Schiller: Die Räuber. Ein Schauspiel in einem Geschichtgen Schubarts, das 1775 erschienen war, fand Schiller den Stoff. Götz erschien schon 1771 1779 Schillers medizinische Dissertation »Philosophie der Physiologie« wird von seinen Professoren wegen Besserwisserei abgelehnt, obwohl sie seine fachliche Leistung anerkennen. Dezember: Stiftungsfest der Militärakademie, an dem unter anderen auch Herzog Karl August von Sachsen-Weimar und Johann Wolfgang Goethe teilnehmen. 1780 Februar: Zum Geburtstag des Herzogs wird in der Militärakademie Goethes Trauerspiel »Clavigo«[1] mit Schiller in der Hauptrolle aufgeführt. März-Mai: Wegen einer Knieverletzung verbringt Schiller einige Wochen in der Krankenstube, wo er an den »Räubern« weiterarbeitet. Da ein Verleger nicht zu finden war, ließ er 1781 eine anonyme Ausgabe auf eigene K osten drucken. Diesen Text fand der Intendant des Mannheimer Nationaltheater von Dalberg und verlangte von Schiller Verlegung der Handlung in die Mitte des 15. Jhs August Wilhelm Iffland[2] spielte Franz Moor. Nicht mehr eindeutig der Geniezeit zuzuordnen: es gibt hier zwar die Wut über die Machtstrukturen des aufgeklärten Absolutismus, die dem Genie keine Möglichkeiten der Entfaltung ließen, aber zugliech werden hier die Gefahren solchen Freiheitstaumels, solcher Kraft, die durch keine Moral mehr gefesselt ist. Die Hybris[3] sich gottgleich, unabhängig vom Schicksal zu wähnen, entlarvte er als Irrtum. Schiller wollte ganz aufklärerrisch die Menschen von Bühne herab erziehen: Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet. (Vorgelesen bei einer öffentlichen Sitzung der kurfürstlichen deutschen Gesellschaft zu Mannheim im Jahr 1784.) Eben diese Unzulänglichkeit, die schwankende Eigenschaft der politischen Gesetze, welche dem Staat die Religion unentbehrlich macht, bestimmt auch den sittlichen Einfluß der Bühne. Gesetze, wollte er sagen, drehen sich nur um verneinende Pflichten – Religion dehnt ihre Forderungen auf wirkliches Handeln aus. Gesetze hemmen nur Wirkungen, die den Zusammenhang der Gesellschaft auflösen – Religion befiehlt solche, die ihn inniger machen. Jene herrschen nur über die offenbaren Aeußerungen des Willens, nur Thaten sind ihnen unterthan – diese setzt ihre Gerichtsbarkeit bis in die verborgensten Winkel des Herzens fort und verfolgt den Gedanken bis an die innerste Quelle. Gesetze sind glatt und geschmeidig, wandelbar wie Laune und Leidenschaft – Religion bindet streng und ewig. Wenn wir nun aber auch voraussetzen wollten, was nimmermehr ist – wenn wir der Religion diese große Gewalt über jedes Menschenherz einräumen, wird sie oder kann sie die ganze Bildung vollenden? – Religion (ich trenne hier ihre politische Seite von ihrer göttlichen), Religion wirkt im Ganzen mehr auf den sinnlichen Theil des Volks – sie wirkt vielleicht durch das Sinnliche allein so unfehlbar. Ihre Kraft ist dahin, wenn wir ihr dieses nehmen – und wodurch wirkt die Bühne? Religion ist dem größern Theile der Menschen nichts mehr, wenn wir ihre Bilder, ihre Probleme vertilgen, wenn wir ihre Gemälde von Himmel und Hölle zernichten – und doch sind es nur Gemälde der Phantasie, Räthsel ohne Auflösung, Schreckbilder und Lockungen aus der Ferne. Welche Verstärkung für Religion und Gesetze, wenn sie mit der Schaubühne in Bund treten, wo Anschauung und lebendige Gegenwart ist, wo Laster und Tugend, Glückseligkeit und Elend, Thorheit und Weisheit in tausend Gemälden faßlich und wahr an dem Menschen vorübergehen, wo die Vorsehung ihre Räthsel auflöst, ihren Knoten vor seinen Augen entwickelt, wo das menschliche Herz auf den Foltern der Leidenschaft seine leisesten Regungen beichtet, alle Larven fallen, alle Schminke verfliegt und die Wahrheit unbestechlich wie Rhadamanthus Gericht hält. Die Gerichtsbarkeit der Bühne fängt an, wo das Gebiet der weltlichen Gerichte sich endigt. ... Aber der Wirkungskreis der Bühne dehnt sich noch weiter aus. Auch da, wo Religion und Gesetze es unter ihrer Würde achten, Menschenempfindungen zu begleiten, ist sie für unsere Bildung noch geschäftig. Einen großen Theil dieser Wirkung können wir von der Schaubühne erwarten. Sie ist es, die der großen Klasse von Thoren den Spiegel vorhält und die tausendfachen Formen derselben mit heilsamem Spott beschämt. Was sie oben durch Rührung und Schrecken wirkt, leistet sie hier (schneller vielleicht und unfehlbarer) durch Scherz und Satire. Wenn wir es unternehmen wollten, Lustspiel und Trauerspiel nach dem Maß der erreichten Wirkung zu schätzen, so würde vielleicht die Erfahrung dem ersten den Vorrang geben. Spott und Verachtung verwunden den Stolz der Menschen empfindlicher, als Verabscheuung sein Gewissen foltert. Vor dem Schrecklichen verkriecht sich unserer Feigheit, aber eben diese Feigheit überliefert uns dem Stachel der Satire. Gesetz und Gewissen schützen uns oft vor Verbrechen und Lastern – Lächerlichkeiten verlangen einen eigenen feinern Sinn, den wir nirgends mehr als vor dem Schauplatz üben. Aber ihr großer Wirkungskreis ist noch lange nicht geendigt. Die Schaubühne ist mehr als jede andere öffentliche Anstalt des Staats eine Schule der praktischen Weisheit, ein Wegweiser durch das bürgerliche Leben, ein unfehlbarer Schlüssel zu den geheimsten Zugängen der menschlichen Seele. Ich gebe zu, daß Eigenliebe und Abhärtung des Gewissens nicht selten ihre beste Wirkung vernichten, daß sich noch tausend Laster mit frecher Stirne vor ihrem Spiegel behaupten, tausend gute Gefühle vom kalten Herzen des Zuschauers fruchtlos zurückfallen – ich selbst bin der Meinung, daß vielleicht Molières Harpagon noch keinen Wucherer besserte, ... daß Karl Moors unglückliche Räubergeschichte die Landstraßen nicht viel sicherer machen wird – aber wenn wir auch diese große Wirkung der Schaubühne einschränken, wenn wir sie ungerecht sein wollen, sie gar aufzuheben – wie unendlich viel bleibt noch von ihrem Einfluß zurück? Wenn sie die Summe der Laster weder tilgt noch vermindert, hat sie uns nicht mit denselben bekannt gemacht? – Mit diesen Lasterhaften, diesen Thoren müssen wir leben. Wir müssen ihnen ausweichen oder begegnen; wir müssen sie untergraben oder ihnen unterliegen. Jetzt aber überraschen sie uns nicht mehr. Wir sind auf ihre Anschläge vorbereitet. Die Schaubühne hat uns das Geheimniß verrathen, sie ausfindig und unschädlich zu machen. Sie zog dem Heuchler die künstliche Maske ab und entdeckte das Netz, womit uns List und Kabale umstrickten. Betrug und Falschheit riß sie aus krummen Labyrinthen hervor und zeigte ihr schreckliches Angesicht dem Tag. Die Schaubühne ist der gemeinschaftliche Kanal, in welchen von dem denkenden, bessern Theile des Volks das Licht der Weisheit herunterströmt und von da aus in milderen Strahlen durch den ganzen Staat sich verbreitet. Richtigere Begriffe, geläuterte Grundsätze, reinere Gefühle fließen von hier durch alle Adern des Volks; der Nebel der Barbarei, des finstern Aberglaubens verschwindet, die Nacht weicht dem siegenden Licht. Dem weltfremden empfindsamen Tugendideal der Hochaufklärung stellt er die Fratze[4] der Realität entgegen. Das Motiv der ungleichen Brüder war im Sturm und Drang besonders beliebt. Karl Morr genießt nicht nur das Erstgeburtsrecht, sondern auch alle Gaben der Natur: Schönheit, empfindsame Seele, die bei jedem Leiden in weinende Sympathie dahinschmelzt, ebenso wie männlichen Mut, feurigen Geist Die Religion und Moral sieht Franz nur als Mechanismus, die Narren in Respekt und den Pöbel unter dem Pantoffel zu halten. ignis, is - oheň, plamen, požár Franz zum Vater Der feurige Geist, der in dem Buben lodert, sagtet Ihr immer, der ihn für jeden Reiz von Größe und Schönheit so empfindlich macht, - diese Offenheit, die seine Seele auf dem Auge spiegelt, - diese Weichheit des Gefühls, die ihn bei jedem Leiden in weinende Sympathie dahinschmelzt, - dieser männliche Muth, der ihn auf den Wipfel hundertjähriger Eichen treibet und über Gräben und Palissaden und reißende Flüsse jagt, - dieser kindliche Ehrgeiz, dieser unüberwindliche Starrsinn und alle diese schönen glänzenden Tugenden, die im Vatersöhnchen keimten, werden ihn dereinst zu einem warmen Freund eines Freundes, zu einem trefflichen Bürger, zu einem Helden, zu einem großen, großen Manne machen. - Seht Ihr's nun, Vater! - der feurige Geist hat sich entwickelt, ausgebreitet, herrliche Früchte hat er getragen. Seht diese Offenheit, wie hübsch sie sich zur Frechheit herumgedreht hat! sehet diese Weichheit, wie zärtlich sie für Koketten girret, wie so empfindsam für die Reize einer Phryne! Seht dieses feurige Genie, wie es das Öl seines Lebens in sechs Jährchen so rein weggebrannt hat, daß er bei lebendigem Leibe umgeht, und da kommen die Leute und sind so unverschämt und sagen: c'est l'amour qui a fait ça! Ah! seht doch diesen kühnen, unternehmenden Kopf, wie er Plane schmiedet und ausführt, vor denen die Heldenthaten eines Cartouches und Howards verschwinden! - Ist es nicht diese Liebe zu ihm, die Euch all den Gram macht? Ohne diese Liebe ist er für Euch nicht da. Ohne diese strafbare, diese verdammliche Liebe ist er Euch gestorben - ist er Euch nie geboren. Nicht Fleisch und Blut, das Herz macht uns zu Vätern und Söhnen. Liebt Ihr ihn nicht mehr, so ist diese Abart auch Euer Sohn nicht mehr, und wär' er aus Eurem Fleische geschnitten. Er ist Euer Augapfel gewesen bisher; nun aber, ärgert dich dein Auge,[5] sagt die Schrift, so reiß es aus. Es ist besser, einäugig gen Himmel, als mit zwei Augen in die Hölle. Es ist besser, kinderlos gen Himmel, als wenn Beide, Vater und Sohn, in die Hölle fahren. So spricht die Gottheit. Pathos: Ausrufe, Superlative, rhetorische Parallelformen D. a. Moor. Schreib ihm, daß die väterliche Brust - Ich sage dir, bring meinen Sohn nicht zur Verzweiflung! (Geht traurig ab.) Franz (mit Lachen ihm nachsehend). Tröste dich, Alter! du wirst ihn nimmer an diese Brust drücken; der Weg dazu ist ihm verrammelt, wie der Himmel der Hölle - Er war aus deinen Armen gerissen, ehe du wußtest, daß du es wollen könntest - Da müßt' ich ein erbärmlicher Stümper sein, wenn ich's nicht einmal so weit gebracht hätte, einen Sohn vom Herzen des Vaters loszulösen, und wenn er mit ehernen Banden daran geklammert wäre - Ich hab' einen magischen Kreis von Flüchen um dich gezogen, den er nicht überspringen soll Ich habe große Rechte, über die Natur ungehalten zu sein, und bei meiner Ehre, ich will sie geltend machen. - Warum bin ich nicht der Erste aus Mutterleib gekrochen? warum nicht der Einzige? Warum mußte sie mir diese Bürde von Häßlichkeit aufladen? gerade mir? Nicht anders, als ob sie bei meiner Geburt einen Rest gesetzt hätte. Warum gerade mir die Lappländersnase? gerade mir dieses Mohrenmaul? diese Hottentottenaugen? Wirklich, ich glaube, sie hat von allen Menschensorten das Scheußliche auf einen Haufen geworfen und mich daraus gebacken. Mord und Tod! Wer hat ihr die Vollmacht gegeben, jenem dieses zu verleihen und mir vorzuenthalten? Könnte ihr Jemand darum hofieren, eh er entstund? oder sie beleidigen, eh er selbst wurde? Warum ging sie so parteilich zu Werke? Das Recht wohnet beim Überwältiger, und die Schranken unserer Kraft sind unsere Gesetze. Wohl gibt es gewisse gemeinschaftliche Pacta, die man geschlossen hat, die Pulse des Weltzirkels zu treiben. Ehrlicher Name! - wahrhaftig eine reichhaltige Münze, mit der sich meisterlich schachern läßt, wer's versteht, sie gut auszugeben. Gewissen - o ja, freilich! ein tüchtiger Lumpenmann, Sperlinge von Kirschbäumen wegzuschrecken! - auch das ein gut geschriebener Wechselbrief, mit dem auch der Bankerottierer zur Noth noch hinauslangt. Ich habe Langes und Breites von einer sogenannten Blutliebe schwatzen gehört, das einem ordentlichen Hausmann den Kopf heiß machen könnte - Das ist dein Bruder! - das ist verdolmetscht: er ist aus eben dem Ofen geschossen worden, aus dem du geschossen bist – also sei er dir heilig! - Merkt doch einmal diese verzwickte Consequenz, diesen possierlichen Schluß von der Nachbarschaft der Leiber auf die Harmonie der Geister, von eben derselben Heimath zu eben derselben Empfindung, von einerlei Kost zu einerlei Neigung. Aber weiter - es ist dein Vater! er hat dir das Leben gegeben, du bist sein Fleisch, sein Blut - also sei er dir heilig! Wiederum eine schlaue Consequenz! Ich möchte doch fragen, warum hat er mich gemacht? doch wohl nicht gar aus Liebe zu mir, der erst ein Ich werden sollte? Hat er mich gekannt, ehe er mich machte? Oder hat er mich gedacht, wie er mich machte? Oder hat er mich gewünscht, da er mich machte? Wußte er, was ich werden würde? Das wollt' ich ihm nicht rathen, sonst möcht' ich ihn dafür strafen, daß er mich doch gemacht hat! Wo steckt denn nun das Heilige? Etwa im Actus selber, durch den ich entstund? - Als wenn dieser etwas mehr wäre, als viehischer Proceß zur Stillung viehischer Begierden? Oder steckt es vielleicht im Resultat dieses Actus, das doch nichts ist, als eiserne Nothwendigkeit, die man so gern wegwünschte, wenn's nicht auf Unkosten von Fleisch und Blut geschehen müßte? Soll ich ihm etwa darum gute Worte geben, daß er mich liebt? Das ist eine Eitelkeit von ihm, die Schooßsünde aller Künstler, die sich in ihrem Werk kokettieren, wär' es auch noch so häßlich. - Sehet also, das ist die ganze Hexerei, die ihr in einen heiligen Nebel verschleiert, unsre Furchtsamkeit zu mißbrauchen. Soll auch ich mich dadurch gängeln lassen, wie einen Knaben? Ich will Alles um mich her ausrotten, was mich einschränkt, daß ich nicht Herr bin. Herr muß ich sein, daß ich das mit Gewalt ertrotze, wozu mir die Liebenswürdigkeit gebricht. (Ab.) Pathos des Affekts Alle Figuren Träger einer Idee, Verkörperungen eines Prinzips Franz – der metaphysische Zweifel an der Ordnung der Welt Schillers Begriff der Freidenkerei, Materialismsus Zweite Scene. Schenke an den Grenzen von Sachsen. Karl von Moor in ein Buch vertieft. Spiegelberg trinkend am Tisch. Karl v. Moor (legt das Buch weg). Mir ekelt vor diesem tintenklecksenden Seculum, wenn ich in meinem Plutarch lesen von großen Menschen. /.../ Der lohe Lichtfunke Prometheus' ist ausgebrannt, dafür nimmt man jetzt die Flamme von Bärlappenmehl - Theaterfeuer, das keine Pfeife Tabak anzündet. Da krabbeln sie nun, wie die Ratten auf der Keule des Hercules, und studieren sich das Mark aus dem Schädel, was das für ein Ding sei, das er in seinen Hoden geführt hat. Ein französischer Abbé dociert, Alexander sei ein Hasenfuß gewesen; ein schwindsüchtiger Professor hält sich bei jedem Wort ein Fläschchen Salmiakgeist vor die Nase und liest ein Collegium über die Kraft. Kerls, die in Ohnmacht fallen, wenn sie einen Buben gemacht haben, kritteln über die Taktik des Hannibals - feuchtohrige Buben fischen Phrases aus der Schlacht bei Cannä und greinen über die Siege des Scipio, weil sie sie exponieren müssen. /.../ Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brütet Kolosse und Extremitäten aus. Sie verpalissadieren sich ins Bauchfell eines Tyrannen, hofieren der Laune seines Magens und lassen sich klemmen von seinen Winden. - Ah! daß der Geist Hermanns noch in der Asche glimmte! - Stelle mich vor ein Heer Kerls wie ich, und aus Deutschland soll eine Republik werden, gegen die Rom und Sparta Nonnenklöster sein sollen. (Er wirft den Degen auf den Tisch und steht auf.) Er wartet /und hofft/ noch auf die Vergebung des Vaters Zweiter Akt. Erste Scene. Franz von Moor nachdenkend in seinem Zimmer. Es dauert mir zu lange - der Doctor will, er sei im Umkehren - das Leben eines Alten ist eine Ewigkeit! - Und nun wär' freie, ebene Bahn bis auf diesen ärgerlichen zähen Klumpen Fleisch, der mir, gleich dem unterirdischen Zauberhund in den Geistermärchen, den Weg zu meinen Schätzen verrammelt. Müssen denn aber meine Entwürfe sich unter das eiserne Joch des Mechanismus beugen? - Soll sich mein hochfliegender Geist an den Schneckengang der Materie ketten lassen? - Ein Licht ausgeblasen, das ohnehin nur mit den letzten Öltropfen noch wuchert - mehr ist's nicht Ich möcht' es machen wie der gescheidte Arzt, nur umgekehrt. - Nicht der Natur durch einen Querstreich den Weg verrannt, sondern sie in ihrem eigenen Gange befördert. Und wir vermögen doch wirklich die Bedingungen des Lebens zu verlängern, warum sollten wir sie nicht auch verkürzen können? Hat man doch die Giftmischerei beinahe in den Rang einer ordentlichen Wissenschaft erhoben und die Natur durch Experimente gezwungen ihre Schranken anzugeben, daß man nunmehr des Herzens Schläge Jahr' lang vorausrechnet und zu dem Pulse spricht: bis hieher und nicht weiter!1) - Wer sollte nicht auch hier seine Flügel versuchen? Briefintrige: Franz liest seinem Vater einen Brief über Karl, nicht von Karl. Der Brief wurde nicht von Karl geschrieben: Dein Bruder scheint nun das Maß seiner Schande gefüllt zu haben; ich wenigstens kenne nichts über dem, was er wirklich erreicht hat, wenn nicht sein Genie das meinige hierin übersteigt. Gestern um Mitternacht hatte er den großen Entschluß, nach vierzigtausend Dukaten Schulden« - ein hübsches Taschengeld, Vater, - »nachdem er zuvor die Tochter eines reichen Bankiers allhier entjungfert und ihren Galan, einen braven Jungen von Stand, im Duell auf den Tod verwundet, mit sieben andern, die er mit in sein Luderleben gezogen, dem Arm der Justiz zu entlaufen« - [Schiller: Die Räuber, S. 13. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 82941 (vgl. Schiller-SW Bd. 1, S. 494-495)] ________________________________ [1] über den ehrgeizigen Emporkömmling und Madrider Literaten, der seine Verlobte Marie Beaumarchais verstößt, zwischen Liebe und Mitleid schwankt von dem Bruder der an Schwindsucht gestorbenen erstochen wird [2] führend im Theaterleben der Goethezeit, kam 1779 an das Mannheimer Nationaltheater; wurde 1796 Direktor des Königl. Nationaltheaters in Berlin, 1811 Generalmusikdirektor der Königl. Schauspiele. Er schrieb über 60 Theaterstücke. [3] (bildungsspr.): Hochmut; Überheblichkeit; Vermessenheit [4] škleb, abstoßend hässliches, deformiertes Gesicht [5] Mt. Kap. 18. Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehret und werdet wie die Kindlein, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen. Wehe der Welt der Ärgernisse wegen! Denn es ist notwendig, daß Ärgernisse kommen; doch wehe dem Menschen, durch welchen das Ärgernis kommt! 8 Wenn aber deine Hand oder dein Fuß dich ärgert, so haue ihn ab und wirf ihn von dir. Es ist dir besser, lahm oder als Krüppel in das Leben einzugehen, als mit zwei Händen oder mit zwei Füßen in das ewige Feuer geworfen zu werden. 9 Und wenn dein Auge dich ärgert, so reiß es aus und wirf es von dir. Es ist dir besser, einäugig in das Leben einzugehen, als mit zwei Augen in die Hölle des Feuers geworfen zu werden. 10 Sehet zu, daß ihr nicht eines dieser Kleinen verachtet; denn ich sage euch, daß ihre Engel in den Himmeln allezeit das Angesicht meines Vaters schauen, der in den Himmeln ist.