Die verborgene Tugend. Unbekannte Helden und Diktatur in Österreich 1938-1945 ASSOCIAZIONE BIBLIOTECA AUSTRIACA Associazione Biblioteca Austriaca 2008 DERANSCHLUSS Associazione Biblioteca Austriaca 2008 1938 war ein Großteil der Österreicher mit dem Ständestaat, einer autoritären Staatsform, in der die Gesellschaft nach ,,Ständen" gegliedert war, nicht mehr zufrieden. Viele, die wegen der Wirtschaftskrise besorgt waren, richteten ihren Blick auf Hitler-Deutschland, wo neue Arbeitsplätze und ein neuer Wohlstand geschaffen worden waren. Der Anschluss von Österreich an Deutschland war Teil der Pläne von Hitler, schon seit Beginn des Regimes in Deutschland, als erster Schritt der Eroberung von Osteuropa. Zu Beginn sollte der Anschluss der Zielpunkt einer politischen Entwicklung sein, die teils von den österreichischen Nationalsozialisten ­ die unter dem Ständestaat illegal vorgingen, da die nationalsozialistische Partei in Österreich verboten war ­ teils durch das Abkommen vom Juli 1936, in dem Kanzler Schuschnigg faktisch schon wichtige Zusagen an das Deutsche Reich gemacht hatte, in Gang gebracht worden war. Hitler wurde aber ungeduldig, und am 12. Februar 1938 beorderte er Schuschnigg nach Berchtesgaden um ihm mit einem militärischen Einbruch zu drohen und ihn somit zu überzeugen, den Anschluss zu akzeptieren. In Anbetracht einer immer entzündbareren innenpolitischen Situation, mit gewichtigen nationalsozialistischen Demonstrationen in mehreren Städten, beschloss Schuschnigg Anfang März für den 13. des selben Monats eine Volksabstimmung pro oder kontra den Anschluss durchzuführen, mit der insgeheimen Hoffnung, dass die Österreicher, was durchaus möglich war, dagegen stimmen würden. Zu diesem Zeitpunkt befahl Hitler, der sich sicher darüber war, dass weder Frankreich, noch Großbritannien, noch Italien militärisch intervenieren würden, seinen Truppen, in Österreich einzufallen. Am 11. März abends verkündete Schuschnigg im Rundfunk seine Entscheidung ,,kein deutsches Blut fließen zu lassen". Am 12. März konnten die deutschen Truppen also ungestört nach Österreich kommen, sie wurden im Gegenteil von einer begeisterten Menschenmenge willkommen geheißen. Hitler persönlich traf am 13. ein und zog im Triumph durch Österreich, bis er am 15. März in Wien seine Apotheose erlebte. Die jubelnden Österreicher hofften auf eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage und waren froh darüber, dass der Anschluss kein Blutvergießen erfordert hatte. In der deutschen Macht sahen sie außerdem eine Möglichkeit zur Vergeltung der Niederlage von 1918. Nicht zuletzt konnten nun die nicht wenigen österreichischen Antisemiten ihren Gefühlen freien Lauf lassen und sie in die Realität umsetzen, so wie sie es in Wirklichkeit schon anhand vieler verwerflicher Episoden getan hatten. DER ANSCHLUSS Associazione Biblioteca Austriaca 2008 MÄRZ 1938: JUNGE FRAUEN FEIERN DEN ANSCHLUSS. 13.3.38: DIE POLIZEI SALUTIERT VOR DEM FÜHRER. Zahlreiche Berichte und Bilder zeigen einen begeisterten Empfang der deutschen Truppen in fast ganz Österreich. Aus dem Telefongespräch zwischen H. Göring und J. Ribbentropp am 13. März 1938: G.: Es ist ein unbeschreiblicher Jubel in Österreich, das können Sie durchs Radio hören. R.: Ja, es ist phantastisch, was? G.: Ja, der letzte Einmarsch ins Rheinland verschwindet völlig dagegen, was an Jubel der Bevölkerung.....es ist so, daß überhaupt außer den Juden, die in Wien sitzen, und einem Teil dieser Rabenschwarzen überhaupt keiner zu sehen ist, der gegen uns ist. R.: Eigentlich ist ganz Österreich für uns... Österreichischer Bundesverlag 1988 Nach dem Berchtesgadener Abkommen vom 14. Februar 1938, mit dem Österreich hoffte, den Anschluss vorzubeugen wurde der Nationalsozialist Seyß-Inquart Innenminister. Damit gelangte die Polizei und Gendarmerie rund ein Monat vor dem eigentlichen Anschluss unter nationalsozialistischen Einfluss. Bereits während der Illegalität der NSDAP in Österreich (Juni 1933 bis Februar 1938) waren Polizeibeamte aufgrund ihrer Angehörigkeit zur NSDAP entlassen worden. Die verbliebenen nationalsozialistisch gesinnten Polizisten verhielten sich zum größten Teil ruhig. Nach dem Anschluss wurden sämtliche Dienststellen der Gendarmerie Deutsche Schutzpolizeibeamte zugeteilt. Associazione Biblioteca Austriaca 2008 15. MÄRZ 1938: MILITÄRPARADE AUF DEM RING IN WIEN. 15. MÄRZ 1938 ­ DIE MENGE BEREITET HITLER AUF DEM HELDENPLATZ IM HERZEN WIENS EINEN BEGEISTERTEN EMPFANG. Am 15. März 1938 fand am Heldenplatz in Wien eine Großkundgebung statt. Zuerst wurde eine Truppenparade am Ring abgehalten, SA, SS, HJ, SS-Leibstandarte und Polizeieinheiten demonstrierten die Macht des neuen Regimes und befriedigten gleichzeitig die Sensationsgier vieler Österreicher. "Wenn man sagt, daß die Massen auf der Ringstraße vor Begeisterung wie wahnsinnig waren, als sie Hitler begrüßten, so ist dies alles eher als eine Übertreibung. Trotz der Gewaltakte und Schreckensszenen, die - wie ich wußte - dem Einzug folgen würden, fand ich etwas Pathetisches an der begeisterten Überzeugung dieser Vertreter des kleinen Mittelstandes, die, durch ihren Fanatismus aus der gewohnten Behäbigkeit gerissen, fest glaubten, daß für sie das Tausendjährige Reich angebrochen war - mit der Ankunft des kleinen Mannes in der braunen Uniform... (aus der Schilderung des englischen Journalisten G. E. R. Gedye) Österreichischer Bundesverlag 1988 Am 13. März 1938 wurde das österreichische Bundesheer in die deutsche Wehrmacht eingegliedert. Die Truppenparade am 15. März 1938 auf der Wiener Ringstraße wurde von 400 Tanks und 400 Bomber- und Jagdflugzeugen begleitet. Aus: Befehl zur Eingliederung des österreichischen Bundesheeres in die deutsche Wehrmacht Hauptquartier Linz, 13.3.1938 Der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht 1. Die österreichische Bundesregierung hat soeben durch Gesetz die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich beschlossen... 2. ...Das österreichische Bundesheer tritt als Bestandteil der Deutschen Wehrmacht mit dem heutigen Tag unter meinen Befehl. 3. /.../ 4. Sämtliche Angehörige des bisherigen österreichischen Bundesheeres sind auf mich als ihren Obersten Befehlshaber unverzüglich zu vereidigen... Zusatz: ,,Offiziere, die den Eid nicht leisten zu können glauben, sind unverzüglich zu entlassen." (gez.) Adolf Hitler Österreichischer Bundesverlag 1988 Associazione Biblioteca Austriaca 2008 MÄRZ 1938, WIEN: HITLER MIT DEM REICHSSTATTHALTER SEYß-INQUART. WIEN 1938: REDE VON ODILO GLOBOCˇ NIK Insgesamt wurde Odilo Globocˇnik, der 1904 in Triest geboren war, während der Verbotszeit der NSDAP fünfmal wegen politischer Vergehen verhaftet, dreimal wurde er zu Gefängnisstrafen verurteilt. Auf Grund dieser Strafen stieg er in der Parteihierarchie stetig nach oben. Im Mai 1938 wurde er Gauleiter von Wien. Im November 1938 wurde er von Heinrich Himmler zum SS- und Polizeiführer für den Distrikt Lublin ernannt, wo er die Aktion Reinhard, in deren Verlauf etwa 1,8 Millionen Juden ermordet wurden, leitete. Am 13. September 1943 wurde Globocˇnik zum Höheren SS- und Polizeiführer vom Adriatischen Küstenland ernannt. Nachdem er am 31. Mai 1945 von britischen Truppen festgenommen worden war, vergiftete er sich am selben Tag mit Zyankali. Nach dem ,,Berchtesgadener Abkommen" wurde Seyß-Inquart am 16. Februar 1938 österreichischer Innenminister. Nach dem Rücktritt Schuschniggs bildete er am 11. März 1938 als Bundeskanzler die nationalsozialistische Bundesregierung, die am 13. März 1938 das Gesetz über den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich beschloss. Seyß-Inquart war vom 13. März 1938 bis 30. April 1939 Leiter der österreichischen Landesregierung mit dem Titel Reichsstatthalter. Im Mai 1940 wurde er von Adolf Hitler zum "Reichskommissar für die besetzten Niederlande" ernannt. Für seine Verbrechen in Polen und den Niederlanden, vor allem für die Judendeportationen, Geiselerschießungen und Unterdrückungsmaßnahmen wurde er zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 16. Oktober 1946 vollstreckt. 1895 geboren, wurde Bürckel am 13. März 1938 als kommissarischer Leiter der NSDAP in Österreich zur Durchführung der Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich eingesetzt. Ab 1940 war Bürckel Reichsstatthalter von Wien und Gauleiter der Saarpfalz, die, nach der Deportation aller Juden in das unbesetzte Vichy-Frankreich im Rahmen der Wagner-Bürckel-Aktion, 1940 als erster Gau ,,judenfrei" gemeldet wurde. Nach diversen Unstimmigkeiten mit der Reichsleitung leitete die Parteikanzlei im September 1944 die Entmachtung Bürckels ein. Am 28. September 1944 beging Bürckel in Neustadt an der Weinstraße Selbstmord. 1938: JOSEF BÜRCKEL IN DER UNIVERSITÄT WIEN. Associazione Biblioteca Austriaca 2008 PROPAGANDAPOSTKARTE ZUR VOLKSABSTIMMUNG VOM 10.4.38 ÜBER DEN ANSCHLUSS. 1938: NS-STADTTEILTREFFEN IN WIEN Der Auslöser des Einmarsches der deutschen Truppen war die durch Bundeskanzler Schuschnigg angesetzte Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Österreichs am 13. März 1938. Diese wurde durch den Einmarsch der Deutschen Wehrmacht verhindert. Am selben Tag erteilte Hitler den Befehl, eine ,,freie und geheime Volksabstimmung" am 10. April 1938 über die Billigung des Anschlusses abzuhalten. Das persönliche Engagement Hitlers und die massive Propaganda, ja Manipulation der Massen - selbst die katholische Kirche wurde in den Dienst der Volksabstimmung gestellt führten zu einem Ergebnis, wo 99,73% der Österreicher für den Anschluss stimmte. Nur 11.929 Personen waren dagegen und 5.776 gaben ungültige Stimmzettel ab. Ein Gefühl der Zusammengehörigkeit war wesentlich um den NS-Staat vor äußeren Einflüssen zu schützen. Zu diesem Zweck machten die Nationalsozialisten geschickt Gebrauch von Rundfunk und Lautsprecher. Auch Kundgebungen hatten einerseits den Zweck einer Inszenierung der ,,Volksgemeinschaft", andererseits sollten sie die Ideologie propagieren. Bei diesen Treffen ging es vor allem um eine direkte Kontrolle der Reaktionen der Bevölkerung auf bestimmte Ereignisse: man wusste, dass trotz der allgemeinen Anpassung eine gewisse Skepsis dem Regime gegenüber in allen Schichten oder auch bei Einzelpersonen präsent war. Für die Jugendlichen wurden die Hitlerjugend (HJ) für Buben und der ,,Bund deutscher Mädel" (BDM) für Mädchen organisiert. In diesen wurden Zusammengehörigkeit, Rassebewusstsein und sportliche Ertüchtigung gepflegt. Associazione Biblioteca Austriaca 2008 DERWIDERSTAND DERZIVILBEVÖLKERUNG Associazione Biblioteca Austriaca 2008 Im Gegensatz zu den anderen von den Nazis besetzten Ländern, in denen der Widerstand der Bevölkerung als ein patriotisches und heldenhaftes Verhalten angesehen wurde und in denen die Kollaborateure isoliert und verachtet wurden, geschah in Österreich das genaue Gegenteil. Viele Österreicher, die sich dem Regime entgegensetzten, wurden von ihren Landsleuten als Verräter betrachtet und denunziert, was ihre ohnehin schon riskante Tätigkeit noch schwieriger machte. Man kann grundsätzlich zwischen zwei Gruppen von Widerstandskämpfern unterscheiden: Die Arbeiter, darunter auch die Sozialisten und vor allem die Kommunisten, und die Gruppe der Katholiken und Konservativen. Die Gründe für ihren Widerstand waren vielfältig: politische Gründe vor allem für einige, aber auch religiöse, humanistische oder patriotische Gründe für andere. Die Widerstandsarbeit bestand vor allem in Propaganda, hauptsächlich in den Fabriken, aber auch andernorts, aus Geldsammelaktionen für die Verfolgten und aus Widerstandskämpfen. Es handelte sich dabei immer um heimliche Initiativen. Nur in einem Fall kam es zu einer öffentlichen Kundgebung gegen das Naziregime: am 7. Oktober 1938, als circa 10.000 Katholiken sich beim Rosenkranzfest am Stephansplatz trafen und gegen die Gewalt an der Kirche protestierten. Die Protestaktion wurde mit Schlägen, Festnahmen und Überführungen in Konzentrationslager unterdrückt. Der Widerstand seitens der Zivilbevölkerung wurde weder von der katholischen noch von der protestantischen Kirche unterstützt. Beide versuchten auf eine ähnliche Art und Weise einen Modus vivendi mit dem Hitler-Regime zu finden, ohne dass dabei ihre Rechung aufgegangen wäre, denn die Vorteile waren gleich null, die Glaubwürdigkeit ihrer Institutionen litt zunehmend darunter und Trostlosigkeit und Desorientierung machten sich unter den echten Gläubigen breit. Es ist schwierig, die Anzahl der Österreicher, die aktiv am Widerstand teilnahmen, zu definieren. Man schätzt, dass 100.000 Österreicher aus politischen Gründen in Gefangenschaft waren, mindestens 2700 zum Tode verurteilt wurden und 32.000 in den Konzentrationslagern umkamen. In diesen Zahlen sind aber auch Verfolgte diverser Art inbegriffen, die Juden ausgenommen. Bezeichnender jedoch ist die Gegenüberstellung der 100.000 politischen Gefangenen und deshalb sicherlich am Widerstand Beteiligten mit den 700.000 Österreichern, die Mitglieder der nationalsozialistischen Partei waren und daher ausdrücklich das Hitlerregime guthießen. DER WIDERSTAND DER ZIVILBEVÖLKERUNG Associazione Biblioteca Austriaca 2008 ALFRED KLAHR (1904 ­ 1944). DER WIDERSTAND DER ZIVILBEVÖLKERUNG ,,Gerber" saß mir gegenüber an einem kleinen Tischchen am Fenster. Wir sprachen leise miteinander. Er versicherte mir, in drei bis vier Tagen würde er bestimmt das Land verlassen, der Grenzübergang sei nun geregelt. Er gab mir noch ein Zettelchen mit zwei verschlüsselten Adressen für "Bobby" in Zagreb, als plötzlich, wie dem Erdboden entsprungen, zwei Männer auf uns losstürzten. Ihre starren, ausdruckslosen Gesichter habe ich heute noch vor Augen, ebenso wie mir ihr aufgeregtes Schnaufen in den Ohren klingt. Ihre Erregung war begründet: Hatten sie doch mit Erwin Puschmann, den bis dahin höchsten Funktionär der KPÖ, den Kopf der ganzen Organisation der kommunistischen Widerstandsbewegung in Österreich in ihre Hände bekommen. Im Vergleich mit ihm war ich nur ein kleiner Fisch, doch war der Termin der Verhaftung so berechnet, daß ich nicht mehr aus dem Lande hinauskommen konnte. In Sekundenschnelle stürzte sich von hinten einer der Männer auf mein Gegenüber, fest umklammerte er mit beiden Armen dessen Rumpf und Arme. Puschmann wurde weiß wie die Wand. Den Zettel mit den Adressen warf ich rasch unter die Bank. Man fand ihn sofort, verlangte meine Handtasche und führte uns blitzschnell durch eine Hintertüre ab. In einem kleinen Personenauto brachten sie uns weg. Ich weiß nicht mehr, woran ich in diesem Moment dachte. Für Puschmann bedeutete die Verhaftung sicheren Tod, für mich den wahrscheinlichen. Wir saßen wie versteinert im Wagen. Plötzlich machte ich, völlig unabsichtlich, eine kleine Bewegung mit der Hand. Der Gestapomann neben mir brüllte mich fürchterlich an. Blitzschnell und drohend im Tonfall erwiderte Erwin Puschmann: "No, no, no!" Nur drei kleine Silben! Aber in dieser Lage von einem Genossen zu meiner Verteidigung dem Feind gegenüber empört ausgerufen, das war für mich etwas Großartiges, wahrhaft Heldenhaftes, das mir lange Zeit hindurch Kraft und Mut gab. Wenn ich heute an dieses Ereignis denke, bin ich stolz für Erwin Puschmann, der mir noch in dieser Lebenslage soch kaum vorstellbare Kraft und Solidarität bewiesen hat, empfinde ich noch Stolz gegenüber allen jenen, die gegen die Nazis waren, aber nichts getan haben, Stolz gegenüber allen jenen, die am liebsten Schweigen ausbreiten wollen über die Helden, die als Einfache und Unbekannte damals unter uns lebten. Das kleine Auto brachte uns in die Gestapozentrale am Morzinplatz. Sofort trennte man uns. Erst bei unserer Verhandlung, genau 20 Monate später, habe ich Erwin Puschmann wiedergesehen. Er war kaum wiederzuerkennen! aus: Margarete Schütte-Lihotzky Erinnerungen aus dem Widerstand. Das kämpferische Leben einer Architektin von 1938-1945 Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Wien, 1994 Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), Alfred Klahr wurde nach dem Februar 1934 vom austrofaschistischen Regime zeitweise inhaftiert. Er emigrierte zunächst nach Prag und danach in die Sowjetunion. Nach dem Anschluss Österreichs konnte er nicht mehr in seine Heimat zurückkehren, hielt sich illegal in Frankreich und Belgien auf und war dort im Widerstand tätig. Nach der Besetzung Belgiens im Mai 1940 wurde er verhaftet und ins französische Anhaltelager St. Cyprien eingeliefert. Von dort konnte er fliehen. Nochmals verhaftet und in Auschwitz interniert, floh er wieder, aber wurde in Warschau von einer SS-Streife aufgegriffen und im Juli 1944 erschossen. PROPAGANDA GEGEN AUSLÄNDISCHE RUNDFUNKSENDER. Das Abhören von Feindsendern war nach 1939 ein Massenphänomen, dem mit technischen Maßnahmen nicht vollständig beizukommen war. Mit verschiedenen Aktionen, wie Warnzettel, Vorträge oder Sketchen vor Kinofilmen, versuchte das NS-Regime die Bevölkerung vom Hören ausländischer Sender abzuhalten. Durch diese Maßnahmen wurde aus dem Abhören feindlicher Sender eine sehr private Angelegenheit. Meistens wurde im engsten Familienkreis oder allein mit einer Decke über dem Kopf und der Hand am Senderegler Feindradio gehört. Der Ton bei diesen verbotenen Radiosendungen wurde sehr leise gedreht, so dass niemand, der an der Wohnungstür gelauscht hätte, die Sendung mithören hätte können. Für den Straftatbestand des verbotenen Rundfunkhörens war das jeweilige Sondergericht, angesiedelt am Landgericht, zuständig. Associazione Biblioteca Austriaca 2008 KÄTHE LEICHTER (1895-1942). Käthe Leichter wurde 1895 in Wien geboren. Während des Ersten Weltkrieges verkehrte sie in einem Kreis aktiver Kriegsgegner, weshalb ihr am 26. Dezember 1917 von den deutschen Behörden "für die Dauer des Krieges die Einreise nach Deutschland verboten" wurde. 1921 heiratete sie den sozialdemokratischen Journalisten Otto Leichter. Der Anschluss Österreichs am 12. März 1938 setzte Familie Leichter neben der politischen auch rassistischer Verfolgung aus. Während es Otto Leichter im März 1938 gelang, mit einem gefälschten Pass in die Schweiz zu flüchten, wurde Käthe am 30. Mai 1938 von der Gestapo festgenommen. Im Jänner 1940 wurde sie ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert, dann in die Psychiatrische Anstalt Bernburg/Saale interniert und dort im März 1942 mit anderen jüdischen Mithäftlingen im Zuge des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms (Aktion 14f13) ermordet. Helene Kafka trat im Alter von 19 Jahren dem Orden der Franziskanerinnen von der christlichen Liebe bei und erhielt den Ordensnamen Schwester Maria Restituta. Ab 1919 arbeitete sie im Krankenhaus Mödling. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1938 leistete Schwester Restituta Widerstand in ihrem Alltag. Als sie eine Sekretärin bat, ein Gedicht und ein Flugblatt der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" abzutippen, in dem sie unter anderem lästerte: " Sie befreiten uns und ehe man's glaubt, hatten sie uns gänzlich ausgeraubt.", wurde sie von einem Arzt denunziert, von der Gestapo noch im Operationssaal des Spitals verhaftet und zum Tode wegen "landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat" verurteilt. Am 21. Juni 1998 wurde Helene Kafka von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen. ROMAN KARL SCHOLZ (1912-1944). ELISE RICHTER (1865-1943). Roman Karl Scholz war durch seine Erziehung für das Gedankengut des Nationalsozialismus empfänglich, machte aber anlässlich seiner Teilnahme am Reichsparteitag 1936 in Nürnberg eine völlige Wandlung durch und erkannte dessen wahre Absichten. Dadurch wurde Scholz zum überzeugten Gegner des Nationalsozialismus. Nach dem Anschluss wirkte Scholz ab 1939 als Professor für Theologie an der Ordensschule des Stifts Klosterneuburg. Er gründete die Widerstandsgruppe ,,Österreichische Freiheitsbewegung", die sich aus Freunden und Schüler zusammensetzte. Die NS-Behörden stuften die Bewegung als ,,geheime hochverräterische Organisation" ein. Scholz wurde am 22. Juli 1940 verhaftet. Nach 4 Jahren in verschiedenen Gefängnissen wurde er wegen ,,Vorbereitung zum Hochverrat" und Wehrkraftzersetzung" zum Tode verurteilt und am 10. Mai 1944 hingerichtet. Seine letzten Worte waren ,,Für Christus und Österreich". Elise Richter gründete 1922 den "Verband der akademischen Frauen Österreichs", dessen Vorsitzende sie bis 1930 blieb. Seit 1928 sprachwissenschaftliche Leiterin des Phonetischen Instituts der Universität Wien, erhielt sie am 12. März 1938 ein sofortiges Verbot der Lehrtätigkeit, weil sie auf Grund der Abstammung ihrer Großeltern nach den Nürnberger Gesetzen als Jüdin galt. Ihr Ersuchen um ein dauerndes Ruhegehalt wird vom Unterrichtsministerium abgelehnt. Es folgten finanzielle Not, der Verkauf der umfangreichen Bibliothek und schwere Krankheiten. Elise Richter wollte aber Wien nie verlassen. Gemeinsam mit ihrer Schwester Helene wurde sie am 9. Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert. Am 21. Juni 1943 stirbt Elise Richter in Theresienstadt an den Folgen der Deportation. HELENE KAFKA ­ SCHWESTER MARIA RESTITUTA (1894-1943). Associazione Biblioteca Austriaca 2008 RICHARD ZACH (1919-1943). HERMINE LOHNINGER (1902-1944). Richard Zach wurde am 23. März 1919 als Sohn einer steirischen Arbeiterfamilie geboren. Die Kämpfe im Februar 1934 politisierten Zach und brachten ihn zur kommunistischen Jugendgruppe. Zum Lehrer geworden, machte er seinen jungen Freunden, Arbeitern und Lehrern zur Pflicht, zu lesen und sich zu schulen, um im antifaschistischen Kampf und für die neue Zeit gewappnet zu sein. Zach setzte seine politische Aktivität nach dem Anschluss fort. Seine Gruppe verfertigte Streuzettel und die Zeitung ,,Der rote Stoßtrupp" sowie Schulungsschriften. Am 31.10.1941 wurde er verhaftet und von einem Militärgericht wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und am 25. Jänner 1943 hingerichtet. Ein Zitat aus seinem letzten Brief an die Familie ist als Schlusstext dieser Ausstellung zu lesen. Hermine Lohninger war Mitglied des katholischen Lehrervereins, dem sie bis 1938 angehörte. Sie wurde festgenommen, da sie sich in Briefen an ihren Bruder Walter, der in Wien eingerückt war, regimekritisch geäußert hatte. Am 6. Juni 1944 wurde sie, nachdem sie ein volles Geständnis abgelegt hatte, vom Hoch- und Landesverratssenat des Oberlandesgericht Wien zum Tode verurteilt. Laut Urteil hatte sie es ,,durch wehrkraftzersetzende Äußerungen in Briefen unternommen, ihren eingerückten Bruder zum Ungehorsam gegen Vorgesetzte zu verleiten und die Manneszucht in der deutschen Wehrmacht zu untergraben." Am 2. August 1944 wurde Hermine Lohninger im Landesgericht Wien hingerichtet. WALTER KÄMPF (1920-1943). HEDI (HEDWIG) URACH (1910-1943). Walter Kämpf war zunächst Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes (KJV) und gehörte nach 1938 der Gruppe ,,Soldatenrat" an. Diese Gruppe beschäftigte sich auf Kämpfs chemischem Wissen aufbauend auch mit der Herstellung von ,,Brandplättchen", die zum Einsatz für Sabotage- und Brandanschläge gedacht waren. Außerdem organisierte er die Herstellung und Verbreitung der Flugschriften "Die Rote Jugend" und "Soldatenrat". Kämpf wurde zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und bekleidete bei seiner Verhaftung am 27. April 1942 den Rang eines Luftwaffenobergefreiten. Am 17. April 1943 wurde er wegen "Wehrkraftzersetzung, Landesverrat, Feindbegünstigung und Vorbereitung zu erschwertem Hochverrat" vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Am 2. November 1943 wurde Kämpf im Landesgericht Wien hingerichtet. Hedi Urach wurde 1910 in Wien geboren. Während ihrer Schulzeit war sie Mitglied der sozialistischen Kinderfreunde. 1931 wurde sie auf die Internationale Lenin-Schule nach Moskau delegiert. Im Oktober 1932 kehrte Urach nach Wien zurück und wurde Mitglied des Zentralkomitees des KJV. Nach dem Anschluss wurde sie von den Nationalsozialisten verhaftet und vier Monate eingesperrt. Nach einem Aufenthalt in Belgien kehrte sie nach Österreich zurück, wo sie der dritten Leitungsgruppe der KPÖ angehörte. Am 18. Juni 1941 wurde Urach verhaftet und am 17. August 1942 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt. Am 17. Mai 1943 wurde sie hingerichtet. In ihrem Abschiedsbrief hielt sie fest: ,,Ich bin ein Kind der Arbeiterklasse, ein Teil von jener wundervollen Schicht des Volkes, von der alles Leben kommt." Associazione Biblioteca Austriaca 2008 JOSEFINE BRUNNER (1909-1943). ROMAN FELLEIS (1903-1944) Josefine Brunner war seit 1938 mit Alois Brunner, einem Funktionär der Sozialdemokratischen Partei, verheiratet. Josefine Brunner war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und betätigte sich später bei den illegalen Revolutionären Sozialisten Österreichs. Am 16. Mai 1942 wurden sie und ihr Mann verhaftet. Am 1. März 1943 wurde sie wegen Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat angeklagt. Da sie auch Sabotagehandlungen (Erwerb einiger Pistolen) gegen die Deutsche Reichsbahn vorbereitet und an diversen Treffen mit anderen Revolutionären Sozialisten teilgenommen hatte, war am 28. Mai 1943 das Todesurteil ausgesprochen worden. Am 9. September 1943 wurde Josefine Brunner in München-Stadelheim hingerichtet. Ihr Mann Alois wurde am gleichen Tag ebenfalls in Stadelheim hingerichtet. Roman Felleis wurde am 18. März 1903 in Wien geboren. Er gründete gemeinsam mit Bruno Kreisky die Revolutionäre Sozialistische Jugend. Deshalb wurde Felleis mehrmals vom austrofaschistischen Regime in Haft genommen. Nach dem Anschluss Österreichs führte Roman Felleis seine illegale Tätigkeit fort. Im Zuge einer groß angelegten Verhaftungswelle, die die Gestapo gegen illegale Sozialisten durchführte, wurde auch Felleis am 22. August 1939 verhaftet. Als Mitglied der Führungsgruppe wurde er ins KZ Buchenwald überstellt, wo er in der illegalen Häftlingsorganisation mitarbeitete. Hierbei kümmerte er sich um die jüdischen Mithäftlinge, die noch brutaler behandelt wurden als der Rest der Gefangenen. Er starb am 24. August 1944 während eines amerikanischen Bombenangriffs auf die SS-Kasernen des KZ Buchenwalds. Franz Jägerstätter wurde 1907 in St. Radegund (Oberösterreich) geboren. Als Zwanzigjähriger ging Franz Jägerstätter für drei Jahre als Arbeiter ins steirische Eisenerz. 1936 heiratete er und hatte drei Kinder. Bei der Volksabstimmung über den Anschluss am 10. April 1938 stimmte Franz Jägerstätter mit Nein. Im Sommer 1940 wird Franz Jägerstätter erstmals zur Deutschen Wehrmacht einberufen. Als er im April 1941 nach St. Radegund zurückkehren darf, erklärt er, dass er einer weiteren Einberufung nicht folgen würde. Mitzukämpfen, dass Hitler die ganze Welt beherrschen könne, sieht er als persönliche Schuld und schwere Sünde. Nach seiner erneuten Einberufung stellte sich Franz Jägerstätter der Militärbehörde und sprach seine Verweigerung aus. Inhaftiert, wird er wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode verurteilt und am 9. August 1943 enthauptet. Am 26. Oktober 2007 wurde Franz Jägerstätter selig gesprochen. FRANZ JÄGERSTÄTTER (1907-1943). Associazione Biblioteca Austriaca 2008 DERWIDERSTANDDER KÄRNTNERSLOWENEN Associazione Biblioteca Austriaca 2008 Die Kärntner Slowenen bildeten die stärkste Opposition gegen das Regime der Nazis. Der Anschluss bedeutete für alle Slowenen das Ende der Minderheitenrechte. Jene, die auf ihre ethnische Identität beharrten, wurden rücksichtslos unterdrückt. In der ersten Phase, vor der Volksbefragung am 10. April 1938, versuchte die slowenische Opposition Kärntens alles, um mit den Nazis einen akzeptablen Kompromiss zu finden: sie rieten den Angehörigen der eigenen Volksgruppe für den Anschluss zu stimmen. Mit der Zeit mussten auch die gemäßigten Slowenen erkennen, dass die Nazis einzig und allein die Auslöschung der Minderheiten zum Ziel hatten. Bereits 1938/39, im ersten Jahr unter dem NS-Regime, wurde der Gebrauch der slowenischen Sprache im Unterricht verboten. Die ersten richtigen Verfolgungen trafen die Geistlichen und Intellektuellen. Aber auch die einfachen Leute und ganze Familien wurden von ihren Höfen verjagt und in den Osten verschleppt. Der slowenische Widerstand wurde vor allem nach der großen Deportation von 1942 aktiv (Vertreibungsaktion), auch wenn sich bereits davor kleine Widerstandsgruppen gebildet hatten. Die größte Organisation war wahrscheinlich die ,,OF", die Befreiungsfront Sloweniens, die 1941 entstanden war. Sowohl die slowenischen als auch die österreichischen NS-Gegner krampften im Untergrund gegen die Nazis. Der slowenische Widerstand, speziell die ,,OF" verfolgte ein Ziel, nämlich die Gründung eines unabhängigen Staates. Dort, wo es nicht möglich war, wie zum Beispiel in Osterreich nach dem 2.Weltkrieg, erreichte man immerhin den Schutz der Minderheit, der im Artikel 7 des Staatsvertrages verankert ist. DER WIDERSTAND DER KÄRNTNER SLOWENEN Associazione Biblioteca Austriaca 2008 FLUGBLATT, DAS IM SEPTEMBER 1944 IN KÄRNTEN ZUM AUFSTAND AUFRIEF. ZWEI AMERIKANISCHE SOLDATEN, DIE MIT DEM FALLSCHIRM ÜBER DEN ALPEN ABGESPRUNGEN WAREN, ZUSAMMEN MIT DEN KÄRNTNER PARTISANEN, DIE SIE GERETTET HABEN. KATARINA GOLOB (1927-1945). FRANC PASTERK ­ LENART (1912-1943). ,,Die Einheit". Das Organ der Arbeitereinheit für Kärnten war ein Presseerzeugnis der Widerstandsbewegung. In den Jahren 1944 bis 1945 erschienen zehn Nummern dieses deutschsprachigen Organs, samt der Beilage Informationsblatt der ,,Einheit". Es gab auch eine slowenischsprachige Version. Die Blätter erschienen in hohen Auflagen von mehreren Hundert Stück. Die ,,Einheit/Enotnost" illustriert die Bedeutung von Zeitungen und Flugblättern, mit denen sich die Widerstandsbewegung an breite Bevölkerungsschichten oder spezifische Gruppen (Frauen, Kriegsgefangene, Wehrmachtsoldaten u. a.) wandte, um die Ziele des Widerstandes zu propagieren und zum Kampf gegen das Hitlerregime aufzurufen. Zu den slowenisch- und deutschsprachigen Druckerzeugnissen, die die Widerstandsbewegung in Kärnten unter schwierigen Bedienungen herstellte und vertrieb, gehörten auch ,,Korosˇka v borbi" (Kärnten im Kampf), ,,Slovenski tednik" (Slowenisches Wochenblatt) und ,,Freiheit. Das kommunistische Informationsblatt". Im Rahmen der weltweiten Koalition antifaschistischer Kräfte kam es auch zu einer Zusammenarbeit zwischen den Alliierten und der gesamtjugoslawischen bzw. slowenischen Widerstandsbewegung. Sowohl britische und US-amerikanische als auch sowjetische nachrichtendienstliche Einheiten, offizielle Militärmissionen und Missionen mit speziellen Aufgaben (zum Beispiel die Rettung abgeschossener Piloten) waren in Slowenien und auch in Kärnten aktiv. Die Partisanen ihrerseits betreuten abgeschossene alliierte Piloten, versorgten sie medizinisch und halfen bei ihrer Evakuierung. Als im März 1944 ein amerikanisches Bomberflugzeug auf den Karawanken abstürzte, konnten die Kärntner Partisanen eines der abgesprungenen Besatzungsmitglieder retten. Auch alliierte Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter wurden von den Partisanen befreit bzw. auf ihrer Flucht unterstützt. Viele davon schlossen sich den kämpfenden Partisaneneinheiten an. Katarina Golob aus Vellach/Bela bei Eisenkappel/Zˇelezna Kapla schloss sich im Juli 1944 den Partisanengruppen an, die im Gebiet der Saualm operierten. Diese Gruppen, die seit dem Sommer 1944 unter großen Schwierigkeiten den Widerstand nördlich der Drau entfachten, waren eine wichtige Aufnahmebasis für aus der Wehrmacht desertierte österreichische Antifaschisten sowie für Zwangsarbeiter verschiedener Nationalitäten, die sich dem Widerstand anschlossen. Katarina Golob war bei den Partisanen als Köchin tätig. Nur wenige Tage vor Kriegsende, am 18. April 1945, fiel sie im Alter von 17 Jahren. Aus dem Leben der Katharina Golob ist wenig bekannt. Damit teilt sie das Schicksal vieler Frauen, denn der weibliche Anteil am Widerstand wurde oft vergessen und marginalisiert, obwohl die Mitwirkung von Frauen für das Gelingen des Widerstandes von Anfang an unabdingbar war. Franc Pasterk ­ Lenart wurde 1912 in Lobnig/Lobnik bei Eisenkappel/Zˇelezna Kapla geboren. Wie zahlreiche andere Kärntner Slowenen wurde Franc Pasterk zur deutschen Wehrmacht eingezogen, und wie zahlreiche andere desertierte er und schloss sich im Oktober 1942 den Partisanen in Oberkrain an. Beim erfolgreichen Angriff des Kärntner Bataillons auf einen deutschen Stützpunkt in Mezˇica/Mieß in der Nacht auf den 4. April 1943 wurde Pasterk schwer verwundet. Ein Bauer aus der Gegend pflegte ihn und versteckte ihn vor der SS, konnte ihm aber keine ärztliche Hilfe bieten, und so verstarb Pasterk nach einigen Tagen. Franc Pasterk erhielt 1953 den jugoslawischen Orden eines Volkshelden ­ die höchste, bereits während des Krieges geschaffene Auszeichnung der Widerstandbewegung, die für heroische Taten im Kampf und eine heroische Haltung vor dem Feind verliehen wurde. Associazione Biblioteca Austriaca 2008 DERWIDERSTAND DERMILITÄRS Associazione Biblioteca Austriaca 2008 Die Soldaten, die es als moralische Pflicht ansahen, sich dem blutrünstigen NS-Regime entgegenzusetzen, konnten als Grund die ,,Heimholung" ihres Vaterlandes ins Reich angeben. Der geleistete Treueid auf den Führer und die Erziehung zum Gehorsam bildeten aber eine Barriere, die zu den enormen sachlichen Schwierigkeiten noch dazukam. So einigte man sich auf einen Widerstand innerhalb der militärischen Struktur, der in Sabotageakten zum Ausdruck kam. Es existiert eine Verbindung zwischen den österreichischen NS-Gegnern im Militär und ihren deutschen Kollegen, die am 20. Juli 1944 den Anschlag auf Hitler verübten. Bindeglied war Oberoffizier Karl Szokoll, der bereits seit 1942 aktiv am Widerstand beteiligt war. Zur gleichen Zeit, als das Attentat am 20. Juli von Berlin scheiterte, begann in Wien ein Aufstand, der von der Gestapo unterdrückt wurde. Szokoll konnte sich der Gefangennahme entziehen. Dieser setzte seine Aktivitäten fort indem er eine effiziente Gruppe aus österreichischen Offizieren bildete, die innerhalb ihrer eigenen Einheit und in Schlüsselpositionen des deutschen Heeres operierten und außerdem Kontakt zur Widerstandsgruppe ,,05" hatten. Der ungünstige Fortgang des Krieges für die Nazis ermutigte eine gewisse Anzahl von Zivilisten und Soldaten, die es bisher nicht gewagt hatten Initiative zu ergreifen, sich dem Widerstand anzuschließen. Der bedeutendste Augenblick der Militäraktion war der Aufstand in Wien vom 6.-13. April 1945. Man wollte nicht nur den Sowjets den Einmarsch in die Stadt erleichtern, sondern auch einen eigenen Beitrag zur Befreiung des Landes erbringen. Szokoll überlebte den Aufstand in Wien, an dem auch er teilgenommen hatte. Nach dem Krieg wurde er als Verräter und Kollaborateur isoliert und nur in den letzten Jahren seines Lebens wurden seine Verdienste anerkannt. DER WIDERSTAND DER MILITÄRS Associazione Biblioteca Austriaca 2008 MUSSOLINI BESUCHT HITLER NACH DEM ATTENTAT VOM 20. JULI 1944. GRAZIOLI TRIFFT SICH IN KLAGENFURT MIT DEM DORTIGEN GAULEITER FRIEDRICH RAINER, UM DAS VORGEHEN GEGEN DIE PARTISANEN ZU KOORDINIEREN. ALFRED HUTH (1918-1945). Am frühen Morgen des 20. Juli 1944 flog Oberst von Stauffenberg zusammen mit seinem Adjutanten Oberleutnant von Haeften von Berlin in das Führerhauptquartier "Wolfsschanze" bei Rastenburg in Ostpreußen, wo eine Lagebesprechung stattfinden sollte. Nachdem Stauffenberg die Aktentasche mit der Bombe neben Hitler deponiert hatte, verließ er die Besprechung unter einem Vorwand. Ein Mitarbeiter Hitlers stellte die Tasche beiseite, sodass der schwere Eichentisch die Detonation abfing und Hitler am Leben blieb. Das Bild zeigt Hitler mit Mussolini. Dieser ­ in Italien schon entmachtet und Leiter der politisch und militärisch bedeutungslosen Repubblica di Sal ­ war am 20. Juli 1944 zu Gesprächen mit Hitler und Ribbentrop eingeladen und kam gerade nach dem gescheiterten Attentat. Rainer war ein Nationalsozialist der ersten Stunde. Er bekleidete verschiedene wichtige Ämter: er war etwa Reichsstatthalter von Salzburg und übernahm die NSDAP-Gauleitung von Kärnten und damit auch die Funktion des Landeshauptmanns. Außerdem war er ab September 1943 Oberster Kommissar der Operationszone Adriatisches Küstenland, das die Gebiete Friaul, Istrien und die Region um Ljubljana samt Stadt umfasste. Emilio Grazioli war der italienische Oberste Kommissar für die Provinz Ljubljana. Der grausame Charakter von beiden, Grazioli und Rainer, sind noch in der Erinnerung der Bewohner in den von ihnen geleiteten Gebieten geblieben, wo Massenerschießungen, Niederbrennen von Dörfern, Deportationen an der Tagesordnung standen. Das Vernichtungslager Risiera di San Sabba bei Triest und das weniger bekannte KZ Gonars (nahe Görz) für Slowenen sind jeweils unter Rainer und Grazioli eröffnet und betrieben worden. Associazione Biblioteca Austriaca 2008 Hauptmann Alfred Huth, Oberleutnant Rudolf Raschke und Major Karl Biedermann waren Vertreter der Widerstandsgruppe im Wehrkreiskommando XVII, die die kampflose Übergabe der Stadt Wien an die Rote Armee vorbereiten sollte (,,Operation Radetzky"). In der Nacht vom 5. zum 6. April lief die ,,Operation Radetzky" zunächst dennoch planmäßig an, aber ein Offizier verriet die Verschwörung. Huth, Raschke und Biedermann wurden festgenommen und am 8. April 1945 in Floridsdorf am Spitz an Straßenlaternen öffentlich gehenkt. Um ihre Hälse hingen Schilder mit der Aufschrift: "Ich habe mit Bolschewiken paktiert". Zusätzlich wurden die Leichen mit Faustschlägen, Fußtritten und Bajonettstichen misshandelt. Laut Zeugenaussagen hingen die Leichen noch zwei Tage später am selben Ort. Nach einer Zeugenaussage waren Huths letzte Worte ,,Es lebe Österreich!". KARL BIEDERMANN (1890-1945). FERDINAND KÄS (1914-1988) CARL SZOKOLL (1915-2004) Major Karl Biedermann, ein altgedienter Offizier, der im Februar 1934 bei den Kämpfen gegen aufständische Arbeiter im Einsatz gewesen war, war gemeinsam mit Hauptmann Alfred Huth und Oberleutnant Rudolf Raschke Mitglied einer österreichischen militärischen Widerstandsgruppe im Wehrkreiskommando XVII., die die kampflose Übergabe Wiens an die Rote Armee vorbereitete. Nach dem Verrat eines Offiziers und der Festnahme von Biedermann (zusammen mit Huth und Raschke) lautete das Urteil gegen ihn: "Der Angeklagte hat die Feindbegünstigung in einem Augenblick begangen, in welchem der Feind vor den Toren Wiens steht....Als Strafe musste allein die Todesstrafe erkannt werden." Seit 1967 erinnert die Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne an die Leistungen dieser Offiziere. Ferdinand Käs war Berufssoldat. Als Oberfeldwebel meldete er sich freiwillig bei Major Szokoll, dem Leiter der militärischen Widerstandsgruppe im Wehrkreiskommando XVII., um mit der sich annährenden Roten Armee über die geplante kampflose Übergabe Wiens zu verhandeln. Major Szokoll gab ihm den Auftrag, den Russen die Kooperation der österreichischen Verschwörer anzubieten. Käs konnte mit einigen Schwierigkeiten den Russen seinen Auftrag erklären und ihr Vertrauen gewinnen. Die von ihm ausgedrückten Bitten betreffend die Wasserversorgungsanlagen und die Einstellung der Bombardierung Wiens wurden erfüllt. Käs versprach namens der Widerstandskämpfer, den Kampf der Roten Armee zu unterstützen, was aber wegen eines Verrats nur zum Teil geschah. Nach 1945 half Käs entscheidend beim Aufbau der österreichischen Exekutive. Nach ihm wurde die Ferdinand-KäsKaserne in Floridsdorf (21. Wiener Gemeindebezirk) benannt. Associazione Biblioteca Austriaca 2008 Carl Szokoll wurde 1915 in Wien geboren. Nach dem Besuch der Militärakademie wurde er 1938 in den Dienst der deutschen Wehrmacht übernommen. Er kämpfte in Polen und Frankreich und wurde verletzt. Nach seiner Genesung kam er als Ordonanzoffizier zum Stellvertretenden Generalkommando des XVII. Armeekorps in Wien. Inzwischen wurde ihm klar, dass der Krieg nur durch einen Sturz Hitlers enden könnte. So nahm er an der ,,Operation Walküre" teil, die nach dem Attentat an Hitler vom 20.7.1944 die Inhaftierung der NS-Führung in Wien durchführen sollte. Trotz des Misslingens des Attentats blieb Carl Szokoll unentdeckt. Gegen Ende des Krieges erarbeitete er einen Plan (,,Operation Radetzky"), um Wien vor der totalen Zerstörung zu retten. Nach dem Krieg arbeitete Szokoll als erfolgreicher Filmproduzent und Autor. DERWIDERSTAND DEREXILÖSTERREICHER Associazione Biblioteca Austriaca 2008 Emigration und Exil waren für viele ­ besonders Juden ­ die einzige Möglichkeit, der Verfolgung zu entgehen. Dieser Schritt gestaltete sich freilich äußerst schwierig und wurde mit der Zeit immer komplizierter, bis ein Erlass vom 23. Oktober 1941 den Strom der Auswanderer ganz zum Erliegen brachte. Bis zu diesem Tag hatten 130.000 Personen emigrieren können, viele davon Juden. Das Ziel waren viele verschiedene Länder, auch weit entfernte. Die meisten gingen nach Frankreich, Großbritannien und in die USA. Um das harte Los der Emigranten zu erleichtern, entstanden in vielen Ländern Hilfskomitees. Dazu kamen Widerstands- und andere politische Organisationen. Eine der wichtigsten war die FAM (Free Austrian Movement in Great Britain) in London, die sich als Sammelbecken der verschiedenen Strömungen betrachtete: Kommunisten, Monarchisten, Bürgerlich-Konservative und Sozialisten. In Paris tat sich Otto von Habsburg hervor, der über beste internationale Beziehungen verfügte und eine entschlossene Anti-Anschluss-Politik betrieb. Im Exil konnten die Schriftsteller ihre Tätigkeit fortsetzen, vor allem dank der verschiedenen österreichischen Organisationen, die Flugblätter verteilten und eine Kulturabteilung besaßen. Das wichtigste Presseorgan war ,,Die österreichische Post" in Paris, an der Joseph Roth, Franz Werfel und Friedrich Torberg mitwirkten. Von hohem Niveau war die Kulturabteilung der Austrian Action in London, für die Franz Werfel und Paul Wittgenstein arbeiteten. Der FAM nahe standen Elias Canetti und Oskar Kokoschka. Die Auswanderung der Intellektuellen hatte katastrophale Auswirkungen auf das Kulturniveau Österreichs, das sich noch Jahrzehnte nach Kriegsende nicht aus dem Provinzialismus erheben konnte, in den es gesunken war. Sehr viele Exilanten nämlich ­ darunter herausragende Persönlichkeiten, an denen Österreich so reich gewesen war ­ kehrten nicht wieder in die Heimat zurück, ja, es muss gesagt werden, sie wurden von den Vertretern der Zweiten Republik nicht einmal darum gebeten. Die Tätigkeit der Emigranten, insbesondere ihrer Organisationen, hatte das Verdienst, die ,,Österreichfrage" offen zu halten, d. h. die Vorstellung, dass nach dem Nationalsozialismus wieder eine österreichische Nation existieren sollte. Viele entschieden sich dafür, gegen den Nationalsozialismus zu kämpfen, indem sie sich in die Armee der Alliierten einreihten ­ eine im paradoxen Sinne patriotische Entscheidung, die viele Landsleute nicht verstanden. DER WIDERSTAND DER EXILÖSTERREICHER Associazione Biblioteca Austriaca 2008 ÖSTERREICHER REIHEN SICH IN DIE BRITISCHE ARMEE EIN. Etwa 100.000 ÖsterreicherInnen dürften in alliierten Armeen gekämpft haben, davon 3.500 in der britischen Armee. Frauen wurden hauptsächlich im ATS (Auxiliary Territorial Service) als Köchinnen, Sekretärinnen und ,,Physical Training Instructors" eingesetzt, aber sie haben auch Flugzeugabwehrstellungen, Suchscheinwerfer und Radarschirme bedient, Wachaufgaben erfüllt, Nachrichten übermittelt, falsche Funksprüche an deutsche Flugzeuge gesendet, als Chauffeusen, Sanitäterinnen, Sprachlehrerinnen, Dolmetscherinnen sowie in Uniform- und Kriegesausrüstungsbetrieben gearbeitet. Nicht wenige Österreicher im Exil hielten es für ihre Pflicht, sich bei der Armee der Alliierten zu melden, um einen Beitrag zur Befreiung ihres Landes zu leisten. Zunächst kamen die Männer zum Pioneer Corps, dem Arbeitskommando, in dem der Spaten die Waffe ersetzte. Nachdem das britische Parlament seine Zustimmung gegeben hatte, meldeten sie sich zu fast allen Armee Einheiten. JUNGE EXILÖSTERREICHER 1943 IN LONDON. JUNGE ÖSTERREICHER UNTERSCHREIBEN IN LONDON EINE VERPFLICHTUNGSERKLÄRUNG.ÖSTERREICHERINNEN IN DER BRITISCHEN ARMEE. So unterschiedlich die Herkunft der jungen ÖsterreicherInnen im Exil gewesen sein mag, bedeutete das Fernsein von ihrer Heimat in erster Linie die Rettung ihres Lebens. Durch die ,,Kindertransporte" wurden vor allem Kinder und Jugendliche nach England gebracht. Ihre Eltern mussten sich in Wien verabschieden und nur wenige Kinder hatten das Glück sie wieder zu sehen. In England wurden die Kinder an Familien im ganzen Land verteilt, erhielten eine englische Schulbildung und dadurch ein liberaleres Weltbild. Vor allem die Jüngeren empfanden bald das Aufnahmeland als ihre ,,neue Heimat". Viele blieben auch nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges dort und gründeten neue Familien. Diesen Jugendlichen wurde selbstverständlich auch kein nationalsozialistisches Gedankengut vermittelt. Im Gegensatz dazu standen die Gleichaltrigen, die nicht flüchten mussten und die durch die nationalsozialistische Erziehung - sei es durch HJ oder BdM geformt wurden. Viele von ihnen hatten Mühe, sich nach dem Krieg von diesen Prinzipien zu befreien. Associazione Biblioteca Austriaca 2008 Gespräch mit einem Überlebenden Was hast du damals getan was du nicht hättest tun sollen? Nichts Was hast du nicht getan was du hättest tun sollen? Das und das dieses und jenes: Einiges Warum hast du es nicht getan? Weil ich Angst hatte Warum hattest du Angst? Weil ich nicht sterben wollte Sind andere gestorben weil du nicht sterben wolltest? Ich glaube ja Hast du noch etwas zu sagen zu dem was du nicht getan hast? Ja: Dich zu fragen: Was hättest du an meiner Stelle getan? Das weiß ich nicht und ich kann über dich nicht richten. Nur eines weiß ich: Morgen wird keiner von uns leben bleiben wenn wir heute wieder nichts tun Erich Fried (1921-1988). Geboren in Wien, während der Nazizeit im Exil in England; sein Vater wurde von der Gestapo verhaftet und hingerichtet. Wagenbach 2006 VERSAMMLUNG ÖSTERREICHISCHER EXILANTEN IN LONDON. EXILANTEN IN FRANKREICH. SIGMUND FREUD (1856-1939). In Großbritannien und den USA fanden die ÖsterreicherInnen relativ günstige Bedingungen für die Entfaltung einer Exilpolitik bzw. von Exilorganisationen vor, in denen sich auch geflohene österreichische Juden betätigten. Da aus allen politischen Lagern (Kommunisten, Sozialdemokraten, Legitimisten, Konservative) Personen flüchten musste, fanden die politischen Gegensätze, statt gemeinsam aufzutreten, auch im Exil ihre Fortsetzung. Ende 1941 versammelten sich viele Exilorganisationen im ,,Free Austrian Movement in Great Britain", das die immer kompliziertere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen politischen Gruppierungen bis zu einem gewissen Grad erleichterte. Es wurde nicht nur Wert auf praktische Hilfe für Flüchtlinge gelegt, sondern auch auf Kulturarbeit und auf die Unterstützung der Alliierten, insbesondere im Sinne der Eigenstaatlichkeit Österreichs. Die Exilorganisationen entsprachen den Erwartungen der Alliierten, die Österreich anders wahrnehmen wollten als Deutschland. Associazione Biblioteca Austriaca 2008 Extrem gefährlich war die Tätigkeit der ExilantInnen in den von der Deutschen Wehrmacht besetzten Ländern. Auch in Frankreich wurden Flugblätter und Zeitschriften (,,Soldat am Mittelmeer", ,,Soldat im Westen", ,,Das freie Österreich") hergestellt und verteilt. Lisa Gavric, die mit anderen Österreicherinnen in Paris versuchte, Résistance-Überzeugungsarbeit bei Wehrmachtsangehörigen zu leisten, berichtet über die Verfassung und die Widerstandsbereitschaft von deutschen und österreichischen Soldaten: Sehr rasch waren die meisten davon überzeugt, daß der Krieg verloren sei und man damit Schluss machen müsse. Aber gegen die Notwendigkeit, bei diesem Schlußmachen die Heimat durch den eigenen Einsatz zu retten, führten sie das Argument an: ,,Uns kann ohnedies nichts passieren, wenn die anderen siegen. Wir sind ja Österreicher. Uns hat Hitler überfallen" Und dabei blieb es. Die Flugblätter nahmen sie nicht. Österreichischer Bundesverlag 1989 Sigmund Freud verließ am 4. Juni 1938 - knapp drei Monate nach dem Anschluss - Wien. Seine Wohnung in der Berggasse war mehrmals von der Gestapo durchsucht worden. Dennoch wurde Freud die Ausreisegenehmigung erteilt, denn die Nazis befürchteten einerseits negative Reaktionen im Ausland und andererseits hatte Freud einige einflussreiche Befürworter. Über Paris gelangte er nach London. Hier wurde er zum Ehrenpräsidenten des dortigen Austrian Center ernannt, dem österreichische Emigranten angehörten, nahm aber an der Tätigkeit der Österreicher im Exil kaum teil. Freuds Gesundheitszustand ­ er litt schon 16 Jahre an Krebs - verschlechterte sich und einige Wochen nach Kriegsbeginn, am 23. September 1939 wurde sein Wunsch, in Freiheit zu sterben, erfüllt. HILDE SPIEL (1911-1990). ROBERT MUSIL (1880-1942). JOSEPH ROTH (1894-1939). ELIAS CANETTI (1905-1994). Hilde Spiel, Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs verließ bereits im Herbst 1936 Wien und den Ständestaat Österreich ,,aus Furcht vor der eigenen Veränderung". Mit dem Schriftsteller Peter de Mendelssohn verheiratet und selber Schriftstellerin, dann Journalistin und Übersetzerin, wurde sie 1941 britische Staatsbürgerin. Die Realität des Exils veränderte ihre Lebensbahn: finanzielle Not, Verantwortung für den Haushalt und wenig Zeit fürs Schreiben prägten ihren Alltag. Ab 1937 war sie engagiertes Mitglied im Londoner PEN-Club. Dort versuchte sie auch anderen Kollegen zu helfen, u. a. dem ebenfalls im Exil befindlichen österreichischen Lyriker Theodor Kramer. 1963 kehrte sie endgültig nach Österreich zurück und war bis 1972 Vizepräsidentin des österreichischen PEN-Clubs. Robert Musil, einer der bedeutendsten österreichischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, gilt als einer der wichtigsten Autoren der modernen deutschsprachigen Literatur. Bekannt ist er vor allem als Autor des unvollendeten Romans Der Mann ohne Eigenschaften. Am 2. September 1938 emigriert er mit seiner Frau nach Zürich. In Österreich und Deutschland werden alle seine Bücher verboten. Aus finanziellen Gründen zog das Ehepaar Musil nach Genf um. Sie lebten dort in äußerst desolaten Verhältnissen. Die einzige Unterstützung erfuhren sie durch das schweizerische ,,Hilfswerk für deutsche Gelehrte". Am 15. April 1942 stirbt Robert Musil in Genf an einem Gehirnschlag. Musil zum Mann im Exil: Stellen Sie sich einen Büffel vor, dem an der Stelle seiner gewaltigen Hörner ein anderes Hautgebilde, nämlich zwei lächerlich empfindliche Hühneraugen , entstanden ist. Dieses Wesen mit der gewaltigen Stirn, die einst Waffen getragen hat und jetzt Hühneraugen trägt, ist der Mann im Exil. Rowohlt 1963 Associazione Biblioteca Austriaca 2008 Joseph Roth, geboren 1894 in Brody bei Lemberg - damals Teil der Österreich-Ungarischen Monarchie ist Autor von erfolgreichen Romanen, wie Das Spinnennetz, Radetzkymarsch, Die Kapuzinergruft, Die Legende vom heiligen Trinker. Er war zur Zeit der Machtergreifung Hitlers (Ende Januar 1933) in Berlin und musste Deutschland verlassen. Seine Bücher wurden verboten. Zuerst ging er nach Wien, dann wurde sein Wohnsitz Paris, wo er auch begraben ist. Von Anfang an hatte er das wahre Gesicht des Nationalsozialismus erkannt und wusste, dass es für Schriftsteller jüdischer Herkunft innerhalb des Deutschen Reichs keine Arbeitsmöglichkeiten geben könne. Roth engagierte sich im Exil innerhalb der antifaschistischen Schriftstellerorganisation: er nannte den von ihm vertretenen Zusammenschluss der Antinazikräfte, die sich oft untereinander stritten und eigentlich nie wirklich zustande kam, ,,Front des Anstandes". Elias Canetti, Nobelpreisträger für Literatur 1981, jüdischer Abstammung und Autor vom Roman Die Blendung, von einer dreiteiligen Autobiographie, von Dramen und einem soziologischen Essay, Masse und Macht, verließ Ende 1938 gemeinsam mit seiner Frau Veza Wien und emigrierte nach London. Er blieb für den Rest seines langen Lebens im Ausland und starb 1994 in Zürich, wo er seit 1972 ansässig war. Die Nazis kamen im März 1938 nach Wien... Ich blieb bis nach der sogenannten Kristallnacht in Wien, also bis Ende November 1938. Und in diesem halben Jahr war ich überall, auf der Straße, in Lokalen, und unterhielt mich mit den Menschen, die ich traf. Und ich möchte behaupten, daß ich in diesem halben Jahr ganz konkreter Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus mehr über ihn gelernt habe als in all den früheren Jahren. Hanser 2005 DIEERINNERUNG ANDENWIDERSTAND INÖSTERREICH Associazione Biblioteca Austriaca 2008 Der Begriff Vergangenheitsbewältigung bezieht sich auf das problematische Verhältnis zur eigenen Vergangenheit, die man gerne verdrängen würde, aber nicht verdrängen darf. Während den Deutschen von der Geschichte und von den siegreichen Alliierten gar keine andere Wahl gelassen wurde, als mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit abzurechnen, bot sich Österreich die Möglichkeit, an seine Rolle als das erste Opfer von Hitlers Eroberungspolitik anzuknüpfen. Die österreichischen Nachkriegspolitiker ­ viele von ihnen hatten die Nazizeit selbst im Konzentrationslager verbracht ­ verstanden es, diese von den Alliierten anerkannte Position zum Vorteil des Landes zu nützen, eine Politik, die schließlich zum Staatsvertrag und damit zum Ende der fremden Besatzung, bzw. zur Wiederherstellung der vollen Souveranität Österreichs führte. Tatsächlich war Österreich als Staat Hitlers erstes Opfer gewesen, doch ebenso unbestreitbar bleibt die große Zahl derjenigen, die in diesem Land 1938 dem Diktator zugejubelt hatten, aber auch der maßgebliche österreichische Anteil an den Schergen und Bütteln der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft. Die Bewältigung eben dieser Vergangenheit kam in Österreich der Nachkriegszeit zu kurz, zum Teil weil eine Staatsräson im Vordergrund stand, welche zunächst auf die Bewältigung der drückendsten Nachkriegsfolgen ausgerichtet war und in weiterer Folge dem Ziel der Priorität einräumte, Österreich das Satellitenschicksal seiner östlichen Nachbarstaaten zu ersparen. Diese Politik war erfolgreich, sie wies den Weg in die Freiheit, sie begünstigte ­ im Grunde sicher ungewollt ­ aber auch einen gewissen Opportunismus und die damals durchaus vorhandenen Tendenz, die schlimme Zeit von 1938 bis 1945 möglichst zu verdrängen. Längst bekennt sich Österreich auch offiziell zu österreichischer Mittäterschaft und Mitschuld, gerade auch am Holokaust. Die Namen Globocˇnik, Kaltenbrunner, Eichmann und Stangl stehen hier stellvertretend für andere. Doch diese Schatten aus einer schrecklichen Zeit fallen nicht auf das heutige Österreich, eine demokratische Republik, deren Recht vom Volk ausgeht; ihre geistigen Väter sind vielmehr jene Menschen, welchen diese Ausstellung Ehre erweisen will. Die zwei Fotografien, die ganz allein diese Sektion der Ausstellung bilden, stellen Beispiele der nicht zahlreichen Gedenktafeln für die Gegner des Nationalsozialismus dar. Die Schlichtheit des hier Gezeigten steht in klarem Gegensatz zu bloßer Opferrethorik und einseitiger Schuldzuweisung. Österreich mag zu jenen Ländern gehören, die nicht davon ablassen sollten, sich weiterhin mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen; diese nicht zu vergessen, aber auch nach vorne zu blicken, heißt die Zukunft gewinnen. Es gibt eine höhere Art, die Ereignisse zu betrachten, auch wenn man sie selbst bis zur Neige durchlebt und erleidet. Die Ausstellung schließt mit einem Auszug aus dem letzten Brief von Richard Zach, dessen Worte und dessen Opfer ein Beispiel sind: für eine bis zur letzten Konsequenz gelebte politische und religiöse Geisteshaltung. Die Tragödie, die sich ins Sublime überhöht, wird zur Katharsis, und der Mensch findet Sinn noch in der Absurdität des Grauens. DIE ERINNERUNG AN DEN WIDERSTAND IN ÖSTERREICH Associazione Biblioteca Austriaca 2008 GEDENKTAFEL IN DER WIENER MINORITENKIRCHE FÜR DIE GEGNER DES NATIONALSOZIALISMUS. GRABSTEIN VON DREI 1943 HINGERICHTETEN WIDERSTANDSKÄMPFERN. Die Gedenktafel befindet sich im Kreuzgang des Minoritenkonvents in Wien 8, Alser Straße 17. Die Enthüllung der vom Anrather Kreis gestifteten Gedenktafel fand bereits am 17. Dezember 1949 statt. Nach der Befreiung Österreichs 1945 hatten sich die überlebenden ehemaligen Mitglieder der katholisch-konservativen Widerstandsgruppen Österreichische Freiheitsbewegung­Gruppe Roman Scholz, Österreichische Freiheitsbewegung­Gruppe Karl Lederer und Großösterreichische Freiheitsbewegung­Gruppe Jakob Kastelic im Anrather Kreis vereinigt. Nachdem ab Sommer 1938 immer häufiger Konflikte zwischen dem NS-Regime und der katholischen Kirche auftraten, formierten sich auch im katholisch-konservativen Lager größere Widerstandsgruppen. Die drei (später vereinigten) Österreichischen Freiheitsbewegungen um Karl Roman Scholz, Jakob Kastelic und Karl Lederer erlangten hierbei die größte Bedeutung. Die Kommunisten Anton Mayer (1923-1943), Handelsangestellte; Johann Neubauer (1920-1943), Schlosser und Franz Reingruber (1922-1944) wurden vom Volksgerichtshof wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" und "Feindbegünstigung" zum Tode verurteilt und am 22. Oktober 1943 hingerichtet. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 wurde der Kampf gegen den Krieg zentraler Punkt der Agitation, vor allem unter den Wehrmachtsangehörigen. "Der Soldatenrat" hieß die Zeitung, die als "Wehrmachtzersetzungsschrift" in den Anklagen und Urteilen des Volksgerichtshofs genannt wurde. Mayer, Neubauer und Reingruber hatten sich an der Herstellung von Druckschriften, u. a. von Briefen an Wehrmachtssoldate beteiligt, in denen gegen den Krieg agitiert wurde. Associazione Biblioteca Austriaca 2008 Aus dem letzten Brief Richard Zachs an seine Familie Die Zeit ist da, ihr Lieben, zu schweigen. Aber wähnt nicht, daß dieses Schweigen eine Totenstille, eine eisige, würgende Ruhe ist. Nein, im Schweigen liegt ein tiefes, weises - ein wahrhaft göttliches Tönen. Lauscht ihm, entweiht es nicht durch Jammern, horcht dem Heiligen nach wie ich, während ich mich von euch wende. Öffnet die Augen weit, seht ich gehe in die Helle hinein, schaut bis euch die Augen übergehen vor Glück und ich für euch nichts mehr bin als selbst Helle, ein Schimmer, ein Funke gleich, wie jäh er verglühen musste, ein Funke doch und so ein ewiger Teil im Licht. Euer, immer Euer Richard 23.1.1943 Löcker Verlag, Wien 1995 Ausstellungskonzept Francesco Pistolato, mit dem Beitrag von Karl Stuhlpfarrer und Ursula Schwarz Texte Ursula Schwarz, Francesco Pistolato, Tina Bahovec Graphik Marco De Anna Bilder aus dem DÖW, hier mit dessen freundlicher Genehmigung veröffentlicht Associazione Biblioteca Austriaca Die Ausstellung Die verborgene Tugend darf nur mit schriftlicher Genehmigung der Associazione Biblioteca Austriaca gezeigt werden. Auch die Übersetzung der Texte bedarf der obigen Genehmigung. www.abaudine.org ASSOCIAZIONE BIBLIOTECA AUSTRIACA ÖSTERREICH-BIBLIOTHEK UDINE DOKUMENTATIONSARCHIV DES ÖSTERREICHISCHEN WIDERSTANDES Associazione Biblioteca Austriaca 2008