Uni-Perle Brünn Studieren an der besten Uni Tschechiens Von Ellen Kollender Was, bitteschön, hat Prag denn schon zu bieten? Die Studenten von Brünn lieben auf jeden Fall die Ruhe, kleine Preise und ein gebührenfreies Studium an der besten Uni in ganz Tschechien. Sehnsucht nach der hektischen Hauptstadt hat hier keiner, versichern Studentin Rebekka und ihre Freunde. Die große Rivalin ist rund 200 Kilometer weit weg, doch irgendwie immer präsent. Das hat auch Medizinstudentin Rebekka Post schnell gelernt. Ihre Antwort auf die Frage, warum sie ihr Erasmus-Jahr ausgerechnet in Brünn verbringt, kommt sofort: „Prag ist zu laut, zu voll, zu teuer, zu touristisch.“ Hier hingegen: das wahre Tschechien. Rebekka gerät wird verträumt - die übersichtliche Uni, die schnellen Rechner in den Computerräumen, das günstige Schwarzbier in den zahlreichen Kneipen. Es klingt fast wie in einem Werbespot. „Am Anfang bekam ich dauernd zu hören: 'Wir sind hier nicht in Prag!'", erzählt Rebekka. Der Spruch kam immer dann, wenn sie eine Vokabel im gängigen Tschechisch aussprach und nicht in der hiesigen Mundart Hantec, die stark vom Deutschen und Jiddischen beeinflusst ist - und die in Prag kaum jemand beherrscht. Beschaulich (= ruhig), beschaulicher, Brünn? Die 24-jährige Studentin sitzt mit ihren Kommilitonen Magdalena und Robert im Garten eines der vielen Studentencafés am Fuße der Burg Spielberg, Wahrzeichen (= s Merkmal) und Touristenmagnet der zweitgrößten Stadt Tschechiens. Die Sonne unterstreicht die Sonntagnachmittagsstimmung, der Wind streichelt die alten Kastanien. „An den Wochenenden ist es hier so ruhig, dass man auf den Hauptverkehrsstraßen spazieren gehen kann,“ erzählt Magdalena Becher, 27, die bereits seit einem Jahr Tschechisch, Politik und Geschichte in Brünn studiert. Dann sind die Tschechen in ihren Wochenendhäuschen oder wandern in den mährischen Wäldern. Gebührenfrei und edel studieren - so ganz anders als in Regensburg Die Masaryk-Universität wurde nach dem Gründer und ersten Präsidenten Tschechiens benannt. Sie ist das wichtigste Forschungszentrum des Landes, kann sich mit der größten Bibliothek und berühmten Ehemaligen schmücken, wie etwa Gregor Mendel. Das Medizingebäude im Neorenaissance-Stil passt genau in die Reihe gepflegter Altbaufassenden. Keine zerstörten Wände, kein Müll auf dem Boden. „Wenn ich da an meine Uni in Regensburg denke, ist das schon ein starker Kontrast,“ erzählt Gaststudentin Magdalena. „Da tropft es bei Regen durch die Decke. Und Referate werden an alten Overhead-Projektoren gehalten.“ Nicht so an der Masaryk-Uni: Hier gibt es Beamer, Mikrofone, freies Internet. Studiengebühren zahlen die Studenten in Brünn trotzdem nicht. Fürs Wohlgefühl der Gaststudenten ist der International Student Club zuständig, die Brünner Studentenvereinigung, die in diesem Jahr sogar als bester Erasmus-Club Europas ausgezeichnet wurde. Dessen Mitarbeiter schreiben etwa detaillierte Vorbereitungsmails, organisieren ein eigenes Semesterprogramm und stellen für jeden Auslandsstudenten einen Tutor zur Verfügung, der die Ankömmlinge schon am Bahnsteig willkommen heißt. Weit kommen, mit kleinem Budget Und dann sind da noch die angenehmen Preise. Der Kakao kostet 25 Kronen, umgerechnet ein Euro. „Tschechien ist eines der wenigen Erasmus-Länder, in denen man mit der kleinen Beihilfe vom Akademischen Auslandsamt wirklich weit kommt,“ sagt Rebekka. Für ihr WG-Zimmer zahlt sie umgerechnet nur 120 Euro. Da bleibt genug übrig, um abends auszugehen. Das heißt in Brünn: in eine der vielen Bierstuben mit typischer böhmischer Küche; da gibt es Knödel, Schweinefleisch, Kraut. Und die Schatten der konfliktreichen Vergangenheit? Die Annektion des Sudetenlandes, die Angliederung von Böhmen und Mähren an das Deutsche Reich. Wirkt dies noch nach? Und die Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung beim sogenannten Brünner Todesmarsch? Über die Vergangenheit werde kaum gesprochen, erzählen die deutschen Studenten, weder in Magdalenas Gastfamilie noch in Rebekkas Studenten-WG. „Das Schöne ist, dass die jungen Tschechen ohne Vorurteile mit den Deutschen umgehen,“ sagt Magdalena. Das hänge aber auch damit zusammen, dass die junge Generation hier nur wenig über die deutsch-tschechische Vergangenheit wisse. Wenig Chancen ohne Tschechisch Rebekka konnte kaum ein Wort auf Tschechisch, als sie nach Brünn kam. Intensivkurse und der allwöchentliche deutsch-tschechische Stammtisch zeigten allerdings schnell Wirkung. Im Vorlesungsverzeichnis finden sich nur wenige Seminare, die in deutscher Sprache abgehalten werden. „Kurse finden höchstens auf Englisch statt. Allerdings ist das Niveau dieser Seminare oft schlecht, einfach larifari,“ sagt Rebekka. Ohne Tschechisch spricht kann sie leider auch nicht von dem reichen Kulturangebot in Brünn profitieren. Trotzdem: „Im Gegensatz zu Prag hat die Stadt gleich zwei Nationaltheater,“ erzählt Rebekka. Na also: wieder ein Pluspunkt für Brünn.