,eiterassoziation (Erste Internatio- ""'' ■ o7c schlossen sich beide Vereinigungen 'n--^3' zur »Sozialistischen Arbeiterpartei ■ G.Cftlll\nds« (SAPD) zusammen (► 8.28). \t 8 entwickelte sich aus zahlreichen ein- /ilne .'.srhaftsbewegung. Sie spaltete sich ;&■** .11 in eine marxistisch beeinflusste sozia- *fl1 rpwerkvereinen heraus die deutsche --Ine"1 ucvv . „. .. . . , j '■'inV, Richtung und eine politisch unabhän-';;IiSRctt'egung, die Hirsch-Dunckerschen Ge-f5, ..rcine. Daneben entstanden konfessio-*.n cepwgte Arbeitervereine. tjn i'olltlscheParteien/ Deutsche 1 'oři schrittspartei ■ den Revolutionsjahren 1848/49 hatten sich .„dm politischen Gruppierungen der Konser-litivcn, der Liberalen, der Demokraten jene ■'■'nfte herausgebildet, aus denen sich allmäh-■.-■. die ersten politischen Parteien entwickel-na Hin/u kamen noch die sich vorwiegend n, norddeutschen Raum und in der sich an-rohi-.t-ndon preußisch-protestantischen Reichs-b:!duny ds eigenständige politische Kraft .immriniien Katholiken und - im Zusammenhing mit der entstehenden Arbeiterbewegung >8.R)- die Sozialisten. VoriioriT der bürgerlichen Revolution von :3.(8/4') waren in erster Linie die Liberalen. In Jen J-ihrei i der Reaktion von 1849 bis etwa 1858 iunden deshalb die Konservativen im Vorderhand de-- politischen Geschehens. a Proul-Ien unterstützte innerhalb der Konser--.ltiven Partei eine hochkonservativ-reaktio-:;.iro Gruppe, die bald nach ihrer das Eiserne Kreuz .iK Emblem im Titelblatt tragenden Zei-sung-Kreuzzeitungspartei« genanntwurde, die reaktionäre Regierungspolitik. Diese Gruppie-rung vei 1 rat vor allem die Interessen der ost-eibikf hi-ii Großagrarier. Sie lehnte jede Bindung -li-> St.1.11 es an eine Verfassung ab, hielt an einer ::.ni(!eoidnung und der religiös begründeten Verbindung von Thron und Altar fest und sah idhit in einer nationalen Bewegung zur Eini-t'ing Deutschlands eine die gottgewollte Ord-■"■mg /ei -.törende Strömung. 1851 spaltete sich ■"n der konservativen Partei ein liberal-kon-'-■rvaiivti Flügel ab, der nach seinem Presse- organ »Preußisches Wochenblatt zur Besprechung politischer Tagesfragen« den Namen »Wochenblattpartei« annahm. Seine Vertreter hielten an der Verfassung von 1850 fest, erstrebten die Einigung Deutschlands unter preußischer Führung und bekämpften die reaktionäre Politik der ultrakonservativen Regierung. Die Partei stützte sich nicht nur auf Anhänger in der Unternehmerschaft der preußischen Westprovinzen, sondern verfügte auch über Verbindungen zum Bruder des Königs, Prinz Wilhelm. Trotz dieser Beziehungen blieb die Wochenblattpartei relativ einflusslos, als der Prinz 1858 zunächst als Regent, ab 1861 als König die Leitung des Staates übernahm. Einige ihrer Führer wurden zwar in die neue liberalere Regierung der »Neuen Ära« berufen, doch existierte die Wochenblattpartei 1858 faktisch nicht mehr. 1859 gründeten Liberale und gemäßigte Demokraten den Deutschen Nationalverein mit dem Ziel, den 1849 mit der Reichsverfassung begonnenen Weg wieder aufzunehmen und einen deutschen Bundesstaat unter preußischer Führung zu schaffen. Zwei Jahre später - am 6. Juni 1861 - gründeten viele der im Nationalverein aktiven Führungspersönlichkeiten die Deutsche Fortschrittspartei. Es war die erste Parteigründung der deutschen Geschichte mit gleichzeitig verkündetem, fest umrissenem Parteiprogramm. Ihre Arbeit war von Anfang an auf ganz Deutschland bezogen. Die Einigung Deutschlands unter preußischer Führung, Verwirklichung des Verfassungsstaates sowie die volle Verantwortlichkeit der Minister und konsequente Trennung von Kirche und Staat waren ihre Hauptziele. Einen durchorganisierten Parteiapparat nach modernem Muster besaß die junge Partei noch nicht, sie war eine Honoratiorenpartei, ihre Führer kamen aus dem kaufmännischen und industriellen Unternehmertum, dem Bildungsbürgertum und dem Kreis liberaler Großgrundbesitzer. 1862 errang die Deutsche Fortschrittspartei im preußischen Abgeordnetenhaus mit 104 Mandaten die Mehrheit der Sitze, während gleichzeitig die Konservativen erhebliche Verluste hinnehmen mussten. Sie geriet in dem sich zum Verfassungskonflikt (► 8.10) ausweitenden Streit um die vom König geforderte Budgetbewilligung für die Heeresreform in scharfen Gegensatz zu ihm und zu seinem neuen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck (ŕ- 8.11), der das 172 173 94 4 S~\ Kapitel 8 Parlament ausschaltete und die Heeresreform trotz fehlendem Haushaltsgesetz durchsetzte. o.lO Verfassungskonflikt in Preußen Um Schwächen in der Heeresverfassung auszugleichen, planten der preußische König Wilhelm I. und sein Militärkabinett eine umfassende Heeresreform. Sie sah die Erweiterung der Heeresfriedensstärke sowie die Erhöhung der jährlichen Rekrutenzahl jeweils um ein Drittel vor. Das Abgeordnetenhaus, in dem die Liberalen über eine Mehrheit von fast zwei Drittel der Stimmen verfügten, forderte im Gegenzug, die dreijährige Dienstzeit in eine zwei- A Als neuer Ministerpräsident versuchte Bismarck, die Macht der preußischen Monarchie gegen den aufkommenden Parlamentarismus zu behaupten. Die »Frankfurter Laterne« vom 30. September 1863 karikiert seine Haltung zu den brisanten innenpolitischen Fragen als wortwörtlichen Eiertanz jährige zurückzuverwandeln und auf die in der Heeresreform vorgesehene Zurückdrängung der Landwehr aus dem Heer zu verzichten und vor allem das parlamentarische Budgetrecht zu verstärken. Der König empfand die Forderungen des Parlaments als Angriff auf die traditio- nellen Rechte der Krone und war nicht h nachzugeben; das Abgeordnetenhaus U55' daher die geforderte Erhöhung des Weh, "^ ab. ^ Da sich eine Kompromisslösung nicht bahnte, berief der König, der bereits zugUn ř" seines Sohnes abdanken wollte, auf Anr seines Kriegsministers, Albrecht von R00n ? September 1862 den preußischen Gesandten-11 Paris, Otto von Bismarck (►8.11), zum Min'-" terpräsidenten. Bismarck war entschloss * notfalls auch ohne Zustimmung der Vollst ' tretung zu regieren und die Heeresreforp, durchzuführen. Dem Machtanspruch derüh" ralen suchte er durch seine Politik zu begem» den inneren preußischen Konflikt mit der eur' päischen Politik zu verquicken. Bismarck leitet damit die später so genannte Politik der Reicht einigung »von oben« ein. Für diesen Weg wollt er wenigstens einen Teil der Liberalen gewin. nen, die für die Erreichung des nationalen Zie. les der Einigung Deutschlands keineswegs ein» militärische Auseinandersetzung von vornhe-rein ausschlossen. In den folgenden Jahren verhärtete sich die Spannung zwischen Regierung und Opposi. tion, aber nachdem 1864 im Deutsch-Dänischen Krieg die Herzogtümer Schleswig und Holstein dem dänischen Zugriff entzogen worden waren und 1866 bei Königgrätz die Fiih-rungsfrage im Deutschen Bund eindeutig zu-gunsten Preußens entschieden wurde, brach die Opposition im Abgeordnetenhaus auseinander. Die Nationalliberalen gingen zu Bismarck über, eine ähnliche Entwicklung vollzog sich bei den Konservativen, wo nun die Frei-konservativen die Politik Bismarcks unterstützten. Der Indemnitätsvorlage, mit der Bismarck die nachträgliche Billigung seines verfassungswidrigen Verhaltens vor vier Jahren beantragte, stimmte das Abgeordnetenhaus mit großer Mehrheit zu. Der Verfassungskonflikt war damit beendet. o.ll Otto von Bismarck Am 1. April 1815 auf dem elterlichen Gut Schönhausen in der Altmark geboren, studierte Otto von Bismarck in Göttingen und Berlin Jura. Nach der Referendarzeit in Aachen und Potsdam (1836-39) quittierte er den Staatsdienst und bewirtschaftete seine Güter. Durch seine Heirat mit Johanna von Puttkamer gewann er |V,: -.j ...:.-: ,: 174 Reaktion und Bismarckzei i . enges Verhältnis zum christlichen ei" ' jn dieser Zeit wandte er sich auch der úljU., u pie revolutionären Vorgänge in Ber-« 8 verurteilte er scharf. Er wurde Mitbe-6D', ,jer »Kreuzzeitungspartei«, die auf dem H"*? «n rechten Flügel der Konservativen stand. W" Deutschen Bundestag in Frankfurt. Von " S'i bis 1859 vertrat er Preußen als Gesand- " peutschen Bundestag in Frankfurt. Von !£'r 0 an setzte er sich für die Gleichberechti- Preußens ein und lehnte den Führungsan-f"6 • Österreichs mit Entschiedenheit ab. Das fahrte zu einer Verschärfung des Dualismus , g3) zwischen ' -1, InT-n CrVl den beiden Großmächten. •-marek kam schon hier zu der Überzeugung, Ts im Deutschen Bund der Platz für zwei oßinächte zu eng war, dass eine von beiden , -rages zu weichen hatte. Für ihn konnte iiesnur Österreich sein. der Epoche der »Neuen Ära« wurde Bismarck sra-62 als Gesandter nach Petersburg ver-.-Bt »an der Newa kaltgestellt«, wie er diese Versetzung empfand. In dem sich allmählich verschärfenden Konflikt zwischen dem König und dem Militärkabinett einerseits und dem von einer liberalen Mehrheit beherrschten Abgeordnetenhaus um die Bewilligung eines erhöhten Wehretats zur Finanzierung der Heeresreform wurde Bismarck- nach kurzem Zwischenaufenthalt als Gesandter in Paris - vom König mit der Führung der Regierungsgeschäfte als Ministerpräsident betraut, nachdem er sich bereit erklärt hatte, die Heeresreform notfalls auch ohne Zustimmung des Parlamen-tesdurchzusetzen. Bismarck wollte Deutschland unter preußischer Führung einigen. Diese Einigung aber musste nach seiner Meinung »von oben« durch gemeinsamen Beschluss der Landesfürsten zustande kommen und nicht durch die liberale und nationale Volksbewegung. Diesem Ziel stand Österreich im Wege. Konsequent verfolgte Bismarck daher seinen Plan, Österreich j's Mitbewerber um die Führungsposition in diesem zukünftigen Deutschland auszuschalten. Das gelang in dem kurzen militärischen Feldzug 1866 in der Entscheidungsschlacht von Königgrätz (Deutscher Krieg, *- 8.14). Im Nord-itutschen Bund (>-S.i$) wurde die kommende fcichsbildung und -Verfassung vorbereitet. ">t geschickte Ausnutzung des nahezu alle Deutschen verbindenden Nationalgefühls beim Ausbruch des Krieges mit Frankreich 1870 be- A Otto Fürst von Bismarck. Gemälde von Franz von Lenbach aus dem Jahr 188g (München, Städtische Galerie im Lenbachhaus) reitete die Reichsgründung (► 8.22) vor, die mit Zustimmung aller Fürsten noch während des Krieges am 18. Januar 1871 in Versailles vollzogen wurde. Bismarck wurde im neuen deutschen Kaiserreich der erste Reichskanzler. Durch eine kluge und ausgewogene Politik gelang es ihm, das neue Großreich in der Mitte Europas innerhalb der übrigen europäischen Großmächte zu etablieren und durch ein ausgeklügeltes Bündnissystem außenpolitisch abzusichern. In der Innenpolitik übersah Bismarck in seinem konservativen Bestreben, die Monarchie mit allen Mitteln gegen jede liberale, demokratische und sozialistische Strömung abzuschirmen, die Notwendigkeit, den durch die Industrialisierung erfolgten gesellschaftlichen Veränderungen des modernen Staates Rechnung zu tragen. Im Kulturkampf (► 8.26) gegen den politischen Katholizismus musste er ebenso eine Niederlage einstecken wie in seinem Versuch, mit dem Sozialistengesetz (► 8.30) die neuen politischen 175 (:\ £^£Z2i Kapitel 8 Kräfte der Sozialdemokratie {>8.28) als Staatsfeinde einzustufen und zu vernichten. Als Epoche machend gilt heute die Einführung der Sozialgesetze (^-8.32), die allerdings ihre werbende Wirkung auf die Arbeiterschaft infolge des Kampfes gegen die Sozialdemokratie verfehlte. Nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. und wenige Monate später auch nach dem Tod Kaiser Friedrichs im Jahre 1888 kam es in dem Verhältnis zwischen dem Kanzler und dem jungen Kaiser Wilhelm II. (^-9.1) zu Spannungen. Meinungsunterschiede über die politische Führungsarbeit führten im März 1890 zur Entlassung Bis-marcks. Der 1871 in den Fürstenstand erhobene Altkanzler starb am 30. Juli 1898 auf seinem Gut Friedrichsruh bei Hamburg. 0,12 FrankfurterFürstentag Im Sommer 1863, als Preußen durch die Zuspitzung des Verfassungskonfliktes (►8.ro) in seiner Handlungsfreiheit gelähmt schien und zudem im »Dritten Deutschland«, den deutschen Mittel- und Kleinstaaten, erheblich an Sympathien verloren hatte, unternahm der österrei- . chische Kaiserstaat, dessen Regierung seit kurzem von dem liberalen Anton von Schmerling geleitet wurde, einen diplomatischen Vorstoß und lud zu einer Fürstenversammlung nach Frankfurt ein. Hier sollte ein österreichischer Bundesreformplan besprochen und beschlossenwerden. Dem im österreichischen Bad Gastein zur Kur weilenden preußischen König Wilhelm I. überbrachte am 3. August 1863 der österreichische Kaiser Franz Joseph persönlich die Einladung zum Fürstentag in Frankfurt am 16. August. Die deutschen Bundesfürsten sollten wie 1814/15 erneut zusammentreffen, um die Verhältnisse in Mitteleuropa und im D eutschen Bundneuzu ordnen. Einzelheiten des österreichischen Reformplanes teilte der Kaiser nicht mit. Sie wurden erst am 16. August kurz Vor Beginn der Verhandlungen bekannt gegeben. Bismarck, von vornherein entschlossen, die österreichische Initiative scheitern zu lassen, erreichte nach schweren Auseinandersetzungen mit dem König, dass Wilhelm seine Teilnahme absagte. Die österreichischen Vorschläge sahen für den Deutschen Bund ein fünfköpflges Direktorium vor, eine neben dem Bundestag periodisch ta- 176 gende Fürstenversammlung, einen Bunde in beiden, Direktorium wie Bundesrat f* Österreich den Vorsitz innehaben -, eĹ. , drei Jahre zusammentretende Versarnml von Delegierten aller Landtage und ein obe ^ ! Bundesgericht. Bismarck antwortete auf a-Programmpunkte mit drei Gegenforderun ".-Er verlangte die volle Gleichberechtigung p ßens im Bundesvorsitz, ein Vetorecht it" Großmächte - im Falle von Kriegserklä Reaktion und Bismarckzeit j des Bundes - und eine Nationalvertretune ~-allgemeinen und direkten Wahlen. >' Besonders dieser dritte Punkt war für Ost -reich in jedem Fall unannehmbar; denn d *> hätte die nichtdeutschen Nationalitäten H '-Donaumonarchie zur Aufstellung gleicher Forderungen für sich bewogen und eine Zerreißprobe für den Vielvölkerstaat bedeutet. Bis marck wusste, dass Österreich deshalb de-> preußischen Gegenvorschlag ablehnen musste So scheiterte der Frankfurter Fürstentag, dasirl die Fürsten der Mittel- und Kleinstaaten nich> bereit fanden, ohne Preußen konkrete Be-Schlüsse zu fassen. Mit dem Fürstentag miss, lang auch Österreichs letzter Versuch, gesta). tend auf die deutsche Entwicklung einzuwit-ken. Drei Jahre später musste das Habsburger, reich mit der Entscheidung auf dem Schlachtfeld von Königgrätz dann ganz aus der deutschen Staatengemeinschaft ausscheiden. o.l^ Schleswig-Holstein-Frage und Deutsch-Dänischer Krieg Die besondere Situation der so genannten Eibherzogtümer Schleswig und Holstein hatte bereits in den Revolutionsjahren 1848/49 zum Krieg des Deutschen Bundes (►7.1) und Preußens mit Dänemark und zu einem Aufwallen der nationalen Leidenschaften in Deutschland geführt, weil Dänemark widerrechtlich Schleswig annektiert hatte. Durch Einspruch der Großmächte Großbritannien und Russland mussten der Deutsche Bund und Preußen trotz militärischer Erfolge in eine internationale Regelung einwilligen, die den Status-quo-Zu-stand wieder herstellte. Die deutsche Nationalbewegung empfand dies als schwere Niederlage. Ende 1863 stellte der dänische König die im 2. Londoner Protokoll 1852 getroffene Lösung tf 3' . »'já' 1* í eut infrage. Die neue dänische Verfassung Í'' nämlich Schleswig in den Gesamtstaat '. und war damit eine grobe Verletzung des londoner Protokolls. Ein Aufflammen des nationalen Protestes in Deutschland, der Liberale ,,„,) Demokraten, Groß- und Kleindeutsche, miteinander verband, war die Folge. Während j;e Mittelstaaten die nationale Volksbewegung unterstützten und mit ihr gemeinsam den nationalen Krieg forderten, stellte Bismarck sich jufden Boden des Völkerrechts und erschien somit vor den europäischen Mächten als derjenige, der für die Wahrung des seinerzeit geschlossenen europäischen Vertrages eintrat. Auf diese Weise vermied er nicht nur die Intervention Englands und Russlands, wie sie 1848/49 gedroht hatte, sondern zwang auch Österreich zu gemeinsamen Maßnahmen mit Fieußen. Die Anerkennung des Nationalitäten-[iinzips, wie dies die deutschen Mittelstaaten forderten, hätte für die Donaumonarchie eine Zerreißprobe bedeutet und konnte deshalb von der Wiener Regierung nicht zugelassen wer-ään. Bismarck verlor sein Fernziel, über eine iriegerische Lösung eines Tages die Herzogtümer tur Preußen zu erwerben, dabei nicht aus km Auge. Da Holstein zum Deutschen Bund gehörte, setzten Österreich und Preußen die üandesexekution durch, mit deren Vollzug sie ach beauftragt wurden. Nach einem relativ Mrzen erfolgreichen Feldzug, bei dem vor al--rn der Sturm auf die Düppeler Schanzen die stionalen Leidenschaften entfachte, musste Knemark im Friedensvertrag von Wien 1864 "'SHerzogtümer abtreten. Besetzung und Ver- •4 Die Erstürmung der von den Dänen zur Verteidigung des Alsensunds angelegten Düppeler Schanzen durchpreußische Truppen am 18. April 1864 war das herausragende Ereignis im Deutsch-Dänischen Krieg waltung wurden vorerst von den beiden Siegermächten im »Kondominium« (= gemeinsame Herrschaft) übernommen. Im Herbst 1865 wurde das Kondominium aufgegeben; Preußen erhielt die Verwaltung Schleswigs, Österreich die Holsteins. Zugestanden erhielt Preußen das Recht, einen Kanal durch holsteinisches Gebiet zu bauen. Bismarck, anfänglich in der aufgebrachten deutschen Öffentlichkeit als Verräter an der nationalen Sache angeprangert, konnte mit diesem Erfolg die öffentliche Meinung in Deutschland für sich einnehmen; man begann, seine Politik differenzierter zu betrachten. 0.2.4 Deutscher Krieg/ Königgrätz Die jahrzehntelange Rivalität zwischen Preußen und Österreich im Deutschen Bund (Preußisch-österreichischer Dualismus, >&.$) hatte in der Schleswig-Holstein-Frage (V8.13) und dem Krieg gegen Dänemark vorübergehend zu einer Kooperation der beiden deutschen Großmächte geführt. Der Streit um die Beute entzweite sie jedoch erneut und löste schließlich die kriegerische Auseinandersetzung von 1866 aus. Bismarcks Ziel war es, in Norddeutschland die Hegemonie Preußens zu erreichen und in diesem Rahmen auch die Herzogtümer Schleswig und Holstein für Preußen zu annektieren. Österreich scheiterte mit seinem Vorschlag, das Kondominat bzw. die Verwaltung gegen Teile Schlesiens einzutauschen und verfolgte dann 177 ti i Kapitel 8 den Plan, Schleswig-Holstein als neuen Mittelstaat unter einem angestammten Fürsten in den Deutschen Bund aufzunehmen. Dieser Lösung stimmten auch die deutschen Mittel- und Kleinstaaten zu. Diesen Vorschlag musste Preußen ablehnen, und so wurde auf beiden Seiten der Krieg diplomatisch vorbereitet. Bismarck schloss am 8. April 1866 ein Bündnis mit Italien, das im Zuge seiner staatlichen Einigung Forderungen auf Herausgabe italienischer, von Österreich beherrschter Gebiete (Venetien u.a.) stellte. Die Mobilisierung der nationalen und liberalen Bewegung in Deutschland strebte er gleichzeitig durch den dem Bundestag eingereichten Bun-desreformplan an, in dem erneut der für Österreich unannehmbare Vorschlag enthalten war, Als Österreich am 1. Juni 1866 die SiM ■ Holstein-Frage vor den Bundestag br.ic] **'' ' Bismarck darin einen Bruch der bisherig. *'!: einbarungen und ließ Truppen in d 1,". ' terreich besetzte und verwaltete Hokt,.- "'■ rücken. Daraufhin beantragte Ostern» 1 ''.' Mobilisierung der nichtpreußischen ' r»Pp. teile des Bundesheeres. Diesem \ stimmte die überwiegende Zahl dur |ji, f' Staaten zu, darunter Bayern, Wüitinmi"'1 Hannover, Sachsen. Bismarck erkläiiĽ d ,'..': hin den Deutschen Bund für aufgelöst u.,,i11" sogleich zur Sicherung des Hauptaul'ni.ir"-■' gegen Österreich Truppen in Hannover urj . Sachsen gegen die Bundesarmee einnicke,," Der Krieg dauerte nur wenige Wichen '1 Bundestruppen waren schon Ende jun: .' .V — r\ .1 h. t.y \-W%J»p 'í /■ '■'■■■■' »y 1« *'js~f; ; -v .!; ... ■/• «■■>■ í» v"Í .n Bundes, Ausschluss Österreichs aus "^h'land, Errichtung des Norddeutschen :!""/V unter preußischer Führung .(►8.15), ■'. n.infj des Rechtes der süddeutschen :iiiiiig«-,n- Am 26. Juli 1866 kam dann der Vor-,v!jř von Nikolsburg zustande, dem relativ ľhnoll. 'inl 23- August' der endgültige Frie-■ sschluvi in Prag folgte. Außer Venetien, das "■-i:Funkrcich an Italien kam, brauchte Öster-. ;:i keine territorialen Verluste hinzuneh-••:n Auf eine Teilnahme an der Neugestaltung PiUbiliLimls verzichtete es, der Deutsche iL-.dw.ir aufgelöst. '.!;; der überraschend schnellen Entscheidung -,-. 1 Knnisť.1 ätz (in Frankreich Sadowa genannt) -.ijrJeiler französische Plan durchkreuzt, zwi-i.r.cn den Krieg führenden Parteien zu vermit-■.■Liuncl thfür durch Gebietsabtretungen, die C-'.-'Toidi zugesagt hatte, entschädigt zu wer-i:.\. Die l'nttäuschung über diese Fehlkalkula-■..-■:! w.ir in Frankreich überaus groß und be-ji.ir.deto den preußisch-französischen Gegen-m mit der französischen Forderung nach »Ra-iviiirS.ulowa«. schlagen, der Zusammenstoß zwNihen i:. preußischen und der österreichischen Uli;-.:- Streitmacht am 3. Juli bei Königgrätz oiiilctc r.; ■ einem klaren preußischen Sieg. Es v. .ir ein W:.i ■ der mit modernen Waffen ausgerüsteten ur.: 1 unter Ausnutzung der neuesten tfvhnki.;' | Errungenschaften (Eisenbahn und lelep.rf: | fl^r f forddetttscher Bund geführten preußischen Armee über die ii'' | veralteten Prinzipien organisierte nstcrri- I chische Streitmacht. Weltweit war der Eindruck des pjeiiKiich:" . Sieges außerordentlich groß. Bism.irck- Lv.- , war es nun, diesen Erfolg und den Lrieden is- ' ternational zu sichern. Dazu musste .íhtr ■.:■ Feldzug so rasch wie möglich beendet wew und Österreich einen schnellen und i .íiren I :■ I V= Ergťlinis des Deutschen Krieges (^-8.14) .:.:>und nördlich der Mainlinie mit dem Nord--"Kchon liund ein Bundesstaat aus den 22 "':h hclli'.t ständig gebliebenen Mittel- und ''''ibiľUľii sowie den Freien Städten Ham-: H. Bremen und Lübeck. Im Gegensatz zu der •"ranenden Behandlung, die Österreich im ■"'-5s-r Frieden zuteil wurde, ging Bismarck ge- Reaktion und Bismarckzeit genüber den Verbündeten Österreichs in Norddeutschland mit aller Schärfe vor. Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt am Main wurden annektiert, lediglich Sachsen blieb unangetastet, weil sowohl Frankreich wie Österreich darauf bestanden hatten. Erstmalig war damit zwischen Maas und Memel ein geschlossenes preußisches Staatsgebiet entstanden. Der Norddeutsche Bund stellte im Prozess der deutschen Einigung eine Zwischenstufe dar, die von den europäischen Mächten, und insbesondere von Frankreich, gerade noch hingenommen wurde. Das Bundesgebiet umfasste eine Fläche von rund 415000 km1 mit 30 Millionen Einwohnern. Die Hegemonie Preußens war eindeutig. Der König von Preußen wurde erblicher Präsident des Bundes. Ihm zur Seite stand der Bundesrat, bestehend aus den Vertretern der einzelnen Bundesstaaten, in dem der vom Präsidenten des Bundes ernannte Kanzler den Vorsitz einnahm. Kanzler wurde der preußische Ministerpräsident Bismarck. Der Bundesrat war das eigentliche Regierungsorgan des Bundes, von den 43 Mitgliedern hatte Preußen zwar mit 17 Delegierten den Vorrang, besaß aber nicht die Mehrheit. An der Gesetzgebung war neben dem Bundesrat der aus allgemeinen, gleichen und direkten Wahlen hervorgegangene Reichstag beteiligt. Mit der Verwirklichung dieses alten und vordringlichsten Zieles der liberalen Bewegung, der aus freien Wahlen hervorgegangenen Volksvertretung, gewann Bismarck viele der Liberalen, die bisher zu ihm in scharfer Opposition gestanden hatten. Fast gleichzeitig konnte er den seit 1862 bestehenden Konflikt mit dem preußischen Abgeordnetenhaus {preußischer Verfassungskonflikt, *-8.io) um die Bewilligung des Staatshaushalts bereinigen. Mit der von ihm eingebrachten Indemnitätsvorlage gestand er den Bruch der Verfassung seit 1862 ein und erreichte die nachträgliche Billigung der Staatshaushalte durch das Parlament. Nach langen Verhandlungen und teilweise heftigen Auseinandersetzungen wurde am 17. April 1867 mit überwältigender Mehrheit die Verfassung des Norddeutschen Bundes angenommen; am 1. Juli 1867 trat sie in Kraft. Mit den föderalistischen (Bundesrat) und liberalen Elementen (Reichstag, freie, allgemeine Wahlen) suchte Bismarck sowohl die süddeutschen Fürsten zum Beitritt zu reizen als auch die öffentliche Meinung in Deutschland für seinen 178 179 te j Kapitel 8 • Weg der deutschen »Einigung von oben« zu ge- Männer und Gruppen aus den von Pre-if1 winnen. nektierten Gebieten (v.a. Hannover) ei« Die Napoleon III. gegebene Zusage, mit den Einigungsbestrebungen an der Mainlinie Halt zu machen, hintertrieb Bismarck durch die mit den süddeutschen Staaten geschlossenen geheimen Schutz- und Trutzbündnisse, die im Falle einer militärischen Auseinandersetzung mit Frankreich die süddeutschen Truppen unter das Kommando des preußischen Königs stellten. Wirtschaftlich zusammengehalten wurde Deutschland durch eine Reform des Deutschen Zollvereins (►7.13) und durch das Zollparlament. Reaktion und Bismarckzeit 3.16 5p altung des Liberalismus Der Ausgang des Deutschen Krieges (i>8.i4) und die Ergebnisse des Friedensschlusses führten in der öffentlichen Meinung zu einer Wandlung des Urteils über die bismarcksche Politik. Es war unzweifelhaft, dass durch die Kriege von 1864 und 1866 die deutsche Frage ein gutes Stück vorangekommen und Bismarck im Begriff war, die deutsche Einheit, den 1848 vergeblich erträumten Zusammenschluss, zustande zu bringen. Aus dem verhassten, reaktionären »Konfliktminister« war auch für viele rührende Liberale ein Staatsmann von besonderem Format geworden, dessen Politik außerordentlich erfolgreich war. Es war zwar offensichtlich, dass Bismarck die Verwirklichung des deutschen Nationalstaates »von oben« durch den Zusammenschluss der Fürsten anstrebte, doch die Einbeziehung einer aus freien Wahlen hervorgegangenen Volksvertretung in die Verfassung des Norddeutschen Bundes (>■ 8.15) war für die liberale Bewegung ein breites Betätigungsfeld für die Mitarbeit am Staat, das genutzt werden musste. Zudem gab der preußische Ministerpräsident mit der Einbringung der Indemnitätsvorlage (P-8.15) im preußischen Abgeordnetenhaus ein weiteres Zeichen dafür, dass er gewillt war, den inneren Frieden wieder herzustellen. Aus jenen Liberalen, die sich jetzt hinter Bismarck stellten, entstand im November 1866 eine »Neue Fraktion der nationalen Partei«. Aus ihr ging im März 1867 die Nationalliberale Partei des konstituierenden Norddeutschen Reichstages unter der Führung von Rudolf von Bennigsen hervor. In sie traten auch Im Reichstag des Norddeutschen Bunde die Nationalliberale Partei vor allem die 11'"' ' auf die sich Bismarck stützen konnte si-,,'' die »Reichsgründungspartei«. Während%'■''■ '■ soziale Basis im Wesentlichen im aufstroh'"-'■ ! Bürgertum hatte (Industrie, Bankiers n ' i tantisches Bildungsbürgertum), rekrutiu,.'.' die in der Opposition verbleibende 0 i / ■' Fortschrittspartei (> 8.9) aus Teilen de. \<\! Standes und des Kleinbürgertums. Eine Spaltung vollzog sich auch bei den Ko-vativen. Während die Altkonservativtn ■'■" die außenpolitischen Erfolge und miliúrj„\ Siege begrüßten, aber jede Form von P.iriin."! tarisierung ablehnten, löste sich von ihnen ľ lässlich der Indemnitätsvorlage eine Gl nun»-mäßigt konservativer Abgeordneter, dic,f.: zur Freikonservativen Partei (ab 1871 unter r1-Namen Deutsche Reichspartei) zuMnimi-schlossen. o.iy Österreichisch-ungarischer Ausgleich Der Verlust der Vormachtstellung im i\-j. sehen Bund nach der Niederlage von iE'-{Deutscher Krieg, ^8.14), die den iiiiu.-,. chischen Kaiserstaat aus der reichsdom-.lv Entwicklung zum deutschen Nationalsi.ni.v-. geschlossen hatte, zwang die Wiener Rc..-. rung, sich auf die Probleme des Vielvö'ikcw. tes zu konzentrieren. Seit der Revolution v 1848 waren die nichtdeutschen Bevölliciur.j. teile unruhig und forderten Autonomii'. Vi«; lem musste man mit den eine Sonderstelli.-.: einnehmenden Ungarn zu einem Aiľ-g!;:.'' kommen. Nach verhältnismäßig kurzen V;-handlungen kam im Februar 1867 der iistnii ■ chisch-ungarische Ausgleich zustande. Unterhielt am 18. Februar wieder ein eigenes Mit:;-terium, ebenso wurde am 27. Februar der uri:: rische Reichstag wieder hergestellt. Mit diesem Ausgleich wurde das Kaiserreich 1' zwei gleichberechtigte und weitgehemi •S,i--! ständige Reichsteile aufgegliedert, diu ■"■' durch die Person des Herrschers und duichc Verwaltung der gemeinsamen Angelenen!;;--ten - Außenpolitik, Verteidigung und Fin ir.z-wesen - miteinander verbunden waren. Ar 8. Juni 1867 wurde Kaiser Franz Joseph ai»"' achgr||!)Pen im Habsburgerreich 1910 sch "• Slowakisch ,^& ,oV&90 0'0, 's, 0/> "0(1 £ S;Voia,lbc,gSa(z ^erreich 0!/ . Böhmen c/>/0... Mähion ni,„,. Nieder- ■ i,üe'" „Wien Ungarn BudapestB Gnlizien Bukowina Tirol Steiermark Kumten a ^ V " Bosnien^ "ť*. '■>/ \ Herzegowina 1 x J (1908 annektiert) v Dalmatien.%> 1 'P./?K ,@yf I ] Zistleithanien I j Transleithanlen ! der einzelnen Flächenkreise entspricht der Bevölkerungszahl der jeweiligen Reichsteile. jtsch 23,9% [ j Rutherasch (Ukrainisch) 7,9« jarisch 20,2% [ j Slowenisch 2,6% hechisch u. Slowakisch 12,6% 1 [ Italienisch 2,0% bokroatisch 10,3% [ 1 Rumänisch 6,4% fiisch 10,0% 1 j Sonstige 4,1% .. r,,vini;: -.im Ungarn gekrönt. Damit war aus ..'i Í!ili-|.it:..'ischen Kaiserstaat die Doppel- "piicliii- () -lerreich-Ungarn entstanden. ;;Jie l,i.:i/e zwischen beiden Reichsteilen :. i luv. I. !i I ,a bildete, hießen die Reichsteile ■Ulinit-n .indTransleithanien. InCisleitha-Milniu- ,1 is deutsche Element die Führung, "'ohl u i. Ii Tschechen, Polen, Slowenen da- ■sili'iiii'ii. In Transleithanien beanspruchten fefeifelsLsj^l 180 I die Ungarn alle Vorrechte, obwohl hier ebenfalls andere, vorwiegend slawische Völker sowie Rumänen und Siebenbürgendeutsche einbezogen waren. Auf Widerstand stieß der Ausgleich vor allem bei den slawischen Völkern, denn sie fühlten sich keineswegs in ihren Interessen berücksichtigt. Bei ihnen setzte sich mehr und mehr der Gedanke des Panslawismus durch, der die Vereinigung aller Slawen zum 181 43 feft - ' *"~, \ Kapitel 8 Ziel hatte und wesentlich von Russland beeinflusst war. Der Reichsteil Österreich (= Cisleithanien) erhielt im Dezember 1867 eine Verfassung, die bis zum Ende der Donaumonarchie im November 1918 in Kraft blieb. Die in der Verfassung garantierte Gleichberechtigung aller Nationalitäten hätte zu einer bundesstaatlichen Entwicklung führen können, doch waren das Festhalten an Althergebrachtem und die Autonomiebestrebungen der Völker zu große Hindernisse auf diesem Weg. Am Ende des 1. Weltkrieges brach der Vielvölkerstaat auseinander, die nichtdeutschen Gebiete wurden selbstständige Staaten. Die süddeutschen Staaten unci Bismarcks Einigungspolitik Mit der Gründung des Norddeutschen Bundes (►8.15) hatte Bismarck die Einheit Deutsch- lands nördlich der Mainlinie vollzogen Akt konnte nur eine Zwischenstufe -1 r'*" Wege zur Einigung Gesamtdeutschland Ü*"' stellen. Aber nach dem Krieg mit Österr ■' Č''' saß Preußen aufgrund seiner harten A onspolitik nördlich des Mains in den sii I i'l(! sehen Staaten.noch weniger Sympathi ^ vorher. Da Bismarck die süddeutschen M ä" mit den französischen Gebietsforderi .':' konfrontierte, gelang es ihm in Einzelvcrl Í-" lungen, Schutz- und Trutzbündnisse Vi' schließen (NorddeutscherBund, >S.k) ' '"' Bismarck erhoffte sich von der weiteren r-wicklung ein allmähliches Zusammenw.' 1-" des Nordens mit dem Süden, einmal weis-H Anziehungskraft der Verfassung des NorclJ *'.ľ sehen Bundes, die starke liberale Giemen'" sich aufgenommen hatte und andererseits | Einzelstaaten einen ausreichenden Freir.ium-"' Bundesrat anbot, zum anderen vertraute er i .-die verbindende Kraft der wirtschaftlichen '-teressen. Vom Norddeutschen Bund zum Deutschen Reich Ksr. Königreich (Irh/iii. ■ Großherzcgtuni M/iii. Herzogtum Ksm. - Fürstentum S.- L. = Sch.iumtjur^ I if)|>r> Cuxhaven * 0,d ■ tübeck ■ Wilhelmshaven M Bremerhaven preuli. ab 185} ^« Hamburg £l . Prov. € «Bremen ../"■ Grhzm. Méxklenburg-Schwerjn-. Grrizm. ? Meckl.-Strelitz P r Hannover Fsm. ■& S.L. J1 Brandenburg Posen **"« Lippe (wn.**1 saShsen J- Fsm/a'en Waldeck___. ,867 prefer, ^ ^ 4r 1 Thüring. Staaten .-'* > & ' . jßen in der Frage der spanischen Thronkan-■;;:ur (l-mser Depesche, O8.20) veränderte :: Sil tul ion für Preußen grundlegend. Es .-■;f näml ich in Deutschland ein verbindendes -jin.ile'- Gemeinschaftsgefühl und ließ die :.::jnU'.viträge wirksam werden. Die von Bis-■\\ niiih während des Krieges mit Frank-:."i (Deutsch-Französischer Krieg, ^8.21) in ..-liintlhiugen mit den Fürsten der süddeut- ■ '-.n Snaten erreichte Reichsgründung >S 22) v. urde von der überwiegenden Mehr-■-.: Je deutschen Volkes mitgetragen. iV('9 iewerbefreiheit und Gewerkschaften :: Norddeutsche Bund gewann auch bei der tiinhei'.Uchung der Wirtschafts- und Sozial-; tik liideutung. Seine Gewerbeordnung ■ ■'• 2i. Juni 1869 - sie wurde 1871 als Reichsge--.'Vorduung für das Deutsche Reich über-' .'.men führte in allen Mitgliedsstaaten die ■■■virlvlieiheit ein. Damit hatte nun jeder "' "1 und jede Frau das Recht, ein Gewerbe zu Reaktion und Bismarckzeit betreiben, soweit nicht gesetzliche Ausnahmen oder Beschränkungen bestanden. Der Zunftzwang und die Abhängigkeit des Gewerbetreibenden von behördlicher Konzession wurden aufgehoben; eine zentrale Forderung der Liberalen wurde damit verwirklicht. Die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund hob auch alle Verbote auf, die sich gegen das Koalitionsrecht richteten. So hatte die preußische Gewerbeordnung von 1845 die Bildung von Verbindungen unter Arbeitern, Gesellen, Gehilfen oder Lehrlingen unter Geld- bzw. Gefängnisstrafe gestellt und den Streik mit Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr bedroht. Nach der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes nun hatten Unternehmer und Arbeitnehmer das Recht, zur Erlangung günstiger Lohn-und Arbeitsbedingungen Verabredungen zu treffen und Vereinigungen zu bilden. Schön im Zusammenhang mit der Revolution von 1848/49 waren einzelne gewerkschaftliche Vereinigungen gegründet worden, die sich 1848 in der »Allgemeinen deutschen Arbeiterverbrüderung« zusammenschlossen, seit den 1850er-Jahren aber von den deutschen Bundesstaaten verfolgt wurden. Einen Neuanfang bildete die Gründung des »Allgemeinen Deutschen Zigarrenarbeitervereins« 1865 und des »Deutschen Buchdruckerverbandes« 1866. Den Buchdruckern gelang es auch, 1873 den ersten Tarifvertrag abzuschließen. Bereits Ende der 1860er-Jahre waren die deutschen Gewerkschaften politisch gespalten: Den »freien«, sozialistisch orientierten Gewerkschaften standen die nach ihren Gründern benannten Hirsch-Duncker-schen Gewerkvereine gegenüber, die bei liberaler Grundorientierung politisch unabhängig waren; Mitte der i8goer-Jahre kamen die christlichen Gewerkschaften als dritte Richtung hinzu. Durch das Sozialistengesetz von 1878 (^-8.30) wurde die legale Gewerkschaftsarbeit zunächst zerschlagen. Nach seiner Aufhebung stellten die freien Gewerkschaften ihre Organisation auf eine neue Grundlage. Sie schlossen sich 1890 in der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands zusammen, deren Vorsitzender Carl Legien wurde. Die freien Gewerkschaften wurden nun Massenorganisationen; 1913 umfassten sie über 2,5 Millionen Mitglieder (christliche Gewerkschaften: 343000; Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine 1914: 107000). Während die Tarifverträge ihren Einzug in Bereiche der Klein- und Mittelin- 183 18 21 ^•t»^5SSS>J Kapitel 8 dustrie hielten, gelang es den Gewerkschaften bis 1918 nicht, mit Großunternehmen Tarifverträge abzuschließen. Erst im Zuge der Novemberrevolution erreichten die Gewerkschaften im Abkommen über die Zentralarbeitsgemeinschaft vom 15. November 1918 ihre Anerkennung als legitime Interessenvertreter der lohnabhängig Beschäftigten. 0.2.0 EmserDepesche Die öffentliche Meinung in Frankreich hatte den raschen Sieg Preußens über Österreich 1866 bei Königgrätz-Sadowa {Deutscher Krieg, ► 8.14) wie eine französische Niederlage empfunden. Die schnell zustande gekommene Friedensregelung zwischen den beiden deutschen Großmächten hatte es Napoleon III. unmöglich gemacht, als Vermittler tätig zu werden und als »Kompensation« linksrheinische Gebiete für Frankreich zu fordern. Sein Versuch, über den Á. 'WýtSiLfi.ä*** tetU citrus faZJŕrma*- fat» I»**/jW If(tft">. >**<* A Mit der Veröffentlichung der von ihm redigierten, starlógestrafften »Emser Depesche« verleitete Bismarck die französische Regierung zur Kriegserklärung an Preußen, Der Schlusssatz lautete: »Seine Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französischen) Botschafter nochmals zu empfangen, und demselben... sagen lassen, daß S. M. dem Botschafter nichts weiter mitzuteilen habe.« König von Holland das Großherzopi xemburg zu erhalten, scheiterte am ■ .' "■ tionalen Einspruch. Nachdem die Lvrv T': Krise eine Zeit lang den Krieg zwischen F ^ reich und Preußen/Deutschland in <, .'ľ' Nähe gerückt hatte, wurde auf der I(, i''' Konferenz vom 7. bis 11. Mai 1867 die Uin' •' gigkeit und Neutralität Luxemburgs v< ""' Großmächten gemeinsam garantiert. '' Die Beziehungen zwischen Frankreiih Preußen bzw. dem Norddeutschen Bun IC ' ben weiterhin gespannt. Frankreich i."I' durch Bündnisverhandlungen mit Ö-u "'.'■' und Italien Preußen einzukreisen. trl,,.i,1 verschärft wurde die politische Situate-1869 und nochmals 1870 der katholische nV/ Hohenzollern-Sigmaringen die spankche if' nigskrone angeboten wurde. Bismarck erhn,.. in dem sich zuspitzenden Konflikt eine Chm die französisch-österreichischen Bündn!,,. handlungen zu hintertreiben, und scĽtc í Annahme der spanischen Krone durili iy, prinz Leopold durch. Anfang Juli 1870 w„r: dies bekannt und ließ die französisch-pn-,,'" sehen Spannungen wachsen. Um die n-:. nicht weiter zu verschärfen, verzichte j Familie Hohenzollern-Sigmaringen niih A1-Stimmung mit dem preußischen König <.chl:,i lieh auf die Thronkandidatur. Frankreich v.;. langte nun jedoch von König Wilhelm I. er. Garantie für den Verzicht des Hauses 1 life: zollern auf die Krone Spaniens für alle 7.viu: Der preußische König wies den franzii-.i-.cii;-. Botschafter Benedetti ab, der ihn in IUI tip wiederholt zu einer definitiven Au-*:;, drängte, und verweigerte eine weitere Um-.:-redung. Telegrafisch teilte er diese Vorgänge Hímiii::. mit und überließ es ihm, die Presse »in weigr:-ter Form« zu unterrichten. Bismarck veniflis-. lichte diese »Emser Depesche« in stark verkürzter Form und stellte damit die französi-irhcKt gierung mit ihren überzogenen Forderung:■: vor aller Welt bloß. Mit der VerofFerjiliirair. der Emser Depesche veränderte sich die p-. chologische Situation in Deutschland »rund!;-gend. Die öffentliche Meinung sah die Yiirgi:*. nicht mehr als ein dynastisches Gera iiy^l ■" sondern als eine alle Deutschen erfassende rationale Angelegenheit. Die französische IUv rung musste unter dem Druck der aufr'l'"«' ten Stimmung im eigenen Land mobilní fc"' und erklärte am 19. Juli 1870 Preußen den Kr::;' s ^nrde ein Krieg gegen das ganze ■'''"' iiiiid weu m't ^er französischen :".'!!l ,' lining für die süddeutschen Staaten ■ ý-yí_ |lL.]li« gegeben war und die 1866 mit -■'",' „..schlossenen Bündnisverträge in ■ jítřil«"- ■■ Q<)i Deutsch-Französischer ■ »Veröffentlichung der von Bismarck ver- ' '"' ,n uikI damit im Ton verschärften Emser ; '"r.(f;„. (►8.20) und der daraufhin ausge- ' '.-heuen französischen Kriegserklärung an ' -i ľíeii w.ir das von Bismarck durchaus ein- i :'"'u!icrtc l'reignis eingetreten, mit dem die ! .....phľ-e Jes deutschen Einigungsprozesses ! " .I..Í1L-1 werden konnte. Für die süddeut- i : j-i Stwiei 1 war der Bündnisfall aufgrund der I ■■ i.riKĽ vim 1866 gegeben. Unter preußischem f iVusfehl -tanden jetzt nicht nur die preu- '...■..„nrddeutschen Armeen, sondern ebenso . .»uyeri'-frien, württembergischen und badi- -11 Truppen. Das nationale Solidaritätsge- , -JuTeinii'.te nicht nur die Soldaten, sondern . ;ridieHi-\i)lkerung. ■■■nkreicli war international isoliert, teils ■_i;ji eigenes Verschulden infolge seines ag- ä-iven, i-iktisch ungeschickten Vorgehens, ■ ciiurch Hismarcks diplomatisch meisterhaf-■. Spiel, durch das das französische Kaiser-■_ -h in seinem Streben nach Machterweite-.-.j vor der Welt bloßgestellt worden war. So .:;cn die Sympathien der europäischen Völker ..-.'fh*l ciuf preußisch-deutscher Seite; die .yiiiiiihu' - beschäftigt mit eigenen inneren '..Weinen blieben neutral. : mu der französischen Kriegserklärung .-Mi). Juli 1870 begonnene militärische Aus-. liideiM'i/iing verlief in zwei voneinander .'":vei-ii.-liii:denen Phasen ab. Die erste gip- ■ "null einer Serie von teilweise verlustrei-:■:!, .ilier fiir die deutschen Armeen erfolgrei--..: zNii;,iilfsschlachten in der Kapitulation :.-lluipiKils der französischen Armee am ' xp:emlu-i 1870 in Sedan, bei der auch Napo- ■■". III. in 1 lefangenschaft geriet. Die zweite sinn mil der Ausrufung der Republik am :v.pteiiil)ii 1870 und dem von der französi- 11 Rrvnl!;erung geführten Volkskrieg, der :>ymp.-.iluen der neutralen Staaten für sich ■■■innen knnnte. Bismarck musste daher den 184 Reaktion und Bismarckzeit Krieg ebenso wie 1866 möglichst schnell beenden und dies gegen den Widerstand des Militärs durchsetzen. Der französische Widerstand, der sich vor allem gegen die geforderte Abtretung des Eisass und eines Teiles von Lothringen richtete, wurde erst durch die Belagerung und Beschießung von Paris gebrochen. Am 28. Januar 1871 wurde der Waffenstillstand, am 26. Februar 1871 der Vorfriede von Versailles geschlossen. Der endgültige Friede mit den Bestimmungen über den Umfang des abzutretenden Gebietes, des zukünftigen Reichslandes Elsass-Lothringen (>■ 8.24), und das Ausmaß der Kriegsentschädigung - 5 Milliarden Francs - wurde am 10. Mai 1871 in Frankfurt am Main unterzeichnet. Die französische Niederlage und vor allem der Verlust Elsass-Lothringens belasteten die Beziehungen zwischen dem neuen Deutschen Reich und Frankreich in den folgenden Jahrzehnten schwer und verhinderten die Aussöhnung zwischen den beiden Völkern. 8,22 Reichsgründung Die französische Kriegserklärung an Preußen am 19. Juli 1870 ließ in Deutschland ein verbindendes Gefühl des gemeinsamen nationalen Schicksals entstehen, das sich im Kriegsverlauf zum Patriotismus steigerte. Bismarck konnte nun die deutsche Nationalbewegung in seine Einigungspläne mit einbeziehen. Noch während der Kampfhandlungen nahm er Gespräche mit den süddeutschen Staaten über deren Beitritt zum Norddeutschen Bund (> 8.15) auf. Es gelang ihm, die Delegationen der süddeutschen Staaten voneinander zu isolieren und mit jedem Staat getrennt über die Gestaltung des zukünftigen Deutschen Reiches zu verhandeln, wobei er vor allem Bayern weit gehende Zugeständnisse hinsichtlich der Hoheitsrechte machte. Erst nachdem in zähen Verhandlungen Bayern und Württemberg eine Reihe von Reservatrechten (Militärhoheit im Frieden, eigene Post- und Eisenbahnverwaltung) zugesprochen worden waren, fand sich der bayerische König bereit, den offiziellen Antrag an den preußischen König zu richten, aus der Hand aller deutschen Fürsten die Kaiserkrone entgegenzunehmen. Mit der Wiederaufnahme des Kaisertitels ging Bismarck auf die nationalen Gefühle des Bürgertums ein, das seit 1848/49 die deutsche Ein- 185 97 09 heit mit dem Kaisertum verband. Gleichzeitig hatte der Titel »Deutscher Kaiser«, den der bayerische König Ludwig in seinem Brief benutzte, für Bismarck den Vorteil, dass die empfindlichen eigenstaatlichen Gefühle vor allem der Bayern geschont wurden und die preußische Vormachtstellung in dem neuen Reich verhüllt wurde. Der preußische König allerdings musste erst dazu überredet werden, die Kaiserkrone und den nach seiner Meinung nichts sagenden Titel »Deutscher Kaiser« anzunehmen. Für ihn war das preußische Königtum das gewachsene und von Gott verliehene Herrscheramt, dessen Glanz nicht durch den neuen Titel verdeckt werden sollte. Am 18. Januar 1871 fand im Spiegelsaal des Versailler Schlosses die Kaiserproklamation statt, während noch die deutschen Armeen vor Paris standen. Der Maler Anton von Werner hat das Ereignis in einem Monumentalgemälde festgehalten. Es zeigt den Augenblick der Ausrufung des preußischen Königs zum Deutschen Kaiser durch den Großherzog Friedrich von Baden, nachdem Bismarck gerade (in weißer Kürassieruniform) die Proklamation verlesen hatte. Das Bild gibt sehr deutlich den Charakter der Reichsgründung wieder. Es ist eine Versammlung von Fürsten und hohen Generalen, die ebenfalls anwesende Delegation von Abgeordneten des Norddeutschen Reichstags erscheint im Bild nicht. Bismarck hatte mit der Reichsgründung weitgehend die Wünsche der meisten national ge- sinnten Deutschen erfüllt, aber er voll sen Akt ohne aktive Teilnahme der Volk " tung. SVe% o,2^ Reichsverfassung Die Reichsverfassung entsprach im \y, chen der Verfassung des Norddeutschen (►8.15), abgesehen von einigen And Reaktion und Bismarckzeit die vor allem die Sonderrechte der süito sehen Staaten betrafen. Die preußische P-i rungsspitze blieb weiterhin ungeschmäWiJ stehen; der Kaiser, zugleich König von Preuß führte den Vorsitz im Bundesrat, ßism 5 blieb als Reichskanzler auch preußischer Mi'" terpräsident und Außenminister. Die Verfassung stattete den Kaiser mit á Rechtaus, den Reichskanzler zu ernennen (u 1 auch zu entlassen) sowie den Reichstag ein» berufen, er konnte ihn auch wieder auflöse Außerdem war er in Kriegszeiten der Obeik fehlshaber der Streitkräfte des Reiches. In dem ihm zur Seite stehenden Bundes« wurde die Tradition des Bundestages des Deaf. sehen Bundes (► 7.1) fortgesetzt. In ihm saßen die Vertreter der Landesfürsten und der drei Freien Städte. Dem Bundesrat nach war das neue Reich ein Fürstenbund wie der Deutschs Bund von 1815. Aber ihm gegenüber stand da aus allgemeinen und gleichen Wahlen hervorgegangene Reichstag als echte Vertretung der Gesamtheit des Volkes. Der überwiegendes I Die Proklamation Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser am 18,Januar 18/1 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles wurde in diesem mehrfach wiederholten Historiengemälde von Anton von Werner im offiziellen Prunkstil der Gründerzeitin Szene gesetzt (Baden-Baden, Neues Schloss) 186 „hshanzler und Vorsitzende tr^Sesrates war regelmäßig #* ußisoher Ministerpräsident ä**ÍL. allein dem Kaiser >* örtlich- als Vorgesetzter der ^Z ernannten Staatssekretäre Der Deutsche Kaiser und König von Preußen vertrat völkerrechtlich das Reich und hatte den Oberbefehl über die Streitkräfte. Er ernannte den Reichskanzler und führte die Einberufung von Bundesrat und ; Kanzler' Kaiser Reichstag und die Reichstagsauflösung durch. . Regierung! Bundesrat -- „...rat hatte 58 Mitglieder fe#Si wichtigste Organ des #grSl Kontrollrechten und «g,* Illative. Er konnte den WZausrufen und Knegser-*2i beschließen. Die preußl-S^Lrdneten hatten Vetorecht. - Bundesstaaten waren weitgehend Í* "m Bayern und Württemberg hatten •fXechte im Militär-, Post- und " ...«.»n, Preußen als größter Staat Reichstag . Die Regierungen benannten S'tglieďer des Bundesrates. Der Reichstag verabschiedete als Volksvertretung die Gesetze und den Etat. Er schöpfte seine parlamentarischen Befugnisse kaum aus. Wahlberechtigte waren die über 25-jährigen männlichen Staatsbürger. Zunächst alle drei Jahre, seit 1888 alle fünf Jahre bestimmten sie in allgemeinen, freien, geheimen und direkten Wahlen den Reichstag. Die Verfassung des Deutschen Reiches 1871-1918 iiihrheit der Bürger erschien deshalb die 'Ahsverfassung als ein wesentlicher Fort-diritt im Vergleich mit dem bisherigen Zu-jjnd im Deutschen Bund, obwohl dem Parla--entaußer der Teilnahme an der Gesetzgebung abgreifende Entscheidungsfunktionen vorhalten blieben. piese monarchisch-konservative, konsritutio--Je Reichsverfassung wurde bis in die letzten (Stehen des 1. Weltkrieges beibehalten. Erst im Oktober 1918 (mit der so genannten Oktober-lofassung) erfolgte die Bindung des Reichs-bnzlers und der Staatssekretäre der Reichsäm-srindas Vertrauen des Parlamentes, aber diese ,y erung kam zu spät, sie wurde schon wenige Wochen später durch die Revolution vom ■jílovember 1918 (l»-io.i) abgelöst. 0.24. Reichsland Hlsass-Lothringen Erst im Laufe der Kampfhandlungen während ■sDcutsch-Französischen Krieges (> 8.21) und •rahmend mit den militärischen Erfolgen ■ntstand in Deutschland die Forderung, im zu-fflftigen Frieden müsse das besiegte Frank--sch Gebiete an das Deutsche Reich abtreten. Re Blicke richteten sich auf das Eisass und auf Öhringen. Die Generale führten Sicherheits-sriegungen ins Feld, der Erwerb des elsässi- schen Gebietes würde die süddeutschen Grenzen sicherer machen, die nationale Bewegung verlangte die Rückkehr der erst vor rund 200 Jahren zu Frankreich gekommenen deutschsprachigen Länder. Bismarck folgte mit der Annexion Elsass-Loth-ringens im Friedensvertrag 1871 in Frankfurt den strategischen Überlegungen des Militärs, dass der Besitz der rheinwärts gelegenen Höhen der Vogesen und der Festungen Metz und Straßburg künftig die Bedrohung Süddeutschlands unmöglich machen würde. Er hatte bei dieser territorialen Forderung aber auch die deutsche Nationalbewegung im Auge und versprach sich eine endgültige Überwindung der unterschwellig noch immer vorhandenen antipreußischen Einstellung in der süddeutschen Bevölkerung. Die Elsässer und Lothringer ihrerseits wollten lieber bei Frankreich bleiben, nur wenige begrüßten die Annexion als Heimkehr in das gemeinsame Vaterland. Staatsrechtlich erhielt das Reichsland nicht die gleiche bundesstaatliche Stellung wie die deutschen Fürstenstaaten, sondern wurde zunächst wie eine preußische Provinz verwaltet. Es gelang der Verwaltung indes nicht, die Bevölkerung in ihrer Mehrheit zu integrieren, vielmehr versteifte sich die Protesthaltung der Bevölkerung zunehmend. Außenpolitisch wurde mit der Annexion El-sass-Lothringens der Grund zu einem neuen 187 ,1 Kapitel 8 Krieg gelegt. Frankreich betrachtete die annektierten Gebiete als Teil der französischen Nation und vermochte den Verlust nicht zu verwinden. Sein Bestreben war es, einen neuen Waffengang vorzubereiten, dann aber mit starken Bündnispartnern an seiner Seite. ö.Z1^ Griinderjahre Die ersten Jahre nach der Reichsgründung (►8.22) und der Beendigung des Deutsch-Französischen Krieges (>8.2i) waren im neu entstandenen Deutschen Reich gekennzeichnet durch einen außerordentlichen Wirtschaftsaufschwung. Ausgelöst wurde diese Entwicklung vor allem durch die nach Deutschland einströmenden fünf Milliarden Francs aus der französischen Kriegsentschädigung. In relativ kurzer Zeit bezahlt, überschwemmten die französischen Milliarden -ein Mehrfaches der in den deutschen Ländern umlaufenden Geldmenge - den deutschen Finanzmarkt. Hinzu kamen der durch die Reichsgründung gewonnene Großwirtschaftsraum, der einen weiteren Zollabbau ermöglichte, frühe Maßnahmen des neuen Staates wie einheitliche Handelsgesetzgebung, Vereinheitlichung des Münzwesens, der Maße und Gewichte und die Gründung der Reichsbank. Diese stürmische wirtschaftliche Entwicklung der Gründerjahre beschleunigte den Ausbau der Industrie und des Eisenbahnnetzes und intensivierte den Aufschwung der Großbanken und des Handels. Eine rege Bautätigkeit setzte ein und steigerte sich rasch in ein n-i.-.i , ; »Baufieber«. ° 'J,,r':: Der Geldüberhang auf dem deutschen k markt verursachte ein Überschäumen d. ?.'"'■ ' kulation und löste ein hemmun"-l0., •'"' winnstreben aus. In kurzer Zeit wurd»' ľ 850 neue Aktiengesellschaften neben ,u \~' zahlreichen Firmen gegründet. Nicht u-": unter ihnen waren unsolide Unterneluni ^s Schon 1873 führte eine allgemeine Weit T Schaftskrise zu einem Kurssturz an ilc-r ň ' zum Zusammenbruch von Banken und «'■' < Firmengründungen. Eine mehrere J ihr,. ."'Ü ■' tende Depression löste die Hochkonjunlü- ; so genannten Gründerjahre ab. Kulturkampf Bald nach der Gründung des DeuiM-hur, t, ches kam es zum Zusammenstoß mii {|t,;.. tholischen Kirche, genauer mit dem pnlinV,.. Katholizismus. Eine katholische Parleijjriip.. , rung hatte es bereits 1848 in der ľrtiiikfa!- '■ Nationalversammlung (*■ 7.18) gegeben is-: entstand im preußischen Abgeordneten!'-, aus der katholischen Fraktion das '/m,,., (►8.27), das 1871 als zweitstärkste ľi.iktion ■ den Reichstag einzog. Bismarck stand der neuen konfessionellen p;-. ■ tei mit großem Misstrauen gegenüber. Tú: instand sie als katholische Gruppierung ■,.-vornherein in Opposition zu dem neuen S:;:- '. und seinem evangelischen Kaisertum. In :"r-sammelten sich nach seiner Meinung die -i- 4, Die so genannten Qrw.-derjahre sahen in Deutschland eine rasante wirtsclitijtlic't-: Entwicklung, i/;rsi(./i u. a. in einer Expumii-r. des Bankwesen* iimlin einer nicht zu bremsenden Bautätigh it widerspiegelte. Als Symbol hierßi (an« dieses Bild des iSXy/y erstellten Neuhausdcr 18/0 gegründeten Deutschen Bank in Berlin gelten ■\- J 188 1866«, die Gegner der kleindeut-"^'"leichsbildung, die hannoverschen Wel-"•'r'l''n-' Polen aus den östlichen preußischen f.-1' später auch die Elsässer. Bismarck '^'Yieté immer eine Verbindung der katho-:-'!;'rC 2entrumspartei zu den katholischen i-i,:!lE'i prankreich und Österreich. Im Juli N,Jl ie ais erste Maßnahme die katholische '"" ■! it! im preußischen Kultusministerium ■'' ssen In dem sich allmählich verschärfen ' Kulturkampf« - diesen Begriff prägte ';;: p:|iri.r der Fortschrittspartei, Rudolf Vir-*? ■ in einem Wahlaufruf - wurde im De-"n'Y»r ,<{,! der so genannte Kanzelparagraph ■';' u'fifhsgesetz eingeführt. Danach waren '_'..,II.jlt. die bei der Ausübung ihres Amtes "".jer Kanzel herab staatliche Angelegenhei-".' j,, t.jner den öffentlichen Frieden gefáhr-'i"-Jon Weise« kommentierten, mit Amtsent-ViJUiiB unc* Gefängnis bedroht. Mit dem L-huljufsichtsgesetz vom März 1872 wurde der ""lihi1 d'Ľ geistliche Aufsicht über die Schulen ..WOuen und in Preußen durch die staatliche vhuliuf-icht ersetzt. ■•■■ľ.dciai: und Reichstag beschlossen 1872 das i;rhui des Jesuitenordens innerhalb des 1. ;C:i>.uei"'icts. Weitere Maßnahmen dehnten ij, su.illiche Aufsichtsrecht aus und schränken die kirchliche Disziplinargewalt ein. Der y.ui behielt sich ein Einspruchsrecht bei der \Welluiigvon Geistlichen vor (1873); so müssen Ccihll iche vor Amtsantritt z. B. ein »Kultur-.vriien- ablegen, das ein Studium an einer ii.uKlieii Universität voraussetzte. 1875 wurde ii- ľivilehe als allein gültige Ehe eingeführt ■.r.J alle geistlichen Orden mit Ausnahme rei-i..r Kr.inkenpflegeorden verboten. Weitere Ge->-.i/i- sperrten die staatlichen Geldzuwendun-:.n .in die katholische Kirche und beteiligten « Altk.itholiken am kirchlichen Vermögen. Aitwcke waren ein Viertel der Pfarreien und ■'!: Bislümer nicht besetzt, da viele Priester ih-■!■: Aimei enthoben, verhaftet oder ins Ausland t'RohĽii waren. i):e Abzieht Bismarcks, mit diesen kirchenpoli-:.hen Maßnahmen das Zentrum zu zerschla-■•■n. schlug fehl. Der Kulturkampf führte im (■vjiniril zu einem stärkeren Zusammen-"iii'Jss Jer katholischen Bevölkerung mit ihrer : ■■ Not yei atenen Geistlichkeit. Bei den Reichs-'■■twahlen 1874 konnte die Zentrumspartei ■'■-■ Stiinmenzahl mehr als verdoppeln. So "»Heiler Kulturkampf zu einer schweren in- Reaktion und Bismarckzeit nenpolitischen Niederlage Bismarcks und der liberalen Bewegung. Er strebte deshalb, als 1878 Papst Pius IX. starb und sein Nachfolger Leo XIII. Anzeichen von Kompromissbereitschaft erkennen ließ, die Beendigung des Kulturkampfes an. Die meisten Maßnahmen wurden wieder aufgehoben, bestehen blieben der Kanzelparagraph (bis zu seiner Aufhebung durch den Deutschen Bundestag 1953), die Zivilehe, die staatliche Schulaufsicht und bis 1917 die Jesuitengesetze. 0.2J Zentrum Katholische Gruppen saßen bereits in den Landtagen und im Parlament der Paulskirche 1848/49. Sie hatten ihren Platz meist in der Mitte zwischen den konservativen auf der rechten, den liberalen und demokratischen Gruppierungen auf der linken Seite. Die Notwendigkeit, sich zu einer starken und dauerhaften Partei zur Vertretung der katholischen Interessen zusammenzuschließen, wurde in dem Augenblick als besonders dringlich angesehen, als sich mit der Bildung des Norddeutschen Bundes (►8.15) die Entstehung eines Deutschen Reiches unter der Vorherrschaft des preußischen Protestantismus ankündigte. Das Zentrum als politische Partei bildete sich 1870 aus der katholischen Fraktion im preußischen Abgeordnetenhaus und wurde bereits bei den ersten Reichstagswahlen 1871 mit 63 Mandaten hinter den Nationalliberalen die zweitstärkste Partei. Ihr Programm beschränkte sich auf das Eintreten für die Rechte der Kirche und einen föderativen Aufbau des Reiches mit garantierten Rechten der Bundesländer. Mit diesen Punkten geriet das Zentrum zwangsläufig in Frontstellung zu Bismarck und seinen kleindeutschen Plänen. Obwohl die Partei nicht ausdrücklich die Beschränkung auf die katholischen Bevölkerungsteile betonte, wurde sie doch vorwiegend ein Sammelbecken der Katholiken in Deutschland. Da in ihr Unternehmer und Arbeiter, Gutsbesitzer, Bauern und Landarbeiter Aufnahme fanden, war sie zugleich die erste echte Volkspartei. Zu ihr stießen auch die Polen aus den östlichen preußischen Provinzen und später die Elsässer. Ihr unumstrittener Führer wurde als brillanter Redner und Gegenspieler Bismarcks im Kulturkampf (*-8.26) und im Reichstag der frühere hannoversche Justizminister und Kronanwalt 189 1 (ŕV*'*« ^«äu ů Kapitel 8 Ludwig Windthorst, der Bismarck an Uner-schrockenheit und rednerischer Begabung durchaus gewachsen war. Aus dem Kulturkampf ging die Zentrumspartei erheblich gestärkt hervor. Sie konnte ihren Stimmenanteil in der Reichstagswahl von 1874 gegenüber 1871 beträchtlich steigern und 91 Sitze gewinnen. Sie blieb eine der bedeutendsten Parteien des Kaiserreiches und der Weimarer Republik. Nach dem Abklingen des Kulturkampfes unterstützte sie Bismarcks Schutzzollpolitik 1879 und seine Sozialgesetzgebung. Das Sozialistengesetz (^-8.30) lehnte das Zentrum 1878 in Erinnerung an den Kulturkampf trotz seiner antisozialistischen und antiliberalen Einstellung zunächst ab und blieb - auch nach der Zustimmung durch einen Teil der Reichstagsfraktion 1880 - später einer der heftigsten Kritiker des Gesetzes. Nach 1890 trat die konfessionelle Ausrichtung der Zentrumspartei zurück. Verbunden mit dieser Tendenz verstärkte sich jedoch die Flügelbildung innerhalb der Partei. Ihr bestes Wahlergebnis erreichte die Partei bei den Reichstagswahlen 1907, als sie 105 Mandate gewinnen konnte. Einer kurzen Zeit der Opposition 1906-1908 folgte das Zusammengehen mit den Konservativen, das die Reichstagsmehrheit in den Jahren bis zum 1. Weltkrieg bestimmte. 8,28 Sozialdemokratie Die politische Organisierung der Arbeiterbewegung in Deutschland begann am 23. Mai 1863 mit der Gründung des »Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins« durch Ferdinand Lassalle in Leipzig, der die schon vorher regional entstandenen Arbeiterbildungs- und Unterstützungsvereine zusammenfasste. Lassalles Ziele waren die Gründung einer selbstständigen politischen Partei, allgemeines, gleiches und direktes Wahlrecht und die Einrichtung von Arbeiter-Produktionsgenossenschaften mit Unterstützung des Staates. Ebenfalls 1863 entstand in Eisenach der liberaldemokratische »Vereinstag deutscher Arbeitervereine«, der zum Kern der 1869 in Eisenach gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei wurde. Ihre Organisation war streng demokratisch aufgebaut und hatte im Programm sowohl Gedanken von Karl Marx (> 8.6) als auch von Ferdinand Lassalle. Sie betrachtete sich als 190 den deutschen Zweig der International beiterassoziation, der am 28. September 0" ^' London gegründeten Ersten Internation 1 Beide Organisationen vereinigten sich 9" Gotha zur Sozialistischen Arbeite ^ Deutschlands (SAP). Schon in dieser p^ Phase der Parteientwicklung waren rev 1 * näre Strömungen marxscher Prägung u T^ formerische, aus dem Gedankengut La i** hervorgegangene Ideen nebeneinander . sam. "* Im Gegensatz zu den anderen Parteien tw die Sozialistische Arbeiterpartei, die sich e **5& A Wandteller zur Erinnerung an den Gründungskongress der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlandsk Mai 18/s in Gotha. Die Bilderzeigen oben August Bebel und Wilhelm Liebknecht, in den Medaillons Ferdinand Lassalle und Karl Marx, der das Gothaer Programm im Übrigen heftig kritisierte in Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) umbenannte, schon früh eine Massenpartei mit fester Mitgliedschaft und straffer Organisation. Die Partei, als national unzuverlässig und staatsfeindlich angesehen, wurde für die Arbeiter zur politischen Heimat und entwickelte eine eigene Subkultur als Emanzipari-ons- und Kulturbewegung. Von großer Bedeutung für die politische Emanzipation der Arbeiter wurden die zahlreichen sozialen und kulto-rellen Einrichtungen, die die SPD als Parts mittrug und teilweise gemeinsam mit der Ge- ftsbewegung (►8.19) gründete. Sol- lesani .türzungskassen, «Tötungen waren Kindergärten, Sport- gvereine, Bestattungs- und andere SIíáGriirzungskassen, Konsum &@.. ,en sowie die Spar- und Bauvereine Konsumvereine und *"" bürgerlichen Staat ablehnenden und pis, Leitrevolution mit dem Sieg der Arbei-^ setzenden Kräfte innerhalb der Partei ^ eich in den Jahren der politischen Ver-M<1' durch das bismarcksche Sozialisten-±%w) durchsetzen, wie das Erfurter ^rnm von 1891 zeigte, das freilich in sei-f10?3 ,j.eji Forderungen für eine praktische f rrik enthielt. •rdfikeit der Reichstagsfraktion der Partei «iff Hiebwal ihrend der Dauer des Sozialistengeset- oestört, von 1878 bis 189 o konnte die Par Jf jer Behinderungen und Verbote in den fchstagswahlen ihre Stimmenzahl auf 1,5 1 fast verdreifachen. Mit etwa 20 % der «rhlerstimmen wurde sie zur relativ stärksten '' 1 tschen Partei, was sich jedoch wegen des ýekiheitswahlrechts und der gegen sie gerichteten bürgerlichen Koalition nicht im gleichen Maßeaufdie Zahl der Mandate auswirkte. #,2Q August Bebel Geboren am 22. Februar 1840 als Sohn eines Unteroffiziers in Köln-Deutz, erlebte Bebel txhdem frühen Tod seines Vaters bittere Jahre der Armut. Er erlernte in Wetzlar, dem Geburtsort seiner Mutter, das Drechslerhandwerk undließsich 1864 als Drechslermeister in Leipzignieder. 1861 trat er dem »Leipziger gewerblichen Bildlingsverein« bei, dessen Vorsitzender «1865 wurde. Im gleichen Jahr lernte er Wil-telm Liebknecht kennen. Nach der Gründung der Sächsischen Volkspartei 1866 zusammen . «Liebknecht wurde er 1867 Vorsitzender des I Verbandes Deutscher Arbeitervereine und im gleichen Jahr zum Mitglied des norddeutschen Reichstages gewählt. Uebkechtbewog ihn, sich 1868 mit der Mehr-tót des Verbandes Deutscher Arbeitervereine ier Internationalen Arbeiterassoziation anzugießen, der in London 1864 unter Mitwir-fifflgvon Karl Marx entstandenen Ersten Inter-BSonale. 1869 war Bebel gemeinsam mit Wil-'íim Liebknecht in Eisenach maßgeblich an der Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiter-Wei beteiligt, deren Vorsitzender er bald da-wfwurde. Nach der Reichstagswahl 1871 zog Reaktion und Bismarckzeit _ Bebel als Abgeordneter der Sozialdemokratischen Partei in den Reichstag ein. In seiner ersten Rede im Reichstag am 25. Mai 1871 wies er auf das aktuelle Ereignis, den Aufstand der Pariser Kommune gegen die bürgerliche Regierung, hin und nannte die Vorgänge »ein kleines Vorpostengefecht« im Kampf der Proletarier gegen die bestehende gesellschaftliche Ordnung, dem weitere, größere Aktionen folgen würden. Schon als Abgeordneter im Reichstag des Norddeutschen Bundes (ŕ-8.15) hatte Bebel zusammen mit Liebknecht gegen die Bewilligung von Kriegskrediten bei Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges (^-8.21) gestimmt; ebenso protestierte er leidenschaftlich gegen die geplante und dann vollzogene Annexion El-sass-Lothringens (P~ 8.24). Das brachte ihm und seiner Partei in der allgemeinen nationalen Hochstimmung und Kriegsbegeisterung den Ruf ein, »Reichsfeinde« und national unzuverlässig zu sein. In einem Leipziger Hochverratsprozess 1872 wurden Bebel und Liebknecht zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt. Bebel forderte vom Staat nicht nur die Herstellung der politischen Freiheit, sondern auch »die Herstellung der ökonomischen Gleichheit«. Im Reichstag war er einer der schärfsten Kritiker der bismarck-schen Politik. Besonders nach dem Erlass des Reichsgesetzes »wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie« 1878, dem so genannten Sozialistengesetz (>8.30), wurde Bebel zum 'Hauptankläger der Regierung. Er warf ihr vor, Tausende von Sozialdemokraten lediglich ihrer Gesinnung wegen ins Gefängnis zu werfen und so ihre Existenz zu ruinieren. Konsequent setzte Bebel sich für das allgemeine und gleiche Wahlrecht in den Bundesstaaten ein, das auch den Frauen zustehen sollte. Bebel war maßgeblich an der Ausarbeitung des Erfurter Programms der SPD 1891 beteiligt. Trotz seiner Überzeugung, dass der Sozialismus bald über die »absterbende bürgerliche Gesellschaft« siegen würde, war Bebel ein Vorkämpfer für die friedliche Durchsetzung der Ziele seiner Partei und Gegner einer revolutionären Bewegung. Diese Haltung brachte ihn später in deutlichen Gegensatz zum linken Flügel der Sozialdemokratie, wie er z.B. von Rosa Luxemburg repräsentiert wurde. Trotz aller innerparteilichen Gegensätze blieb er bis zu seinem Tod am 13. August 1913 der anerkannte Führer der Sozialdemokratischen Partei. 191 33 Kapitel 8 ' o.^O Sozialistengesetz Der Zulauf, den Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein und Sozialdemokratische Arbeiterpartei (Sozialdemokratie, ŕ-8.28) seit der Wirtschaftskrise 1873 zu verzeichnen hatten, ihre Vereinigung 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) und deren sich deutlich steigernde Wahlerfolge bei den Reichstags- A Wie dieses baumwollene Transparent aus dem Jahr 1888 zeigt, ließen sich die Sozialdemokraten durch das im Oktober 18/8 erlassene Sozialistengesetz nicht einschüchtern (Berlin, Deutsches Historisches Museum) wählen 1874 und 1877 beunruhigten die Reichsregierung und die bürgerlichen Parteigruppierungen im Reichstag. Bismarck konnte wegen der kompromissbereiten Haltung Papst Leos XIII. den seit Jahren geführten Kulturkampf (►8.26) gegen die katholische Kirche und den politischen Katholizismus allmählich abbrechen und sich dieser neuen Gefahr einer herannahenden sozialistischen Revolution zuwenden. 192 Als Vorwand für sein Vorgehen geKen j. zialistische Arbeiterpartei dienten ih ^' -Attentate aufKaiser Wilhelm I.i878 0* **£ > schlage schlugen fehl, die Attentäter ^ auch mit der Sozialdemokratie nicht in v!^ dung, dennoch wurde von der Regier ""* Zusammenhang zwischen den Attentat ^ den angeblichen sozialdemokratische "^ Sturzplänen behauptet. "*■' Am 21. Oktober 1878 wurde das Reich »wider die gemeingefährlichen Bestreh der Sozialdemokratie« erlassen. Die ** .ftbewerbs war die Masse der »kleinen pí» ".f wirtschaftlich Schwachen, gegen-jfüte'' prUCk der Unternehmer, der Fabrik-r*r A Großgrundbesitzer, außerordent-j0!en gjntertreffen geraten. Handwerker, 0 ^t werbetreibende, aber auch Bauern ge-^"e hen der Masse der Lohnabhängigen zu scharten zerschlagen werden. Das Geses wurde im Reichstag mit den Stimmen der Kor f servativen und Nationalliberalen anecm» men, während das Zentrum, die Fortschrittpartei und die Fraktion der Sozialdemokrat gegen die Annahme stimmten. Es wurde ge»5 den Wunsch der Regierung auf zweieinhaí Jahre befristet, aber regelmäßig bis 1890 verlar-. gert, ab 1880 auch mit den Stimmen vonTeib des Zentrums (>■ 8.27). Trotz aller Verbote und Verhaftungen, Vena-teilungen und Ausweisungen waren die Organisationen der Partei und der Gewerkschafter, mit dem Gesetz nicht mehr zu zerstören. Die Solidarität der Arbeiter führte zu einem Anwachsen der Partei von 1878 bis 1890 v« 415000 auf 1427000 Wähler. 1912 wurdet!» SPD mit 110 Abgeordneten zur stärksten Fraktion im Reichstag. Ab 1890 wurde das Sozialistengesetz nid: mehr verlängert. Es verhinderte nachdriickln die seinerzeit von Ferdinand Lassalle angestrebte Versöhnung zwischen der Arbeiterschaft und dem Staat. In seinen Nachwirkungen hielt es die Integration der Sozialdemokii-ten in die bürgerliche Gesellschaft am Endcds Jahrhunderts auf. ö.^l Genossenschaftswesen Mit der technischen Fortentwicklung in deris-dustriellen Revolution (ŕ-8.4) und der dazu parallel laufenden unbeschränkten Entfaltung® **** enschaftsbewegung. Sie war der Ver-'°, jp! Mittelalter in Städten und Dorfge- 5»'"' ' ••' • 1 ! J - -.!--!------ ^ ; CW' ;chaften bewährten solidarischen Genos- rhaftsg' «Sid pie ersten edanken wieder zu beleben. Genossenschaften bildeten sich aus "^"ujifeorganisationen des Handwerks und ■ Meinen landwirtschaftlichen Betriebe, aus ■ nskassen und Wohltätigkeitsvereinen he-lhre Väter waren vor allem der Sozialpoli- "ir und spätere Reichstagsabgeordnete der utSchen Fortschrittspartei Hermann Schul -Delitzsch, Friedrich Wilhelm Raiffeisen 1 \yj]helm Haas. Raiffeisen und Haas beaten sich vor allem um Hilfsvereine im ! ndlichen Bereich und lehnten dabei auch Fi-iinzhilfen des Staates nicht ab. Schulze-De-tech dagegen setzte sich für das Kleingewerbe rjiund bevorzugte das Prinzip der Selbsthilfe. .$6cbewirkte Schulze-Delitzsch die Gründung Isi deutschen Genossenschaftsbank und formte 1867 das preußische Genossenschafts-,*etz veranlassen. Doch blieben die Genossenschaften zunächst relativ schwach; erst als s'tdem Reichsgesetz über die Genossenschaften von 1889 eine Beschränkung der Haftpflicht éigeiuhrt wurde, konnten sich die Genossenschaften entwickeln. Mit dem Gesetz von 1889 surde auch die Zwangsrevision der Genossenschaften eingerührt, die über die ordnungsge-A Geschäftsführung wachte. 0,32 Sozialgesetze/ ň rbeiterversicherung iatder unerbittlichen Bekämpfung der Sozial-imokratie ((»8.28) und ihrer Organisationen a den Bestimmungen des Sozialistengesetzes '.►8.30) vom Oktober 1878 plante Bismarck ospositive staatliche Sozialpolitik. Seine Abteilt war es, mit konstruktiven staatlichen äßnahmen die soziale Lage der Arbeiterschaft Reaktion und Bismarckzeit y^ zu verbessern und sie damit nicht nur für den Staat zu gewinnen, sondern gleichzeitig auch ihre politische Organisation, die Sozialdemokratische Partei, zu schwächen. In einer kaiserlichen Botschaft wurde am 17. November 1881 im Reichstag ein sozialpolitisches Programm angekündigt. Vorgesehen waren eine Versorgung der Arbeiter für Unfall, Krankheit, Invalidität und Alter. Im Juni 1883 wurde als erstes Gesetz die Krankenversicherung der Arbeiter geregelt. Die Beiträge zur Krankenversicherung sollten je zur Hälfte von den Arbeitgebern und den Arbeitern gezahlt werden. Unter der Vielzahl bereits existierender Kranken-, Innungs- und Knappschaftskassen, die weiter bestanden, wurde die genossenschaftliche Organisation der Ortskrankenkassen die typische Arbeiterkrankenkasse. Die Leistungen bestanden in freier ärztlicher Behandlung und einem Krankengeld, das vom 3. Tage an bis zu höchstens 13 Wochen gezahlt wurde. ^''."iii?» A Als positive Antwort auf die Entwicklung der Sozialdemokratie in den 18/oer-Jahren begründete Bismarck in den i88oer-]ahren die staatliche Sozialpolitik in Deutschland. Abgeschlossen wurde das entsprechende Gesetzeswerk im Juni 1889 mit der Alters- und Invaliditätsversicherung. Holzschnitt »Rentenauszahlung, Hamburger Hauptpostamt« aus dem Jahr 1898 Am 27. Juni 1884 folgte das Gesetz über die Unfallversicherung. Hier übernahm die Berufsgenossenschaft der Unternehmer die Zahlungen bei Unfall eines Arbeiters in voller Höhe - die Arbeiter brauchten keinen Anteil zu leisten - 193 'má* «"- w i Kapitel 8 und zahlte bei tödlichem Unfall eine Hinterbliebenenrente. Die Unfallversicherung trat nach Ablauf der Krankenversicherung, also nach der 14. Woche, ein. Sie trug auch die Kosten eines Heilverfahrens sowie für die Dauer der gesamten Zeit der Erwerbslosigkeit zwei Drittel des letzten Arbeitsverdienstes. Abgeschlossen wurde das Gesetzeswerk am 22. Juni 1889 mit der Alters- und Invaliditätsversicherung. Sie sicherte jedem Arbeiter eine Altersrente nach dem 70. Lebensjahr zu sowie eine Invalidenrente bei Arbeitsunfähigkeit, für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte Beiträge abzuführen hatten. Hier wurde auch der Gedanke des Reichszuschusses aufgegriffen. Bismarck wollte ursprünglich, dass die Arbeiter keine eigenen Beiträge für die Versicherungen leisten mussten, da diese Beiträge das Einkommen schmälern und Unverständnis bei den Arbeitern hervorrufen mussten. Die Wirkung, die Bismarck sich mit dieser Gesetzgebung erhofft hatte, nämlich die Arbeiter für den Staat zu gewinnen und sie der Sozialdemokratie und ihren Organisationen zu entfremden, wurde jedoch nicht erreicht. Die Arbeiter- schaftscharte sich vielmehr, zumal au -l . í folgungen durch dasbis 1890 immer^l*^1 längerte Sozialistengesetz (*-8.->0) „'.l"c'v=: * hielten, solidarisch um die Führer dure'10'': • mokratischen Partei, die bei den li A'''1'-' wählen 1890 knapp 20% der Stirnnitn''*-' Von der sozialdemokratischen Führum, "^ ■ die bismarckschen Gesetze und die sM ľ^ : ergebenden Leistungen für die einzeln,, «.'' ' ter als völlig unzureichend kritisiert '"*■ Dennoch ist das Deutsche Reich mit j-zialgesetzgebung allen anderen St.uJ1'1' Welt vorangeschritten und lange 7P\, u C: f gewesen. "li ■ 0.33 Bismarcks Bündnispolitik Mit der Gründung des Deutschen Kcich« - ; dem Sieg über Frankreich hatte sich d )s Krifj' i Verhältnis im europäischen Staatensystem""'.' f schoben. Es kam nun alles darauf .111 ji, * deren europäischen Großmächte /u ühL.„,.. gen, dass die erweiterte Großmacht l'roufc- Bismarcks BUndnisgeometrie ,>"■ í Sahlrt^ Petersburg <0> 'j RUSSLAND RUMÄNEN •w wz-v < Bukarest" J Dreikaiserbund 1872/73 Zweibund 1879 Dreibund 1882 (Beitritt Rumäniens 1883) Rückversicherungsvertrag 1887 Mittelmeerabkommen 1887 OSMANISCHES REICH \ M '.«Mŕ- 194 1 keine Bedrohung darstellte und rv»'* rausche Reich keine Ansprüche er-J'i'f ClC„,(ipäische Vormachtstellung zu er-■-AiinL- „,irrk erklärte deshalb auch bald öf~ Ji , j,« Deutschland »saturiert« sei. :.p-:i:L'n' -,„, 1Tck als Reichskanzler bis 1890 ge-řfť0ll.„|ifiipolitik des Deutschen Reiches ;ß'* „fiiuidend bestimmt von seiner Ein-jsfacn h " ' - - - ' lung ' Vor, '". ,rwir"'on konnte und jede sich bietende ~:* ^„jji nutzen würde, um gegen Deutsch- •■■í*, n lu-vanchekriegzu fuhren. Bismarcks ''"''^»n w.ir es deshalb, Frankreich möglichst :.;ir£DCM _ . . . 1 .i 1 /u l'rankreich, das seine Niederlage - , „ v.-rlust Elsass-Lothringens (r-8.24) j den * ....... ,':;rt »> hallen. Zeitweise gelang es ihm, das cKflif Interesse auf koloniale Ziele abzu-w,)liiM er gleichzeitig hoffte, dass Frank- ■ ■>' 'ii ' li ich d.ibei die Gegnerschaft Englands zu- ,,'-;1..'nw""lt'' -".iifurJp nlit ^em Abschluss des Dreikaiser-'.," nlCi,s /.wischen Deutschland, Österreich "\ nussl.iml die monarchische Tradition der '.,a fa Allittiiz (^7.2) von 1815 wieder aufge-'■fiiinon. Mi' dieser Verständigung der drei u-jrchen ein formeller Vertragsabschluss ■Vete nir'11 setzte Bismarck die traditionelle .'..(■ndsflnli /.u Russland fort und erreichte ':'Lr;h diu l.inbeziehung des österreichischen vv.ii-., dj"-"' die Gegensätze zwischen dem Za- ■ iieich unil ('sterreich-Ungarn in der Balkan--.-i.rik mich einmal überspielt werden konnten, jj-S verhinderte der Berliner Kongress (*- 8.34), :. im Bismarcks Führungsrolle in der euro-;r.::hi;ii Politik deutlich wurde, einen kriegeri-■yn Zusammenstoß zwischen Österreich-"■ iiu\ und Russland sowie zwischen Groß-^unnii-n und Russland. Beide Länder fühlten - :h in ihren Interessen bedroht, als die Russen ■■:h dorn Russisch-Türkischen Krieg von -;"ľ/7H das Schicksal der von der türkischen :::;r-iinl't befreiten Balkanvölker eigenmäch- ■ ;:n Hie Hand nehmen wollten. .:i]pibng es Bismarck noch einmal, ein Drei- ■ jirliiindnis mit Russland und Österreich-..am zustande zu bringen, das aber schon ■.'/ null seiner Verlängerung 1884 an den un--"íľbnickbaren Gegensätzen scheiterte. vj hm e das Deutsche Reich mit Österreich --"-girn ein Bündnis geschlossen, in dem beide ''"-iite sich verpflichteten, bei einem Angriff ■■.lilinds einander Hilfe zu leisten, bei einem "ä'ilf i'iner anderen Macht wohlwollende ■■"nliut zu wahren. Dieser »Zweibund« Reaktion und Bismarckzeit wurde in Deutschland und in Österreich-Ungarn sehr begrüßt und als teilweise Erfüllung der 1848/49 entwickelten Ideen von einem engeren Zusammenschluss der Deutschen angesehen. Dieser Bund hat bis zum 1. Weltkrieg gedauert. Bismarck hat jedoch, anders als seine Nachfolger, die Schwäche des Habsburgerreiches in seiner Eigenschaft als Vielvölkerstaat klar gesehen und immer nach weiteren Bündnispartnern Ausschau gehalten. Italien trat am 20. Mai 1882 dem Zweibund bei, als Frankreich gerade Tunis besetzt und eigene italienische Pläne durchkreuzt hatte. Dies gab dem jetzt zum Dreibund gewordenen Bündnis eine Frontstellung gegen Frankreich und setzte voraus, dass Großbritannien dem Dreibund wohlwollend gegenüberstand. Bismarck bemühte sich stets, mit Großbritannien in gutem Einvernehmenzu bleiben, und wies deshalb den Erwerb von Kolonien von sich. Als das Dreikaiserabkommen infolge der nicht mehr zu überbrückenden Gegensätze zwischen Russland und Österreich nicht mehr aufrechterhalten werden konnte, gelang Bismarck am 18. Juni 1887 der Abschluss eines geheimen Neutralitätsabkommens mit Russland, der von ihm selbst so genannte Rückversicherungsvertrag (V8.35). Mit diesem Vertrag konnte noch einmal die von Bismarck befürchtete Annäherung Frankreichs an Russland mit der dann näher rückenden Gefahr eines Zweifrontenkrieges verhindert werden. 0.^^. Berliner Kongress Der Russisch-Türkische Krieg 1877/78 hatte mit einem triumphalen Sieg der Russen über den »kranken Mann am Bosporus« geendet. In dem von Russland diktierten Frieden von San Stefano verlor das Osmanische Reich seine letzten Besitzungen auf dem Balkan. Gegen den Machtzuwachs Russlands erhoben Großbritannien und Österreich Protest. Um eine Ausweitung des Krieges zu verhindern, schaltete sich das Deutsche Reich ein und lud die Mächte zu einem europäischen Kongress nach Berlin. So kam es im Juni/Juli 1878 zu einem Treffen der europäischen Staatsmänner auf dem Berliner Kongress, auf dem Bismarck als Gastgeber auch den Vorsitz führte. Da Deutschland auf dem Balkan nicht interessiert war, konnte Bismarck sich unparteiisch -als »ehrlicher Makler« - um einen Ausgleich der gefahrlichen Gegensätze zwischen den Groß- 195 ! 51 'P4- mächten bemühen. Auf die meisten Eroberungen hatte Russland schon bei Vorverhandlungen in London wieder verzichten müssen. In der Berliner Kongressakte vom 13. Juli 1878 verzichtete Russland auf das Protektorat Großbulgarien, das in ein dem Osmanischen Reich tributpflichtiges unabhängiges Fürstentum und in eine osmanische Provinz Ostrumelien geteilt wurde. Russland erhielt dafür von Rumänien Teile von Bessarabien, Rumänien selbst wurde ebenso wie Serbien und Montenegro unabhängig. Österreich-Ungarn erhielt das Zugeständnis, Bosnien und die Herzegowina okkupieren zu dürfen; Großbritannien erhielt Zypern. Diese Balkanordnung führte jedoch zu neuen Spannungen; die österreichisch-russische Rivalität wurde verschärft, und die nationale Frage auf dem Balkan blieb weiterhin ungelöst. Der Berliner Kongress war ein Triumph Bis-marcks, der deutsche Reichskanzler stand auf dem Höhepunkt seines Ansehens. In Russland aber war man enttäuscht, dass Bismarck sich nicht stärker für die russischen Belange eingesetzt hatte als Dank für die neutrale Haltung Russlands 1866 und 1870/71. Eine deutliche antideutsche Stimmung breitete sich am Zarenhof und in der russischen Öffentlichkeit aus, die sich mit dem zur politischen Kraft entwickelnden Panslawismus verband. ^•35 Rückversicherungsvertrag 1881 war noch einmal ein Dreikaiserabkommen zwischen dem Deutschen Reich, Österreich- 4 Auf dem Betin,,., Kongress regi,. m als »ehrliche/ .\ji/t, "'' einen Ausgk,, I, dJr" Balkanintere^,.,, den Großmä, !«,.„" Darstellung,lr, slhl Sitzung in de, HtWin/,* Reichskanzlei ,„„'!. 1878 im Gemahl,, J* Anton von Wn,,,,, (Berlin, Deuiulm Historisches Mit,a„lr Ungarn und Russland zustande gokom Bismarck hatte es erreicht, die in die viijfii,.'"' Interessen und Gegensätze der ll.ilkjnv(1i" unheilvoll verstrickten Großminluo q'i . reich-Ungarn und Russland in einem Buni"' zusammenzubringen. 1884 war ilui Vc-r-zwar verlängert worden, aber in dei Hiilmtj-,! krise 1885/86 endgültig auseinander gesehen. In dieser Situation gelang Bism.uck der ^ Schluss eines Geheimbündnisses mit llu<.s!i-' das am 18. Juni 1887 unterzeichne L wurde *.'■ diesem Vertrag wurde die von Bisni.ircli ;-langem befürchtete Gefahr einer Ann.ilurjr. Frankreichs an Russland ausgeschnlivi. Der Rückversicherungsvertrag beM ind cid..-/-lieh aus zwei Teilen: dem geheimni, dtkn-.. ausgerichteten Hauptvertrag und einem gs»; geheimen«, offensiven Zusatzprotokoll. Eru-. pflichtete den Vertragspartner zui Ni-inr.il:!>' falls das Deutsche Reich von Frankieiih oi-Russland von Österreich-Ungarn iinpiovo/.e-angegriffen würde. Das Zusatz]wiinkoll erkannte die russischen Interessen in liulguic an und widersprach damit im (iiundcder deutsch-österreichischen Zweibnnd. dar Dreibund und den Mittelmeerabkommtn Fi-Bismarck hatte der Vertrag jedoch den Zwei Russland aus seiner Isolierung in dm ürier:-frage zu lösen und damit Großbritannien ?'-Stützung der österreichischen iiiul il.itien:-schen Orientpolitik zu zwingen. In seiner Bedeutung wurde der Ruckwr.-icl--rungsvertrag oft überschätzt, weil niiht «■'•' war, ob Russland tatsächlich im O: ieni, coulem an den Dardanellen und damit dem 7up"i ff* ,L.i 1 wurde, kam das russisch-fran- ,n Meer, aktiv werden würde. ,*. 5tllV-',„iL- der Vertrag der Erhaltung des ■#: mcl konnte eine französisch-russi-_.;-.■.:> 1" . rling nicht verhindern. Als nach ■"- ^Tjntiassungi&vo l>8.37) der Vertrag ■''' '^ijnU"-1'' wurde, kam das n r ■'h! ľCrBl,iidiiis schnell zustande ^ C rjeutsche Kolonien/ 1 ßifjinarcks jioionialpolitik n ./einher 1882 wurde in Frankfurt am ""der lUĽUtsche Kolonialverein« gegrün- y'"J] ...,1/iul des Vereins war es, den kolonia- '•- [linken in der Öffentlichkeit zu verbrei- 1 , d p»Pll'jr zu macnen- Anfang 1884 ent- '"".'. nťI|in die »Gesellschaft für deutsche i isaiion-; sie trat dafür ein, deutsche Ko- "-. K-soINrli iften zu unterstützen, die deut- ' '-,'j Misw.mdcrung in geeignete Gebiete zu '■',", llll(| die «deutsch-nationalen Interessen .ľfirdeni"- Heide Gesellschaften vereinigten V ,Sg7 7111 1 >eutschen Kolonialgesellschaft, '..«chdie Aulgabe stellte, deutsche Übersee- ■■■■iriicliniuiii'en zu fördern und zu unter- , rjes. ..niarck seilet stand allen Kolonialplänen v;e Zeil -dilehnend gegenüber. Er sah die .c'ihien, die im Erwerb überseeischer Gebiete ■::n Im Kiinlliktfall konnten die Kolonien ,.'n Ri-iih nil lit ausreichend geschützt wer-;.,i, zudem stellten sie eine zusätzliche s .-irnpoliiiiirlif Gefährdung dar, weil es un-■, .:gcrkch /.u Interessenkollisionen mit Groß--.■ innii-n iidiT auch Frankreich kommen Reaktion und Bismarckzeit musste. Die Lage Deutschlands in der Mitte Europas bot schon Konfliktmöglichkeiten genug. 1884 gab Bismarck dann aber doch seine Zustimmung, dass die von wagemutigen Kaufleuten (vor allem F. A. Lüderitz und K. Peters) erworbenen Besitzungen zu »Schutzgebieten« des Deutschen Reiches erklärt wurden, so Deutsch-Südwestafrika, das heutige Namibia, Togo und Kamerun, später Deutsch-Ostafrika sowie Nordost-Neuguinea und die Marshall-Inseln im Pazifik. In dieser Zeit schien sich auch eine deutsch-französische Annäherung anzubahnen. Die deutsch-französische Interessengemeinschaft bestand jedoch nur kurze Zeit; mit Großbritannien kam es nach anfänglichen Reibereien zu einem Arrangement. Großbritannien erkannte schließlich die deutschen kolonialen Erwerbungen an. In seinen letzten Regierungsjahren kehrte Bismarck zu seiner distanzierten Einstellung gegenüber der Kolonialpolitik zurück. Einem Anhänger des kolonialen Gedankens erklärte er im Dezember 1888: »Hier liegt Russland und hier liegt Frankreich, und wir sind in der Mitte; das ist meine Karte von Afrika.« o.QJ BismarcksEntlassung Am 9. März 1888 starb Kaiser Wilhelm I. im einundneunzigsten Lebensjahr. Sein liberal eingestellter und mit einer Tochter der britischen Königin Victoria verheirateter Sohn, der nun als Kaiser Friedrich III. den Thron bestieg, war bereits todkrank und konnte die in ihn gesetzten Hoffnungen, er würde das Reich nach englischem Vorbild in eine parlamentarische // •4 Nach der Reichsgründung setzten auch in Deutschland Bemühungen ein, Kolonialbesitz zu erwerben. Den Anfang machten vor allem Kaufleute wie hier Vertreter der Bremer Faktorei in Togo. Erst ab 1884 wurden die Niederlassungen unter den Schutz des Reiches gestellt 197 Ea."'ji>- - ií^1 Ast''.: #/^i' ~"-"J Kapitel 8 A Den erzwungenen Rücktritt Bismarcks im März 1890 fasst die englische Satirezeitschrift »Punch« in das Bild des Lotsen, der durch den jungen Kaiser Wilhelm IL von Bord des Staatsschiffs geschickt wird Monarchie umgestalten, nicht mehr. starb am 15. Juni 1888. 'fiilW. Der neue Kaiser, der neunundzwjn. ■ Wilhelm II. (► 9.1), verehrte Bismiiic* jjf ^ der des Reiches und Gestalter derUci -l ^" Aber da er selbstbewusst war und voll T"' drang selbstständige Politik mai luM1 ;' kam es bald zu Kontroversen, anfonEs ■■i*0'' bensächlichkeiten, dann über giund <'''' Differenzen in der Sozial- und in dur a. i; " litik. So sprach sich der Reichskanzler f ľ'' Verlängerung des RückversicherungSVt.'s' aus, um den »Draht nach Russland ■ nitht'V1 ßen zu lassen, und in der sich verschiff"..": Arbeiterfrage befürwortete er die VcrlHi-.' des Sozialistengesetzes. Wilhelm I [. veraH- ' Bismarck schließlich, sein Rückiriie,,. einzureichen. Seine Entlassung orlulaT'" 20. März 1890. : Seit seiner Berufung zum preußischen y terpräsidenten 1862 hatte Bismaick der c'. sehen Politik seinen Stempel aufgudniiki V »Eisen und Blut«, aber auch mit diplcp-.. schem Geschick hatte er die Gründung^ Deutschen Reiches 1871 herbeigeluhri, dci . innere Verfassung freilich noch ungefcs' war, wie die Auseinandersetzungen mit d."-politischen Katholizismus und dei Arbeits wegung zeigten. Die Reichsgründung haiicf Kräfteverhältnisse in Europa verschoben; c ■ »Erbfeindschaft« mit Frankreich hatit -; -verfestigt. Der gefährdeten Lage Deutsch!::-. in der Mitte Europas trug BiMii.irck c: 1871 durch eine maßvolle und kluge Auf:-politik Rechnung. Seine Nachfolger zagten in ihrem Streben nach Weltgeltung s-.-Werk. 198 Reaktion und Bismarckzeit ..,,,--M April :°- 1850 ,_ 50,11.1850 „. Nov. 1850 ,,.n«.»8si i8S3/«-,8s6 i8SS-l86i 1859 ,«(.1-1888 1861 2j.bcpl.l86i iKfi?.-i866 1863 16. Auf.-1863 ir,br..i. A«};. 1864 "' ,„. Okt. 1864 14. Ant:. 1865 .i,.ni.2Í>.l»lil866 0 ,. Jul i 1866 21. Aug. 1866 3. Sept. 1866 mi. Sept. 1866 1867 1867 17.A111Ü1867 1869 1 (Jul i 1870 iq.Juli 1870 bis 26. Fclit. 1871 2. Sep!. 1870 18. Jan. 1871 1(1 April 1871 1». M.vi 1871 1873 1875 ;j Juni-M. lull 1878 ii.Oki. 1878 7. dkl. 1879 i8.|iiiiii88i 2i). M li 1882 1883 1884 <8. linii 1887 ,.l.!ir?-is.Iiiiiii888 18K8-1918 1889 lo.M.u/ 1890 Erfurter Unionsparlament Wiedereröffnung des Frankfurter Bundestages Ölmützer Punktation Silvesterpatent (»Neoabsolutismus« in Österreich) Krimkrieg Regentschaft Wilhelms (I.) Von Preußen (»Neue Ära«) Sardinisch-Französisch-Österreichischer Krieg König Wilhelm I. von Preußen Gründung der Deutschen Fortschrittspartei Bismarck wird preußischer Ministerpräsident preußischer Verfassungskonflikt Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins Frankfurter Fürstentag 2. Deutsch-Dänischer Krieg Friede von Wien Gasteiner Konvention Deutscher Krieg Schlacht bei Königgrätz Friede von Prag (Auflösung des Deutschen Bundes) Annahme der Indemnitätsvorlage preußische Annexionen (Hannover, Kurhessen, Nassau, Frankfurt) Gründung der Nationalliberalen Partei österreichisch-ungarischer Ausgleich Verfassung des Norddeutschen Bundes angenommen Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Emser Depesche Deutsch-Französischer Krieg Schlacht bei Sedan Kaiserproklamation Wilhelms I. in Versailles Verfassung des Deutschen Reiches Friede von Frankfurt am Main Wirtschaftskrise (»Gründerkrach«) Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands Berliner Kongress Sozialistengesetz Zweibund Dreikaiserabkommen Dreibund Krankenversicherungsgesetz Unfallversicherungsgesetz Rückversicherungsvertrag Kaiser Friedrich Kaiser Wilhelmll. Alters- und Invaliditätsversicherungsgesetz Entlassung Bismarcks 199 HZ Wilhelminische Zeit (1890-1918) Einführung Der Zeitabschnitt von 1890, dem Jahr der Entlassung Bismarcks, bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918 wird in den Geschichtsbüchern das »Zeitalter des Imperialismus« genannt. Daneben findet sich auch die Bezeichnung »Wilhelminisches Zeitalter«. Welche Formulierung man für zutreffender hält, hängt allein vom Standpunkt des Betrachters ab. Der Imperialismusbegriff erscheint aus weltgeschichtlicher Sicht zweifellos angebrachter. Er deutet auf das diese Epoche charakterisierende Streben der europäischen und der neuen, außereuropäischen Großmächte (USA, Japan) hin, im Wettlauf miteinander sich durch den Erwerb überseeischer Kolonien eine Weltmachtposition aufzubauen. Aus deutscher Sicht ist auch die mit dem Namen des Kaisers verbundene Bezeichnung gerechtfertigt. Der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm IL, war sicher nicht die überragende Persönlichkeit wie der souverän die politische Szene beherrschende große Kanzler, der der vorhergehenden Epoche seinen Stempel aufgedrückt hatte. Aber der Lebensstil, den der Kaiser in seiner romantisch-altmodischen, spätabsolutistischen Auffassung vom Amt des Herrschers entwickelte und in seinem Auftreten, seinem Gebaren und seinen Äußerungen praktizierte, war zugleich der Lebensstil der Gesellschaft in diesem kaiserlichen Deutschland der Jahrzehnte um die Jahrhundertwende. Die Gesellschaft, das waren die alten und neuen Machteliten, die Großagrarier, Bankiers und Großindustriellen, natürlich das Offizierskorps und die höhere Beamtenschaft sowie die Mehrzahl der Hochschulprofessoren. Dazu gehörte auch die überwiegende Mehrheit des durch Wirtschaftswachstum und industrielle Entwicklung zu Wohlstand gelangten Bürgertums. Glanz und Gloria, Garderegimen- - Ä 46 ter und Kaisermanöver, Stapelläufe und i-tenparaden, Galauniformen bei jedom o -'.'■'" schaftlichen Ereignis: Der Nimbus deuu ' Weltmachtstellung und Weltgeltun» Iv, „■!' allem, erzeugte ein bisher nie gekannte, \\Z gefühl. Wahrhaftig, einen Aufstieg (ilintt'-. chen hatte das Deutsche Reich in den \tnl. fünfundzwanzig Jahren seit seiner ('ir-ind-*-' vollzogen! Ein Hauch dieses neuen di-uncK-.-" Wertgefühls war bis in die kleinbü r: wenn er »gedient« hatte und als Reservcnffi/..-in das Zivilleben zurückgekehrt war. 1 'ii>*■ m».. prägt wie nie zuvor. Der Kaiser selbst, der gern sein eigenet Kw:': sein wollte, war nicht die Persönlichb i 1, um í» Lücke auszufüllen, die mit dem Abii.in*- ii:*-mareks von der politischen Bühne in d er Roicl*.--fiihrung entstanden war. Er war obcrll.ichl:'". und sprunghaft in seinen Entscheidungen. ':'-Grunde unsicher, ließer sich oftvonMeinwu''- ,Bi*r-lter und Freunde beeinflussen und zu ,,-in*'r ' ' und unausgereiften Entschlüssen n'i*:z!'r ~aS »persönliche Regiment« des Mo-fc'nr '. ,t in Wirklichkeit eine Herrschafts-it"-"***"11,-verschiedene, oft miteinander riva-:'fí"'1 A Mächtegruppen und Kräfte auf den j:iiim /.ur Kenntnis genommen hat. [)c-r Aufsl ieg der Sozialdemokratie zur stärksten i{iiciisiaj--.f raktion 1912 trotz aller Beeinträchti-wjitgen durch den Staatsapparat, durch Polizei ■.:;id Bürokratie, beunruhigte die Machteliten /■.tiefst und bestärkte sie in ihrem Vorhaben, ■imh eine betont aggressive Außenpolitik ■:ciitbare ai 1 ßenpolitische Erfolge einzubringen. Auf diese Weise wollte man die innenpolitische typnsitif in zum Schweigen bringen, so wie sei-r.-.r/M Mismarck in der Situation des Verfas-sungskon il i kts mit dem Erfolgseiner Einigungs-oicje die oppositionellen Kräfte überwunden ■■"I'll:. Die Außenpolitik des Reiches in den letz-'■-■:i Vorkriegsjahrzehnten war weitgehend von ■ ■•-■er I lall 1 mg durchdrungen, die Risikobereit-*'".ifl 111 ilv üblicher Führungskräfte in der Juli-'•'•■V H)i.| entstammte dieser Einstellung. Wilhelminische Zeit »Der Lotse verlässt das Schiff«, so hatte vieldeutig die britische Zeitung »Punch« den Sturz Bismarcks in einer berühmten Karikatur kommentiert. Die Kündigung des von Bismarck mit Russland geschlossenen Rückversicherungsvertrages und der fast gleichzeitige Abschluss des Helgoland-Sansibar-Tauschgeschäftes mit Großbritannien 1890 ließen vermuten, dass das Reich auch in der Außenpolitik neue Wege zu gehen entschlossen war. Logisch wäre es nun für die Reichspolitik gewesen, sich intensiv um eine feste Verbindung mit Großbritannien zu bemühen, um die verhängnisvollen Folgen der Vertragsaufkündigung auszugleichen; denn prompt erfolgte die Annäherung der über die deutsche Haltung enttäuschten Russen an Frankreich. Die von Bismarck stets befürchtete, aber mit seinem kunstvollen Bündnissystem geschickt verhinderte Entwicklung war Wirklichkeit geworden. Das auf Revanche sinnende, bisher isolierte Frankreich gewann einen Bündnispartner, die Gefahr eines Zweifrontenkrieges war für das Reich nun nicht mehr auszuschließen. Aber weder der Kaiser noch die Reichsregierung trafen Anstalten, nun auf die britische Karte zu setzen. Von der eigenen Machtposition überzeugt, glaubte man abwarten zu können; Großbritannien müsse seiner schwerwiegenden Differenzen in Übersee mit Frankreich und Russland wegen eines Tages selbst die Anlehnung an die stärkste Kontinentalmacht, das Deutsche Reich, suchen. Aber nun setzte der forcierte Ausbau der Flotte ein, vehement von Wirtschaft, Industrie und nationalen Verbänden gefordert zur Absicherung des überseeischen Besitzes; er musste die führende Seemacht Großbritannien tief beunruhigen. Wäre diese Flottenpolitik diplomatisch vorbereitet worden und im Einvernehmen mit den Briten unter Einhaltung gewisser Beschränkungen erfolgt, hätte die Trübung des Verhältnisses zu den Vettern jenseits des Kanals durchaus vermieden werden können. Aber von Anfang an erhielt der Flottenausbau, vornehmlich durch die Hauptakteure um den Admiral von Tirpitz, eine deutliche Spitze gegen Großbritannien. Der bald einsetzende ungebremste Rüstungswettlauf wurde auf beiden Seiten von einem aufwendigen Propagandafeldzug begleitet, der in der Bevölkerung beider Nationen eine emotional aufgeladene Feindstimmung hervorrief. 9 Kapitel 9 Der Kaiser tat das Seine dazu, durch großsprecherische und ungeschickte Äußerungen die Briten vor den Kopf zu stoßen. Das Verhalten der deutschen Delegation auf den Haager Friedenskonferenzen war vom gleichen Geist geprägt und ließ erkennen, dass der Kaiser nicht bereit war, für die Sache des Friedens und der Verständigung in seiner Flottenrüstung Konzessionen zu machen. Der Anschluss Großbritanniens an die französisch-russische Entente war die logische Folge des deutschen Fehlverhaltens. So blieb dem Deutschen Reich als einziger Bündnispartner nur der habsburgische Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn, aber gerade die unglückselige Verstrickung der Donaumonarchie in die hochexplosiven Balkankonflikte riss das Reich nach dem Mord von Sarajewo in die Strudel der unentwirrbaren Interessengegensätze und nationalen Leidenschaften, aus denen schließlich, von niemandem gewollt, von allen Großmächten aber einkalkuliert, der große Krieg entstand. Die Deutschen hatten zum Schlieffenplan keine Alternative entwickelt. Sie begannen den Krieg und nahmen mit der Neutralitätsverletzung Belgiens fast schon fatalistisch die Kriegserklärung Großbritanniens in Kauf. Der Kaiser, der als »Oberster Kriegsherr« eigentlich hätte führen müssen, trat mehr und mehr in den Hintergrund. Die Begeisterung, mit der der Krieg in allen beteiligten Völkern begrüßt worden war, erlosch sehr bald im Grauen der Materialschlachten. Der von den Parteien im Reichstag verabredete Burgfrieden hielt nur bis zum Frühjahr 1916. Er zerbrach an der unterschiedlichen Einstellung zum Kriegsgeschehen und zu den heftig umstrittenen Kriegszielen. Die Rechtsgruppierungen bis in das Zentrum hinein unterstützten die diktatorisch auch in die Innenpolitik eingreifende 3. Oberste Heeresleitung Hindenburg/ Ludendorff und ihre Kriegführung, auch den uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Sie stellten immer neue, maßlos übersteigerte Kriegszielforderungen auf. Die parlamentarische Linke forderte Anstrengungen zur Beendigung des Krieges ohne Vorbedingungen und verlangte die Einlösung des Versprechens, den Parteien im Parlament Mitspracherechte zuzubilligen. Mit dem Kriegseintritt der USA und dem politisch-militärischen Zusammenbruch Russlands wurde das Jahr 1917 Krise und Wendepunkt des Ersten Weltkrieges.Der dem revolu- tionären Russland diktierte Friede Litowsk brachte für die Westfront nicht *^ hoffte Entlastung, ein Entscheidung»,,' *** Westen war nun vollends illusionär o«„ ^ * VotiB) Aber erst nachdem der Versuch, mit jahrsoffensive 1918 doch noch die milins Entscheidung zu erzwingen, gescheite« gab Ludendorff die Aussichtslosigkeit de b'* setzung des Kampfes zu, verlangte jetzt te ' lieh die sofortige Aufnahme von Waffo ür Standsverhandlungen und verordnete seih * seit Kriegsbeginn überfällige Parlamentjtji-rung der Verfassung. Mit dieser »RevolmJj' von oben« sollte den ungeliebten Parteien? undankbare Aufgabe zugeschoben weiden jT Waffenstillstand auszuhandeln. »Diese A» Revolution«, urteilte der Historiker Arthur» senberg ironisch, »ist in der ganzen Welt* schichte ohne B eispiel.« Aber es gab nichts mehr zu verhandeln i Chance, einen Frieden auf der Basis der ." Punkte des amerikanischen Präsidenten VWL< f son zu erhalten, war vertan. In Berlin wurdet Republik ausgerufen, der Kaiser ging ins fw nach Holland, die Sozialdemokratie überna» die Regierungsverantwortung, die Milife hielten sich abwartend im Hintergrund dk Machteliten blieben. In Compiěgne unter« schrieb der deutsche Delegationsführer, da Zentrumspolitiker Matthias Erzberger, dft Waffenstillstandsvertrag, der einer politische und militärischen Kapitulation gleichkam. Aj allen Fronten schwiegen die Waffen, der mörderischste Krieg, den die Weltgeschichte bisla erlebt hatte, war zu Ende. Dass ein Politikerd« Parteienkoalition, die den neuen, demokratischen Staat zu tragen bereit war, seinen Name unter diesen Waffenstillstandsvertrag gesettt hatte, sollte der jungen Republik, wie sich kB herausstellte, noch teuer zu stehen kommen. €|,1 Wilhelm IL | m. -í Geboren am 27. Januar 1859 als ältester Sohn (If preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhá|; des späteren Kaisers Friedrich III., kam di{ Prinz als Kaiser Wilhelm II. mit 29 Jahren iSjf nach dem Tode seines Großvaters Wilhelntj| und seines Vaters auf den Thron. Obwohl eilig junger Mann den Gründer des Reiches undui • stalter der deutschen Politik, Otto von Bisnudt'i. (>8.ii), glühend verehrt hatte, führte dieÄK sammenarbeit des jungen und selbstbewusste* h n mit dem greisen Kanzler bald zu yß& . jie mit Bismarcks Entlassung im p$eie 'endeten. Der Kaiser war entschlos-Jp* v t zU regieren und dem neuen Kanzler #< selbst jnehr die Handlungsfreiheit einzuräu- (0^,. gjsrnarck bei seinen Vorgängern be-^' hatte. Da er jedoch im Grund unsicher í«85 , jazU neigte, unter dem Einfluss seiner *" r spontane Entscheidungen zu treffen, ""tlí orher die Meinung erfahrener Experten ^A oiplomaten einzun°len> erhielt die deut-$ „.«tue bald den Anstrich des Unsteten und -jfLechenbaren. Vglich erschien der junge Kaiser den Zeit-«en als eul Repräsentant einer neuen Zeit. ý . jen Entwicklungen der modernen Tech-•k gegenüber aufgeschlossen, schien von so-■ \m Ideen erfüllt und wandte sich zunächst * »giert der Frage des erweiterten Arbeiter-tatzes zu, um die Arbeiterschaft für die Mo-srehie zu gewinnen. Der angekündigte »Neue !?«*{► 9-2)» m't ^em ^e mnenP0Utische Stagnation der letzten Jahre überwunden werden «Ute wurde allgemein begrüßt; das Sozialis-'gtqgcsetzi* 8.30) wurde nicht mehr verlängert. Aber das echte Verständnis für die soziale Problematik und die Situation der Arbeiterschaft feite ihm dennoch. Wilhelm IL besaß eine geradezu grotesk-altmodische, romantische Vorstellung von seiner Herrscheraufgabe, die sich bei ihm mit dem Be-fliUsstsein paarte, anderen überlegen zu sein. Seine Vorliebe für Prunk und militärisches Gepränge, für Paraden und Manöver führte in der deutschen Gesellschaft zu einer krassen Überschätzung des Soldatentums und brachte dem Deutschen Reich den Ruf ein, eine Hochburg des Militarismus (r-9.5) zu sein. Zu dieser Ein- .7- r%\ Wilhelminische Zeit Schätzung trugen das Auftreten und die forschen Reden Wilhelms IL bei, in denen oft ein kriegerischer und säbelrasselnder Ton vorherrschte, obwohl er im Grunde seines Herzens ein friedliebender Mensch war. Mit der ihm besonders am Herzen liegenden Flotte und ihrem durch Alfred von Tirpitz betriebenen, vom Kaiser gedeckten immensen Ausbau zog sich Deutschland schließlich in seiner gefährlichen Mittellage zwischen den bereits verbündeten Mächten Frankreich und Russland auch noch die Feindschaft Englands zu. In der Julikrise 1914 (>9.i4) ermunterte er Österreich-Ungarn, gegen Serbien als Hort der Verschwörung mit äußerster Schärfe vorzugehen, versuchte dann aber, als sich die Ausweitung zum großen Krieg anbahnte, noch verzweifelt über die »Verwandtschaft der Throne« die Entwicklung zu stoppen. Während des 1. Weltkrieges trat der Kaiser immer mehr in den Hintergrund, besonders seit 1916 die 3. Oberste Heeresleitung (►9.21) von den erfolgreichen Heerführern Paul von Hindenburg (ŕ-10.29) und Erich Ludendorff (V9.30) übernommen worden war. Bei Ausbruch der Novemberrevolution 1918 (9. November 1918, *-io.i) riet ihm der letzte kaiserliche Reichskanzler zurückzutreten, um die Monarchie zu retten. Aber erst als die im Hauptquartier versammelten Armeeoberbefehlshaber ihm deutlich machten, dass das Frontheer nicht mehr hinter ihm stehen würde und nicht gewillt sei, unter seinem Kommando gegen die Revolutionäre in der Heimat zu marschieren, entschloss er sich abzudanken und nach Holland ins Exil zu gehen. Hier lebte er bis zu seinem Tod am 4. Juni 1941, ohne auf die Entwicklung in Deutschland noch einmal Einfluss zu I Postkarte aus dem Ersten Weltkrieg, die Wilhelm IL (links) zusammen müden verbündeten Monarchen zeigt. Neben dem Deutschen Kaiser Franz-Joseph I. (Österreich - Ungarn), Sultan Mohammed V. Reschad (Osmanisches Reich) und Zar Ferdinandi. (Bulgarien) 203 „,,.; '■ '■##<'. ' KAPITEL 9 nehmen. Auf Geheiß Hitlers wurde Wilhelm IL in Doorn mit militärischen Ehren beigesetzt. €J,2 »NeuerKurs« Als Wilhelm II. im März 1890 den Reichskanzler Otto von Bismarck (^8.11) entlassen hatte, verkündete er, er werde den bewährten Kurs fortsetzen. Aber es kam dann doch sowohl in der Innen- wie in der Außenpolitik zu grundlegenden Veränderungen, die als »Neuer Kurs« bezeichnet wurden und die im Zusammenhang mit dem von Wilhelm IL (>g.i) angestrebten »persönlichen Regiment« standen. Ursprünglich war die Bezeichnung »Neuer Kurs« vor allem auf innenpolitische Maßnahmen bezogen, die im Gegensatz zur Innenpolitik Bismarcks neue Wege anzeigten und eine Politik der Versöhnung mit der Arbeiterschaft sowie mit anderen Gruppen der Gesellschaft anstrebten, die zu Bismarck in schroffer Opposition gestanden hatten. Das Sozialistengesetz (^•8.30) wurde nicht wieder verlängert. Mit einer umfangreichen Arbeiterschutzversicherung sollte die Masse der Industriearbeiter von der Sozialdemokratie (r-8.28), die in der Reichstagswahl vom 20. Februar 1890 soeben die stärkste Partei geworden war, getrennt und mit dem Staat versöhnt werden: generelles Verbot der Sonntagsarbeit fur Kinder und der Fabrikarbeit für Kinder unter 13 Jahren, Begrenzung der Arbeitszeit für Frauen auf elf Stunden täglich, für Jugendliche unter 16 Jahren auf zehn Stunden. Gewerbegerichte sollten zukünftig betrieblichen Streit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern schlichten. Als es nicht gelang, die Arbeiterschaft der Sozialdemokratischen Partei zu entfremden und die Sozialdemokratie ihre Opposition gegen die Regierung nicht aufgab, verlor Wilhelm IL bald sein Interesse an dem sozialen Programm und ging wieder zu der repressiven Politik Bismarcks über. Die im »Neuen Kurs« besonders von dem Nachfolger Bismarcks, Reichskanzler Graf Leo von Caprivi, betriebene Handelspolitik schuf mit der Öffnung der Auslandsmärkte für die deutsche Industrie bei gleichzeitiger Auflockerung der bisherigen Schutzzollbestimmungen die Voraussetzung für den Aufschwung der deutschen Wirtschaft, rief aber auch den heftigen Protest der Großgrundbesitzer hervor, die im 1893 gegründeten »Bund der Landwirte« eine mächtige konservative Interessenvertretung besaßen. 1 204 Verhängnisvoll wirkten sich die im Kurs« vorgenommenen Veränderung™'-'^ deutschen Außenpolitik aus, vor all, n°" tin , NichtVerlängerung des Rückversichern,.. Ö'' träges (►8.35) mit Russland. Die nem..^'*' rung glaubte, der Rückversicherung..?"' mit Russland widerspreche den mit n"'-reich-Ungarn geschlossenen Vereinbir *" und schütze das Deutsche Reich nicht v 6"' nem französischen Angriff. Der Kaiser.v-u'1 sich dieser Ansicht an. Obwohl Russia.■"' Zugeständnissen bei der Neufassung de-V träges bereit war, beharrte die deutsche s. ■ auf der Ablehnung, die zudem noch in uijdi'~ matisch schroffer Form mitgeteilt wur-friedlich beigelegt und der Besuch eim"; rir-s:-sehen Geschwaders in Toulon im Oktolvri:-gleichen Jahres ohne britischen Protest vir!:.: musste die Reichsregierung erkennen, d.i« ihf Außenpolitik gescheitert war. Der Věrou sich über wirtschaftliche Zugeständnis »-der an Russland anzunähern, scheitelte rf':"-falls. _9 .J Imperialismus Die Zeit vom letzten Drittel des ig.Jahihur.-derts bis zum Ausbruch des 1. Weltkriege *'■'• . j„ )]•; die klassische Epoche des Impe-.Cniiľ" iiiviichnet. In dieser Zeit begannen ' ■'.'■íropiii^ben Großmächte, unterentwi-j '.".,, mcjsi nl lerseeische Gebiete als Kolonien í ľLén Machtbereich einzubeziehen und auf .. Wciii; Weltmächte zu werden. Standen "^ \nf.in[; diT Kolonialpolitik wirtschaftliche • ...u,.^uri im Vordergrund (durch den Erwerb !..-, Kolonien sollten die eigene Rohstofflage ..--bcw.-ri inu! zusätzliche Absatzmärkte für riheimiwliť Industrie gewonnen werden), so s- »ten in dem bald einsetzenden Wettlauf der Simonen um den »Platz an der Sonne« auch ..riiagigMi^iugische Gesichtspunkte eine ent-.■hiiöende KiiUe. In diesen Wettstreit griffen „ist Endo des Jahrhunderts auch die neuen Wímiclilť l SA und Japan ein. ;,.?Aiiftrilimi! der Erde auf Kosten der nicht-■,.ftii Bi'viilkerung wurde in Europa und den \.~-\ durili pseudowissenschaftliche Thesen , i den Str/i.ildarwinismus, der das Recht des Vetren vi'i 11 it) gestützt und gerechtfertigt. ^Ksditand beteiligte sich ab 1890 intensiv am :.|)crialisti-ii-ln;n Weltmachtstreben. Aller-'..',35 konnU'ii die in dieser Phase erworbenen S''!onien in Ostasien und im Pazifik in ihrer 'ľ-äutun;; den Vergleich mit den kolonialen ::oirbunt'en der Bismarckzeit nicht aufneh-"in.Trager der neuen deutschen Kolonialpoli-Vj.jron vor allem die Deutsche Kolonialge-■ishifi, der Alldeutsche Verband^ 9.4) und '■■ŕlotiĽiivriiiin, die mit einem gewaltigen ,;?'rindi ml wand die Flottenpolitik (r-g.6) -•Kaisers und seines Marinestaatssekretärs ''cd von l ii pitz massiv unterstützten. Dass 1 das fluni sehe Reich mit seinem Welt- WlLHELMINISCHE ZEIT ■4 Die Politik der imperialistischen Mächte wurde in Deutschland auch kritisch gesehen, wie diese Karikatur der britischen Vorgehensweise zeigt. »Krieg und Kapitalismus oder die Verwandlung von Menschenblut in Gold« stand unter dem in der Zeitschrift »Der wahre Jacob« vom 5. Dezember i8g9 veröffentlichten Farbdruck machtstreben und seiner hastigen Flottenrüstung die Feindschaft Großbritanniens zuziehen musste, wollte man nicht sehen, und so hingen sowohl der Kaiser wie die Verantwortlichen in der Reichsregierung, aber auch die Mehrheit des die imperialistische Politik mittragenden konservativen Bürgertums dem irrigen Glauben an, dass Großbritannien wegen seiner Gegnerschaft zu Russland und Frankreich das Bündnis mit Deutschland suchen müsste. CJ.-4 Alldeutscher Verband Als Reaktion auf den am 1. Juli 1890 mit Großbritannien abgeschlossenen Helgoland-Sansibar-Vertrag, durch den das Deutsche Reich im Tausch gegen ostafrikanische Gebiete die Nordseeinsel Helgoland erhielt, entstand in Deutschland die überparteiliche, nationalistische Bewegung der Alldeutschen, die sich 1891 im Alldeutschen Verband eine einflussreiche Organisation schufen. Sie forderten die Stärkung des deutschen Nationalbewusstseins in enger Verbindung mit völkischen und imperialistischen Zielen, eine wesentlich aggressivere deutsche Kolonialpolitik und den raschen Ausbau der Flotte als dem Instrument, mit dem am wirkungsvollsten deutsche Weltmachtstellung demonstriert werden konnte. Der radikal-chauvinistische Alldeutsche Verband blieb zwar in seinen Mitgliederzahlen relativ begrenzt- die höchste Mitgliederzahl betrug etwa 40 000 -, verfügte aber über einflussreiche Verbindungen zur Regierung und zu den engsten Beratern des Kaisers. Mit seiner vom Sozialdarwinismus geprägten politischen 205 -' - Kapitel g Grundeinstellung, die dem Recht des Stärkeren über den Schwächeren absoluten Vorrang einräumte, war von Anfang an ein rassistisch begründeter Antisemitismus verbunden. Im i. Weltkrieg waren es vor allem die Alldeutschen, die mit weit überzogenen Kriegszielvorstellun-gen (*■ 9. 20) die Atmosphäre vergifteten und so von vornherein jede Möglichkeit ausschlossen, mit der Gegenseite zu einem Verständigungsfrieden zu kommen. Ihre Forderungen nach deutschem Lebensraum (*■ 11.30) und Zurückdrängung fremden Volkstums kehren im Programm der Nationalsozialisten (> 10.35) und in Adolf Hitlers (>n.2) Buch »Mein Kampf« wieder. 9. 5* Militarismus Das Schlagwort »Militarismus«, entstanden in Frankreich um 186 o, bedeutet eine Überbewertung militärischen Denkens auch im nicht militärischen, zivilen Lebensbereich, eine Überbetonung militärischer Formen in nahezu allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens, vor allem auch in der Erziehung und Ausbildung der jungen Generationen. Schließlich bezeichnet »Militarismus« die Vorherrschaft des Militärs und militärähnlicher Institutionen in einem Staatswesen im Unterschied zu zivil ausgerichteten Demokratien, in denen dem vorhandenen Militär eine begrenzte und gesetzlich verankerte Funktion zugewiesen ist. In Preußen-Deutschland hatte das Militär schon aus langer Tradition eine bevorzugte Stellung inne. Auch in den anderen Staaten Europas, die sich jetzt im Zeitalter des ausgeprägten Nationalismus und Imperialismus um einen vorderen Platz in der Weltrangordnung bemühten, spielten das Militär, Uniformen und Paraden eine große Rolle. Aber erst Kaiser Wilhelm IL (> 9.1) verhalf durch seine Vorliebe für militärische Schauspiele jeder Art, durch die Bevorzugung militärischer Umgangsformen, durch sein persönliches Auftreten in der Öffentlichkeit in immer wieder neuen Uniformen, dem Soldatenstand zu einer Spitzenstellung in der Rangordnung der Nation, die ihresgleichen in der Welt nicht hatte. Der Militärdienst wurde zur »Schule der Nation« aufgewertet. Wer gedient hatte, galt mehr in der Gesellschaft, wer in seiner beruflichen Laufbahn vorankommen wollte, musste natürlich Reserveoffizier sein. Hinzu kam die große Leiden- ~ 206 schaft des Kaisers, die allerdings von 1 wiegenden Mehrheit des Volkes mit1'1*" wurde, für die kaiserliche Marine de"]?1'" »liebstes Kind«. So hat sich bei ausl.mj| / Besuchern und kritischen Beobachtei n I ' ^ druck festgesetzt und in der Welt v k'1 dass die politische Kultur des Deutsch ''" ches in der Wilhelminischen Zeit-und 1 . hinaus - in besonderem Maße vom M ľ"" mus geprägt war. °:' _9»6 Flottengesetze-Flottenbau Der vom »Neuen Kurs« (> 9.2) der Reich., rung unter der Regie Kaiser Wilhelm* U uV seit 1890 betriebene Übergang der deuiv'.' Politik zur Weltmachtpolitik und die auf v'-'. weite Expansion zielende deutsche H mdel»-litik ließen beim Kaiser, seiner Regierungt". ,rll jn Wirtschaft und Großindustrie ,..'• ° 11 jiuTzeugung reifen, dass zur Absiche-''"" Cf jngestrebten politischen und wirt- Die Absicht Deutschlands, im Wettstreit der imperialistischen Afnu'iff ebenfalls einen »Platz an der "mihmi zu erringen, setzte die Fähigkeit voraus, als Seemacht zu agieii n Admiral Tirpitz, auf dem Bill ah Poseidon vor Helgoland karikiei t. baute ab 1898 die deutsche Flv'tszif zweitstärksten der Welt nach cfaje-nigen Englands aus ■;;íiií^» Weltmachtstellung eine starke ' Ĺ, Kriegsflotte unerlässlich war. '■" *• 'licrk'gting611 wurden zu einem konkre-■ :'i ficnMiprogramm, seit 1897 Admiral Al-'■ '[ irpitz Staatssekretär im Reichsmari-'"•J' ,Wf,rden war. Besessen von der Idee, als ""■ "■"■ res /eichen deutscher Weltmachtstel-' ■'"" „,• ^i.irke Flotte aufzubauen, machte Tir-' "j,? Rťiihsmanneamt zur Propagandazen- ;, t jL.jni; Flottenpläne. Mit Vorträgen, Ver-"' jinnsjon und Werbeschriften wurde eine .j.i!iinip-igrie gestartet, an der sich Univer-'"' ,r0[c>soren, Marineoffiziere und der von ''' miigegründete »Deutsche Flottenver-■.|h,.ieili(ii:en, und eine Marinebegeisterung ;,r Bevölkerung entfacht, die mit dazu bei- ',.. J ľo »lis von Tirpitz eingebrachte Flotten- ji/uiul 'lie zum Ausbau der Schlachtflotte i' ■otiiii«-*11 erheblichen Etatgelder vom Reichs- jbíWilliiíi wurden. fjnindi'i wurde das Gesetz mit dem Argu-.-[ die di'Utschen Handelsinteressen in der vli innren durch eine starke Flotte ge-iiü/i weiden. Für Tirpitz selbst war jedoch -ijifid dei eigentliche Gegner des Deutschen ■,?;iw, 1Ľ1 seinem Streben nach Weltgeltung -VItff! "iiand. Schon 1900 legte er mit dem (fiwii Moitengesetz ein weiteres beträchtli-tsAii-l'-m Programm vor. Die in dieser Zeit „fciidi.il deutsch-britischen Verhandlungen ,:;r eine Abstimmung der Flottenstärken ^niiioru'ii \or allem an der deutschen Über-■■blichiioii In der Propaganda, vor allem be-,-iebon vom »Deutschen Flottenverein« und .3 Allth'iii-ichen Verband (^-9.4), kam jetzt ..-.olinieiiii ein englandfeindlicher Ton auf. hglind win de als habgierige Macht dargestellt, '.'ciferMulitig darauf bedacht sei, ihren Vor-:-uii« ,ils erste Seemacht der Welt nicht zu .■!:iTon. I nigekehrt breitete sich in der engli-■:n l'uhli/istik ein hochgradiger Deutschen- ""3US. 1 -im ■ľniente cordiale« führenden britisch-■j/oMsiiii-ii Bündnisabsprachen 1904 wirk-■ in Drui-chland wie ein Schock, da weder '.'Kik't noch der Reichskanzler (von 1900 bis ■■í ľuiM Bülow) eine Verständigung zwi-"..|| den beiden Mächten wegen ihrer kolo-•') (ief'i'iisätze für möglich gehalten hatten, ■".-'nul lnu lerte seine Flottenrüstung mit dem Wilhelminische Zeit Bau schneller, gepanzerter und mit schwerer Artillerie bestückter Großkampfschiffe der »Dreadnought«-Klasse (»Fürchtenichts«, benannt nach einem 1905/06 gebauten großen britischen Linienschiff). Die Deutschen zogen nach, 1906 wurden vom Reichstag weitere enorme Ausgaben für den Bau der superschwe- ▲ Die deutsche Flotte war nicht nur »des Kaisers liebstes Kind«, sondern auch ein wichtiges Element in der Rivalität der Großmächte. Ihr Bau trug wesentlich zur Gegnerschaft zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien und damit letztlich zur Isolierung Deutschlands bei. Das Bild zeigt das 1908 vom Stapel gelaufene Linienschiff »Nassau« ren Schlachtschiffe bewilligt, für die der Nord-und Ostsee verbindende »Kaiser-Wilhelm-Kanal« sowie der Kriegshafen Wilhelmshaven ausgebaut werden mussten. Dennoch gab es von beiden Seiten wiederholt Versuche, den Rüstungswettlauf zu beenden und eine Absprache über die Flottenstärken zu erreichen, vornehmlich seit auf deutscher Seite im Reichskanzleramt Theodor von Bethmann-Hollweg Fürst Bülow abgelöst hatte (ab 1909). Der neue Kanzler setzte in der Außenpolitik auf einen Ausgleich mit England und versuchte, seine Flottenbegrenzungspläne durchzusetzen. Von britischer Seite wurde 1912 noch einmal ein Verständigungsversuch unternommen mit dem Besuch des kompromissbereiten Kriegsministers Haidane in Berlin. Auch diese letzte Ausgleichschance wurde vertan, scheiterte am gegenseitigen Misstrauen, vor allem aber, weil der Kaiser es strikt ablehnte, über »seine Flotte« überhaupt zu verhandeln. 207 ," 58 jßl -" " ""I KAPITEL 9 (),J Bagdadbahn Im Zuge des wirtschaftlichen Imperialismus j (*•9.3) waren gegen Ende des 19. Jahrhunderts deutsche Banken in Zusammenarbeit mit der deutschen Schwerindustrie in den Eisenbahnbau im türkischen Kleinasien eingestiegen und hatten 1899 die »Anatolische Eisenbahngesellschaft« gegründet. Neben anderen Wirtschaftsaufträgen erhielt die Gesellschaft vom türkischen Sultan die Konzession zum Bau einer Eisenbahnlinie, die von Konstantinopel bis Bagdad reichen und später bis zum Persischen Golf verlängert werden sollte. Mit diesem Projekt stieß das deutsche Wirtschaftsunternehmen jedoch auf britische und russische Interessen im Vorderen Orient. Die amtliche deutsche Politik stand deshalb anfanglich dem Bau der Eisenbahnlinie zurückhaltend gegenüber und unterstützte ihn kaum. Der im Jahre 1903 begonnene Bau der Bagdadbahn wurde dennoch zu einem Politikum. Hier aber hat die deutsche Regierung, anders als in der Flottenpolitik, erstaunliches Augenmaß bewiesen und sich erfolgreich bemüht, die unvermeidlichen Spannungen mit Russland und Großbritannien in Grenzen zu halten. Zwar hatte die Orientreise des Kaisers 1908 anfanglich den Eindruck erweckt, das Deutsche Reich sei nun im Begriff, die Schutzherrschaft über die 300 Millionen Muslime zu beanspruchen. Aber es gelang dann der um Ausgleich bemühten Politik der Reichsregierung doch, trotz des Weiterbaues der Bahn und der Betonung der traditionellen Freundschaft mit der Türkei, 1911 ein Abkommen mit Russland über den Anschluss der russischen Bahn in Persien an die Bagdadbahn zu schließen. Und mit Großbritannien wurde die in den Balkankriegen 1912/13 praktizierte Zusammenarbeit zur Friedenssicherung noch im Juni 1914 mit einem Vertragsabschluss über den Weiterbau der Bahn von Basra bis zum Golf unter britischer Regie fortgesetzt. Dieses Abkommen konnte jedoch infolge des Kriegsausbruches nicht mehr ratifiziert werden. G),q Schlieffenplan Dieser von dem Chef des Generalstabes der preußischen Armee, Alfred Graf von Schlief-fen, 1905 entwickelte Strategieplan für den Fall Mk Alfred Graf von Schlieffen, i8qi-.j„0, Chef des preußischen Generalstabs ' Schöpfer des nach ihm benannten deutschen Kriegsplans für den Fall eines Zweifrontenkrieges eines Krieges ging von der Annahme eines Zweifrontenkrieges aus, in den das Deutsche Reich durch die verbündeten Mächte Frankreich und Russland verwickelt werden könnte. Der Plan berücksichtigte die schwierige Situation der deutschen Mittellage, die die deutschen Militärs zwinge, mit dem Großteil der deutschen Streitkräfte in der ersten Kriegsphase durch einen überfallartigen Überraschungsschlag die Armeen Frankreichs auszuschalten, um dann die gesamte Heeresmacht dem russischen Aufmarsch entgegenwerfen zu können. Der Plan, neben dem es eine Alternative nicht gab, war militärtechnisch und strategisch genial, in seinen Auswirkungen aber fatal. Et setzte voraus, dass der deutsche Angriff so früh wie möglich erfolgte, um Frankreich gegenübe! den Überraschungseffekt voll auszunutzen. Dazu kalkulierte er von vornherein die Verlet-zung der Neutralität Belgiens ein. Im ersteren Falle bedeutete dies, dass in der auf den Krieg zusteuernden Krisensituation die Militärs die Politiker drängen würden, den Krieg zu beginnen, noch laufende Verhandlungen abzubrechen, damit die Angriffsoperationen so früh wie möglich gestartet werden konnten. Im Falle ^s^mmei 208 ,lu ítsverletzung Belgiens aber würde niiiun mit Sicherheit an der Seite ,r.j;;iir. r'f r!'c'l,s in den Krieg eintreten. ''"n"1 '.aitiven Auswirkungen des Planes ha-■k' " ilor Julikrise (^9.14) vor Ausbruch ,::h m V'likiieges eingestellt: Die deutsche Po -',; , r íiiclit mehr Herr ihrer Entschlüsse, J,| j Clenerale zum Losschlagen drängten. '''' * 1 ■ cl.is Reich, indem es Russland am 1,1 1,1, [nnkreich am 3. August als erste í den K lieg erklärte, vor der Weltöffent- ''i'i. -tziini Aggressor. Die Verletzung der bel- ''"'■"■.'n Nein 1 alität löste erwartungsgemäß den ■" 'euitriii Englands aus (4. August). Auch !?ljberi.i^n.ungsschlag gelang schließlich '\. d'i' französischen Armeen konnten viel-' ■"' untt'i-.1 ützt durch britische Divisionen, ■__'.' „liehet 1 Vormarsch in der Marneschlacht *' 16) sicippen und damit zugleich das ganze „,,pi di'-. Schlieffenplanes zum Einsturz - ng«.1" qO Haager Friedenskonferenzen Such in den Jahrzehnten vor dem 1. Weltkrieg, h durch ein allgemeines Wettrüsten gekenn--;chnet sind, gab es bereits eine internationale fnedensbewegung, die besonders in den west-Uen Ländern eine breite Anhängerschaft be-ijS. Auf Initiative des russischen Zaren Niko-bjsll.kam die erste Haager Friedenskonferenz Stande, an der 26 Staaten, darunter neben altaieuropäischen auch China, Japan, Siam, Medio und die USA, teilnahmen (18. Mai bis ij.Juli 1899). Gemessen an den hohen Erwar-raigen war das Ergebnis enttäuschend. Man Mutierte u. a. die Einrichtung eines ständigen aernatíonalen Schiedsgerichtshofes, der zu-fliftig Streitfalle der Staaten auf dem Verhand-jgswege regeln sollte, aber keine der Groß-ádite war bereit, sich in ihrer Souveränität iirch eine neutrale Schiedsstelle einschränken a lassen, Angenommen wurden schließlich '-■eiAbkommen: 1. Abkommen zur friedlichen ädigung internationaler Streitfalle, 2. Ab-anrnen über die Gesetze und Gebräuche des iadkrieges, 3. Abkommen über die Anwen-Jig der Grundsätze der Genfer Konvention 'ä 22.8.1864 auf den Seekrieg. l"«e Abkommen wurden auf der zweiten Haa-3 Friedenskonferenz, an der nahezu alle Staa- WlLHELMINISCHE ZEIT ten der Erde (45) vom 15. Juni.bis 18. Oktober 1907 teilnahmen, ergänzt. Der Versuch der britischen Regierung, die Begrenzung der Flottenrüstung auf die Tagesordnung der Konferenz setzen zu lassen, wurde in den Vorverhandlungen von der deutschen Regierung in so schroffer Form zurückgewiesen, dass sich nun der Eindruck festsetzte, dass das Deutsche Reich und vorrangig auch der Kaiser der Flotte zuliebe jede internationale Friedens- und Abrüstungsinitiative torpedieren würden - zumal sich schon auf der ersten Konferenz besonders die Deutschen in dem Widerstand gegen die geplante Schiedsstelle hervorgetan hatten. Schließlich wurden von der Konferenz 13 Abkommen angenommen, von denen aber nur zwölf auch tatsächlich ratifiziert wurden. Problematisch und umstritten blieb die Übereinkunft über die Gesetze und Gebräuche des Seekriegs, die erst 1909 in der Londoner Seerechtsdeklaration verabschiedet, aber nie ratifiziert wurde. Den Haager Friedenskonferenzen kommt trotz ihrer geringen Erfolge eine historische Bedeutung zu: Die Staatengemeinschaft hatte begonnen, sich über gewisse Bereiche des Völkerrechts Gedanken zu machen. Die Frage der Rüstungsbeschränkung war erstmals ernsthaft angesprochen worden (durch Russland). Die Forderungen nach Abrüstung und Völkerverständigung sind seitdem nicht mehr verstummt. Die Bemühungen, zur Sicherung des Friedens in dieser Richtung Fortschritte zu erzielen, reichen von den Haager Friedenskonferenzen über den Völkerbundiqiq (*-10.27) und die Vereinten Nationen 1945 bis zu den Genfer Verhandlungen der Supermächte in unseren Tagen. 9.IO Daily-Telegraph-Affäre Der deutsche Kaiser hatte schon mehrfach durch spontane öffentliche Äußerungen außenpolitischen Ärger und innenpolitische Verstimmung verursacht, so mit der Krüger-Depesche im Burenkrieg 1896, in der er dem Präsidenten der Südafrikanischen Republik, P. Kruger, zur Abwehr des Einfalls bewaffneter britischer Siedler gratuliert hatte und damit Großbritannien vor den Kopf stieß, oder mit der unseligen »Hunnenrede« während des so genannten Boxeraufstandes in China 19 00, in der er die Soldaten des deutschen Expeditionskorps auf- zog Kapitel 9 ''uv ■'•> \ rief, gegen die aufständischen Chinesen grausam und rücksichtslos wie Hunnen vorzugehen. Dieser Vergleich deutscher Soldaten mit Hunnen wurde im 1. Weltkrieg von der Kriegspropaganda der Alliierten weidlich gegen die deutsche Kriegführung ausgeschlachtet. Die Daily-Telegraph-Affäre wurde ausgelöst durch ein Interview des Kaisers, das aus Gesprächen mit einem britischen Offizier anlässlich eines privaten Urlaubs in England zusammengestellt und am 28. Oktober 1908 in der britischen Zeitung »The Daily Telegraph« veröffentlicht wurde. Sie führte in Deutschland zu einer Krise des monarchischen Systems. In dem Interview stellte der Kaiser sein ständiges Bemühen um ein freundschaftliches Verhältnis zu Großbritannien heraus, mit dem er im deutschen Volk jedoch nahezu allein dastünde. Die deutsche Flottenrüstung sei nicht gegen England gerichtet, sondern allein zum Schutz des deutschen Welthandels. England werde vielleicht noch eines Tages froh sein, sich bei seinen Unternehmungen in Ostasien auf die Hilfe der deutschen Flotte stützen zu können. Im Burenkrieg habe er einen Bund der Kontinentalmächte gegen England verhindert und für seine Großmutter, die britische Königin Viktoria, einen Feldzugsplan entworfen, der offensichtlich dem britischen General als Vorlage gedient habe. In Großbritannien empörte man sich über die Anmaßung des Kaisers, er habe gewissermaßen den Burenkrieg entschieden, sein Liebes-werben um England wurde mit Hohn und Spott überschüttet und als unaufrichtig abgetan, da er durch seine Flottenaufrüstung Großbritannien zu übermäßig hohen Ausgaben gezwungen habe. Auch in Deutschland war die Entrüstungbei allen Parteien groß, weil sich der I Das im Rahm, „j internationale,, s',f,.. macht zur Ni<;lrr!'"" schlagung dei),sj,llr nach dem Ko,,,,,,,,,^' »Germans toi l„. fr einen wichtiľ,r„ /:m'|'|.' tungsangriff,l„nll Kaiser als allein verantwortlicher | ■Lite; (. deutschen Politik hingestellt habe. Mj( ,,„■„ i naiv-offenen Enthüllungen und toi1'""' selbstgefälligen Taktlosigkeiten h.ilii- ci '■ Ansehen des Reiches und der deiiKclicnu narchie Schaden zugefügt. Zwei lj^. ,,., t-und 11. November 1908, debattierte tier Rci-i-tag über die Affäre. Der Kaiser saß »ewis^.» ßen auf der Anklagebank. Auch die kons .IV1'.' ven Parteien verlangten, dass sich der Kii;,-,,. Zukunft zurückhalte und Abschied vom ,i-sönlichen Regiment« nehme. SPD und r.ri;;, nige Partei versuchten die Stunde der Kriii!;, einer Verfassungsänderung zu nutzen, um lr, Parlamentarisierung nach westeuiop'iHii;: Vorbild durchzusetzen. Aber dafür w.u Jk-?..-noch nicht reif. 9 • 11 Marokko krir.eiiy »Panther spr í" tig Die deutsche Reichsregierung war Mshvrinŕ rer Politik davon ausgegangen, die wcltput. sehen Interessengegensätze zwischen (1ru&:. tannien und Frankreich sowie zwKilu'ii Unland und Großbritannien seien so iimihcruir: j lieh, dass das Deutsche Reich jederzeit •■i-ir-;-jeweiligen tagespolitischen Interes-scn cnt*;:-. chend die Akzente seines Handelns ľinmiil" Richtung Großbritannien, einmal in Kichií"; Russland stärker setzen könne. D0J1 (Ircfe. tannien und Frankreich verständigt ľn sidi 150: über ihre kolonialen Ansprüche. Der Ab'chhi-dieser »Entente cordiale« (»herzliuic-. 1-imf: nehmen«) zerstörte jäh alle Illusionen in Biii' man begann zu ahnen, dass Großbi iianiiitn;-" Begriff war, ganz in das Lager der 1-cin.-Deutschlands überzugehen. war im britisch-französischen Kolo- ! *li!i,y" irnen zum Interessengebiet Frank- ■::>:>' i,]Jttworden. Auf die im Sommeri904 ' :-'""S .ne »friedliche Durchdringung« des "'■""f. ilirch Frankreich glaubte die deutsche •'"!!. .i>ii:rung zur Wahrung ihrer Handelsin- '!''"', in dieser Region reagieren zu müssen. ! ■'"? ■ ,n/ler Fürst von Bülow inszenierte den ■ ,:" h des Kaisers in Tanger am 31. März 1905, ' ''-1 diirfh die Souveränität des Sultans von ■"' a0 /ü unterstreichen. Der Kaiserbesuch : '''"'. , bi-iiächtliches Aufsehen. In Frankreich 1 '"'"'-híí'1-' rnan> Deutschland sei zum Krieg I ' "'j i(),,en, die günstige Situation ausnut- 1 -t Ja Russland, der Bündnispartner Frank- "+« in dieser Zeit in Ostasien in einen Krieg ■:! |jp-,n 'm verwickelt war. Die französischen hi'. Kicn m't ^em Deutschen Reich über "' Interessenausgleich zu arrangieren, ■-»•c der Reichskanzler ab und setzte eine in- ..,,tioiijle Konferenz durch, auf der Frank- ■l.s Ausdehnungsdrang in Marokko Schran- . gefct/t werden sollten. Aber auf der im . .-.micr i')o6 in Algeciras stattfindenden Kon- ;. .-z war nicht Frankreich, sondern das Deut- .-eReich mit seinem Vorhaben isoliert und ,;ii> eine diplomatische Niederlage hinneh- - a. Frankreich blieb in Marokko mit Vorrech- ■ - .we^tattet, die deutschen Handels- und '.'..íKiuľtsrechte erkannte Frankreich jedoch .lir.i'in zweiseitigen Abkommen im Februar :.jj!is(liiicklichan. :! ruhjali r 1911 nahm Frankreich Unruhen im ■ ■■„!; /um Anlass, mit der militärischen Beset-: .'ij Marokkos zu beginnen. Jetzt reagierte die -.id.sregierung mit der Entsendung des Kano-■.■ŕooles »Panther« nach dem marokkani-.:cn Haien Agadir. Das war Politik hart am '■■■:,ie dos Krieges. Das Deutsche Reich war an ■ ihbírvii. Marokko den Franzosen zu überlas-.'., K ľni derte aber für dieses Entgegenkom--;:idis fr mzösische Kongogebiet. Frankreich ' cb jedoch unnachgiebig und lehnte die deut- ho Tonlcrung, gestützt auf die Rückende-i-.r.i; dnrih Großbritannien, ab. Nach zähen '■'.■'nindliiiigen musste sich das Reich mit ei-":nTeil(!L'l)iet des französischen Kongo zufrie-■'■- fiehen. In der deutschen Öffentlichkeit ■-Mí das Ergebnis als schwere diplomatische ■ —criajíĽ angesehen, im Reichstag wurde der ":."liskan/ler beschuldigt, eine schwächliche ■■'■lang .111 den Tag gelegt und »gekniffen« zu (),12. Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn/ Balkankriege Der Zweibund zwischen dem Deutschen Reich und dem Habsburgerreich, das sich seit dem Ausgleich mit Ungarn 1867 (>■ 8.17) Kaiser- und Königreich Österreich-Ungarn nannte, bestand seit 1879 als Kernpunkt des bismarekschen Bündnissystems (► 8.33). Aber der Reichsgründer und erste Reichskanzler Bismarck hatte auch sehr deutlich die Schwierigkeiten gesehen, auf die die Doppelmonarchie in einer Zeit zuging, in der die einzelnen Nationalitäten immer lauter ihre Rechte forderten, und weitere Absicherungen für das Deutsche Reich in seiner Bündnispolitik über den Zweibund hinaus geschaffen. Dieses System war unter seinen Nachfolgern auseinander gefallen. Österreich-Ungarn war als einzige Macht ein verlässlicher Bündnispartner Deutschlands geblieben, aber es war ein Vielvölkerstaat, der sich stark im südosteuropäischen Raum engagiert hatte. Mit der Annexion der ehemaligen türkischen Provinzen Bosnien und Herzegowina 1908, nachdem bereits der Berliner Kongress 1878 (> 8.34) dem Habsburgerstaat das Recht zuerkannt hatte, die beiden slawischen Länder zu verwalten, verstrickte sich die Wiener Regierung immer tiefer in die ungelösten Probleme des Krisenherdes Balkan und stieß dort auf die russischen Interessen und den von Petersburg geschürten Panslawismus. Der Schritt Österreich-Ungarns gefährdete die südslawische Sammlungsbewegung des russischen Verbündeten Serbien, das bestrebt war, einen Zugang zur Adria zu erreichen. In den Balkankriegen 1912 und 1913, in denen die Balkannationen weitgehend die Auflösung des europäischen Herrschaftsgebietes der Türkei erzwangen, dann aber auch übereinander herfielen, als sie sich nicht über die Aufteilung Montenegros einigen konnten (2. Balkankrieg 1913), stand auch die Existenz der europäischen Großmacht Österreich-Ungarn auf dem Spiel. Es zeigte sich erneut mit aller Deutlichkeit, wie problematisch es für das Deutsche Reich war, mit der von inneren Nationalitätenkämpfen geschüttelten und von außen durch den Panslawismus bedrohten Donaumonarchie so eng verbündet zu sein. Die konstruktive Zusam- 27 Kapitel 9 menarbeit zwischen Berlin und London bei der Ausarbeitung von Kompromissen zum Erhalt des Friedens konnte aber den Ausbruch des großen Krieges zwischen den Bündnissystemen noch einmal verhindern. 9.I3 Attentat von Sarajewo In die über ganz Europa lastende gewitterschwüle Atmosphäre, die seit den Balkankriegen (>■ 9.12) durch lautstarke, kriegerische Töne anschlagende Pressekampagnen entstanden war, platzten am 28. Juni 1914 die Schüsse eines serbischen Freischärlers, die in Sarajewo den österreichischen Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, und seine Frau töteten. Politische Attentate auf führende Staatsmänner und gekrönte Häupter waren in dieser Zeit nichts Außergewöhnliches. Dieser Mord aber besaß eine besondere Brisanz, denn er brachte die zwischen dem Kaiserstaat und Serbien als dem Förderer der südslawischen Freiheitsbewegung entstandenen Spannungen zur Entladung und '• .-" -I ■:■ ■? . 1 ■.■ k:\ js^! A. Zeitgenössische Darstellung des Attentats von Sarajevo, das als Auslöser des Ersten Weltkriegs gilt. Der österreichische Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau sinken von Pistolenkugeln getroffen im Wagen zusammen iej.' bedrohte damit die Donaumonarchi Existenz. Hinter dem Attentäter stand wische Geheimorganisation, den dosteile in Serbien vermutet wurde Erzherzog Franz Ferdinand war für die n ' berechtigung der slawischen Völker im if burgerreich entsprechend dem AuspI ■ ? Ungarn eingetreten. Hätte er nach Thronbesteigung diese föderalistischen durchgesetzt, wäre den panslawistisch heitsbestrebungen die Grundlage für iK tation entzogen worden. Nach der Errn * des Thronfolgers lag die Initiative zunäch* Wien, wo eine Kriegspartei unter dem Ge Stabschef Franz Graf Conrad von Höbe a auf einen raschen Schlag gegen Serbien drä ' Dazu benötigte man aber die deutsche deckung gegen Russland, die die deuti Reichsregierung dem Bündnispartner ohne U. gern bei dem für notwendig gehaltenen sofoig, gen und energischen Vorgehen gegen SerbW zusagte. Man ging in Berlin davon aus, dassmh einem schnellen Vergeltungsschlag gegen die-Serbien vermuteten Urheber der VerscW rung der Konflikt lokalisiert und der Ausbrach eines europäischen Krieges vermieden werden könnte. Bei energischer Unterstützung Österreich-Ungarns, so kalkulierte man in Betlk würde Russland seinen serbischen Verbündeten nicht zu Hilfe kommen, andernfalls u, glaubte man, würden Großbritannien um) Frankreich nicht wegen Serbien Krieg fuhren, sondern Russland im Zaum halten. Die Einbindung der einzelnen europäischen Großmächte in die beiden sich seit langem feindlich gegenüberstehenden Bündnissysteme führte dana aber in der Julikrise (^9.14) folgerichtig in den 1. Weltkrieg, nachdem Deutschland dem österreichischen Verbündeten freie Hand gegen Serbien gegeben hatte. . Julikrise 191--]./ Kriegsbeginn Österreich-Ungarn war entschlossen, die Ermordung seines Thronfolgers, des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Frau, im Attentat von Sarajewo (>9-i3) am 28. Juni 1914 schon aus Prestigegründen mit einem sofortigen, energischen Vorgehen gegen Serbien, in dessen Militär- und Geheimdienstkreisen man die Rädelsführer vermutete, zu ahnden. Kaiser Wil- Wilhelminische Zeit šač <■•...■'. /-."'«■.'-.■A-. ,■.-■..'■ ;!/'*!; I p- ■■:.;1í:.<- ,-.,'■.<■<■/.■; .■ \,. ■ ';■'■ '; ' 1 's.. .', ' "* ť : ■. <^ \'rt (•■ . n und die Reichsregierung sagten am '* jjjjr österreichischen Regierung ihre volle '■' rstützung zu. Diese Zusage ist als Ausstel-1 eines »Blankoschecks« bezeichnet und '-»r heftig kritisiert worden. In Berlin glaubte ! naber, mit einer raschen Aktion gegen Sérií n könnten vollendete Tatsachen geschaffen -■rden und so der Konflikt lokalisiert bleiben, ýin wollte im Prinzip einen größeren Krieg ^meiden, schloss ihn aber auch nicht von smherein aus. Der Kaiser begab sich traditi-sfjgemäß auf seine Nordlandreise, ebenso gin-jjj jje Verantwortlichen in Urlaub oder zur br. Die Presse erhielt Anweisung, nicht die Céhr möglicher kriegerischer Verwicklungen ^zustellen. Ds österreichische Ultimatum wurde wegen ja Anwesenheit Poincarés in Petersburg erst 323. Juli in Belgrad übergeben. Dies war ein anötiger Zeitverlust, doch war man in Wien -ischlüssig, wie man sich verhalten solle, und inte sich erst auf mehrfaches Drängen der tatschen Reichsregierung zu einer Aktion ge-83 Serbien entschlossen. Das auf 48 Stunden leistete österreichische Ultimatum stellte slweise fast unannehmbare Forderungen; es '.älmgte die rigorose Strafverfolgung der Ver-SM/örer, auch aller Hintermänner, und die Isinahme österreichischer Dienststellen an -a Nachforschungen. In Wien rechnete man it der Ablehnung aus Belgrad, worauf dann '»Kriegserklärung erfolgen sollte. Aber die '-^erung in Belgrad erkannte am 25. Juli die federungen in weiten Teilen an. Die Welt at-~>eauf. Kaiser Wilhelm II. stellte erleichtert .L '"•r''- I Ein Offizier verliest am 31. Juli 1914 in Berlin » Unter den Linden« die Verkündigung des »Zustands drohender Kriegsgefahr«, am 1. August erfolgt die deutsche Generalmobilmachung fest, dass nun jeder Kriegsgrund hinfällig geworden sei. Österreich hielt die serbische Antwort dennoch für ungenügend, brach am 25. Juli die diplomatischen Beziehungen zu Belgrad ab und begann mit der Mobilmachung; am 28. Juli wurde die Kriegserklärung ausgesprochen und am 29. Juli mit der Beschießung Belgrads begonnen. Damit war eine entscheidende Veränderung der diplomatischen und moralischen Situation für die Mittelmächte eingetreten. Bisher hatte Großbritannien sich bemüht, den österreichisch-serbischen Konflikt vor ein internationales Schiedsgericht zu bringen, das war nun nicht mehr möglich. Der deutsche Reichskanzler Th. von Bethmann Hollweg drängte in der Nacht vom 29. zum 30. Juli die österreichische Regierung zu direkten Verhandlungen mit Russland, um eine Begrenzung des Konfliktes mit Serbien zu erreichen; doch am 30. Juli erfolgte die Mobilmachung der russischen Streitkräfte, anfangs eine Teilmobilisierung, dann aber zur Generalmobilmachung erweitert. Sie löste eine Welle von Kriegsvorbereitungen aus, die nun nicht mehr aufzuhalten war. Zwar bewirkte der beschwörende Appell Wilhelms II. an den Zaren noch einmal für Stunden einen Stopp der Mobilisierungsmaschinerie, aber der Zar vermochte sich nicht gegenüber seinen Generalen durchzusetzen. Nachdem am 31. Juli die russische Generalmobilmachung endgültig bekannt war, drängten die deutschen Generale die Reichsregierung, schnell klare Verhältnisse zu schaffen, damit der deutsche Aufmarsch nach dem Schlieffenplan (*-9.8) in 213 Kapitel g Gang gesetzt werden konnte. So erfolgte am Abend des l. August, nachdem von Petersburg die deutsche Forderung nach Aufhebung der Mobilmachungsorder abgelehnt worden war, die deutsche Kriegserklärung an Russland. Eine Anfrage in Paris sollte die Haltung Frankreichs klären, die an sich eindeutig war; da sich aber die Franzosen geschickt zurückhielten, erklärte die unter dem Druck des Militärs stehende Reichsregierung am 3. August Frankreich den Krieg. Mit dem Einmarsch deutscher Armeen in Belgien war nun auch für Großbritannien der Bündnisfall eingetreten, seine Kriegserklärung wurde am4. August überreicht. Q.l^ Biirgfriedeii Der Ausbruch des seit langem erwarteten Krieges zwischen den beiden Bündnissystemen, den Mittelmächten Deutschland und Österreich-Ungarn auf der einen, den Ententemächten Frankreich, Russland und Großbritannien auf der anderen Seite, wurde von der Bevölkerung in allen beteiligten Ländern wie eine Befreiung von einem langen, unerträglichen Druck empfunden und mit einer Begeisterung aufgenommen, für die uns heute jedes Verständnis fehlt. Der deutschen Reichsleitung gelang es, ihre Bevölkerung davon zu überzeugen, dass der Krieg dem deutschen Volk von seinen Gegnern aufgezwungen worden war. In natio- naler Aufbruchstimmung strömu-n Kriegsfreiwilligen zu den Annalu^,,^'; Regimenter, um ihren Beitrag füi dis. \.'ti|r-gung der Heimat zu leisten. ln, [Zustimmten die Parteien den Kriei-ski .)■V'" auch die Sozialdemokraten, die m«, ,11 'I'" '-terlandslosen Gesellen«. Die Pari ľu-ň n' "'■ unter sich für die Dauer des [< r:t.„ =:- í »Burgfrieden«, sich gegenseitig va sjd, ^ *'T \ die öffentliche Austragung von Mťjnu "=- ; schiedenheiten untereinander und UL,,6'',: der Reichsregierung verzichten /u Wl,|| ^' Kaiser sprach das später oft zitiei ic \\i ' '* kenne keine Parteien mehr, ich kcniu- n. Deutsche!« Die von vielen oft vei inisM.,. '' Einheit schien nun Wirklichkeil 'jewo'H ''" sein. Aber sie war nur in der Stimtmiiiirdp',' genblicks und oberflächlich hergi',ii.]]t [v,," erwartet lange Dauer des Krieges. dur'"l dem Volk immer schwerere BeLisimn^ " gemutet wurden, ließ die untri-,iliiC(||,.v', Standpunkte und die gravierenden -ii/hL,,'-gensätze bald wieder hervortreten [\., g..." friede endete schließlich mit der gei-en Ir-' des Jahres 1916 einsetzenden heftigen oft--" chen Diskussion über die Kriegsziele (► u :f, CJ.lO Marneschlacht Der Aufmarsch der deutschen Armeen i-Westen erfolgte nach dem Schlicflarf. ont 1914-1918 Die Westfront 1914-1918 NIEDEJLAK DE "' ■■! .' / f N weitestes Vordringen der Mittelmächte s zur Marneschtacht (September 1914) ontverlauf 1914/1915 egfriedliniei9i7/i8 ■ ontveriauf Juli 1918 ontverlauf november 1918 ;e res b e Regung der Mittelmächte ieresbe^egung der Entente 2I4 TSS"6/ l)J /Grodno ' □ von den Mittelmächten besetztes Gebiet bis Dez. 1917 IZJ Entente 1= Mittelmächte Vorstoß der Mittelmächte Vorstoß Russlands Frontlinie der russischen Offensten 1914 — Frontlinie Februar 1915 Frontlinie nach der Brussüow-Offensive 1916 .... Waffe n stillst and s linie von Brest-LilOAsk (17.12.1917) -- Vordringen der Mittelmächte bis Februar 1918 ■'■VtiJ V I ■■ ■ -Ĺemberg v "k t-.A N; D X. \ Z J < Odessa' 'KrúrtsíadtS J ,) X^ ■ ., -äŽé*' #í g), iÍĽm 1905 von dem damaligen Chef des . -.dien Generalstabes, Graf Schlieffen, auf-'. .'.-Uten Kriegsplan. Er ging von einem Zwei-':■ ■■ lenkrieg aus und sah vor, mit einem schnel-- Aufmarsch im Westen und einem Vernich- • "isjfhljg die französischen Streitkräfte ausblühen, um sich dann im Osten mit der ge- ! r.:en deutschen Streitmacht gegen Russland . sien zu können. ..;4urrli Belgien vorwärts stürmenden deut- . hcn Armeen des rechten Flügels - die Neutra- -wleizung Belgiens löste die britische '.:.:tserk!ärung an das Deutsche Reich aus - • aenkirn dem Schlieffenplan folgend nach \'.m ein und erreichten schon Anfang Sep-: :rerdir Marne. Hier trat ihnen zur Verteidi-..:.! von Paris eine neu formierte, zahlenmä-.: überlegene französisch-britische Streit-vhienlgegen. Der deutsche Vormarsch kam ..iStehi-n. Als sich in der viertägigen Schlacht n fi. bis 9. September ein gefahrlicher Ein-' --hde-. Gegners in die.zwischen den beiden ' i'-dien Armeen des äußersten rechten Flü-.'■-t.iiht.mdene 50 km breite Lücke abzeich-'"■ "'ji Generalstabschef Helmuth von '■ 1'le.illľ Armeen des rechten Flügels auf eine ''sin rückwärts gelegene Frontlinie zurück, ."ml folgten die Franzosen nach. In Frank-■lipr.iili man vom »Wunder an der Marne«. Die Gründe für das Scheitern der auf dem Schlieffenplan aufgebauten deutschen Strategie sind seitdem von zahlreichen Historikern untersucht worden. Sie liegen in der Hauptsache in der Person des Generalstabschefs, der nicht das Feldherrngenie seines berühmten Onkels besaß und eher ein zögernder Charakter war. Zudem hatte der jüngere Moltke entgegen dem im Plan seines Vorgängers vorgesehenen Kräfteverhältnis dem rechten Flügel wertvolle Divisionen entzogen und der Oberrheinfront zugeteilt, die lediglich hinhaltenden Widerstand zu leisten hatte. Und er hatte weitere Divisionen schon an die Ostfront geworfen, die aber für die Abwehrschlacht bei Tannenberg (V9.17) zu spät kamen. C),1J Tannenberg Gemäß der im Schlieffenplan (*• 9.8) zugrunde gelegten Strategie des deutschen Generalstabes stand im Osten zum Schutz Ostpreußens lediglich eine einzige deutsche Armee, die so lange den russischen Ansturm aufzuhalten hatte, bis die im Westen frei gewordene Hauptstreitmacht zum Großangriff gegen die Russen antreten konnte. Schneller als erwartet vollzog sich der russische Aufmarsch. Die schon frühzeitig in schwere Abwehrkämpfe mit der 1. rus- 215 Kapitel 9 sischen Armee verwickelten deutschen Verbände mussten sich unter Preisgabe ostpreußischer Gebiete in Richtung Weichsel zurückziehen, um nicht von der von Süden nach Ostpreußen vorstoßenden 2. russischen Armee eingeschlossen zu werden. In dieser schwierigen Situation übernahm der reaktivierte General Paul von Beneckendorffundvon Hindenburg {> 10.29) den Oberbefehl über die deutsche Armee. Ihm wurde als Generalstabschef der Generalleutnant Erich Ludendorjf{ *- 9.30) zugeteilt, der sich bereits beim Vormarsch in Belgien ausgezeichnet hatte. Der neuen Armeefiihrung gelang es, in einer fünftägigen Schlacht Ende August 1914 bei Tannenberg mit einer kühnen Umfassungsaktion die 2. russische Armee einzuschließen und vernichtend zu schlagen. Wenige Tage später errangen die deutschen Truppen in der Schlacht an den Masurischen Seen auch über die 1. russische Armee einen entscheidenden Sieg. Mit zahlenmäßig unterlegenen Kräften und relativ geringen eigenen Verlusten war den überlegenen russischen Streitkräften eine empfindliche Niederlage beigebracht worden. Über 137 000 russische Soldaten gingen in die Gefangenschaft. Die psychologische Wirkung der eindrucksvollen Siege von Tannenberg und den Masurischen Seen auf die deutsche Bevölkerung war nach der Enttäuschung über den Ausgang der Marneschlacht (►9.16) ungeheuer; der Hindenburg-Mythos entstand. Als Hindenburg und Ludendorff im Sommer 1916 die 3. Oberste Heeresleitung (►9.21) übernahmen, erhoffte sich die Bevölkerung eine Wende im Kriegsgeschehen und ein baldiges siegreiches Ende des schon zu lange andauernden Krieges. 1927 errichtete die deutsche Regierung auf dem Gelände der Tannen-bergschlacht ein monumentales Nationaldenkmal. Hindenburg war zu dieser Zeit Reichspräsident. Nach seinem Tode ließ Hitler (►11.2) ihn dort im August 1934 in einem Staatsakt beisetzen. 9 if' Ijcellungskriegund i 'íaterialschlachten Nach der Marneschlacht (►g.iö) und dem gescheiterten Versuch der deutschen Truppen, in einem »Wettlauf zum Meer« mit dem Gegner die für den britischen Nachschub wichtigen Kanalhäfen einzunehmen (November 1914), stan- den sich die alliierten und deutschen 11 einer Frontlänge von rund 700 km von <*"''' gischen Küste bis zur Schweizerischen r gegenüber. Der Bewegungskrieg erstir ""r?" Stellungskrieg. Ein Schützengrabensy.,! 1'' stand mit Lauf- und Verbindungsgräben '\ rückwärtigen Stäben, zu Nachschub- lln i'I"' sorgungsstellen und Feldlazaretten. Der 1 ' '" stand, mit Bohlen, Brettern und anderem rial notdürftig befestigte Erdlöcher, ui)rj,:': Aufenthalts- und Schutzraum der Fronu 1 ten der vordersten Linien auf beidui <<■•'' Niemand von ihnen ahnte in diesem r noch relativ ruhigen Kriegswinter igijA- ľ er dieses Schützengrabendasein, wenn er '■" lebte, mehr als drei Jahre, bis zum Pn.1"". 1918, auszuhalten hatte. Aber es kam noch viel schlimmer. Mit ij-,, massiven Einsatz von schweren und ichv ■ ten Artilleriewaffen, der sich von Schlicht Schlacht immer mehr steigerte, gii;.iiiii»-t" Ausmaße annahm, versuchten die AllijeiJ mehrfach im Jahre 1915, an einem bi-prcn/i Frontabschnitt das deutsche GrabenivM> niederzuwalzen und für den nachfnlucn'-Angriff ihrer Infanterieeinheiten sturinriif/ schießen, um einen Durchbruch zu er/.win -^ Jeder Versuch misslang unter ungeheuren III ■•. opfern an Toten und Verwundeten, die lur!j Angreifer aber noch ungleich größer wirm -,'. für die Verteidiger. Im Frühjahr 191(1 bcgir. eine deutsche Großoffensive auf die fr.in™* sehe Maasfestung Verdun (> 9.19), den lu.ru:-ragenden Eckpfeiler der französischrn Ir«1 linie. Auch dieser Angriff scheiterte mehrmonatigem mörderischem Ringen wie die \c:-nehmlich von Briten getragene yuwilop Schlacht an der Somme von Juli bis NovenuV; 1916. Ergebnis dieser Materialschlachlen «x auf beiden Seiten die Erkenntnis, dass irotzdei unvorstellbaren Einsatzes von Mensihen und Waffen die Verteidigung nicht übei wunder werden konnte, sofern diese in der I ige blieb, ihre eigenen Verluste relativ schnell und annähernd gleichwertig wieder zu ersetzen. Hk: aber machten sich auf deutscher Seile bereis 1916 zunehmend die materielle Unteilegenhe bemerkbar und das Fehlen frischer und gut ausgebildeter Reserven. Den 1917 von den Allheiten fortgesetzten Versuchen, an irgendeines Frontabschnitt einen entscheidenden Duixb-bruch zu erzwingen, jetzt auch mit der nei:ea Wunderwaffe der Tanks, begegnete d.: _ ,(/,,,, 'sleitung (> 9.21) unter General-■C--" .i,,|l faul von Hindenburg (^10.29) ifiW- ........_ •___. t^ ■_?_ r..j___l-..rc ,, ,]miartiermeister Erich Ludendorff 1 einer elastischeren Kriegführung, r»j"' !.ikdschen Gründen auch Gelände ■ .lU1" ■ ■ l,n wurde, wenn dadurch in der Ge-' ■'''i*1-. urchbruchsversuche der Alliier-. -:, den M.il.erialschlachten des Jahres 1915 Widerstand der deutschen Fronttruppen ■i-.cit.eii u.nen, setzte die deutsche Oberste rfäleii mit: lOHL) am 21. Februar 1916 zum -.■iiiijjriľľ.iiif die stark befestigte und durch ■^nfoii-, i.rsicherte französische Festung >i m. 1" i-inem monatelangen erbitterten -.ja winde um jeden Meter Boden, um jede ■-iohi'fiek.iinpft, das FortDouaumontwech-■:nii,hrl.ii.li den Besitzer. Die Eroberung der •:uii|! gel.uii; nicht, auch der Plan der OHL, Wilhelminische Zeit mit dem gewaltigen Einsatz von Menschen und Material die gegnerischen Kräfte im Sinne der Ermattungsstrategie »ausbluten« zu lassen, schlug fehl. - Nachdem im Juni 1916 wegen des britischen Großangriffs an der Somme starke deutsche Kräfte von der Verdunfront abgezogen werden mussten, gingen die geringen Geländegewinne und Fort Douaumont wieder verloren. Die deutschen Verluste betrugen 338 000, die französischen 364 000 Tote. Die Franzosen feierten die Schlacht um Verdun als Sieg und als Beweis ihrer Widerstandskraft. Für beide Völker steht der Name Verdun als Symbol für die Materialschlachten des 1. Weltkrieges und im Zeichen der heutigen deutsch-französischen Freundschaft als ein Mahnmal für die Sinnlosigkeit des Krieges und die Notwendigkeit der Verständigung unter den Völkern. C$,20 Kriegsziele Die Frage, wie Europa nach diesem Kriege aussehen sollte, beschäftigte die Politiker, die Militärs und die Völker in allen Krieg führenden Staaten seit Beginn des Krieges am 1. August 1914. In Deutschland war anfänglich die öffentliche Erörterung von Kriegszielen untersagt, um die bei Kriegsausbruch erzielte Einmütigkeit des Volkes nicht zu gefährden. Vor allem vom Alldeutschen Verband (► 9.4) und anderen nationalistischen Gruppen wurden schon früh überzogene annexionistische Forderungen gestellt, über die seit 1916 zunehmend auch der Reichstag debattierte. Man ging dabei ganz M: 1 í . h Die vom 21. Februar bis Mitte Dezember 1916 andauernde Schlacht um die französische Festung Verdun wurde zum Symbol für die Schrecken der Materialschlacht in dem von der Artillerie dominierten Stellungskrieg. Zeitgenössisches Gemälde »Die Todesschlucht von Verdun« von Joseph Ferdinand Gueldry 58