6 1. Politische und kulturelle Situation im Protektorat Das Münchner Abkommen bedeutete für die tschechoslowakische Gesellschaft Ende der Demokratie. Der neue Staat, Česko - Slovensko, zeigte eine klare Orientierung und Verständnis mit der Politik in Deutschland. Dies steigerte sich noch mít der Okkupation am 15. Marz 1939. Das errichtete Protektorat Böhmen und Mähren bedeutete danach nur die letzte Phase für die tschechoslowakischen demokratischen Ideen. Die Kontrolle, sowohl über die Politik, als auch über die Kultur, übernahmen überprüfte Personen aus dem deutschen oder tschechischen Millieu. Ihre Rolle war von Anfang an klar. Sie sollten den Plan des Dritten Reiches auf Germanisierung und Errichtung einer neuen Ordnung umsetzen. Der Plan beruhte auf dem allmählichen Abbau des Nationalbewußtseins, auf der politischen Assimilierung oder, wenn es keinen anderen Ausweg gäbe, so auf der Übersiedlung oder physischen Likvidation. Gerade die Kultur sollte als ein Mittel für diese Politik dienen. Die mit Haß und Rachsucht erfüllten sudetendeutschen Vorschläge zur schnellen Germanisierung wurden zum Glück in Berlin vorläufig nicht akzeptiert, denn man hatte Angst vor der Reaktion der tschechischen Öffentlichkeit. Die physische Likvidation oder Aussiedlung kamen auch nicht in Frage, weil die deutsche Wirtschaft eine große Masse der Arbeitskräfte im Raum der höchstentwickelten Industrie verlieren würde. Dank dieser Tatsache hatte das tschechische Volk eine andere Stellung als andere slawische Nationen (wie z.B. Polen, Russen,...). Ebenfalls kann man so von der Kultur sprechen. Die Germanisierung stoß in ihren Anstrengungen auf große Intensität des tschechischen Kulturlebens, das dank einer breiten Skala von verscheidenen Instimtionen und Organisationen erhalten blieb. Aus dem Grunde gaben die Nazis Versuche zur Einführung eines härteren Okkupationsmodells auf und berücksichtigten teilweise den Stellenswert der Kultur für die Tschechen. Dies bedeutete jedoch nicht, daß sie der tschechischen Kultur einen breiteren Raum zum Nachteil 7 der eigenen Kultur gönnten. Die nazistische Konzeption ging von dem Standpunkt aus, die böhmischen Länder gehörten immer, sowohl geschichtlich, als auch machtpolitisch, in den Bund des Reiches an. Diese Meinung wurde zur Grundlage der Reichsidee, die im Protektorat verwirklicht werden sollte. Mithilfe der Reichsidee sollte man zuerst die politische Assimilation durchführen, erst dann würde man die Nationalität assimilieren. Das sämtliche Kulturleben im Protektorat war unter der Aufsicht der Gruppe für kulturpolitische Angelegenheiten bei dem Amt des Protektors, später Abteilung für Kulturpolitik gennant. Kontrolle umfaßte alle anderen Kultursphären, außer Schulwesen. Besonders wichtige Bereiche waren nur in ihrer Kompetenz, wie z.B. Presse. Daneben wirkte die Regierung im Protektorat, deren Zuständigkeit in der Kultur weder unbeschränkt noch geringfügig war. Sie hatte eine relative Autonomie, „die als völlige Nichtbeachtung der für das deutsche Schaffen gültigen Grundsätze nicht vestanden werden darf."2 So klang die Mitteilung für die Protektoratsorganen. Die Regierung versuchte immerhin, bis 1942, die tschechische Kultur zu bewahren und verschiedene Arten von Anstrengungen zu fördern. Deutsche Kreise beim Amt des Protektors trugen es schwer, aber jegliche Störung der damaligen Situation würde nur Komplikationen in ihrer langfristigen Politik verursachen. Noch größere Gefahr sahen sie in der Intelligenz, die intensiv bekämpft wurde. Als Reaktion auf die Demonstrationen zum 21. Jahrestag der Gründung der CSR wurde den Studenten das Recht genommen, an den Hochschulen zu studieren. Denn die Hochschulen wurden am 17. November geschlossen. Nicht nur Hochschulen, sondern auch Schulen der Grund und Mittelstufe wurden von den Maßnahmen der deutschen Behörden getroffen. Die Schüler wurden im Geiste der Reichsidee umerzogen. Die Umerziehung orientierte sich auf die Jugend, die noch nicht klare Lebensvorstellungen und haltungen hatte. Von der Umbildung zeugen Veränderungen in I^hrplänen, und nicht in allerletzter Reihe, die Aufhebung des Geschichtsunterrichts und anderer Fächer, wie Geschichte der Literatur und 8 Kirchengeschichte. In den Schulen überwog der Deutschunterricht, der Tschechischunterricht beschränkte sich auf die Lehre über die Mundarten. Die Propaganda beeinträchtigte alle geisteswissenschaflichen Fächer. Das Studium dieser Fächer und dann folgende Forschung wurde für überflüssig gehalten. Neben dem Schulwesen litten auch andere Bereiche der Kultur, wie Literatur, Theater und Film. Die harte Zensur machte alle Ausdrücke antinazistischer Bestrebungen unmöglich. Dies ermöglichte Herausgeben der Werke der zweitrangigen Autoren und eine Blütezeit für die Unterhaltungsliteratur. Das Theater blieb relativ frei. Das Repertoire wurde stark beschränkt. Fast alle westeuropäischen und osteuropäischen Theaterstücke wurden verboten, außer Shakespeare, Shaw und Bizet. Das Verbot bezog sich später auch auf Shakespeare und Shaw, paradox auch auf Schillers Don Carlos und Wilhelm Teil. Ahnliche Situation galt in der Musik. Alle judaischen Musikautoren wurden verboten. Ausnahme bei Strauß, Nedbal und Lehar machte der Führer selbst. Fihn als relativ junger Bereich der Kultur bot einen hervorragenden Raum für die faschistische Propaganda. In der damaligen Zeit war der Film bei den breiten Schichten der Bevölkerung sehr beliebt und wurde sogar in der schwersten Zeiten am Ende des Krieges gespielt. Die Fachmänner im Bereich der Propaganda, wie Goebbels, luden den Zuschauer ins Kino wegen der Wochenachrichten ein. Der Film wurde von der Zensur schwer getroffen. Zum Beispiel amerikanische Filme wurden sogar noch vor dem Eintritt der USA in den Krieg verboten. Die tschechische Kultur wurde schwer getroffen. Diese Situation bedrängte auch die ganze Gesellschaft, die sich im Kampf um die Demokratie enttäuscht fühlte. Sie mußte den Kampf aufgeben und Demütigungen erleben. Auch wenn die physische Unterdrückung nicht Ko furchtbar war, im Vergleich mit anderen osteuropäischen ländern, trotzdem geriet die Gesellschaft unter einen sehr schweren moralische Druck. Viele Menschen waren um das 9 zukünftige Schicksal der Nation besorgt. Die tschechische Gesellschaft überlebte zwar diese schweren Jahre, aber die Zeit des Protektorats hinterließ in ihrer Bewußtsein einen großen Riss. 2. Situation in der Literatur Die Literatur war im Zentrum des Interesses der Zensur als einer der ersten Bereiche in der Kultur. Das Problem bestand darin, daß sie schriftlich vorlag, und deshalb konnten die Nazis sie mit einem allgemeinen Verbot belegen. Sofort nach dem 15. März 1939 wurde „die schwarze Liste der unerwünschte Werke" ausgefertigt. Viele Autoren wurden verfolgt und durften nicht ihre Tätigkeit ausüben. Jedoch Schriftsteller versuchten anstatt der Politiker und Soldaten ihre Ansicht über damalige Situation auszudrücken. Sie verteidigten humanistische und demokratische Ideale, die durch die II. Republik und später durch das Protektorat zu Grunde gingen. Kein Wunder, daß sie zur Zielscheibe der Repressalien wurden. Außer diesen Schriftsteller-Gegnern gab es für die Zensur unakzeptable schon herausgegebene Werke, die sogar in Bibliotheken für Leser zur Verfügung standen. Diese Bücher wurden ausgesondert und später vernichtet. Es gelang nur einige Reste der kostbaren Werke zu retten, wie zum Beispiel aus der Masaryk-Bibliothek. Es wirkten paradox in dieser Situation Anstrengungen der vielen Bibliotheken und Büchergeschäfte, die noch vor der Okkupation viele Bücher aussonderten, weil sie den Okkupanten keinen Grund zu Repressalien geben wollten. So wurden aus diesen Institutionen Werke von Alois Jirásek, Josef Hais-Týnecký, Rudolf Medek und Jan Veber beseitigt, noch vor dem Auftrag der nazistischen Zensur. 10 Eine paralelle Situation kann man beim Einkauf der Bücher bemerken. Mit der Okkupation sank Absatz der Bücher, der einerseits von der schlechten sozialen Bedingungen, anderseits von dem Befürchtungen der Leser verursacht wurde. Die Menschen fühlten Angst vor der deutschen Unterdrückung und lehnten es ab, ihre Bibliotheken mit neuen tschechischen Werken auszustatten. Dank der Haltung von Autoren, wie Bass und Mathesius wurden diese Befürchtungen überwunden, denn sie waren sich des Mißbrauchs dieser Situation durch Nazis bewußt. Nicht nur psychologische Propaganda, aber auch konkrete Tätigkeit in der Form der Zensur verursachte allmähliche Likvidation der Kulturtraditionen in der tschechischen Literatur. Die Zensur stand unter der Kontrolle des Reiehsprotektoratsamtes. Sogar dem Schrifttum und der Propaganda entsprach eigene Abteilung, die von Rudolf Urban geleitet wurde. Die Sektion Schrifttum sollte alle nichtperiodischen Druckwerke kontrollieren und zunächst zum Deutschtum neigende Schriftsteller fördern, weiter nach der unerwünschten Literatur fahnden, tschechische Schriftstellerorganisation beabsichtigen. Nicht in allerletzter Reihe bewachte die Abteilung Arisationsmaßnahmen, sie trug Verantwortung für Bibliotheksund Archivswesen und ihre Säuberung. Seit 1938 existierte eine Kultursektion bei dem Präsidium des Ministerrates. Diese Sektion führte eine wirkliche Zensur' durch. Die Unterlagen für ihre Arbeit gewannen die Beamten vom Reichsprotektoratamt, bzw. vom GESTAPO. Der Vorsitzender dieser Sektion war August von Hoope, bekannt von seiner Politik der Zensurverstärkung, Die tschechische Buchproduktion sollte nach Hoope in allen ihren Teile gesteuert werden, inkl. Papierzuweisung für die Verlage. Außerdem beteiligte sich die Sektion an der Zusammenstellung der Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums und Musikalien. Zunächst drückte sie ihre Ansicht aus, zur Verteilung der Preise im Literaturwettbewerbe, zur Veranstaltungen der Bücherausstellungen und sie widmete sich auch der Regulation der Bücherproduktion. Jeglicher Schriftsteller oder Verlag, die 11 Herausgeben eines Werkes beantragten, mußten persönliche Angabe über den Autor mit der Charakteristik seines bisherigen Schaffens anfuhren. Was die Zensur selbst betrifft, wurden diejenigen Werke unter Kontrolle gestellt, die gegen die Grundprinzipien der nationalsozialistischen Ideologie standen. Solche Werke durften nicht herausgegeben, verkauft, geliehen, angeboten und gelagert werden. Bücher der jüdischen Autoren wurden verboten, auch wenn sie nicht an der „schwarzen" Liste standen. Zu den verbotenen Autoren gehörten schon oben genannte jüdische Schriftsteller, dann Literatur der politischen Emigranten, kommunistische, sozialistische Literatur und zuletzt die Freimaurerliteratur. Auf dem Index waren auch Werke der franzözischen, englischen und russischen Schriftsteller, wenn sie nicht zu den klassischen Autoren angehörten. Immer öfter verschwanden aus den Buchgeschäflcn und Bibliotheken fremdsprachige Autoren je nach dem, mit welcher Nation das Dritte Reich im Krieg stand. In der ersten Reihe wurden vor allem Bibliotheken getroffen. Anfangs 1941 begann die Massenrevision in der Bibliotheken im Protektorat, inkl. der größten in Prag und Brünn. In Grenzgebieten wurden etwa 40% aller Bänder vernichtet. Gesamtzahl betrug 3 337 814 Bücher tschechischen Ursprungs.3 Öffentliche Bibliotheken wurden zwar schwer beschädigt, aber paradox kam es in der Universitätsbibliothek zur Erweiterung der Bücherfonds.4 Die Frage ist, ob die Fonds zugänglich waren. Was das Schicksal der übrigen unerwünschten Bücher betrifft, war der Umgang anders als in Deutschland, wo die Bücher öffentlich verbrant wurden. Trotzdem, wenn sie nicht gerettet wurden, endeten sie in der Stampfe. Die tschechische Literatur kam um viele ausgezeichnete Werke. Die nazistische Propaganda machte das tschechische Schrifttum arm, in ihrem Ziel stand eine neue Kultur nach dem totalitären Maßstab. Das Reichsprotektoratsamt stellte die Uterarische Produktion unter seine Kontrolle. Sie sollte ihren 12 Vorstellungen entsprechen und völlig die Rolle des Mittels fiir Germanisierungsdurchfürung übernehmen. Jahr zu Jahr stieg die Zahl der unerlaubten tschechischen Literatur, für die noch eine genaue Maße des Papierverbrauchs für die Herausgebertätigkeit festgelegt wurde.5 Auch wenn die Situation in der Literatur und allgemein in der Kultur nicht günstig war, dienten alle Kulturaktionen wenigstens als verborgene Äußerung des nationalen Bewußtseins. Dasselbe betraf auch die Literatur. Denn trotz aller Gegenmaßnahmen seitens der nazistischen Kreisen verband das Buch und die Interesse für die Geschichte die ganze Nation. Václav Černý nennt es als Gefühl der Selbsterhaltung, daß weder in der Geschichte, noch in der Zeit der nationalen Wiedergeburt so viel Bedeutung hatte.6 3. Offizielle Autoren des Dritten Reiches und das tschechische Milieu Die Literatur des Dritten Reiches geht im wesentlichen von der idealisierten Ideen aus, die der Faschismus formulierte. Die deutsche Gesellschaft war in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg in einer sehr schwierigen Situation und sie tendierte von Anfang an entweder zur linken oder zur rechten Richtung in der Politik. Dank der Unterstützung von prominenten Kreisen besiegte Hitler am Ende seine Gegner aus dem linken Lager. Den Sieg feierte die Idee der neuen Gesellschaft, die vom deutschen Volk mittels Warfen und Terror geschaffen werden sollte. Nach den ersten Erfolgen, noch vor dem Krieg, glaubten viele Menschen in Erfüllung dieser Parolen. Die nazistische Literatur sollte von Anfang an diese Parolen unterstützen. Sie sollte einen neuen starken Menschen durch Umerziehung schaffen. Nicht alle paßten in ihr Program. Juden als Symbol des Reichtums, Schwindels und Ausbeutung der Armen wurden ausgeschaltet. Dasselbe Schicksal wartete auf Slawen, die inzwischen für die