1036 XV. Literaturwissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Übersetzungsforschung105.W Wetzig, K.-L. (1988). „Komteß Julie: Soziale Konventionen als Ubersetzungsproblem pragmatischer Kontexte in Strindbergs naturalistischem Trauerspiel." Soziale und theatralische Konventionen als Problem der Dramenübersetzung. Eds. E. FischerLichte, F. Paul, B. Schultze et al. Tübingen. 95-115. Zimmer, R. (1982). Dramatischer Dialog und außersprachlicher Kontext: Dialogformen in deutschen Dramen des 17. bis 20. Jahrhunderts. Göttingen. Brigitte Schultze, Mainz (Deutschland) 105. Wort und Musik: Liedtexte und Libretti als Übersetzungsphänomen 1. Themenstellung und Gliederung 2. Zur Geschichte sangbarer Ubersetzungen 3. Sieben Thesen zur sangbaren Übersetzung 4. Literatur (in Auswahl) 1. Themenstellung und Gliederung Nicht von Übersetzungen vertonter literarischer Texte im Allgemeinen soll dieser Beitrag handeln, nicht von der bereits im 18. Jahrhundert verbreiteten Gattung übersetzter Libretti und Gedichte 'zum Mitlesen' bei Aufführungen fremdsprachiger Opern und Lieder, sondern von sangbaren Übersetzungen - das sind solche, die sich ohne große Eingriffe in den Notentext zur Musik des Originals singen lassen. In einer Zeit, in der es der Ehrgeiz der Bühnen und der Sänger ist, Opern im Theater ebenso wie Lieder im Konzert in der Originalsprache aufzuführen, um den Sprachklang zu bewahren (oftmals unter Verzicht auf den Wortsinn und damit auf die vom Komponisten intendierte Wort-Ton-Beziehung), ist das Interesse an sangbaren Übersetzungen zurückgegangen; die Forschung beschäftigt sich nur am Rande mit ihr. Sie sind gleichwohl von großer Bedeutung für die Rezeptionsgeschichte eines Werkes. Nicht selten werden im allgemeinen Bewusstsein in einem bestimmten Sprachraum Formulierungen aus Übersetzungen enger mit ihm verbunden als der originale Wortlaut: Das berühmte Duett zwischen Don Giovanni und Zerlina in Mozarts Oper kennt man in Deutschland als „Reich mir die Hand, mein Leben", nicht als „La ci darem la mano", und ähnliches gilt etwa für Händeis Arie „Er weidet seine Herde" ( = "He shall feed his flock") aus dem „Messias", einem Werk, das durch die Übersetzung gleichsam zu einem „deutschen" Oratorium geworden ist (Kreutzer 1989, 64). Sangbare Übersetzung - im Wesentlichen bedeutet dies für den Übersetzer: Sein Text muss mit dem Original grundsätzlich metrisch übereinstimmen, in Kadenzordnung, Silbenzahl und Akzentfolge. Er muss überdies die Position von Binnenzäsuren, rhetorischen Akzenten ebenso beachten wie charakteristische'Eigenheiten der Satzmelodie des Originals. Inwieweit Metaphern und Bilder (und ihre genaue Position im Ablauf des Textes) sowie Vokalfärbung und Reimfolge eine Rolle spielen, hängt von den unterschiedlichen Forderungen an die Beziehungen von Wort und Ton in der Musikgeschichte ab. Hier ergeben sich somit entsprechend unterschiedliche Antworten für die einzelnen Epochen, die sich bereits in zeitgenössischen Übersetzungen spiegeln. Es wären somit zunächst charakteristische Beispiele sangbarer Übersetzungen in der Musikgeschichte zu untersuchen: Von Übersetzungen italienischer Canzonetten und Madrigale um 1600 gehen wir aus - sie liefern die Prämissen für das Folgende; Übersetzungen von Opernlibretti im 18. und frühen W.Jahrhundert (Gluck, Mozart) und Übersetzungen von Liedtexten im 19. Jahrhundert (Schubert) schließen sich an. Dabei ist zu bedenken, dass es zum Problem der sangbaren Übersetzung bis heute keine umfassenden Studien (selbst Honolkas „Opernübersetzungen" von 1979 bieten kaum mehr als eine Skizze) und auch nur wenige Detailuntersuchungen gibt. Eine kontinuierliche Darstellung der Geschichte 105. Wort und Musik: Liedtexte und Libretti als Übersetzungsphänomen 1037 sangbarer Übersetzungen ist daher nicht möglich. Es werden stattdessen einige Blitzlichter gegeben, aus denen dann jedoch grundsätzliche Folgerungen für sangbare Übersetzungen heute abgeleitet werden können - sowohl im Hinblick auf ihre grundsätzliche Legitimation als auch auf Besonderheiten, die sie von zum Lesen bestimmten Übersetzungen unter- scheiden. 2. Zur Geschichte sangbarer Übersetzungen 2.1. Übersetzungen italienischer Canzonetten und Madrigale um 1600 In seiner am 12. Juni 1606 unterzeichneten Widmung seines Außzug Auß Lucae Marentii vier Theilen seiner Italianischen dreystimmigen Villanellen vnd Napolitanen (Nürnberg 1606), einer Auswahl der beliebten Canzonetten Luca Marenzios (gestorben in Rom 1599), glaubt der Herausgeber und Übersetzer Valentin Haußmann sein Unternehmen begründen zu müssen: Man „findet jhrer viel", schreibt er, „die kein Italianisch wort verstehen./ vnnd gleichwol inn derselben Sprache die Italianischen Gesänge gerne singen / zum theil das solche Compositiones für andern gemeiniglich künstlich vnd anmutig / eins theils auch dass die Italianisch Sprach an jm selbst lieblich ist [weshalb Marenzios Madrigale und Canzonetten im deutschen Sprachraum auch in der Originalsprache erschienen sind]. Weil es aber lächerlich vnd seltzam scheinet / die wort singen / vnd More Psittaci nicht wissen was einer singet / So habe ich [...] mich bewegen lassen / vnnd [...] denen / welche der Italianischen Sprach nicht kundig / zu besserm gebrauch / Teutsche Texte gemacht". Was hier geschehen ist, war offenbar ungewöhnlich und neu: Haußmann hat eine nicht nur lesbare, sondern auch sangbare deutsche Fassung (gelegentlich auch nur eine Paraphrase) der Canzonetten vorgelegt - und seine Edition hat großen Erfolg gehabt. Dass sangbare Übersetzungen um 1600 aber als etwas Neues erscheinen, hat, so scheint mir, vor allem drei einleuchtende Gründe. Erstens: Bis zum Ende des Mittelalters war anspruchsvolle Musik vor allem Musik für die Kirche und in der Regel mit dem Lateinischen verbunden, das - bis zur Reformation - grundsätzlich keiner Übersetzung bedurfte. Erst mit dem Vordringen weltlicher volkssprachiger Texte seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts, dem erhöhten Prestige weltlicher Musik (Madrigal, Chanson, später und im besonderen Maße die Oper) konnte ein breiteres Bedürfnis nach Übersetzungen entstehen. Zweitens: Übersetzte oder paraphrasierte gesungene Dichtung gab es natürlich schon viel früher (man denke nur an die Lieder der Troubadours und Minnesänger). Sie verband sich aber in der neuen Sprache meist mit einer neuen Melodie, denn Sprachduktus und Melodiegestalt wurden als zusammengehörig empfunden. Vereinzelt gab es wohl auch Kontrafakturen: In der frühen Motette wurden gelegentlich für lateinische Texte französische Äquivalente gegeben; Oswald von Wolkenstein hat verschiedentlich auf überkommene Melodien, auch auf vollständige mehrstimmige Kompositionen neue Texte gedichtet - von 'Übersetzungen' lässt sich da aber nur sehr eingeschränkt reden. Ein französisches Liebesgedicht „Fuies de moy amie" konnte so leicht den Ton eines Jagdliedes annehmen „Wol auff gesell, wer jagen well". Als Übersetzungen erscheinen solche Kontrafakturen allenfalls im Hinblick auf die Musik, da sie bestimmte Bilder bewahren, vor allem aber „die musikalische Struktur durch Neutextierung" veranschaulichen (Pelnar 1982,96). Bezeichnend ist hier jedoch, dass - obwohl Wolkenstein komplette Kompositionen nicht selten einfach übernommen hat - die neuen Lieder als seine Werke gelten. Von dem Autor der Musik ist nirgendwo die Rede. Nun aber, mit Beginn des 16. Jahrhunderts, trat dieser in den Vordergrund - der zitierte Text der Widmung zeigt das ganz deutlich. Man wollte Luca Marenzios Canzonetten singen, notfalls auch ohne den Text zu verstehen. Da aber die Ästhetik der Sprachvertonung völlig auf die Nachahmung der Sprache durch die Musik gerichtet war (imitazione dellaparola, hierzu Dürr 1994, 53ff.), musste es notwendig „lächerlich und seltsam" scheinen, beim Singen nicht zu „wissen was einer singet". Dabei konnte man den ursprünglichen Text entweder im engeren Sinne übersetzen, ihn frei paraphrasieren oder auch durch einen neuen ersetzen (Kontrafaktur). Die Komposition blieb gleichwohl das Werk desselben Komponisten. In der Zeit um 1600 erschien daher eine Reihe von Sammlungen vornehmlich italienischer Komponisten in deutscher oder englischer Übertragung, so etwa 1590 in Deutschland eine zweisprachige von Cesare de Zacharia besorgte Sammlung Soave e Dilettevole Canzonette a Quattro Voci [...] / Liebliche vnd Kurzweilige Liedlein, mit vier Stim- 1038 XV. Literaturwissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Übersetzungsforschung105.W men componiert. Im selben Jahr, in dem Haußmann Marenzios Canzonetten herausbrachte, folgte - besorgt wiederum von Haußmann eine Sammlung Canzonette, mit dreyen Stimmen, Horatii Vecchi vnnd Gemignani Capi Lupi zuvor mit Italianischen Texten, jetzo aber [...] mit Teutschen Texten beleget und 1610 Die erste Claß [= „Libro Primo"] Der vierstimmigen Canzonetten Horatii Vecchi. Bezeichnend ist, dass Übersetzungen im Wesentlichen den leichteren Gattungen - Canzonetten und Tanzliedern (Gastoldis Balletti) gelten, die anspruchsvollen Madrigale hingegen sang man lieber in der Originalsprache. Das ist in England anders. Zwar hat man auch hier Canzonetten und Tanzlieder übertragen (s. Kerman 1962,136ff.), doch spielten Madrigale eine größere Rolle. In den zehn Jahren zwischen 1588 und 1598 erschienen fünf große Anthologien italienischer Madrigale, darunter vor allem die zweibändige, in London bei T. East erschienene, von Nicolas Yonge herausgegebene Sammlung Musica Transalpina (I: 1588, „Madrigales translated offour, five and six parts, chosen out of divers excellent authors", 22 Madrigale, u.a. von Alfonso Ferrabosco, Luca Marenzio und Palestrina; II: 1597, „translated out of sundrie italian authors", 22 Madrigale, u.a. wieder von Ferrabosco und Marenzio). 2.2. Ästhetische Grundsätze der Haußmannschen Übersetzungen von Marenzios Canzonetten Der erwähnte, für die Musik dieser Zeit entscheidende Begriff der imitazione della parola zielt auf das Einzelwort (und seine Bedeutung), auf Satz- und Versstruktur sowie auf Form und Inhalt des Ganzen (hierzu generell Neumann 1996). Bedeutsam (auch für die Folgezeit, für die Kriterien sangbarer Übersetzung überhaupt) scheint mir dabei zu sein, dass - wie in der italienischen Ästhetik der Wort-Ton-Beziehungen seit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts überhaupt - das Hauptgewicht auf die formalen Aspekte der Dichtung gelegt ist, auf Fragen der Syntax und der Metrik, d.h. auf den Klangleib der Sprache, der auf die Musik unmittelbar wirkt. Aspekte der Semantik treten dagegen zunächst in den Hintergrund. Dies ist zwar auch gattungsspezifisch: Im Strophenlied (wie eben der Canzonette), in der mehrere Strophen auf dieselbe Melodie gesungen werden, können aus der ersten Strophe abgeleitete, den Wortsinn vielleicht allzu deutlich malende musikalische Figuren in den Folgestrophen zu paradoxen Ergebnissen führen. 2.2.1. Zu Metrik und Syntax Im italienischen Vers spielen Silbenzahl und Wortakzent eine Rolle. Da in der Canzonette die Verse weitgehend syllabisch deklamiert werden (wenn man von den für Melismen prädestinierten Verskadenzen absieht), entspricht die Anzahl der Noten grundsätzlich (nicht im Einzelfall) der Silbenzahl. Hieran fühlt sich auch Haußmann in seinen Übertragungen gebunden: Er überträgt zwar die silbenzählenden Verse des italienischen Dichters mit frei wechselnden Binnenakzenten in regelmäßige Fünfheber (für Elfsilbler) und Dreiheber (für Siebensilbler), doch die dann bei späteren Übersetzern - vor allem in Opernrezitativen - beliebte Füllungsfreiheit zwischen zwei metrischen Akzenten (die - eventuell auch nur in einer der Folgestrophen - zur Aufspaltung einer Note in zwei oder mehrere Unterteilungswerte führen würde) gestattet er sich nicht. Es ist vielmehr auffällig, dass in der deutschen Version der Canzonetten die Wortakzente (denen in dieser Zeit regelmäßig musikalische Längen entsprechen, also quantitative, nicht qualitative Äkzente: ein Verstoß gegen diese enge Bindung von musikalischmetrischem und natürlichem Akzent galt als Barbarismus) noch sorgfältiger beachtet sind als in der Originalsprache, da aufgrund der Gesetze der deutschen Metrik die Position der Akzente in allen Strophen prinzipiell identisch ist, die Folgestrophen sich also der Deklamation der ersten (an der in der Regel der Komponist sich damals orientierte) leichter fügen. Während Haußmann sich so für die Versund Strophenstruktur wie für die einzelnen Wörter eng an seiner Vorlage orientiert, fühlt er sich in der Syntax freier: Er beachtet zwar die Satzstrukturen im Großen (deren Ordnung sich in der Disposition der musikalischen Kadenzen spiegelt), hat aber innerhalb dieser Strukturen keine Hemmungen, zusammengehörige Satzteile auseinanderzureißen. Wenn er beispielsweise Marenzios durch die Konjunktion „e" klar gegliederten Satz „Ma cresce in me l'ardor / e mi distrugge" als „für seiner g'walt / weiß ich mir nicht zu rathen" überträgt (Binnenzäsur nach der vierten statt nach der sechsten Silbe), dann fällt die rhythmische Länge in der Musik nicht mehr mit der Binnenzäsur zusammen; das Wort „ich" wird über Gebühr hervorgehoben (Neumann 1996, 64). 105. Wort und Musik: Liedtexte und Libretti als Übersetzungsphänomen 1039 Ma cre für sei see in me l'ar - dor' ner g'walt weiß ich me mir nicht_ di - strug - go. zu ra - ten. Notenbeispiel 105.1 Luca Marenzio: „Ahime che col fuggire" / „Bey mir ist eingenistet" Im Hinblick auf die Strophenform der ihm vorliegenden Canzonette fühlt Haußmann sich selbstverständlich durch die von der Musik vorgegebene Drei- oder Zweiteiligkeit des Satzes und die - mit der Versgliederung korrespondierenden - Hauptzäsuren gebunden, doch ändert er nicht selten die Reimordnung: Aus einer Folge AAB kann dann vereinfachend - AAA werden („Venite Amanti a rimirar costei / Ch'ascosa tien fra le sue chiome d'oro / Fiamme catene e dardi ond'io mi moro" entspricht „Kompt zu mir alle die jhr Lieb wolt haben / Vnd sehet an mit fleiß mich armen knaben / Wie mir die Lieb mein junges Hertz durchgraben1 ') oder auch AB BC C zu AA BB B (Neumann 1996, 89). Dadurch wird einerseits die klangliche Komponente des Reims in der Kadenz durch häufigere Wiederholung verstärkt, andererseits aber wird (in dem für AAA zitierten Beispiel) eine inhaltliche Struktur aufgegeben, die das „Gold der Haare" auf das „ich sterbe" bezieht und die dafür Verantwortliche („costei" - „die da") deutlich davon absetzt. 2.2.2. Zur Semantik Marenzio sucht musikalische Korrespondenzen zum Wort im Bereich der Semantik - anders als im 'durchkomponierten' Madrigal vor allem im Sinne emphatischer Figuren (wichtige, vor allem emotional bedeutende Wörter werden durch Dehnungen, durch Hoch- oder Tiefton, aber auch durch längere Koloraturen hervorgehoben). Hinzu kommen vor allem Seufzer und Klagefiguren, die ein Komponist in dieser Zeit kaum unbeachtet lassen mag, selbst wenn sie im Text der Canzonette nur in der ersten Strophe auftreten. Für emphatische Figuren sucht Haußmann in der Regel deutsche Korrespondenzen, die freilich nicht immer an der musikalisch genau korrespondierenden Stelle auftreten. Das führt dann zu Störungen der Deklamation: Ein gedehnter oder exponierter Ton lässt sich ja ebensowenig verschieben wie eine Koloratur. Wenn Haußmann etwa den Vers „Che signor piu di me tu non sarai" (Hochton mit Dehnung auf der dritten Silbe: „signor") mit „ein Herr der Menschen hie auff Erden prächtig" überträgt (Hochton auf der dritten Silbe „der"), dann verrutscht ihm das zu „signor" korrespondierende „Herr" auf eine in der Musik unbetonte Position. Bei malenden Figuren hingegen ist eine präzise Korrespondenz weniger wichtig. Da die semantische Konnotation musikalischer Figuren in der Regel konkret definiert ist, wird der Bezug auch dann deutlich, wenn die korrespondierenden Wörter sich verschieben. Im folgenden Beispiel wird das „Seufzen" gegenüber dem italienischen „sospira" vorgezogen; in der Übertragung allerdings erscheint die entsprechende musikalische Figur (die Viertelpause als „suspirium") noch deutlicher auf den Text bezogen als im Original sie unterbricht nun sogar das Wort „Seufftzen" (ein Phänomen, das von späteren Komponisten dann zu einer eigenen Figur entwickelt wird): sol durch chi per te mei - ne Seuff so - spi zen trei ra be • — i L - J 1, J J Í V > 9-. 7 : 7 9 9T - 1TT TT sol chi per te durch mei - ne Seuff so - spi zen trei ra be Notenbeispiel 105.2 1040 XV. Literaturwissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Übersetzungsforschung105.W Marenzio: „Se m'ami e se non m'ami" / „Ist's euch so gar verborgen" Dort aber, wo Marenzio gelegentlich doch ein einzelnes Wort förmlich nachzeichnet, wie etwa das Himmelsgewölbe („cielo") durch einen Halbkreis, zieht sich Haußmann (vielleicht mit Rücksicht auf die Folgestrophen) in der Regel auf ein Wort (wie „tadel") zurück, das durch das Melisma zwar hervorgehoben, nicht aber dargestellt wird: gekommen: Man sang italienische Opern (so vielleicht Monteverdis „II ritorno d'Ulisse in patria" von 1641 in Wien) in der Originalsprache oder man übersetzte bzw. paraphrasierte die italienischen Libretti, komponierte sie aber neu (so hat Martin Opitz das Libretto der „Dafne" von Ottavio Rinuccini - sehr frei - ins Deutsche 'übersetzt'; Heinrich Schütz aber hat es dann neu vertont - die Musik ist leider verschollen). Ab und an begegnen auch ~m m f P m M T p p ter mir ra il cie für ta o lo del in an Notenbeispiel 105.3 Marenzio: „Chi vuol veder amanti" / „Jungfrau was habet jr" Sorgfältig aber achtet Haußmann darauf, dass der Gesamtaffekt der Canzonette in der Übertragung erhalten bleibt, selbst dann, wenn er nicht eigentlich übersetzt, sondern frei paraphrasiert. Dieser Affekt ist in der Musik vor allem durch die Wahl des Modus (der 'Kirchentonart') festgelegt und durch den Kadenzplan präzisiert; er wirkt aber auch auf die Bewegungsart zurück. Um Widersprüche zwischen Text und Musik zu vermeiden, hat er den von den Theoretikern einem bestimmten Modus zugeschriebenen Affekt auch dann zu beachten, wenn seine Übertragung auf den konkreten Inhalt des Originals keine Rücksicht nimmt (etwa wenn bei Marenzio „Liebe" und „Zorn" in heftigem Streit liegen, während es in der Neudichtung heißt: „Mit dichten, trachten, vnd mit fantasieren / thu ich gar offt vergeblich zeit verlieren" - in beiden Fällen geht es um Unruhe der Gedanken und Emp- findungen). 2.3. Übersetzungen von Opernbüchern Der Versuch italienischer Opernkomponisten und Librettisten um 1600, die antike Tragödie und ihre Wirkungen im Musiktheater wieder zu beleben, fand bald ein bedeutendes Echo in anderen europäischen Ländern, in Frankreich vor allem (der Kardinal Richelieu liebte die italienische Oper), aber auch im deutschen Sprachraum (1618 spielte eine italienische Gruppe Girolamo Giacobbis „Andromeda" in Salzburg). Zu Übersetzungen italienischer Libretti ist es zunächst gleichwohl kaum Ansätze zu Übersetzungen: So ist eine deutsche Fassung von Monteverdis 1624 zuerst aufgeführtem „Combattimento di Tancredi e Clorinda" überliefert (s. Osthoff 1961). das zwar als Madrigal gedruckt ist (Monteverdi hat es 1638 in sein achtes Buch der Madrigale aufgenommen), aber dennoch deutliche Zeichen einer Bühnenkomposition trägt - der Komponist verlangt im Vorwort zu dem Werk gar szenische Darstellung. Osthoff nimmt an, die Übersetzung stamme aus dem Umkreis von Schütz, vielleicht gar von ihm selbst; jedenfalls geht der Übersetzer mit Monteverdis Musik deutlich freier um, als Haußmann mit Marenzios. Das liegt wahrscheinlich an dem rezitativischen Stil der Musik, der auch vom übersetzten Text flüssige und natürliche Deklamation verlangt (in der Folgezeit werden Rezitative von den Übersetzern durchweg freier behandelt als ariose Partien). Es liegt wohl auch daran, dass der „Combattimento" seinerzeit als Muster für die musikalische Darstellung erregter Affekte galt (genere concitato) und deutschsprachigen Musikern - gerade Schütz - als Modell für Sprachvertonung diente. Bis weit in das 18. Jahrhundert hinein änderte sich wenig an der beschriebenen Situation. Opern wurden in der Regel für ein bestimmtes Theater und ein bestimmtes Ensemble komponiert - aus der Aufführungssituation ergab sich die Sprache. Je nachdem, ob man etwa in Deutschland für ein italienisches oder ein deutsches Theater schrieb, vertonte man italienische oder deutsche Libretti. Ausnahmen wie Fiedlers um 1700 für Hamburg bestimmte Überset- 105. Wort und Musik: Liedtexte und Libretti als Übersetzungsphänomen 1041 zung von Agostino Steifanis „Enrico Leone" gab es wohl, doch: „wozu übersetzen, da das italienische Teatrum mundi, mit kaiserlichen und landesfürstlichen Subventionen gut ausgestattet, so glorios funktionierte?" (Honolka 1978, 36f.). Vereinzelt wurden in Hamburg auch Lullysche Opern in deutscher Sprache gegeben (Schneider 1981, S. 70ff.): 1695 „Acis et Galatee" sowie 1692 „Achille et Polixene" in deutscher Fassung von Chr. H. Postel, der in einer Vorrede zum deutschen Libretto auf die besonderen Probleme einer Übertragung aus dem Französischen hinweist, vor allem im Hinblick auf Lullys frei fließende Rezitative. Grundsätzlich aber handelte es sich bei all diesen Versuchen um Einzelfälle. Erst als es üblich wurde, Werke berühmter Komponisten an anderen Orten nachzuspielen und dabei der eigenen Aufführungstradition anzupassen bzw. von einem auf den anderen Theatertypus zu übertragen, wurden auch in größerem Umfange Übersetzungen notwendig. So wurde etwa Mozarts italienische opera buffa „Le nozze di Figaro" (1786) bereits zu Lebzeiten des Komponisten mehrfach ins Deutsche übersetzt: u.a. von M. Held und F. Walter für Donaueschingen (1787), von Philippine und Adolf v. Knigge für Lübeck (1788), von Ch. A. Vulpius für Fankfurt (1788). Die Übersetzung des Freiherrn von Knigge (vertonte Passagen) und seiner Tochter (Dialoge) genoss seinerzeit das größte Ansehen. Über die für den Übersetzer entscheidenden Grundsätze äußert der Freiherr sich selbst (Angermüller 1986, 86), verweist darauf, dass man bei einer solchen Arbeit „keine schöne Poesie in den Arien erwarten" kann, denn man „muss da auf die Uebereinstimmung des musikalischen Accents mit dem grammaticalischen und oratorischen genaue Rücksicht nehmen". Besonderheiten des Italienischen machen dem Übersetzer zu schaffen: „Der Componist zieht zuweilen die Vocalen, an denen die wälsche Sprache so reich ist, zusammen, da dann aus mehr Sylben nur eine einzige wird, und in einer anderen Stelle trennt er sie wieder" (Angermüller 1986, 86). So vertont Mozart etwa in dem Eingangsduett im ersten Akt denselben Text einmal sechssilbig „Susannaella stessa" und einmal siebensilbig „Susanna | ella stessa". Der Übersetzer flickt dann beim zweitenmal ein Füllwort ein: „Susannaja sich selber". Koloraturen und Rouladen auf die leicht sangbaren Vokale 'a' und 'o' „darf man doch nicht im Teutschen auf spitze Selbstlauter legen" und etwa in der Schlusskadenz der großen Arie der Gräfin im dritten Akt („Dove sono i bei momenti") „Yiogra—to cor" durch „mir wie—derkehrt" übersetzen (so Kurt Honolka in seiner 1976 erschienenen Übersetzung der Oper). Schließlich muss man noch (wieder steht Semantisches an letzter Stelle) „fast Zeile vor Zeile übersetzen, wenn nicht das, was die Music gemalt hat, auf andere Worte fallen soll, zu denen sich das Bild nicht passt" (Angermüller 1986, 86). Für den heutigen Übersetzer sind ältere Librettoübersetzungen vor allem dann von Interesse, wenn sie vom Komponisten selbst autorisiert sind, wenn er ihnen gar seine Musik wiederum angepasst hat. Berühmte Beispiele dafür sind Glucks italienische 'Reformopern' „Orfeo ed Euridice" (1762) und „Alceste" (1767), die er für Paris in französischer Sprache neu bearbeitet hat als „Orphée et Euridice" (1774) und „Alceste" (1776), aber auch etwa seine „Iphigénie en Tauride" (1779), von der er für Wien als „Iphigenie auf Tauris" eine deutsche Fassung angefertigt hat (1781, Übersetzung J. B. von Alxinger; hierzu Buschmeier 1998, 113ff; zu einem Parallelfall bei Mozart s. Dürr 2000, 42ff.). Glucks französische Fassungen seiner italienischen Opern sind nun, im Ganzen gesehen, weit mehr als Übersetzungen; auf einzelne Nummern bezogen trifft die Bezeichnung aber durchaus zu - so etwa auf die französische Fassung der bereits seinerzeit berühmten Arie „Che far senza Euridice?" aus dem „Orfeo" (Libretto von Raniero de' Calzabigi) als „J'ai perdu mon Euridice" (französisch von Pierre-Louis Moline). Die beiden Fassungen der Arie scheinen auf den ersten Blick musikalisch identisch (von der Notwendigkeit einer Transposition abgesehen, da die Partie des Orphée in Paris ja nicht von einem Kastraten, sondern einem Tenor gesungen wurde, abgesehen auch von einigen kleineren Varianten und einer Schlusserweiterung in der französischen Version). Es ist daher überraschend, dass die wie immer in Arien vergleichsweise freie Übersetzung (nur in den Rezitativen hält sich der Übersetzer eng an das Original: er ist dort einerseits weniger durch musikalische Vorgaben gebunden und darf andererseits den Fortgang der Handlung nicht stören) sich von dem italienischen Original deutlich unterscheidet: Den sieben Versen im Italienischen entsprechen zehn im Französischen (bei im Wesentlichen gleicher Taktzahl in der Musik). Die Regel für die Behandlung eines Arientextes in der italienischen opera seria verlangt, dass zu Beginn ein inhaltlich zusammengehöriges Verspaar zunächst 1042 XV. Literaturwissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Übersetzungsforschung 105. W im Ganzen vorgetragen und dann 'zergliedert' wird. Im „Orfeo" folgt Gluck der Regel. Orfeo singt anfangs zusammenhängend: „Che farô senza Euridice? Dove andrô senza il mio ben?" Dann zergliedert er: „Che farô dove andrô, che farô senza il mio ben, dove andro senza il mio ben?" Für die französische tragédie lyrique gilt diese Regel nicht. Moline fasst die ganze Passage daher in vier Versen: „J'ai perdu mon Euridice, rien n'égale mon malheur. Sort cruel, quelle rigueur! Rien n'égale mon malheur, je succombe à ma douleur." In der italienischen Arie erscheint so die Fortspinnung des Anfangsthemas als Intensivierung des Beginns, in der französischen hingegen als eine auch musikalisch neue, gegenüber dem eher verhaltenen Beginn emotional gesteigerte Partie: zen: „Euridice! / Euridice! / Réponds... / quel supplice! / Réponds moi!" Und schließlich: Jene trostlose Passage, in der sich das C-dur der Arie eindunkelt nach c-moll: „Ah, non m'avanza più soccorso, piü speranza" erscheint auch im Französischen als die hoffnungsloseste: „Mortel silence, vaine espérance! Quelle souffrance!" An einzelnen Stellen ändert Gluck, der französischen Fassung zuliebe, die Deklamation im Detail: Allerdings betrifft das nicht den für die Arie so sensiblen Beginn - das eigentliche, im Original meist unmittelbar aus dem Sprachduktus abgeleitete musikalische Thema. Dieses erlaubt offenbar keinen auch nur minimalen Eingriff in seine Gestalt. Aber bereits in der oben beschriebenen Fortschreitung hat die französische Version eine Silbe mehr E S Che fa - rô sen - za Eu - ri - di - ce? J'ai per - du mon Eu - ri - di - ce, 11 Do - ve an - drô sen - za il mio ben? rien n'é - ga - le mon mal - heur. i ^ i r r i J f f ' r r l t ç / i ^ j Che_ fa - rô , Sort, cru - el Notenbeispiel 105.4 do- v e a n - d r ô _ , quel - le ri - gueur! che fa - rô sen - za il mio_ ben, Rien_ n'é - ga - le mon mal - heur, Gluck, Orfeo / Orphée: „Che farô senza Euridice" / „J'ai perdu mon Euridice" Dass es sich hier gleichwohl um eine Übersetzung handelt, zeigt die erste Verskadenz: In beiden Fällen steht an derselben, musikalisch durch den Spitzenton der Anfangsphrase und durch eine Klagefigur hervorgehobenen Stelle der Anruf der Verlorenen, „Euridice". Ähnliches lässt sich auch im Folgenden beobachten: Die den ersten Abschnitt der Arie abschließenden mehrfachen Anrufe: „Euridice! / Euridice! / Oh Dio! / Rispondi! / Rispondi!" finden im Französischen enge Korrespondenund zwingt den Komponisten eine durch Balken verbundene melodische Zweiergruppe zu unterteilen und damit die Identität der Takte 10/11 und 11/12 zu verschleiern. In der auf die Anrufungen folgenden Passage schließlich gibt er der unterschiedlichen Satzstruktur nach: Die Binnenzäsuren sind verschoben, aus einer stumpfen Kadenz im Italienischen ist im Französischen eine klingende geworden. Es zeigt sich, dass die Rondo-Episoden der Arie für Veränderungen offener sind, als der Hauptteil. Io_ son_ pu - re il tuo fe del,. m P f W P io son pu re il #F F B C'est ton é - poux, ton é - poux fi Notenbeispiel 105.5 dé - le; En tends ma_ 105. Wort und Musik: Liedtexte und Libretti als Übersetzungsphänomen 1043 Gluck, Orfeo / Orphée'. „Che farô senza Euridice" / „J'ai perdu mon Euridice" Was in dieser Weise mit Glucks Opern begonnen hat, die Übertragung einer Oper aus einem Sprachbereich (und damit aus einem Traditionszusammenhang) in einen andern, ist im 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Verlust ihrer Bindung an einen Hof, ihrer Öffnung für ein breites Publikum, die Regel geworden: Beliebte Opern fanden ihre Theater in allen Ländern, passten sich aber zugleich den Aufführungsorten an. Aus Rossinis grand opéra „Guillaume Tell" wurde eine opéra séria „Guglielmo Tell" mit neuer Aktgliederung und vom Komponisten erheblich veränderter Deklamation (ähnliches gilt etwa für Verdis „Don Carlos"). Dabei gewannen - wenn es sich um Werke italienischer Komponisten handelte - die späteren italienischen Fassungen so sehr an Prestige, dass man sie noch heute eher zu hören bekommt, als die ursprünglichen französischen. Das hat im späteren Verlauf des Jahrhunderts zweifellos auch mit dem immer deutlicher sich ausprägenden Gedanken einer Nationaloper zu tun: Verdi war nun einmal die musikalische Symbolfigur des Risorgimento, Rossini der italienische Komponist par excellence. Wie konnte man ihre Werke auf Französisch singen? Es gibt freilich auch Gegenbeispiele: George Bizets „Carmen" war im März 1875 bei der Uraufführung in Paris durchgefallen - ihren Siegeszug auf den Bühnen der Welt begann sie mit der Wiener Aufführung im Oktober, in der deutschen Übersetzung des Wiener Operettenkomponisten Julius Hopp, und: „was einmal so erfolgreich übersetzt war, ob gut oder schlecht, blieb für Generationen" (Honolka 1978, 53). Paradoxer noch erscheint dies bei Opern tschechischer oder russischer Komponisten. Die Kenntnis des Italienischen wurde (und wird) auch von deutschen Sängern vorausgesetzt, mit Einschränkungen galt dies auch für das Französische. Opern in slawischen Sprachen, eigentlich in besonderem Maße Ausdruck des Nationalbewusstseins, sang man in Übersetzung, nicht nur, wenn Dialoge dies erforderten (wie in Smetanas „Verkaufter Braut", die im deutschen Sprachraum in Max Kalbecks Übersetzung bekannt geworden ist), sondern auch in großen durchkomponierten Opern (wie Mussorgskijs „Boris Godunow"; die heute meist gesungene deutsche Übersetzung stammt von Heinrich Möller). Auch in diesem Kontext kam es übrigens verschiedentlich zu gleichsam autorisierten Übersetzungen, selbst wenn es sich dabei um tief in den Originaltext eingreifende Bearbeitungen handelte, wie im Falle von Max Brods deutscher Fassung von Leon Janäceks „Schlauem Füchslein". Während Opern im 19. Jahrhundert und noch zu Beginn des zwanzigsten in der Regel übersetzt wurden, stieß dies im weiteren Verlauf der Operngeschichte auf ästhetischen Widerspruch und rein praktische Grenzen. Gerade dann, wenn es dem Komponisten bereits im Klanglichen um eine enge Verbindung von Wort und Ton geht, verändert sich der Charakter des Werkes bei der Übersetzung: Die berühmte Aufführung von Wagners „Lohengrin" in Bologna am 1. November 1871 verdankte den großen Erfolg beim Publikum vielleicht nicht zuletzt der Übersetzung von Salvatore de Marchesi und dem italienischen Habitus, den sie der Oper gab (der ja auch italienische Gesangstechnik dort ermöglicht, wo sie an die italienische Sprache gekoppelt ist). Das zunehmende Streben nach Werktreue, nach historischer Aufführungspraxis (zu der eben auch der Klang der Originalsprache gehört) sah solche Anpassung an Geschmack und Gewohnheit des Publikums mit Misstrauen. Die vor allem nach der Jahrhundertmitte auf fast allen großen Opernbühnen verbreitete Praxis, Opern grundsätzlich in der Originalsprache zu singen, findet ihren Grund freilich auch in rein praktischen Erwägungen: Nur wenn ein Sänger seine Partie nicht in immer neuen Sprachen einstudieren muss, kann er die großen Repertoire-Opern heute in Mailand, morgen in Wien und übermorgen in New York singen. Die neue Praxis ist die Voraussetzung für den modernen Opernbetrieb. Nicht alle großen Bühnen folgen freilich dieser Praxis. Insbesondere Werke, die der Tradition der opera comique und dem Singspiel verpflichtet sind, widersetzen sich dem Prinzip einer Aufführung in der Originalsprache: Der Dialoge wegen (noch heute scheitern viele Sänger an der Forderung, Dialoge in einer ihnen fremden Sprache zu sprechen), aber auch der verwickeiteren Handlung wegen, die größere Ansprüche an die Textverständlichkeit stellt. Die Komische Oper in Berlin hatte es sich daher zum Prinzip gemacht, ihre Aufführungen nur in deutscher Sprache auf die Bühne zu bringen. Haußmanns Diktum, dass es angesichts der engen Bindung von Wort und Ton auch im Bereich der Semantik „lächerlich scheinet", nicht zu wissen, was einer singt, gilt natürlich gerade auch für die anspruchsvolle Oper. Die neueste Entwicklung, Opern, die in einer dem Publikum fremden Sprache gesun- 1044 XV. Literaturwissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Übersetzungsforschung 105. W gen werden, durch Übertitelung, durch die Projektion von möglichst wortgetreu übertragenen Passagen des Textes verständlich zu machen (entgegen einer noch verbreiteten Praxis sollten diese nicht einer sangbaren Übersetzung entstammen), ist daher zu be- grüßen. 2.4. Liedertexte Im Lied des 19. Jahrhunderts ist eine der Oper vergleichbare Entwicklung zu beobachten. Im selben Maße, wie Lieder sich überhaupt über die Sprachgrenzen hinaus verbreiten, wächst der Bedarf an Übersetzungen. Schuberts Lieder etwa Wurden in Frankreich populär aufgrund der Zusammenarbeit von Schuberts Originalverleger Anton Diabelli mit dem Pariser Verlag Simon Richault, der Schuberts Lieder in der Übersetzung von M. Bélanger herausbrachte; in London erschienen englische Übersetzungen bei dem Verlagshaus Wessel & Co. Auch im Lied aber sorgten nicht selten die Komponisten selbst für eine den neuen Texten angemessene Deklamation, vor allem dann, wenn die Originalsprache nicht die des Komponisten war. So fügte der schwedische Komponist August Södermann den ursprünglich auf deutsche Texte komponierten Liedern nach Gedichten von Heine schwedische Übersetzungen bei ("Im wunderschönen Monat Mai" / „Det var i maj, den sköna maj"). Oder: Schubert ergänzte deutsche Lieder durch italienische Übersetzungen (Goethes „Willkommen und Abschied" durch „Feiice arrivo e congedo") oder ursprünglich italienische Arien durch deutsche Übersetzungen (Metastasios „L'incanto degli occhi" durch „Die Macht der Augen"). Gelegentlich begegnet auch der umgekehrte Fall: Der Komponist wählt eine Übersetzung in seiner eigenen Sprache und gibt eine Variante in der Originalsprache bei. Gründe dafür sind etwa solche, wie Schubert sie in einem Brief an die Eltern vom 25. oder 28. Juli 1825 anführt: „Mit der Herausgabe" der Lieder aus Walter Scotts „The Lady of the Lake" (op. 52) „gedenke ich aber doch eine andere Manipulation zu machen, als die gewöhnliche, bei der gar so wenig herausschaut, indem sie den gefeierten Namen des Scott an der Stirne tragen, und auf diese Art mehr Neugierde erregen könnten, und mich bei Hinzufügung des englischen Textes auch in England bekannter machen würden". Es geht Schubert dabei um ein Doppeltes: Um das 'Bekannter-Werden', also um seinen persönlichen Ruhm, und um die Vergrößerung des Marktes seiner Lieder, mithin eine verbesserte Verhandlungsposition gegenüber seinen Verlegern, damit künftig mehr 'herausschaut' (beides ohne Erfolg: in England sind die Lieder unbekannt geblieben, denn Schuberts Verleger war dort nicht vertreten). Für die sieben Gesänge seines op. 52, eine Art Liederzyklus, hat der Komponist allen Liedern, für die er eine dem Original metrisch kongruente Übersetzung benutzen konnte (sechs Gesänge, jeweils übersetzt von D. Adam Storck: „Das Fräulein vom See", Essen 1819), eine eigene englische Fassung beigefügt. Es ergibt sich dabei die paradoxe Situation, dass Storcks Übersetzung zur 'Originalversion' wird (denn der deutsche Wortlaut war die Grundlage für die Komposition), Scotts Text hingegen zur 'Übersetzung' - der Komponist geht mit diesem Text in gleicher Weise um, wie mit der erwähnten italienischen Version Goethes oder der deutschen Metastasios (hierzu Dürr 2000. 45ff.). 2.4.1. Silbenzahl und Satzbau Wenn Schubert für Storcks Übersetzung metrische Kongruenz konstatiert hat, dann meint das nicht völlige Korrespondenz von Silbenzahl und Reimbildung, schon gar nicht der Satzkonstruktion, sondern lediglich Korrespondenz der Verszahl und Anzahl der Hebungen. Ein Vers kann bei Scott abtaktig beginnen, bei Storck hingegen auftaktig; die vier Hebungen können sich im regelmäßigen englischen Metrum zu gleichmäßigen Zweiergruppen ( - u | - u | - u | - u ) ordnen, im unregelmäßigen deutschen hingegen zu u | - | u | - u | - u . Für Schubert ergibt sich dabei die Schwierigkeit, dass er einen charakteristischen Rhythmus, der auf die im Text angesprochenen Jagdhörner Bezug nimmt, opfern muss: Schubert, Ellens Gesang II: „dass Jagdhörner..." / „bugles here..." Er beginnt daher in der englischen Version weicher, führt aber dann die dem Jagdruf angemessenen Punktierungen dort ein, wo syllabische Diktion ihm dies gestattet (Syllabik tendiert zu schärferer Artikulation als die Melismatik der deutschen Version, der Schubert hier auch deshalb nachgibt, weil er es ja eigentlich mit einem Schlaflied zu tun hat: „Jäger, ruhe von der Jagd! Weicher Schlummer soll dich decken, träume nicht, wenn Sonn' erwacht, dass Jagdhörner dich erwecken"). 105. Wort und Musik: Liedtexte und Libretti als Übersetzungsphänomen 1045 p • i r P > J ; p i r bug - - les here shall sound re - veil - lé, p i r r ; O ^ i j dass Jagd - hör - ner dich_ Notenbeispiel 105.6 er we cken, Bezeichnend für Inkongruenzen im Satzbau ist bereits der Beginn des Liedes: Schubert gliedert die erste melodische Phrase in einen ansteigenden, wieder von der Vorstellung des Jägers geprägten Anruf und einen sofort, ohne Zäsur anschließenden weichen Abschwung (die Tonwiederholung verbietet eine Zäsur nach „Jäger") mit einem merkwürdigen, von der Klavierbegleitung durch einen Nonenakkord gestützten Akzent auf der dritten Hebung („von"). Dieser zeigt, dass die Melodie als Einheit gedacht und nicht von der Satzmelodie vorgegeben ist: Es ist ein Modell von Aufschwung und Beschwichtigung, das im Laufe des Liedes immer wiederkehrt (so auch in der zuvor zitierten Phrase): nicht mehr wie von selbst zur „Ruhe" (die im Englischen ja auch nicht unmittelbar angesprochen ist). Die beiden Motive erscheinen vielmehr antithetisch. Dem, was Schubert eigentlich darstellen will (dass nämlich die „Ruhe" die „Jagd" überlagert, beides die ganze Zeit hindurch wirksam ist), geht so verloren. Wäre Schubert der englische Text nicht vorgegeben gewesen, er hätte sich eine andere Übersetzung wählen müssen. 2.4.2. Musikalische Bilder Wie musikalische Bilder in der Übersetzung sich verwandeln, an Präzision verlieren können, haben wir bereits an Haußmanns ÜberHunts- man_ rest! thy chase is done, m f i J \ Jä - ger_, ru - he von der Jagd! Notenbeispiel 105.7 Schubert, Ellens Gesang IL „Jäger, ruhe von der Jagd!" / „Huntsman, rest! Thy chase is done" Die englische Version dagegen scheint zunächst völlig korrekt deklamiert: Der Akzent auf „chase" ist eher akzeptabel als der auf „von" (auch wenn der Satz auf die Kadenz zielt, auf das „done"), so als hätte Schubert bei der Vertonung von Anfang an das Englische im Sinn gehabt. Die Gliederung der melodischen Phrase aber hat sich verändert. Das Ausrufungszeichen nach „rest" verlangt eine Zäsur (die rhetorischen Zeichen '!' und '?' sind immer auch musikalische Vortragsanweisungen), auf die ein neues, auftaktiges Motiv folgt. Anruf und Abschwung bilden keine Einheit mehr, der Aufschwung führt tragungen von Marenzios Canzonetten beobachten können. Je konkreter nun musikalische Bilder werden, desto problematischer ist eine Übersetzung, die Bilder nur ungenau und an anderer Stelle im Vers wiedergibt. Schubert hatte seine auf das konkrete Einzelwort bezogenen Figuren an der deutschen Version der Lieder entwickelt, die in manchen Details präziser war als das Original, an dem Schubert ja nichts ändern wollte. Im Mittelteil des ersten Liedes des Zyklus („Ellens Gesang I") wird im deutschen Text „der Trommel wildes Rasen" beschworen und „das Stampfen wilder Pferde". Schubert zeichnet dies in der Klavierbegleitung durch Tremolo-Figuren (Trommelklang) und wilde daktylische Rhythmen (Pferde-Stampfen) nach. Im englischen === 1046 XV. Literaturwissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Übersetzungsforschung105.W Text ist statt von Trommeln nur allgemein von „rude sound" die Rede - die trommelnden Tremolofiguren verlieren daher in der englischen Fassung ihren konkreten Bezug. Das „Stampfen wilder Pferde" andererseits - englisch: „squadron tramping" - steht an einer Stelle im Lied, an dem die daktylischen Rhythmen verklingen, die Musik in wiegende Figuren übergeht, die zu den Wörtern „Schlummer" und „stille Nacht" passen, die an dieser Stelle den deutschen Text bestimmen (Ellens erster Gesang - „Raste Krieger, Krieg ist aus" - ist ein Schlaflied wie der zweite). 3. Sieben Thesen zur sangbaren Übersetzung (1) Wesentliches Kriterium einer sangbaren Übersetzung ist die Bewahrung der ursprünglichen Wort-Ton-Beziehungen - und zwar möglichst entsprechend den Intentionen des Komponisten, unter Berücksichtigung der in einer bestimmten Epoche maßgeblichen Ästhetik. Das schließt auch einen bestimmten Sprachstil mit ein: Widersprüche zwischen der Diktion der Musik und dem neuen Text (etwa aufgrund von „Aktualisierungen") sind zu vermeiden. Grundsätzlich gilt: eine sangbare Übersetzung ist kein Lesetext - nicht, ob ein Satz sich flüssig liest, ist entscheidend: Wenn er zu der gegebenen Musik passt, darf er als Lesetext notfalls auch holprig anmuten. (2) Original und Übersetzung müssen metrisch kongruent sein. Der übersetzte Text mag dabei metrische Gesetze der neuen Sprache respektieren, wichtig ist aber vor allem, dass dabei nicht gegen die des Originals verstoßen wird, vor allem nicht gegen die präzise Folge von Haupt- und Nebenakzenten, aus der sich die spezifische Satzmelodie ergibt (Haußmann hatte seine Verse der alternierenden deutschen Metrik angepasst, aber nur, wenn er dadurch nicht gegen die italienische, silbenzählende Metrik mit wechselnden Akzenten verstieß). (3) In musikalisch gebundenen Formen (Arien, Duetten, Ensembles, Liedern) sollte (auch entgegen der Gepflogenheit mancher älterer, zeitgenössischer Übersetzer) die Silbenzahl der Übersetzung mit der des Originals übereinstimmen, insbesondere in motivisch oder thematisch fixierten Passagen (die Unterteilung oder Dehnung eines Tones kann den musikalischen Charakter verändern, s. Glucks „Orfeo" - „Orphée"). In stark deklamatorischen Passagen, in denen das Wort im Vordergrund steht (wie in Rezitativen) ist eine Abweichung von der ursprünglichen Silbenzahl eher möglich. (4) Wenn der Komponist die musikalische Phrase nach der Versordnung gliedert und dabei auf den Reimklang Rücksicht nimmt, sollte die ursprüngliche Reimordnung beibehalten werden. Es ist dann nicht unbedingt notwendig, dass die Reime rein sind - wichtig ist nur die Wiedergabe der Klangparallelen in Assonanzen der Vokale. (5) Bei exponierten - besonders hohen oder tiefen - Tönen sollte der Übersetzer Rücksicht auf die Vokalfärbung nehmen ('i-' und 'u-' sowie geschlossene 'e-' und 'o-' Klänge sind zu vermeiden). Ob Vokale kurz oder lang sind, ist hingegen unerheblich: Ihre Länge bestimmt der Komponist. (6) Im semantischen Bereich der Sprache ist auf genaue Korrespondenz emphatischer Figuren zu achten, nicht nur bei Interjektionen, auch bei 'Seufzern', s. 2.2.2., und bei einem Wechsel des Affekts (wenn etwa der Komponist bei einem bestimmten Wort von Dur nach Moll - oder in früherer Zeit in einen anderen Kirchenton - wechselt, dann muss das korrespondierende übersetzte Wort an genau derselben Stelle des Satzes stehen). (7) Poetische Bilder, für die der Komponist musikalische Entsprechungen gefunden hat. können in emphatische Akzente umgewandelt werden, wenn die musikalischen Figuren nicht allzu spezifisch sind. Dort wo dies jedoch der Fall ist (bei der Darstellung von Meereswogen, Wind, Sturm, Nachahmung von Klängen, s. 2.4.2.) müssen die Entsprechungen an einer Stelle stehen, die die konkrete Zuordnung der musikalischen Figuren erlaubt (das ist allerdings nicht immer dieselbe Stelle im Satz, weil Komponisten seit etwa der Mitte des 17. Jahrhunderts oft die bestimmenden Figuren ganzer musikalischer 'Nummern' von solchen Bildern ableiten). 4. Literatur (in Auswahl) Angermüller, R. (1986). Figaro. München. Bister, H. (1968). „Zum Übersetzungsproblem in der geistlichen Vokalmusik". Musica Sacra 88: 98-105. Buschmeier, G. (1998). „Zur Problematik der Edition von Operntexten im Rahmen musikalischer Ausgaben am Beispiel der Gluck-Gesamtausgabe Glucks Opern. Text zwischen Original und Bearbeitung". Der Text im musikalischen Werk. Eds. H Lühning, et al. Berlin. Dent, E. J. (1935). "The Translation of Operas." Proceedings of the Royal Musical Association Leeds. 106. Les mots et les images en traduction: sous-titres et doublage 1047 Dumont, S. E. (1982). "German Secular Polyphonic Song In The Printed Editions 1570-1630: Italian Influences On The Poetry And Music." Diss, (mschr.). Oxford. Dürr, W. (1970-1972). „Überlegungen zu einer Übersetzung des Don Giovanni". Mozart-Jahrbuch.: 81-88. Dürr, W. (1994). Sprache und Musik. 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Tübingen. Osthoff, W. (1961). „Monteverdis 'Combattimento' in deutscher Sprache und Heinrich Schütz". Fs. H. Osthoff. Tutzing. 195-227. Pelnar, I. (1982), Die mehrstimmigen Lieder Oswalds von Wolkenstein. Textband, Tutzing. Ruhnke, M. (1989). „Zum Wort-Ton-Verhältnis in den mehrstrophigen Villanellen von Luca Marenzio und ihre Umtextierung durch Valentin Haussmann". Fs. W. Osthoff. Tutzing. 137-151. Schneider, H. (1981). „Opern Lullys in deutschsprachigen Bearbeitungen". Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft 5: 69-80. Schünemann, G. (1940). „Mozart in deutscher Übersetzung." Jahrbuch der Musikbibliothek Peters 47. Striehe, H. (1944). „Deutsche Verdi-Übersetzungen. Ein Beitrag zur Geschichte der Opernübersetzung." Diss. (mschr.) Heidelberg. Thür, R. (1987). „Modest Mussorgskijs Boris Godunow in deutschen Übersetzungen: Ein Beitrag zur Frage der Übersetzungen fremdsprachiger Opernlibretti." Diss. (mschr.) Wien. Vecchi, O. (1993). Thefour-voice Canzonettas. With original texts and contrafacta by Valentin Haussmann and Others. Ed. R.I. DeFord. Zauft, K. (1975/76). „Zur Übersetzung Händelscher Operntexte am Beispiel Imeneo". Händel-Jahrbuch 21/22: 81-85. Walther Dürr, Tübingen ( Deutschland) 106. Les mots et les images en traduction: sous-titres et doublage 1. Un domaine en émergence 2. Des enjeux divers 3. Modes de transfert 4. Implications 5. Bibliographie sélective 1. Un domaine en émergence 1.1. La traduction audiovisuelle est encore un objet largement inexploré dans toutes ses implications. Si la sociologie, les analyses de discours s'intéressent depuis longtemps aux médias de masse, à leurs effets, à leur réception, à leur fonction de reproduction des valeurs, des stéréotypes, etc., la traductologie a peu osé aborder les problèmes et les enjeux de la communication multilingue via la télévision, le cinéma, la vidéo. C'est un objet perçu comme 'pratique', sinon même mécanique, les soustitreurs par exemple étant peu enclins à saisir le lien entre leur activité et les facteurs qui la régissent, les retombées possibles de leur travail. Le sous-titrage ainsi est encore vu plus souvent comme un „mal nécessaire" (Marleau 1982) que comme „la traduction-communication par excellence" (Reid 1990). Pourtant c'est un objet en rapide mutation: d'abord parce qu'il y a de moins en moins analogie entre la communication dite de masse, unidirectionnelle et diffusée selon un modèle homogénéisant (le même programme pour tous