Thomas Klupp Paradiso Roman Berlin Verlag 1 Es ist noch früh am Nachmittag und glühend heiß, und ich stehe hier an einer Raststätte gleich bei Potsdam und warte darauf, bald wegzukommen. Obwohl ich im Schatten des Tankstellendachs stehe und nur eine kurze Hose und ein ärmelloses T-Shirt trage, schwitze ich, als hätte ich Gewichte gestimmt. Das Shirt klebt mir im Nacken, und weil es neu ist und ich vergessen habe, es zu waschen, juckt es am Saum ganz schlimm. Ich bekomme sicher einen Ausschlag davon, weil ich eine sehr empfindliche Haut habe, die so etwas nicht verzeiht. Über mir schnarrt ein Gebläse, das den Benzingeruch mit warmer Toilettehluft mischt, und während ich den Geltank einatme, schaue ich immer wieder zu den Zapfsäulen. Ein paar Leute tanken dort ihre Autos voll, und ich bin mir sicher, dass mich jeder einzelne von ihnen für einen Tramper hält. Wie ich neben meinem Rucksack an der Wand des Tankstellenshops lehne und dauernd so verstohlen hinüberblinzle, muss das auch so wirken: als würde ich gerade eine Pause machen und im nächsten Moment schon wieder mein bemaltes Pappschild rausstrecken, an alle mög-liehen Scheiben klopfen und betteln, dass ich einsteigen darf. Würde ich mich nicht so matt fühlen, ich glaube, ich würde den Leuten reihum erzählen, dass ich hier auf meine Mitfahrgelegenheit warte und übrigens selbst ein Auto habe, 7 das momentan bloß in der Werkstatt ist. Das wäre nicht einmal gelogen, meine Eltern haben mir vor kurzem eins geschenkt, so ein kleines rotes mit Schiebedach, und vor ein paar Tagen hat es meine Freundin dann zu Schrott gefahren. Ihr selbst ist nichts passiert, nicht einmal eine Schramme hat sie abgekriegt, nur das Auto war hinüber. Sie ist gegen einen Baum gefahren oder vielleicht war es ein Laternenmast. Ich bin mir nicht ganz sicher, ich habe nicht weiter nachgefragt. Johanna hat andauernd geweint und sich dabei hysterisch entschuldigt, und ich wollte nicht den Anschein erwecken, als ginge es mir ums Blech. Ehrlich gesagt war es mir tatsächlich egal, dass das Auto kaputt war und jetzt Reparaturkosten anfallen und die Versicherungsgebühren höher werden und so weiter. Mein Vater kümmert sich um solche Sachen, er kennt da alle Tricks. Damit hier auch wirklich keiner auf falsche Gedanken kommt, lehne ich mich extra unbeteiligt gegen die Wand und schaue konsequent nur auf meine Schuhspitzen hinunter und auf die eingetretenen Kaugummis im Asphalt. Nur ab und zu schaue ich hoch, und zwar wenn Frauen und Mädchen in kurzen Kleidern und Röcken vorbeilaufen, was recht häufig passiert, ich stehe nämlich gleich neben dem Toiletteneingang. Ich kann die Aussicht aber gar nicht genießen, weil das Jucken immer penetranter wird und ich mich mit aller Kraft konzentrieren muss, nicht zu kratzen; sonst rubbeln die Fingerspitzen die gefärbten Baumwollfasern noch tiefer in die Haut, und dort fangen sie erst richtig zu brennen an. Das ist dann wirklich unerträglich, so als würde man barfuß in einen Ameisenhaufen steigen oder mit kurzen Hosen durch Brennnesselstauden waten. Mein Opa ! hat das manchmal gemacht, gegen sein Rheuma, aber der ! war ja auch ein Bauer und hatte keine Allergien, der war im- i mer ander frischen Luft. Und während ich noch meinen 1 Opa vor mir sehe, wie er mitten im Wald in einem Ameisen- 1 häufen steht und mich dauernd überreden will, mit hinein- j zusteigen, fällt mir ein, dass meine Mitfahrgelegenheit ein f Förster ist. Ein Starnberger Förster mit einem gelben Passat, das hat er zumindest gesagt. Wir waren um Punkt eins ver-! abredet, und wenn ich mich nicht täusche, ist es schon min- 1 destens zwanzig nach. , Ich warte noch zehn Autos ab, dann gehe ich auf einen sil- ! bernen Sportwagen zu, so ein Audi TT-Modell mit diesen 1 kompakten Tankdeckeln an der Seite, der weiter vorne bei 1 den Mülltonnen parkt. Auf dem Beifahrersitz kramt eine j ziemlich hübsche Blondine in ihrer Handtasche herum, und ) ich lächle ihr freundlich entgegen und frage sie, wie spät es ) ist. Das heißt, ich will sie das fragen, komme aber überhaupt ! nicht dazu, weil sie direkt vor meiner Nase den automati- i sehen Fensterheber betätigt. Mit einem leisen Surren fährt j die Scheibe hoch, und darin spiegelt sich zuerst mein Körper : und dann mein Gesicht. Die Blondine schaut j etzt in die an- j dere Richtung, so als hätte sie mich gar nicht bemerkt und als j wäre die Sache mit der Scheibe reiner Zufall. Zuerst bin ich j noch von meinem Gesicht irritiert, ob das wirklich so unan- genehm breit aussieht wie in der Spiegelung, aber dann werde ich wütend. Ich kenne das schon von mir, so eine jähe, abgrundtiefe Wut, die mich zu allem fähig macht, und ich denke mir, wie traurig es ist, dass die Natur so absolut widerliche Menschen hervorbringt, die leider auch noch schön sind und I reich. Die guten Menschen, denke ich, sollten schön sein 8 9 und Glück haben mit allem und die schlechten hässlich und bald sterben. Was ja leider nicht der Fall ist, aber ich wünsche es mir trotzdem, und vor allem wünsche ich mir, das dieser Frau zu sagen. Stattdessen drehe ich mich um und murmle das Wort Schlampe in mich hinein. Genau gesagt murmle ich das Wort erst in mich hinein, nachdem ich mich umgedreht habe, so dass die Frau es auch bestimmt nicht hört. Ich stelle mich wieder in den Gestank hinein und fluche leise vor mich hin, dann schnüre ich den Rucksack auf und wühle nach meinem Telefon. Ich ertaste es ganz unten zwischen den Hemden und Socken, und als ich es herausziehe und die Zeit ablese, rutscht es mir fast aus der Hand. Weiter links, um genau 13:14 Uhr, geht die Tür des Tankstellenshops auf, und ein komplett kahl rasierter Typ kommt heraus. Er dreht den Kopf in meine Richtung und schnalzt dabei laut mit der Zunge, und dann läuft er geradewegs auf mich zu. Er ist nicht besonders groß, aber ziemlich muskulös und starrt mich durch die verspiegelten Gläser seiner Pilotenbrille an. Die oberen zwei Hemdknöpfe sind geöffnet, so dass man seine gebräunte Brust sehen kann, und ich denke, dass ich sicher gleich Arger und vielleicht sogar ein paar aufs Maul bekomme - wieso ich das denke, weiß ich nicht, ich habe ja nichts getan -, jedenfalls ducke ich mich schon ein bisschen, da schiebt der Typ seine Brille hoch und sagt: Mensch, Böhm, ist ja derb, dass du immer noch trampst! Vor Schreck schüttle ich den Kopf, aber dann drücke ich mein Rückgrat durch und sage: Konrad, na aber hallo. Und tatsächlich: Vor mir steht Konrad, der Computerkonrad aus der Schule, zwei X oder drei Klassen über mir. I Konrad boxt mir gegen die Schulter und grinst mich an. Er grinst wie besessen, so wie der Familienvater auf dem Anti-raserplakat auf der anderen Seite der Autobahn, und das Unheimliche ist: Seine Zähne sind mindestens so weiß und gerade wie die von dem toten Mann. Ich schaue ehrlich zweimal hin, Konrads Zähne sind mir nämlich unbekannt. Früher hat er immer diese Spange getragen, sogar zum Abi hatte er die noch im Mund, aber die Briketts und Gummis sind alle verschwunden, und jetzt steht er vor mir mit seinem Gletschergrinsen und sagt, dass er nach Süden fährt und mich mitnehmen kann. Ich sage erst einmal gar nichts, sondern schaue an ihm vorbei zur Tankstelle rüber. An den Zapfsäulen stehen ein paar BMWs und Toyotas und ein rotzgrüner Opel, aber kein einziger gelber Passat. Astrein, sage ich und will mich bedanken, aber er wartet das gar nicht ab. Er greift sich meinen Rucksack vom Boden und läuft damit los. Er läuft an den Mülltonnen vorbei auf den silbernen Audi zu, wirklich schnurstracks in Richtung der blonden Frau. Ich bin mir sicher, dass das ein Irrtum ist, weil er die unmöglich kennen kann. Das tut er aber doch. Er bleibt tatsächlich neben der Beifahrertür stehen, klopft gegen die Scheibe und gibt ihr ein Zeichen, dass sie aussteigen soll. Ich stehe zwei Schritte hinter ihm und spanne wie besessen meine Bauchmuskeln an, aber als die Frau die Tür öffnet und aus dem Wagen steigt, ist die Situation überhaupt nicht unangenehm. Sie lächelt mich an, ich lächle zurück, und dann sagt sie: Hi, ich bin die Verena. Alex, sage ich und gebe ihr die Hand. Wir drücken beide kräftig zu, wie zwei Politiker, die Gott und der Welt beweisen wollen, dass zwischen ihnen alles in bester Ordnung ist, und dafür möchte ich ihr beinahe die Füße küssen. In ihrem weißen Kleid sieht 11 miert, er nennt mir die Rendite für Softwarepatente und rattert die Namen von zehntausend Satelliten herunter, und am Schluss erklärt er mir GPS. Ich sitze neben ihm wie versteinert und schlucke den Dreck. Ein paarmal sage ich sogar: Alter Schwede, du bist ja richtig dick im Geschäft. Er nickt daraufhin so ultrabescheiden und sagt, dass ihm der ganze Schotter aber überhaupt nicht wichtig ist. Der belastet ihn sogar, sagt er, weil er gar nicht mehr weiß, wohin damit. Deswegen hilft er auch allen möglichen Leuten, mir zum Beispiel, aber auch den Bettlern auf der Straße, denen er aus Mitleid manchmal sogar Scheine gibt. Als er das mit den Bettlern sagt, wird mir heiß im Gesicht. Ich fange an, ihn so richtig zu hassen, aber das noch viel Schlimmere ist: Obwohl ich den Zweck seiner Rede komplett durchschaue, habe ich gewaltig Respekt. Früher war der Konrad ja ein unendlicher Loser, und keiner hätte auch nur zehn Pfennig auf ihn gesetzt. Während wir alle wie die Irren gefeiert haben, hat er seine halbe Jugend vor dem Bildschirm verbracht. Nicht nur vor dem eigenen, aus lauter Verzweiflung hat er auch den Mädchen die Rechner klargemacht. Er ist damals über die Dörfer getourt, hat sich in den Arbeitszimmern der Väter vergraben, Modems und Soundkarten und sonst was installiert, und hinterher bekam er von den Müttern noch eine Tasse Kaffee spendiert. Abends wollte ihn dann trotzdem keiner kennen, am allerwenigsten die Mädchen, denen er am Nachmittag noch geholfen hat. Die haben ihn von vorne bis hinten beschissen, aber ihm hat das überhaupt nichts ausgemacht. Er hat das einfach weggebissen, und jetzt sitzt er da mit seiner Firma und seinen schneeweißen Zähnen, und das macht wirklich Eindruck auf mich. Ich weiß nicht, wie sehr es mich beeindrucken würde, würde die Verena nicht hinten sitzen, aber sie sitzt ja eben da. Das lässt sich j a nicht leugnen, ich spüre sie sogar. Schon seit einer Weile ihre Knie, die sie mir durch den Sitz so spitz in den Rücken drückt, aber jetzt auch ihre Hand. Sie berührt mich an der Schulter und bittet mich, kurz ihr Tuch zu halten, das genau die Farbe des Schmetterlings hat. Während ich an dem glänzenden Stoff herumreibe, steckt sie mit ein paar Spangen ihr Haar zusammen. Sie benutzt beide Hände dazu, so dass ich aus den Augenwinkeln ihre glatt rasierten Achseln sehen kann. Dann nimmt sie mir das Tuch wieder ab und bindet es um ihren Kopf. Sie bindet es so, dass zwei blonde Strähnen seitlich an ihren Wangen hinunterfallen, und jetzt sieht sie wirklich aus wie ein Model aus irgendeiner Modezeitschrift. Beziehungsweise fast. Ich bemerke nämlich, dass dieses Tuch gerade so ein Tuch ist, wie muslimische Frauen es tragen, um sich zu verschleiern, nur wird es hier sexuell eingesetzt. Welcher Designer sich das auch immer ausgedacht hat, ich wünsche ihm die Pest an den Hals, weil ich, glaube ich, noch nie so ein Verlangen nach jemandem hatte, und dieses Tuch genau den Zweck hat, dieses Verlangen noch zu verstärken. Ein paar Kilometer später bekomme ich aber bessere Laune, und da ist der Konrad selbst dran schuld. Er fragt mich nämlich, was ich so mache, und ich sage, dass ich Drehbuchschreiben an der Potsdamer Filmhochschule studiere. Im Rückspiegel sehe ich Verena, die ihre Ellenbogen auf die Vordersitze gestützt hat, damit sie von unserer Unterhaltung auch was mitbekommt. Dann treffen sich unsere Blicke, und ohne dass ich es vorher beabsichtigt hätte, fange ich zu 14 15 schwindeln an. Ich sage, dass ich vor ein paar Wochen mein erstes Drehbuch verkauft habe und es im Herbst verfilmt wird, wahrscheinlich mit Daniel Brühl und Alexandra Maria Lara, und dass es auch für einen Preis vorgeschlagen ist und das Drehbudget sich auf circa drei Millionen Euro beläuft. Das ist natürlich kompletter Unsinn, weil ich noch gar kein Drehbuch geschrieben habe und noch nicht einmal eine Idee für eines habe, vor allem aber auch, weil Konrad ja auf jeden Fall herausbekommen kann, ob das stimmt. Spätestens im nächsten Sommer, wenn der Film dann nicht in die Kinos kommt. Der nächste Sommer ist aber noch weit, außerdem habe ich jetzt schon angefangen, und deshalb erzähle ich eine wilde Geschichte, wovon der Film, Im Fadenkreuz der Angst nenne ich ihn, handelt und worüber jeder Drehbuchautor den Kopf schütteln würde. Konrad und Verena finden es aber derb und spannend und sagen, dass sie unbedingt zur Premiere kommen wollen. Ich verspreche, ihnen zwei Plätze zu reservieren, Loge, sage ich, und Verena holt eine Visitenkarte aus ihrer weißen Handtasche heraus. Verena Schneider, Wilden Consult steht da drauf, und ich frage mich, ob sie das tut, weil sie den Konrad demnächst abservieren will oder ob das einfach Routine ist. Dann zückt sie einen Kugelschreiber und schreibt am Rand ihre Privatnummer dazu. Sie drückt mir die Karte in die Hand und sagt, dass ich anrufen soll, damit wir was abmachen können, auf einen Cappuccino vielleicht. Ich nicke ihr zu wie eine pickende Taube, obwohl ich mit so einer Geschäftsfrau ja niemals auch nur das Allergeringste zu tun haben kann. Ich finde sie absolut attraktiv und begehrenswert und alles, aber auf einem Abstraktionsniveau, das jede Skala sprengt, und sie registriert das zu null Prozent. Sie glaubt offenbar wirklich, dass wir miteinander sprechen können, aber das können wir nicht, auf gar keinen Fall. Ich lasse mir natürlich nichts anmerken, sondern stecke die Karte in meinen Geldbeutel, als würde ich das immer so machen. Und vielleicht, denke ich, rufe ich ja doch mal an. Konrad geht auf die Visitenkarte nicht weiter ein, sondern lenkt jetzt eilig vom Thema ab. Er fragt mich, ob ich wohl auf dem Weg nach Weiden bin. Daher kommen wir beide ursprünglich, aus Weiden in der Oberpfalz, und als er das fragt, lache ich laut und sage: Nein. Ich erzähle ihm, dass ich nach München will, weil meine Münchner Freundin da auf mich wartet und wir morgen gemeinsam nach Portugal fliegen. Weiden, sage ich, ist ein abgeschlossenes Kapitel für mich. Er nickt und sagt, dass ihm das genauso geht, und im nächsten Moment fangen wir auch schon zu lästern an. Mindestens eine halbe Stunde lang erinnern wir uns an alte Bekannte und ziehen sie durch den Dreck. Wir lassen kein gutes Haar an der Stadt und an den Leuten, und immer, wenn Konrad niemand mehr einfällt, nenne ich ihm einen neuen Namen. Während er ihn so richtig fies heruntermacht, entspanne ich auf dem Beifahrersitz. Ich kann sogar an die Verena denken, ohne ihm etwas Schlechtes zu wünschen. Nicht einmal die kann ihn all den Frust vergessen lassen, den er in seiner Jugend in sich hineingefressen hat, und das finde ich gut. Schon seit er mich vorhin auf dem Rastplatz angesprochen hat, kämpfen ja diese zwei Konrad-Bilder in meinem Kopf gegeneinander an: Der Loserkonrad von früher und der Siegerkonrad, der neben mir am Steuer sitzt. Während er sich jetzt ereifert und dabei in seinen Oberpfälzer Dialekt verfällt, bekomme ich immer deutlicher den alten Konrad in den Blick. Einen Moment lang sehe ich ihn sogar scharf umrissen vor mir. Er steht in der Konzerthalle des Alten Schlachthofs und hat seine braune Jeans und den viel zu langen Tschechenpulli an. Er steht ganz nah bei den Boxen, und als die Speichelbroiss ihre letzte Zugabe gespielt haben, fragt Simon ihn, ob er nicht endlich einen Fanclub gründen will. Mindestens zehn Leute stehen außen herum und hören das, und Konrad lächelt und fragt Simon, wie er das meint. Ganz höflich fragt er, so als wäre er ernsthaft an einer Antwort interessiert. Weil du die besten Voraussetzungen hast, sagt Simon, steckt ihm blitzschnell zwei Finger in den Mund, und dann schiebt er ihm die Lippen auseinander. So wie man Pferden die Lippen auseinanderschiebt, um ihr Alter zu bestimmen, genauso sieht das aus. Im Scheinwerferlicht funkelt Konrads Spange leicht gelblich, aber hinten bei den Backenzähnen, wo die Gummis sich zwischen den Briketts aufspannen, erkennt man ein paar helle Speichelfäden. Genau da schauen alle hin. Und der Wenzer, der spuckt sogar hinein. Ich kann wieder das Gelächter hören, das die Konzerthalle des Alten Schlachthofs durchdringt und jetzt als verstärktes Echo in meinem Schädel widerhallt. Ein paar Sekunden lebe ich ganz im Inneren dieses Gelächters, wie in einem Kokon ist das, die völlige Auslöschung von Raum und Zeit. Dann kommt der Fahrtwind zurück, ich sehe wieder das flache, trockene Land, das vor den Fenstern vorbeifliegt, und fühle mich schäbig und leer und gemein. Ich höre sofort auf, weitere Namen zu nennen, weil, so bin ich ja nicht, zumindest möchte ich so nicht sein. Ich möchte Konrad sein Glück doch gönnen. Er hat ziemlich gelitten damals und jetzt einen echten Aufstieg hingelegt, und das ist eigentlich schön. So 18 bin ich nicht, sage ich mir noch einmal, aber wenn ich ehrlich bin, stimmt das nicht ganz. Wenn ich ehrlich bin, habe ich den Erfolg anderer Leute schon immer gehasst, von Kindheit an. Dieser Neid und diese Missgunst sind in mir drin wie mein Herz oder meine Lunge oder wie das Blut, das durch meine Adern fließt, und meine einzige Hoffnung ist, dass es den anderen Menschen genauso geht. Bestimmt geht es den anderen Menschen genauso, das sind ja nicht meine Kategorien, sondern die offiziellen Kategorien dieser Welt. Wahrscheinlich erzählt mir Konrad auch nur Lügen, und der Wagen und die Verena sind in Wahrheit nur gemietet, geküsst haben sich die beiden jedenfalls noch nicht. Es gibt aber noch einen zweiten Grund, weswegen ich aufhöre, weitere Namen zu nennen, und der hat nichts mit diesen Überlegungen zu tun. Weiden ist einfach zu klein, als dass man sich länger als eine halbe Stunde darüber auslassen kann, und die letzten Namen, die ich genannt habe, waren ohnehin schon Freunde von mir. Nur Simon und Leni fehlen noch, und ich könnte nicht ertragen, wenn Konrad auch die noch runtermacht. Auf die beiden lasse ich kein schlechtes Wort kommen, wenn, dann höchstens aus meinem eigenen Mund. Die beiden fallen Konrad aber gar nicht ein. Vermutlich kann er mit seinen Hirnwindungen nur irgendwelche Formeln in den Rechner programmieren und sich teure Autos und Frauen besorgen, aber sich erinnern, das kann er nicht. Das kann nur ich. Und natürlich habe ich ihn auch angelogen, als ich gesagt habe, Weiden sei ein abgeschlossenes Kapitel für mich. Ohnehin kann man sich ja seine Vergangenheit nicht wie eine Geschwulst aus dem Fleisch schneiden, und das möchte ich auch nicht. Das heißt, ich möchte es nur teilwei- se. Ich möchte mir nur die unangenehmen Erinnerungen rausschneiden und die guten behalten, und wenn ich ein genialer Neurologe wäre, würde ich mich genau darum kümmern. Ich würde eine Maschine erfinden, die alle unangenehmen Erinnerungen ortet und löscht und die guten unberührt lässt, wie auch immer das zu bewerkstelligen ist. Jedenfalls hören wir jetzt mit diesen Schmutztiraden auf, und weil wir uns ja sonst nichts zu sagen haben, wird es im Wagen still. Mucksmäuschenstill sogar. Konrad raucht zwei Zigaretten, ohne mir eine anzubieten, und schaut dabei konsequent zur Scheibe hinaus. Ich bin mir fast sicher, dass er ähnliche Bilder vor Augen hatte wie ich. Sein Schweigen verrät mir das. Es fühlt sich ziemlich bitter an, und deshalb frage ich ihn, wie viel sein Auto gekostet hat. Er antwortet aber nicht, sondern streckt bloß fünf Finger in die Luft. Erst als die Verena ihn bittet, das Radio einzuschalten, taut er wieder auf. Aber klar doch, sagt er und drückt auf dem silbernen Suchknopf herum. Er wählt einen sächsischen Superhitsender, und bei jedem zweiten Song trommelt er den Takt auf dem Lenkrad mit. Als sie nach den Nachrichten dann die Staus durchsagen, fängt er plötzlich zu fluchen an, und die Verena hinten flucht lauthals mit. Die flucht, dass ich wirklich Angst bekomme: Ihre Stimme wird hart und klirrend, und als sie auch noch was von Scheißpollackenlastern sagt, frage ich mich, wie sie die Dinge eigentlich sieht. Politisch, meine ich. Sie hat ja diese blonden Haare und der Konrad seine Glatze, keine Ahnung, was mit den beiden läuft. Ich begreife auch nicht, warum sie so fluchen, der Laster ist ja auf einer anderen Autobahn umgekippt. Ich versuche, ihnen das zu erklären, ganz behutsam, so als wollte ich zwei plär- rende Säuglinge beruhigen, und als ich das tue, trifft mich beinahe der Schlag. Weil wir uns vorher nicht darüber unterhalten haben, erfahre ich erst jetzt, dass sie in eine andere Richtung wollen als ich. Sie wollen nach Würzburg, und nur ich will nach München, und das eine liegt im Westen und das andere im Süden. Und leider haben sie es sehr eilig und können deshalb beim besten Willen keinen Umweg fahren. Das sagen sie zumindest, und der Konrad sagt mehrmals: Super-sorry, Böhm. Supersorry mit einem englisch betonten U, so dass es sich wie Ju anhört. Das macht mich ganz verrückt, weil es ihm überhaupt nicht leidtut und das Wort sich wie Säure in meinen Gehörgang ätzt. In dem Moment, in dem er es sagt, weiß ich genau, dass mir in Zukunft immer dieses Sjupersorry einfallen wird, wenn ich an ihn denke, und darauf habe ich überhaupt keine Lust. Dafür hasse ich ihn nun doch. I Es hilft aber nichts. Wir durchfahren noch ein kurviges 1' Waldstück, und als der Fichtenvorhang sich wieder beiseiteschiebt, tauchen überall diese blauen Hinweistafeln auf, die anzeigen, dass die Autobahn sich gleich gabeln wird. Keine drei Minuten später ist das Autobahnkreuz schon da, und Konrad lenkt den Wagen auf den Seitenstreifen hinaus. Er lässt den Motor im Stand laufen, er legt noch nicht einmal den Leergang ein, sondern hält die Kupplung im ersten durchgedrückt. Ich nehme meinen Rucksack von der Rück-bank und wünsche den beiden mit einem sehr optimistischen Lächeln eine gute Fahrt. Verena lächelt zuckersüß zurück, Konrad ruft: Immer sauber bleiben, Böhm, dann tritt er das Gaspedal durch und rast davon. Ein paar Sekunden lang sehe ich Verenas Kopftuch hinter der Heckscheibe flattern, dann 20 21 verschwindet das Auto um die Kurve, und ich stehe auf dem Seitenstreifen und strecke ihnen den Mittelfinger hinterher. Ich strecke den Finger mit aller Inbrunst in die heiße Luft und schaue dabei in die Landschaft hinein: vertrocknete Wiesen und Stoppelfelder mit gepressten Strohballen darauf, und darüber dieser gleißend blaue Himmel, der sich einen Dreck um mich schert. Ich spucke in hohem Bogen auf die Autobahn, dann schultere ich meinen Rucksack und marschiere los. Auf den ersten hundert Metern drehe ich mich noch ein paarmal um und strecke den Daumen raus, aber weil kein Mensch in Deutschland jemals auf dem Standstreifen hält, gebe ich es bald auf. Stattdessen ziehe ich mein Shirt aus, schnalle die Rucksackriemen enger und laufe schneller über den Asphalt. Ich komme mir dabei vor wie ein Fremdenlegionär in der Wüste, dann muss ich plötzlich an Dennis Hopper denken, seine Rolle in dem Film Blue Velvet, wo er diesen Drogenfreak spielt und alle Leute mit dem Wort Fu-cker anschreit. Den Film fand ich nicht einmal so gut, die Rolle aber schon, und so laufe ich über und über schwitzend auf dem Standstreifen entlang und fange an, mit mir selbst zu sprechen. Genau gesagt schreie ich nur Wörter in der Gegend herum. Du Fucker, schreie ich, und immer wieder Sju-persorry mit englisch betontem U, und dabei sehe ich Kon-rad im Sand liegen, und ich stehe mit einem Vorderlader über ihm und schlage mit dem Gewehrkolben auf ihn ein, so lange, bis jeder einzelne Zahn in seinem Kiefer zertrümmert ist und ihm das Hirnwasser aus dem Schädel rinnt. Ich brülle wirklich aus Leibeskräften und schwinge auch mit den Armen aus, was von der Autobahn aus bestimmt völlig krank aussieht, aber das ist mir egal. Das brauche ich jetzt, das brauche ich unbedingt, auch wenn mein Mund vom Brüllen immer trockener wird und ich keinen Tropfen Wasser bei mir habe. Keine Ahnung, woher ich die ganze Kraft nehme, jedenfalls ist sie da. Ich glaube, das Schreien gibt mir erst Kraft, jeder sollte ab und zu durch die Gegend laufen und schreien, nichts macht mehr Sinn. Meine Wut verraucht aber nicht, sondern wird nur immer größer. Sie greift jetzt von Konrad auf den Starnberger Förster über und dann auf Johanna. Hätte sie ein bisschen besser aufgepasst und meinen Wagen nicht zu Schrott gefahren, könnte ich jetzt darin sitzen und ganz entsp annt nach München fahren. Immer macht sie alles kaputt, denke ich, und das meine ich ganz prinzipiell. Sie hatjaauch meine Beziehung zerstört. Fast fünf Jahre lang war ich vorher mit Leni zusammen, und dann kommt diese Münchnerin und küsst mich auf den Mund. Die ersten paar Male nur zur Begrüßung, so wie es in ihrer tollen Schauspielerfamilie üblich ist, aber dann auf einmal länger, und weil sie ein so strahlender Mensch ist und überall so gut ankommt, lasse ich mich auf sie ein und schicke Leni zum Teufel. So einfach habe ich mich manipulieren lassen, denke ich, mit dieser plumpen Masche hat sie mich gekriegt und meine große Liebe zerstört. Und während ich ihr noch weitere Vorwürfe mache und sie immer bodenloser beschimpfe, passieren zwei Dinge gleichzeitig. Erstens entdecke ich weiter vorne ein blaues Schild, das in drei Kilometern einen kleinen Parkplatz ankündigt, und genau im selben Moment höre ich dieses typische Pfeifen, das ein schleifender Keilriemen macht. Als ich mich umdrehe, sehe ich dicht hinter mir einen gelben Passat. Am Steuer sitzt ein älterer Mann mit Stirnglatze und Schnauzer, und das ist bestimmt der Starnberger Förster. Ich trommle mit beiden Fäusten auf meiner nackten Brust herum und schreie mir die Lunge aus dem Leib, und 22 23 weil wir genau auf gleicher Höhe sind, bemerkt mich der Mann auch und sieht mich an. Ich lächle ganz breit, aber in seinem Gesicht regt sich nicht der kleinste Muskel. Der Mann dreht einfach wieder seinen Kopf nach vorne und fährt an mir vorbei. Ich kann das kaum glauben, weil er mir wirklich genau in die Augen gesehen hat, aber das ändert nicht das Geringste daran. Keine drei Sekunden später ist der Passat schon hinter der nächsten Hügelkuppe verschwunden, und ich stehe in dieser benzinverpesteten Autobahnluft und bin allein. 2 Der Parkplatz, den ich vielleicht eine halbe Stunde später erreiche, sieht eins a wie aus einem billig produzierten Katastrophenfilm aus. Er liegt in einer langen Kurve mitten in einem frisch gerodeten Waldgebiet, und gleich bei der Parkplatzeinfahrt liegen die zerfetzten Uberreste eines Bussards auf dem Asphalt. Der Kopf des Vogels hängt nur noch an ein paar dünnen Sehnen am Körper, und in dem verklebten Gefieder krabbeln Heerscharen summender Fleischfliegen herum. Ein paar Meter weiter, hinter der niedergerissenen Parkplatzumzäunung, zieht sich eine fußballfeldbreite Schneise durch die Bäume tief in den Wald. Das sandige Erdreich ist zerwühlt und zergraben, und zwischen den aufgeschütteten Erdhaufen stehen eine Menge Bagger und Raupen und Planierfahrzeuge, die für die ganze Verwüstung verantwortlich sind. Keine Ahnung, was hier eigentlich gebaut werden soll, Strommasten oder Brücken oder vielleicht sogar eine zweite Autobahn, jedenfalls kreischt im Gehölz eine Säge, und immer wieder knackt und kracht es in der Ferne, so als würden Kienspäne übers Knie gebrochen, aber viel dunkler und bedrohlicher. Bauarbeiter kann ich trotz der Geräusche nirgends entdecken und normale Menschen gleich dreimal nicht. Das Allertrostloseste ist aber, dass der Parkplatz auch noch ganz neu ist. Die Fahrbahn ist frisch ge- 25 ist ganz platt gedrückt, und die Haut um ihre Nase herum hat eine seltsame Aderung, so wie rosa Minikrampfadern mitten im Gesicht sieht das aus, aber das ist mir egal. Ich würde es ihr jetzt wirklich gern besorgen. Genau so kommen mir die Worte in den Kopf: Ich würde es ihr jetzt wirklich gern besorgen, keine Ahnung, wieso. Meine Hände fangen beinahe zu zittern an, und ich bekomme kein einziges Wort heraus, und erst als der Motorradmann seine Frage wiederholt und sich sogar aus seinem Stuhl hochdrücken will, schüttle ich den Kopf und lächle ihn an. Dann deute ich auf den Tisch und frage, ob ich vielleicht das Telefon benutzen kann, um eine SMS zu schreiben. Gegen Bezahlung natürlich, sage ich, ziehe meinen Geldbeutel aus der Tasche und lege ein blitzblankes Zweieurostück vor ihn auf den Tisch. Der Mann sieht zuerst die Münze und dann mich an, und er tut das, als hätte er meine Gedanken erraten oder als wäre ich sonst irgendein Perverser, vor dem man sich in Acht nehmen muss. Bevor er aber etwas sagen kann, erkläre ich ihm, dass meine Mitfahrgelegenheit nicht gekommen ist und ich meiner Freundin unbedingt eine Nachricht senden muss, weil sie sich sonst Sorgen macht und vielleicht denkt, dass ich einen Unfall hatte. Ich habe keine Ahnung, wieso ich das alles sage, ich habe es mir vorher ja nicht eine Sekunde lang überlegt, aber es ist genau die richtige Entscheidung. Es hat mit der Sonne zu tun, die schon tief über den Baumwipfeln steht, und mit diesem elenden Tramperdasein und auch mit den Pornos irgendwie. Ich weiß plötzlich, dass ich heute überhaupt nicht mehr zu Johanna komme, sondern irgendwo bei Pfaffenhofen oder Neufahrn oder einem anderen oberbayrischen Kaff im Straßengraben übernachten muss, wenn ich weiter so verbissen versuche, nach München 46 zu trampen. Darauf habe ich aber überhaupt keine Lust, und deshalb werde ich jetzt einfach nach Weiden fahren, was keine fünfzig Kilometer mehr von hier entfernt liegt, und von dort aus morgen früh den Zug zum Flughafen nehmen. I Während ich mir das alles ausmale und dem Mann dabei ' freundlich ins Gesicht lächle, hoffe ich inständig, dass mein eigenes Telefon nicht zu klingeln anfängt. Das könnte jederzeit passieren, weil es ja in meiner rechten Hosentasche steckt. Und die Konturen des Telefons, das weiß ich, ganz ohne hinzuschauen, zeichnen sich durch den Stoff genauso deutlich ab wie die Wölbung der Eichel in der Backe der Pornofrau. Zumindest fast so deutlich, bei der Frau hat man wirklich den Eindruck, als wären ihr gerade alle Weisheitszähne auf einmal gezogen worden oder als führte sie einen ausgestopften Hamster im Mund spazieren. Das Pärchen bemerkt die Ausbuchtung in meiner Tasche zum Glück aber nicht. Die beiden sehen sich nur sehr konzentriert an, so als müssten sie gerade die wichtigste Entscheidung ihres Lebens treffen, und nach einer halben Ewigkeit nickt der Mann träge mit dem Kopf. Die Frau drückt mir daraufhin das Telefon in die Hand, sie entriegelt sogar die Tastensperre für mich, und ich bedanke mich und schreibe Johanna eine SMS. Ich schreibe ihr, dass ich leider einen Auf fahrunfall hatte und mein Mobiltelefon keinen Saft mehr hat und ich jetzt auch noch eine Zeugenaussage bei der Polizei machen muss und deshalb erst morgen zum Flughafen kommen kann. Luv u schreibe ich noch unter die Nachricht, weil es für Ich liebe dich noch eine dritte SMS gebraucht hätte, und das wäre schon wieder verdächtig. So viel zu erklären, dass man dafür drei Kurznachrichten benötigt, meine ich. Dann drücke ich auf Senden, und nachdem die Nachricht abgeschickt worden ist, gebe ich der Frau das Telefon zurück und laufe an den beiden vorbei durch die verglaste Schiebetür in das Restaurant hinein. Innen, im Vorraum des Restaurants, ist es viel dunkler als draußen und angenehm kühl. An der Decke dreht sich ein Ventilator, und die Wände sind mit dunklem Holz verklei- j det und schlucken das wenige Licht, das durch die Tür hereinfällt. In meinem Blickfeld schwirren ungefähr eine Mil- 1 lion gelber Punkte auf und ab, und das Einzige, was ich in j dem Gekrissel sofort klar und deutlich erkennen kann, ist ( ein ausgestopfter Hirschkopf, der vor mir an der Wand I hängt. Der Hirschkopf ist auf Kopfhöhe angebracht, er sieht j mir aus seinen trüben Augen mitten ins Gesicht, und sein Geweih ragt bestimmt einen Meter weit in den Raum hinein, sodass ich mir die Spitzen problemlos durch die Schläfen rammen könnte. Keine Ahnung, weshalb mir diese Selbstverstümmelungsfantasie jetzt in den Sinn kommt, vielleicht als eine Art Strafgericht, weil ich Johanna schon wieder so I dumm angelogen habe. Vor ein paar Tagen habe ich mir ' noch geschworen, sie nur dann zu belügen, wenn es sich ' wirklich lohnt, und das ist schon das dritte oder vierte Mal, ; dass ich meinen Vorsatz breche. Vermutlich misstraut sie j mir ohnehin schon. Sie hat ja mitgekriegt, dass ich Leni | ihretwegen von vorne bis hinten beschissen habe, und der / nächstliegende Gedanke ist da doch eigentlich, dass ich es ^ mit ihr nicht anders machen werde. Die Menschen ändern | sich ja nicht einfach von heute auf morgen, ich kenne zu- j mindest keinen, der das tun würde, und so ein radikaler j Charakterwandel ist bestimmt auch nicht gesund. Psycho- ) logisch gesehen, meine ich. Andererseits ist Johanna ein so optimistischer Mensch, dass sie gar nicht weiter über solche psychologischen Sachen nachdenkt, zumindest hat sie noch nie einen Gedanken in diese Richtung geäußert, und das ist eigentlich sehr schön von ihr. Trotzdem bin ich in solchen Dingen lieber vorsichtig. Selbst wenn sie nicht bewusst darüber nachdenkt, könnte unbewusst etwas in ihr arbeiten, und davor habe ich beinahe noch mehr Angst, weil diese inneren Bewegungen sich überhaupt nicht mehr kontrollieren und steuern lassen. Ich bin jetzt wirklich erleichtert, dass ich ihr die Nachricht nicht von meinem eigenen Telefon geschrieben habe, sondern das Pornopärchen gefragt habe. Aus lauter Sorge hätte sie mich wahrscheinlich zurückgerufen, und ich hätte ihr durch den Hörer den Eindruck vermitteln müssen, an irgendeiner Unfallstelle am Rand der Autobahn zu stehen. Ohne die Fahrgeräusche wäre das aber schwierig geworden, zumindest würde ich selbst Fahrgeräusche und Sirenen oder wenigstens ein paar hektische Stimmen im Hintergrund erwarten, wenn mir jemand so eine Geschichte erzählen würde, und eine solche Tonkulisse hätte ich beim besten Willen nicht herbeizaubern können. Da war meine Lösung schon besser, definitiv. Das Einzige, was mich beunruhigt, ist, dass ich die Nachricht nicht gleich wieder aus dem Speicher gelöscht habe. Solche Fehler passieren mir normalerweise nicht. Normalerweise beseitige ich alle Spuren immer tipptopp, und nicht einmal Inspektor Columbo oder sonst ein Superdetektiv hätte eine Chance, mir etwas nachzuweisen. Ich würde mit Sicherheit einen guten Kriminellen abgeben und vielleicht sogar einen raffinierten Mörder, und bei diesem Gedanken entspanne ich ein bisschen und sage mir, dass schon alles gut gehen wird.(Selbst wenn 49 sen, dass gerade ein Meteoritenschwarm in der Nähe ist, die Perseiden oder so ähnlich, und wenn man Glück hat, kann man hundert Sternschnuppen pro Stunde sehen. Hundert Stück, genauso hat es im Internet gestanden. Ich will noch sagen, dass es keinen Sinn macht, mitten in der Stadt nach oben zu schauen, weil man da ohnehin nichts sehen kann, wegen der Lichter und dem Dreck, aber Patrizia schüttelt den Kopf und sagt, dass ich mich täusche. Sie hat nämlich nicht wegen der Sternschnuppen nach oben geschaut, sondern um das Wesen der Stadt zu erkunden. Das Wesen der Stadt, erklärt sie mir, kann man nur durch den Charakter der Häuser begreifen, weil die Häuser ja die Stadt ausmachen. Aber normalerweise gucke man immer nur auf die Schaufenster, obwohl die Schaufenster überall gleich aussehen, wegen der Monopolisierung und der Globalisierung und allem. Man müsse mit den Augen aber mindestens bis in den zweiten Stock und besser noch bis an den Dachstock kommen, ansonsten würde man die Häuser und die Stadt nie verstehen lernen. Wenig später ist sie noch immer mit dem Wesen der Stadt beschäftigt, aber jetzt auf historischer Ebene. Wir gehen am Langen Wall entlang, da stehen Reste der alten Stadtmauer, und sie fragt mich tausend Sachen über die Weidener Geschichte, die ich beim besten Willen nicht beantworten kann. Ich weiß nur, dass irgendwann einmal die Schweden da waren. Über dem Stadttor am Unteren Markt stecken nämlich zwei Kanonenkugeln in der Turmmauer, die haben die Schweden da reingeschossen, irgendwann im Mittelalter oder wann immer sie ihre Raubzüge gemacht haben. Neben den Kugeln ist eine kleine Messingtafel angebracht, mit Jah- 82 reszahlen und einer Menge anderer Informationen, und das i Wort Schweden ist ganz groß geschrieben, so dass ich es mir 's gemerkt habe. Verrückterweise habe ich noch mit zwanzig ! gedacht, dass diese Kugeln wirklich seit den Schwedenkrie- ' gen in dem Tor stecken, aber das ist falsch. Sie sind nachträg- ' lieh erst hineingemauert worden, aus symbolischen Gründen, um an die Invasion und an die schreckliche Zeit zu ) j erinnern. Mich haben diese Kugeln aber aus einem ande- / ren Grund beschäftigt. Ich konnte nie durch das Tor gehen, ' ohne dabei zu denken, dass die Kanonenkugeln riesengroße [ Aknebeulen sind, die ich gerne ausquetschen würde. Die [ Kugeln schauen bis zur Hälfte aus dem gelben Putz und j werden nachts sogar beleuchtet, so dass man sie auf keinen i Fall übersehen kann. Außer man sieht extra zu Boden, und ) auch wenn es bescheuert klingt, genau das habe ich getan, f Ich bin mit gesenktem Blick durch das Tor gelaufen, um den i Einfluss der Kugeln zu neutralisieren. Wenn ich sie nicht j sehe, habe ich gedacht, bekomme ich keine Pickel auf der ) Stirn, wenn ich sie doch sehe, dann schon. Wirklich seltsam, f das Ganze. Ich hatte nie Pickel auf der Stirn, es bestand } nicht einmal die Gefahr, dass ich jemals welche bekommen ' könnte, aber trotzdem hat mich dieses Tor immer fix und I fertig gemacht. } f ' I k Wenn wir jetzt am Langen Wall noch ein paar hundert Me- ( ' ter weiterlaufen würden, kämen wir direkt auf das Schwe- \ dentor zu, aber darauf habe ich keine Lust. Nicht wegen der ) , .... . [ Pickel, sondern weil da die richtige Altstadt beginnt. Ich } sage zu Patrizia, dass es leider ein Wesenszug der Stadt ist, ) dass es hier nirgendwo eine schöne Kneipe gibt. Ich führe } sie stattdessen ins La Cucaraccha, so eine mexikanisch an- ) gehauchte Bar, wo es Tequila-Happy-Hours gibt und über der Bar Desperadogirlanden baumeln und permanent ganz schreckliche Radiosender laufen, die immer die neuesten Hits bringen. Hier gehen wirklich nur die harten Proleten und Dörfler hin, aber genau das ist das Richtige jetzt. Außerdem kann man da draußen sitzen. Weil es Samstagabend ist, ist das Cucaraccha unglaublich voll, und ich habe schon Angst, dass wir uns in die Kneipe hineinsetzen müssen, aber dann entdecke ich einen freien Platz neben der Tür. Ich rücke Patrizia den Stuhl zurecht, und bevor die Bedienung an den Tisch kommen kann, gehe ich an die Bar und bestelle einen Kirschsaft und ein Bier. Während der Barmann die Getränke macht, stelle ich meinen Rucksack hinter eine Säule. Dann bezahle ich die Getränke, gehe zu Patrizia zurück, und noch im Setzen fange ich an, wie besessen über die Perseiden zu reden, damit sie den fehlenden Rucksack nicht bemerkt. Sie ist aber ohnehin abgelenkt von den Leuten, die andauernd ihre Trinksprüche schreien und fragt mich ein paarmal, ob es wirklich keine andere Kneipe in Weiden gibt. Ich erkläre ihr, dass leider alle Kneipen so sind wie diese hier, weswegen ja alle möglichst bald aus Weiden weggehen und nie mehr wiederkommen. Ich weiß nicht, ob sie mir glaubt, und das ist mir auch egal, weil ich jetzt sage, dass ich mal aufs Klo muss. Ich lächle ihr lieb zu, dann gehe ich in die Kneipe rein, nehme auf dem Weg meinen Rucksack mit, schließe mich in eine Toilettenkabine ein, mache das schmale Fenster auf und steige raus. Genau so mache ich das, und wenn jemand glaubt, dass ich mich wohl dabei fühle, dann liegt er falsch. Ich fühle mich ehrlich gesagt ziemlich mies, aber ich habe keine andere Wahl. Ich weiß ja genau, wie das weitergehen würde. Wir würden noch ein paar Getränke lang dort 84 ! sitzen, und während Patrizia irgendetwas erzählt, würde ich * sie immer mehr hassen, und dann, wenn sie restlos davon \ überzeugt wäre, was für ein sensibler Typ ich bin, würden ') wir in den Park gehen oder sonst wohin und uns küssen. So ) läuft das immer. Wenn ich mit einem Mädchen zu tun habe, ' das auch nur halbwegs in Ordnung aussieht und mich küs- '- sen will, tue ich es. Da kann.ich nichts dagegen machen, ge- I nauso wenig wie gegen die Globalisierung oder dagegen, j dass der Mond sich um die Erde dreht. Irgendwann rastet t ein Mechanismus ein, ich sage lauter Dinge, die ich über- ' haupt nicht so meine, und wenn ich mich erst einmal um ' Kopf und Kragen geredet habe, gibt es kein Zurück. Es be- I ginnt immer mit den Worten, die Worte sind das reinste i Gift, sie werden immer zu Fleisch, und das steht schon in ) der Bibel so. Irgendwann werde ich mir die Zunge raus- ! schneiden müssen oder als Einsiedler in die Wälder gehen, ' das ist die einzige Rettung, die es für mich gibt. ! ) ) ) ) ) ) ) kleine Brünette mit kurzem Jeansrock, und als wir an ihr vorbeigehen, springt sie auf. Sie hält Luis am Arm fest und fragt ihn, ob er sie lecken will. Keine Ahnung, weshalb sie den Luis das fragt und nicht mich, vermutlich weil sie betrunken ist. Sie lallt schon ziemlich und ihre Freundinnen kichern wie blöd, und Luis sagt: Die Dorf jugend, immer gut drauf. Dann schiebt er ihre Hand beiseite, und wir gehen ins Zelt. Unter der Plane ist es heiß und stickig, und außer ein paar Tischen und Couchen gibt es wenig zu sehen. Nur an der Seite ist eine kleine Bar aufgebaut, in den Regalen lagern Flaschen und Gläser, und hinter dem Tresen steht der Grasautomat. Der Grasautomat ist ein umfunktionierter Kaugummispender, so eine runde Plexiglaskugel, in der innen statt der Kaugummikugeln lauter Grasblüten sind, und wenn man drei Euro in den Schlitz wirft und an dem Hebel dreht, kommt eine Blüte raus. Homegrown, sagt Luis mit einem breiten Grinsen, und das bedeutet, dass das Gras mindestens so stark ist wie Heroin. Der Luis beschäftigt sich seit er ungefähr zwölf ist mit dem Anbau, dreißig Prozent TH C hat er schon geschafft, und selbst in den illegalsten Treibhäusern in Holland sind es nur fünfunddreißig Prozent. Und so wie es mein großer Traum ist, ein Drehbuch zu schreiben, ist es Luis' großer Traum, als Grasbauer auf irgendeinem Dorf zu leben und den ganzen Tag im Garten zu liegen und zu kiffen. Er hat sich sogar schon einen Namen für sein Gras ausgedacht, Oberweed, und dass soll einerseits bedeuten, dass es oberstarkes Gras ist und andererseits darauf hinweisen, wo es angebaut wird, nämlich in der Oberpfalz. Während ich mir die Grasblüten durch das Plexiglas anschaue, habe ich den Eindruck, dass er seinem Ziel ein gutes Stück näher ist als ich dem meinen. Die Blüten sind daumendick und sehen fest und harzig aus, und ich habe, seit ich in Potsdam bin, ja wirklich alle Visionen verloren und versuche nur noch, die Leute zu blenden und zu linken. Und das raubt mir soviel Energie, dass ich mir kaum mehr vorstellen kann, mich längerfristig an den Schreibtisch zu setzen und irgendwelche Ideen zu verfolgen oder gar ein Drehbuch zu schreiben. Wenn ich ehrlich bin, ist diese Sache eigentlich gestorben für mich, es sei denn, ich würde mein Leben dort komplett umkrempeln. Aber darauf habe ich auch keine Lust, weil es ja wunderbar läuft. Nicht nur die Sache mit Johanna; es gibt so einige Leute an der Hochschule, die glauben, dass ich bald durchstarten werde. Als ich die Münzen in den Schlitz werfe, nehme ich mir trotzdem das Versprechen ab, es im Herbst etwas seriöser anzugehen, aber dann entdecke ich weiter hinten noch einen zweiten Automaten. Auf das Plexiglas hat jemand mit Edding eine Maus mit Sombrero gezeichnet, statt Grasblüten liegen innen ein Haufen silberner Kügelchen, und zusammen mit der Zeichnung fällt es mir nicht schwer, den Inhalt zu erraten. Ich grinse Luis an, und er hält einen Zeigefinger waagrecht unter seine Nase und zieht geräuschvoll Luft hoch. Sein wässriger Blick verrät mir, dass er sich in den letzten Tagen ununterbrochen aus den beiden Automaten bedient hat, und genau das tue ich jetzt auch. Nachdem ich mir eine Blüte aus dem Schacht geholt habe, werfe ich noch ein paar Münzen in den Speedautomaten, drehe den Griff herum und hole mir zwei Kügelchen heraus. Als ich eines davon aufwickele und das Pulver auf den Tisch klopfe, fällt mir ein, dass ich 154 155 synthetische Drogen früher immer abgelehnt habe, aber in Potsdam habe ich meine Meinung dazu gründlich geändert. Mit ein bisschen Speed läuft das einfach besser, und wenn man es halbwegs unter Kontrolle hat, ist es, glaube ich, nicht einmal ungesund. Luis drückt mir jetzt ein Metallröhrchen in die Hand und sagt, dass das Zeug direkt aus einem Prager Labor kommt, aus allererster Hand. Ein echter Schleimhaut-streichler, sagt er, und ich nicke ihm optimistisch zu und habe dabei den Eindruck, dass es das letzte Filterwochenende ist, das er organisiert. In dem Licht hier im Zelt, so ein gelbliches Licht ist das, sieht er richtig fertig aus. Ganz wächsern und fahl und ausgemergelt, aber statt irgendwas zu sagen, ziehe ich schnell das Pulver weg und hoffe, dass er keine ansteckenden Krankheiten hat. Wegen des Röhrchens hoffe ich das, das steckt ja in meiner Nase und ist am Rand noch feucht. Keine zwei Minuten später kommt aber schon dieser sterile, leicht bittere Geschmack am Gaumen an, und ich weiß, dass es keinerlei Grund zur Sorge gibt. Ich weiß, dass mein Immunsystem alles abwehren kann, sogar die Cholera oder Aids. Ich drehe mir noch einen Joint im Zelt, lasse mir von den Dorfmädchen Feuer geben und laufe zu den Anderen zurück. Ich setze mich neben die Marion in einen Liegestuhl, und als ich kurz die Augen schließe, fährt die Mischung so richtig ein. Das Speed macht mich klar und wach und unbezwingbar, und das Gras arbeitet mit aller Macht dagegen und drückt mich butterweich in den Stuhl. Ich bin unendlich offen und fokussiert zugleich, und in meinem Kopf schwirrt dauernd der Satz dieser kleinen Brünette herum: Willst mich lecken, willst mich lecken, willst mich lecken, wieder und wieder, bis die Silben sich wie Akkordeonrippen ineinander quetschen und das Ganze nach einer finnischen Ortschaft klingt. Vilsmiläkkn, so klingt das; Vilsmiläkkn, ich sage es halblaut vor mich hin, und die Marion fühlt sich angesprochen und rückt ein Stück näher heran. Sie nimmt mir die Tüte aus der Hand, und dann, Gott allein weiß warum, erzählt sie mir, wie das so ist, nachts auf den Seitenarmen des Amazonas. Wie die Krokodile im dunklen Wasser treiben, aber kein Mensch Augen für sie hat, weil die Führer mit ihren Lampen das Blätterdach über den Booten ableuchten. Anakondas, sagt sie, und Grüne Mambas, und ich höre ein unglaubliches Zischen, könnte aber auch das Feuer sein, und sage: Krass, wie unfassbar krass. In meinem Rücken setzt der Günther zu einem seiner Hassmonologe gegen die Chinesen an, und Luis wirft frisches Holz ins Feuer, schenkeldicke Scheite, die mit einem Krachen auf die Glut fallen. Ringsherum stieben Funken in den Himmel, Fledermäuse flattern im Zickzack darüber, und ein paar Leute reißen sich die T-Shirts vom Leib und rücken auf ihrer Bierbank Zentimeter um Zentimeter auf die Flammen zu. Also mich friert's ziemlich, schreien sie sich in ihre Hitze verzerrten Gesichter, und lassen sich einer nach dem anderen rückwärts in den Sand kippen, bis nur noch der Bruno aufrecht sitzt: Schweiß überströmt wie kein zweiter Mensch auf Erden, eine Sonnenbrille vor den Augen und eine Flasche Jägermeister in der Hand. Marion erzählt jetzt von Trichterspinnen und wie man die mit Pinzetten aus den Kleidern zupft, dann dreht jemand die Musik lauter, und ein paar Leute hüpfen am Ufer herum. Irgendwann kommt dieses fabelhafte Turn your lights down low aus den Boxen, und während die Stimme von Lauryn Hill sich so rauchweich um meinen Körper 156 schlingt, begreife ich so manches. So ziemlich das meiste, um ehrlich zu sein. Vor allem begreife ich, dass dieser Tag, also dass der Verlauf dieses Tages wie eine Art Zeichen oder wie ein Schicksal ist. Wenn dieser Förster mich heute Mittag ganz normal mitgenommen hätte, wäre ich ja nach München gekommen und läge jetzt bei Johanna im Bett. Und das alles hier und vor allem die Leni, die neue Leni, hätte ich nie gesehen und nie begriffen, wie sehr ich für sie empfinde, und das ist ja das Wichtigste: dass ich mir über meine Gefühle klar geworden bin. Mir tut jetzt auch die Sache mit Patrizia leid und mein Verrat an der Miriam und dass ich überhaupt keine Beziehung zu meinem Bruder habe, aber zugleich ist es gar nicht so schlimm. Ich kann mich ja entschuldigen. Jeder macht ja Fehler, und wenn man sich entschuldigt, wird einem auch verziehen. Das Einzige, was mich mit der Zeit zu stören beginnt, ist, dass ich nicht mit Leni sprechen kann. Ich beobachte sie ja schon, seit ich wieder am Feuer bin, aber neben ihr sitzen Theresa und Simon und haben sie zwischen sich eingezwängt. Simon erzählt ihr andauernd Geschichten und fuchtelt dabei mit den Armen herum, und manchmal berührt er sie mit der Hand am Knie. Ich kann genau sehen, dass sie das nicht will. Sie kann seine laute Art nicht leiden, aber er kapiert das nicht. Ich versuche, ihren Blick zu fassen, aber immer wieder gerät mir sein Kopf ins Bild. Ein Kopf wie ein Felsklumpen ist das, und im Feuerschein wuchern die Bartstoppeln darauf wie eine Flechte. Sein Anblick ist mir jetzt wirklich zuwider, und zugleich habe ich ein sehr mieses Gefühl. Seit ich in diesem Liegestuhl sitze, hat er nicht einmal in meine Richtung geschaut. Kein Gruß und kein Lächeln, nichts. Er weiß von dieser Pause, gar kein Zweifel, und zugleich frage ich mich, was er tatsächlich will. Er steht im Moment ja alleine da, und findet Leni gut. Er soll sie bloß in Ruhe lassen, denke ich und starre zu ihm hin. Ich richte irgendwie meine Energie auf ihn und murmele: Hau ab, du Depp, hau ab. Ich glaube nicht einen Funken an diese Beschwörungsscheiße, aber das Unglaubliche ist: Es funktioniert. Zumindest indirekt. Nach einer Weile schleicht sich der Psojdo von hinten heran, kichert so heiser und schüttet ihm eine Flasche Bier über den Kopf. Leert einfach die halbe Flasche über ihm aus und ruft: Alter, jetz' samma quitt! Simon springt von der Bank, als würde ihm Batteriesäure statt Bier aus den Haaren tropfen, und spurtet ihm hinterher. Während die beiden zwischen den Sandhügeln verschwinden, frage ich mich, wieso der Psojdo eigentlich diesen Spitznamen hat. Obwohl ich ihn kenne, seit ich denken kann, fällt es mir beim besten Willen nicht ein. Ich weiß nur, dass ich einmal dabei war, als er seinen Stiefvater verprügelt hat. Der Stiefvater war sturzbetrunken und der Psojdo komplett auf Pilzen, aber er hat es noch geschafft, ihn mit einem Judowurf auf den Boden zu schleudern, auf die Gehwegplatten vor dem Haus. Der Stiefvater lag da wie ein Käfer auf dem Rücken herum und hat hell und quietschend geatmet, der Psojdo hat auf ihn eingeschrien, und in der Ferne haben Hunde gebellt. Das Ganze ist spätnachts passiert, der Mond stand am Himmel und hat alles so gespenstisch beleuchtet, und ich saß in der geöffneten Autotür und habe hysterisch gelacht. Ich muss immer lachen, wenn j emand komisch hinfällt oder mit dem Rad stürzt und dann Schmerzen hat, das ist ein ganz blöder Reflex. J59 und nicht blinzelt, sondern die Oblate im Mund zerkaut und hinunterschluckt, als wäre es die normalste Sache der Welt. Da fühlt man sich anschließend tatsächlich als neuer Mensch. Das muss ich nutzen, diese Stimmung meine ich, die spielt mir voll in die Karten. Ich gehe noch ein paar Schritte nach vorne, bis ich hinter der letzten Bankreihe an dem Weihwässerbecken stehe. Ich drücke meinen Rücken durch, räuspere mich, und dann sage ich mit lauter Stimme: Meine verehrten Damen und Herren, entschuldigen Sie. Ich befinde mich in einer Notlage, ich bitte Sie, hören Sie mich an. Um das Orgelspiel zu übertönen, schreie ich die Worte fast in die Kirche hinein. Wegen der hohen Decken und dem Stein überall hallen sie ganz unheimlich nach, und der Effekt ist überwältigend. Die Leute, also wirklich alle Leute in der Kirche, drehen sich wie auf Kommando zu mir um und schauen mir ins Gesicht. Die sagen kein einziges Wort dabei, nicht einmal der Pfarrer, der mich ja sofort hinauswerfen lassen könnte, sagt etwas, und dann hört die Orgel zu spielen auf. Die Musik bricht mitten im Ton ab, und genau so muss sich das anfühlen, wenn die Welt sich zu drehen aufhört und die Sonne erlischt und man der dunklen Seite des Mondes ins Auge blickt, genau so, und es ist ein unfassbar gutes Gefühl. Ein paar Sekunden lang lasse ich meinen Blick über die Gemeinde schweifen, schaue in alte und junge, in männliche und weibliche, in hübsche und hässliche Gesichter. Wie ein Heerführer, der seine Legionen mustert, schaue ich die Leute an, dann hebe ich meinen Blick zu dem goldenen Kreuz, das an drei dünnen, fast unsichtbaren Drähten über dem Altar schwebt. Ich fixiere den angenagelten 190 Jesus darauf, ich fixiere die geflochtene Dornenkrone auf seinem Kopf und erzähle den Leuten meine Geschichte. Ich erzähle ihnen, dass mein Auto plötzlich stehen geblieben ist und der ADAC leider erst in einer Stunde kommen kann. Ich erkläre ihnen, dass ich aber schon in fünfzehn Minuten am Flughafen sein muss, weil meine Verlobte da auf mich wartet, um mit mir nach Jerusalem zu fliegen. Ich fasse mich kurz und sage nur noch, wie leid es mir tut, den Gottesdienst zu stören, ich aber für jede Hilfe sehr dankbar wäre und auch dafür bezahlen möchte. Hundert Euro, sage ich, bar auf die Hand. Ich will das Geldbündel aus der Tasche ziehen, stütze mich stattdessen aber mit den Händen auf dem Weihwasserbecken ab. Vor meinen Augen flimmern orangefarbene Punkte, und auch die Beine fühlen sich komisch an. Ich klappe aber nicht zusammen sondern halte mich aufrecht und schaue in die Gesichter der Gläubigen hinein. Ich lächle sogar, aber in den Gesichtern rührt sich nichts. Die starren mich alle nur wie die Ölgötzen an, so als hätte ich gerade ins Weihwasser gespuckt oder mir sonst eine Schweinerei erlaubt. Das darf aber eigentlich nicht sein. Es sind doch alles Christen hier. Die sind doch zur Nächstenliebe verpflichtet! Mir fällt sogar der Spruch dazu ein, und zwar heißt es doch: Was ihr dem Geringsten meiner Brüder tut, das tut ihr auch mir an oder so ähnlich. Das hat Jesus selbst gesagt, und ich bin doch definitiv der geringste aller Brüder, ein echter Lazarus mit den Pusteln auf meiner Haut. Bitte, sage ich noch einmal: Bitte helfen Sie mir, und dann sage ich nichts mehr. Ich kann nichts mehr sagen, wirklich kein einziges Wort, und wenn sich jetzt keiner rührt, fange ich zu schreien an oder falle auf der Stelle tot um. Mindestens drei Sekunden lang sieht es auch danach aus, zappendüster sieht es aus, aber dann höre ich eine Stimme. Eine sehr ruhige und klare Stimme. Sie kommt von ganz vorne, und ich glaube, es ist der Pfarrer, der spricht. Er sagt genau das, was ich mir gerade selbst noch gedacht habe. Und zwar sagt er, dass Mitmenschlichkeit sich nicht nur in unseren Gedanken und Worten sondern vor allem auch in unseren Taten zeigt. Und auch wenn es eine ungewöhnliche Situation sei, solle man sie nicht verstreichen lassen. Denn auch man selbst könne unverhofft in eine Notlage geraten und wäre dann auf die Hilfe seiner Glaubensbrüder und -Schwestern angewiesen. Der Pfarrer spricht völlig unaufgeregt, und während ich ihm zuhöre, regt sich etwas in mir, das ich schon lange nicht mehr empfunden habe. Demut, glaube ich. Ja, ich empfinde Demut vor diesem Mann. Demut und Dankbarkeit. Ich glaube, ich war noch nie einem Menschen so dankbar wie diesem Pfarrer, den ich noch nicht einmal sehen kann, weil er von seiner Gemeinde verdeckt wird. Er muss ziemlich klein sein, höchstens eins sechzig, aber das ist überhaupt kein Problem. Ich kann kleine Menschen ohnehin besser leiden als Große, und am liebsten würde ich nach vorne laufen und ihm seine Füße küssen oder ihm sonst etwas Gutes tun. Wenn ich Zeit dazu hätte, würde ich es wirklich tun. Auf seine Worte hin treten nämlich drei Menschen, tatsächlich drei Menschen gleichzeitig, aus der Schlange und gehen auf mich zu. Eine hagere Frau in einem grünen Wollkleid, ein junger Typ mit einer verklebten Igelfrisur und ein uralter Mann mit einem schwarzen Gehstock. Und wie es der Teufel will, erreicht mich der Alte mit dem Gehstock zuerst. Er ist definitiv nicht der Flinkste von den dreien, aber er 192 steht ganz hinten in der Schlange und muss nicht einmal fünf Schritte tun. Dem Igeltypen wäre es zwar nicht um die Mitmenschlichkeit sondern um die hundert Euro gegangen, aber er war trotzdem mein Favorit. Der hat bestimmt einen aufgemotzten Opel mit Heckspoiler vor der Tür stehen, und damit wäre ich in null Komma nichts am Flughafen gewesen. Aber das bringe ich jetzt nicht. Ich bringe es nicht, den Alten beiseitezudrücken und dann zu dem jungen Typen ins Auto zu steigen, no way. Nein, ich lächle ihm tapfer entgegen und sage mindestens eine Million Mal Danke. Ich bedanke mich auch bei dem Pfarrer und der Gemeinde. Ich halte sogar meinen Daumen ins Weihwasserbecken und schlage mit der nassen Fingerkuppe ein Kreuz auf meine Brust, und dann, nach einer tiefen Verbeugung, laufe ich ins Freie. Genau so mache ich das. Ich laufe durch die Tür ins Freie und marschiere Seite an Seite mit dem Alten zu seinem Wagen. Es ist ein schwerer, dunkelbrauner Volvo, der an der Friedhofsmauer parkt, direkt vor einer Gedenktafel für tote Soldaten. Der Alte spricht auf dem Weg kein einziges Wort sondern stößt bei jedem zweiten Schritt seinen Stock in den Kies, so dass die Steinchen links und rechts in die Luft spritzen. Er entriegelt die Tür automatisch, und als wir dann in dem Auto sitzen, streckt er mir seine Hand entgegen und sagt, dass er Alfons Hofbauer heißt. Ich nehme die Hand und schüttele sie kräftig. Ich muss richtig dagegenhalten, so fest drückt er zu, und als er wieder loslässt, schaut er mich aus seinen himmelblauen Augen an und sagt: Anschnallen, bitte. Ich lege den Gurt an, er dreht den Zündschlüssel um, stellt die Automatikschaltung auf D und fährt los. Er macht 193 Er schaut einen Moment lang zu mir rüber, und seine blau- [ en Augen nehmen dabei einen unangenehmen Ausdruck an. \ Gierig und ein bisschen höhnisch, vor allem aber stechend j scharf. Ich ziehe meinen Geldbeutel aus der Tasche und lege j zwei Fünfzigeuroscheine auf die Ablage zwischen den Sit- ' zen. Der Hof bauer streckt die Hand danach aus und nimmt j die Scheine weg. Er zerknüllt sie mit den Fingern zu einer J knittrigen Kugel und steckt sie in die Hosentasche. Er be- , dankt sich noch nicht einmal für das Geld, sondern tippt j nur auf die Uhr und sagt: Gleich sind wir da. j i i Kurz darauf taucht dann tatsächlich das Flughafengelände auf. Die Autobahn läuft schnurgerade auf eine Reihe lang gezogener Gebäude zu, im Sonnenlicht gleißende Stahl- und Glaskonstruktionen, die sich rechtwinklig aus der Landschaft heben. Daneben kann ich das Rollfeld erkennen, die grauen Start- und Landebahnen und ein paar blinkende Positionslichter am Rand. Fast auf gleicher Höhe mit uns setzt eine Lufthansamaschine zur Landung an, und als die Reifen des Flugzeugs auf die Rollbahn treffen, staubt es auf dem Asphalt. Das muss der verbrannte Gummi sein, der Abrieb oder so. Mir fällt noch mal der kaputte BMW ein und dieser ätzende Motorgestank, aber dann schaue ich auf die Uhr und bin einfach nur froh. Die Ziffern zeigen 10:24 Uhr an, und das heißt: Ich habe es geschafft. Ich habe es tatsächlich geschafft, ich bin sogar gut in der Zeit. Ich könnte in einer Flughafenbar sogar noch einen Espresso trinken und ein Sandwich essen, die Schalter schließen nämlich erst viertel vor elf. Obwohl ich ziemlichen Hunger habe, werde ich es aber nicht tun. Ich werde Johanna keine Sekunde länger warten lassen. Vermutlich ist sie ja schon völlig hysterisch und 196 glaubt, dass ich mich vor der Reise drücken will. Wenn sie wüsste, wie sehr sie sich täuscht. Wenn ich ihr das bloß erzählen könnte, mein Gott. Das kann ich natürlich nicht, aber während der Hofbauer den Wagen die Terminalauffahrt hochlenkt, nehme ich mir vor, so ehrlich wie möglich zu sein. Nur die Sache mit Simon und Leni werde ich verschweigen und das Filterwochenende insgesamt. Sonst aber nichts. Von allem anderen werde ich Johanna erzählen: Von Konrad und Verena und dem tückischen Bergler, von meinem Bruder und von Roland sowieso. Ich werde ihr sogar von Patrizia berichten, einfach alles, lückenlos. Das heißt, wenn ich es mir genauer überlege, halte ich lieber den Mund. Johanna glaubt ja, dass ich diesen Unfall hatte, bei Jena oder Gera irgendwo. Ich habe ihr gestern ja diese SMS geschrieben, weiß der Himmel wieso. Die Vorstellung, gleich wieder flunkern zu müssen, macht mich unsagbar müde, aber wahrscheinlich ist es besser so. Ich meine, es ist besser, Geschichten komplett zu erfinden, als mit Halbwahrheiten hausieren zu gehen. Davon hat keiner was, und man selbst verliert schnell den Uberblick. Nein. Ich werde noch eine letzte kleine Geschichte erzählen und danach dann ehrlich sein. Dann aber wirklich, das schwöre ich. Jetzt sorge ich aber erst einmal dafür, dass der Hof bauer keine Dummheiten macht. Am Schluss weiß der noch, wo die Maschinen nach Jerusalem starten und fährt mich dorthin. Ich will aber zu Germanwings, und das ist da vorne rechts. Unter dem Terminalvordach hängt ein Schild mit dem Logo, und ich deute darauf und sage, dass wir hier richtig sind. Er !97 lenkt den Wagen in die Einfahrt und hält vor den gläsernen Schiebetüren. Ich wünsche ihm noch einen schönen Sonntag, dann steige ich aus und werfe die Tür ins Schloss. Ich laufe an zwei rauchenden Stewardessen vorbei in die Abflughalle und schaue zur Anzeigentafel hoch. Lissabon steht ziemlich weit oben, der Check-In-Schriftzug blinkt, und der Gepäckschalter ist C 24. Ich laufe den Schildern hinterher über den blitzblank polierten Flughafenboden und bemerke dabei etwas Seltsames. Vielleicht liegt es nur daran, dass ich kein Gepäck bei mir trage, jedenfalls sehen mich die Leute sehr kritisch an. Ein Rentnerpärchen schüttelt den Kopf, und eine japanische Mutter zieht sogar ihre Tochter beiseite. Zuerst sage ich mir, dass ich Gespenster sehe, aber als ich mich auf der Toilette im Spiegel betrachte, begreife ich es. Mein T-Shirt ist völlig verdreckt und am Saum eingerissen. Uber meine Stirn zieht sich ein dünner, roter Striemen, und in meinen zerzausten Locken hängen Blätter und sogar ein kleiner Hagebuttenzweig. Ich säubere mich so gut es geht und ziehe das T-Shirt verkehrt herum an, dann drehe ich den Wasserhahn auf und halte mein Gesicht darunter. Als ich mich abgetrocknet habe, riskiere ich noch einen Blick. Ich muss vor Freude nicht unbedingt jubeln, aber an sich sehe ich passabel aus. Die Ringe unter den Augen waren schon dunkler, und trotz des grellen Neonlichts wirkt meine Haut sogar relativ frisch. Ich lächle mir freundlich entgegen, dann drücke ich die Toilettentür auf und gehe in die Halle zurück. Ich laufe dicht hinter einer Gruppe Rucksacktouristen, damit man mich nicht gleich entdeckt, wenn man in meine Richtung blickt. Weiter vorne sehe ich auch schon die I Check-In-Schlange vor Schalter C 24. Außer ein paar jun- , gen Familien wartet dort ein halbes Dutzend Surfertypen, j und ganz am Ende der Schlange ist Johanna. Sie trägt ein 1 helles Sommerkleid und sitzt mit übereinandergeschlage- j nen Beinen auf ihrem Koffer. Sie hält ihr Telefon in der 1 Hand und tippt eine Nummer in die Tasten, dann wirft sie [ ihr Haar zurück und hält es an ihr Ohr. Ich schiebe mich an I den Rucksacktouristen vorbei in einen Presseladen und spä- j he zu ihr hin. Johanna spricht jetzt in den Hörer, sie spricht I sehr schnell und gestikuliert dabei mit der freien Hand. Ich I sehe ihre leichten, geschmeidigen Bewegungen und kann es ( kaum glauben, dass ich mit einer so tollen Frau zusammen bin. Die Surfer werfen ihr immer wieder Blicke zu, und ei-I ner von ihnen, der einen albernen Reif in seine Haare ge- 1 schoben hat, lächelt ihr ins Gesicht. Johanna lächelt nicht zurück. Sie wartet nur auf mich. Sie möchte jetzt nur, dass ich komme, niemand sonst, das ist sonnenklar. Es ist ihr egal, dass ich zu spät bin und kein Gepäck dabei habe und alles. Hauptsache, ich tauche jetzt auf. Hauptsache, ich bin jetzt da. Und es wäre so einfach, zu ihr zu gehen, irgendeine Geschichte zu erzählen und mit ihr ins Flugzeug zu steigen. Wir würden gute Tage haben, es wäre eine schöne Zeit. Und wenn ich die Dinge noch entspannter angehe, wird in Zukunft sogar alles noch viel besser für uns. Wir werden eine aufrichtige Beziehung führen und alt und glücklich miteinander werden. Ich wünsche mir das so sehr, alt und glücklich mit ihr zu werden, und vorher noch zu heiraten und Kinder mit ihr zu bekommen, zwei Mädchen und zwei Jungen, das wäre die Lösung vielleicht. Ich begreife auch gar nicht, weshalb ich noch immer hinter diesem Zeitungsständer stehe und sie beobachte, als wäre sie eine wildfremde 198 199 Person und nicht meine Freundin, die mich doch liebt. Ich ' muss jetzt wirklich zu ihr gehen, am besten sofort. Ich war- j te trotzdem noch eine Minute, vielleicht sogar zwei. Ich warte solange, bis Johanna sich über ihren Koffer beugt und ; die Verschlüsse öffnet. Sie dreht mir dabei den Rücken zu, 1 und als sie anfängt in ihren Sachen zu wühlen, spanne ich ein ! Lächeln in mein Gesicht und gehe mit schnellen und mög- ; Danksagung liehst leisen Schritten auf sie zu. i Herzlicher Dank geht an meine Eltern. Für alles. Außerdem danke ich Katrin Zimmermann, Hanns-Josef Ortheil und Anne-Kathrin Heier für ihre aufmerksame Lektüre sowie Ruedi Brütsch und Petra Zimmermann für ein Haus im Tessin. i