Zwischen neun und neun (1917) 8 Als Steffi Prokop nach Hause kam, fand sie Stanislaus Demba schon im Wohnzimmer ungeduldig wartend. »Grüß dich Gott!« sagte sie. »Bist du schon lange hier?« »Seit zwölf Uhr wart' ich,« sagte Demba. »Ich kann nichts dafür, daß ich mich verspätet habe. Man läßt mich nicht eine Minute vor zwölf Uhr aus dem Bureau. Und dann dauert es noch zehn Minuten, ehe ich die Farbbandflecken von den Händen 'runter bekomm'. Jetzt hab' ich aber Zeit bis fast drei Uhr.« Sie legte eilig Hut und Jacke ab, auch den grauen Schleier, den sie immer umnahm, wenn sie auf die Straße ging. Dann band sie sich die Schürze vor und nahm Dembas Hut vom Tisch. »Nun? Willst du nicht ablegen?« fragte sie. -- Demba hatte seine Pelerine umbehalten. Demba schüttelte den Kopf. »Nein! Laß mir den Mantel! Mir ist kalt.« »Kalt ist dir? Aber geh'. Heut ist doch nicht kalt. Heut kann man schon wieder im Freien sitzen.« »Mich friert,« sagte Demba. »Ich bin krank. Ich glaube, ich habe Fieber.« »Armer Stanie!« sagte Steffi in jenem mitleidig klagenden Ton, in dem man Kinder bedauert und tröstet, die beim Spielen gefallen sind und sich »weh getan« haben. »Armer Stanie. Ist krank, hat Fieber. Armer Stanie.« Dann änderte sie den Ton und fragte: »Du ißt doch mit uns?« Demba schüttelte den Kopf. Sie öffnete die Tür und rief ins Nebenzimmer: »Mutter, der Herr Demba ißt mit uns!« »Nein!« rief Demba lebhaft und beinahe aufgeregt. »Was fällt dir denn ein?« »Dukatenbuchteln haben wir heut,« sagte Steffi Prokop aufmunternd. »Nein, ich danke. Ich kann nicht,« sagte Demba. »Also, du mußt wirklich krank sein, jetzt erst glaub' ich's, Stanie,« sagte Steffi lachend. »Sonst bist du doch immer bei Appetit. Wart', ich werd' gleich mal nachschauen.« Sie griff unter die Pelerine nach Dembas Hand, um ihm den Puls zu fühlen. Sie fand die Hand jedoch nicht gleich, und erhielt im nächsten Augenblick einen Stoß, daß sie zwei Schritte zurücktaumelte und sich an der Kommode festhalten mußte, um nicht zu fallen. Demba war aufgesprungen und stand, weiß wie die Wand und ganz außer sich vor ihr. »Woher weißt du --?« zischte er mit einem feindseligen Blick auf Steffi. »Wer hat dir verraten, daß --?« »Was denn? Warum hast du mich gestoßen? Was ist dir denn, Stanie?« Demba sah das Mädchen mit unsicherem Blick an, atmete schwer und sprach kein Wort. »Ich hab' deinen Puls fühlen wollen,« sagte Steffi Prokop kläglich. »Was?« »Deinen Puls hab' ich fühlen wollen. Und du stößt mich!« »So, den Puls.« Stanislaus Demba setzte sich langsam. »Dann ist's gut. Ich dachte --« »Was denn? Was dachtest du?« »Nichts. -- Du siehst ja, daß ich krank bin.« Demba starrte schweigend auf die Tischplatte. Aus dem Nebenzimmern kam das Klirren von Tellern und Löffeln. Steffis Mutter deckte den Tisch zum Mittagessen. Steffi Prokop legte ihren schmalen Kinderarm leicht auf Dembas Schulter. »Was fehlt dir, Stanie? Sag' mir's.« »Nichts, Steffi. Nichts Ernstes, wenigstens. Morgen ist's vorüber – so oder so.« »Sag' mir's. Mir kannst du's sagen.« »Es ist nichts. Wirklich.« »Aber du wolltest mir doch etwas erzählen. Etwas Wichtiges, das du mir durchs Telephon nicht sagen konntest.« »Das ist längst nicht mehr wichtig.« »Was war es denn, Stanie?« »Ach nichts. -- Daß ich morgen früh fortfahre.« »So? Wohin denn?« »Das weiß ich noch nicht. Wohin Sonja will. Ins Gebirge vielleicht oder nach Venedig.« »Mit der Sonja Hartmann fährst du?« »Ja.« »Auf lange?« »Solange Sonja Zeit hat. Ich denke, auf zwei Wochen oder auf drei.« »Seid ihr denn wieder gut? Ihr hattet euch ja gestritten?« »Es ist alles wieder gut.« »Drei Wochen. Da hast du sicher das Geld für den lustigen Roman bekommen, den du ins Polnische übersetzt hast. Weißt du, den Roman, in dem gestanden ist: ›Ihre Tochter, Frau Gräfin, hat höchstens noch sechs Stunden zu leben, vielleicht sogar noch weniger.‹ Ich hab' damals so lachen müssen. -- Hat man dir endlich das Geld geschickt? Nun? – Gib doch Antwort! An was hast du jetzt gedacht, Stanie?« Demba blickte zerstreut auf. »Wo warst du mit deinen Gedanken? Schon in Venedig?« fragte Steffi. »Nein. Bei dir.« »Geh, lüg' mich nicht so an. Ich weiß ganz gut, daß du dir nichts aus mir machst. Ich bin dir zu jung und zu dumm und zu --« Steffi Prokop warf einen Blick in den Spiegel. Ihre rechte Wange war eine einzige tiefrote Feuernarbe. Vor Jahren, als sie noch ein Kind war, hatte ihre Mutter einmal nach der Gewohnheit vieler Wiener Frauen Benzin auf die Kohlen im Herd geschüttet, um das Feuer anzufachen. Das Kind hatte sie hierbei auf dem Arm gehabt, und als das Feuer ihre Kleider ergriff, hatte auch Steffi ihr Andenken fürs Leben davongetragen. Das Feuermal entstellte sie, das wußte sie genau. Niemals ging sie ohne Schleier auf die Gasse. »Und jetzt will ich wissen, was dir fehlt. Starr nicht so in die Luft.« »Nichts fehlt mir, Kind. Und jetzt muß ich wieder gehen. Ich wollt nur schauen, wie es dir geht.« »Geh! Geh! Geh!« sagte Steffi Prokop ärgerlich. »Schau'n, wie mir's geht! wie wenn dich das interessieren würde! Und überhaupt, sag' mir nicht immer: ›Kind‹. Ich bin sechzehn Jahre alt. Mir kannst du alles erzählen. Ich weiß, dich drückt etwas. O, ich kenn' dich, Stanie, kein Mensch kennt dich so gut, wie ich. Wenn's dir schlecht geht, kommst du zu mir und starrst in die Luft. Wenn dir elend zumut ist, wenn du wütend bist, wenn du Ärger gehabt hast, kommst du immer zu mir. Wie dir die Sonja den Brief geschrieben hat, bist du zu mir gekommen. Früher, wie du noch bei uns gewohnt hast, bist du auch zu mir gekommen, wenn dir in deinem Kabinett zu kalt war. Hieher in das Zimmer hier, da war immer geheizt. Und bist auf und ab gegangen und hast studiert oder aus den alten Griechen deklamiert, _Integer vitae ..._ -- wie geht's weiter?« »_Integer vitae scelerisque purus --_«, sagte Demba halb in Gedanken. »Ja -- _lerisque purus_. So heißt's. Und ich bin im Winkel gesessen und hab' meine Schulaufgaben gemacht, Buchhaltung, Rechnen, Warenkunde -- Wovon träumst du, Stanie? Du hörst mir gar nicht zu. Warum starrst du so auf den Tisch? Wovon träumst du, sag?'« »Ja. Vielleicht träume ich,« sagte Demba leise. »Sicher ist alles nur ein Traum. Ich liege zerschlagen und zerfetzt irgendwo in einem Spitalbett, und du und deine Stimme und das Zimmer da, ihr seid nur ein Fiebertraum der letzten Minuten.« »Stanie! Was ist das? Was redest du da?« »Vielleicht trägt mich in diesem Augenblick ein Rettungswagen durch die Straßen oder vielleicht lieg' ich noch immer in dem Garten unter dem Nußbaum auf der Erde und hab' das Rückgrat gebrochen und kann nicht aufstehen und hab' die letzten Gesichte und Visionen --« »Stanie, um Gotteswillen, willst du mir Angst machen? Was ist geschehen?« »_Integer vitae scelerisque purus --_«, sagte Demba leise. »Ich hab' Angst!« klagte Steffi. »Was ist geschehen? Jetzt mußt du mir's sagen!« »Sei still! Es kommt jemand,« sagte Demba rasch. Frau Prokop steckte den Kopf durch die Türspalte. »Stör' ich?« fragte sie scherzend. Wie geht's, Herr Demba? Gut immer, nicht? Steffi, ich wollt' dir nur sagen, die Suppe wird kalt. Herr Demba, essen Sie nicht einen Löffel mit uns? »Ich danke, gnädige Frau, ich bin schon nach dem Essen.« »Mutter!« sagte Steffi. »Geh, heb' mir das Essen auf. Ich komm' dann hinein. Herr Demba und ich haben noch etwas zu besprechen.« »Und jetzt sprich!« sagte Steffi, als Frau Prokop draußen und die Tür verschlossen war. »Ich hab' nicht mehr viel Zeit. In einer Stunde muß ich wieder ins Bureau.« Demba lachte verlegen auf. »Ich weiß nicht, was da vorhin über mich gekommen ist. Heute vormittag war ich zwar auch nicht in bester Stimmung, aber ich habe doch nicht einen Augenblick lang den Kopf hängen lassen und den Mut verloren, obwohl mir so ziemlich alles fehlgeschlagen ist, was ich angepackt hab'. ›Angepackt‹ ist übrigens sehr gut.« -- Demba stieß ein kurzes, heiseres Lachen hervor. -- »Manchmal ist die Sprache geradezu witzig. ›Angepackt‹ ist nämlich wirklich nicht ganz das richtige Wort. Also sagen wir: Angerührt --, nein, in die Hand genommen -- auch nicht! Zum Kuckuck, alles was ich unternommen habe -- so ist's richtig! Also alles, was ich unternommen habe, ist mir durch die Finger geglitten -- hätt' ich jetzt wieder beinahe gesagt! Meine eigene Zunge hält mich zum Narren. Alles, was ich angepackt habe, ist mir durch die Finger geglitten. Ausgezeichnet. Wirklich, ausgezeichnet! Galgenhumor der Sprache. Aber es war doch nicht so, sondern ich wollte sagen: Alles, was ich unternommen habe, heut vormittag, ist mir mißglückt.« »Ich verstehe dich nicht, Stanie.« »Das ist doch sehr einfach. Alles ist mir heut fehlgeschlagen. Aber ich hab' doch nicht den Mut verloren, das wollt' ich nur sagen. Nur vorhin ist's über mich gekommen. Ich war beinahe sentimental. Nicht wahr? Ich will dir gestehen: Ich bin nahe daran gewesen, den Kopf in deinen Schoss zu legen und zu weinen. So elend war mir zumut. Und eigentlich ohne Grund. Wirklich. So tragisch ist nämlich die ganze Sache nicht.« Er sah dem Mädchen unsicher ins Gesicht, hustete ein paarmal verlegen und fuhr dann fort: »Du bist der einzige Mensch, Steffi, zu dem ich Vertrauen hab'. Du bist klug und mutig und verschwiegen. Du wirst mir helfen. Vorhin war ich ein bißchen merkwürdig, nicht wahr? Aber das war nur ein Schwächeanfall, und jetzt ist's vorüber. Du darfst nicht glauben, daß ich mir auch nur soviel aus der ganzen Sache mache.« »Also sag' doch endlich, was geschehen ist, Stanie,« bat das geängstigte Mädchen. Demba atmete schwer auf. »Ich bin nämlich --. Also kurz und gut: Die Polizei ist hinter mir her.« »Die Polizei!« -- Steffi Prokop sprang auf. »Schrei doch nicht! Du alarmierst das ganze Haus,« mahnte Demba. Sie beherrschte sich und zwang ihre Stimme in ein leises, gehauchtes Flüstern. »Was hast du getan?« »Ein Verbrechen, Kind,« sagte Stanislaus Demba in gleichgültigem Ton. »Das kann ich nicht leugnen. Aber ich bring's nicht fertig, mich zu schämen. Ich kann ganz ruhig davon sprechen. Mein Verstand und meine Logik billigen es. Nur die Polizei ist halt dagegen.« »Ein Verbrechen.« »Ja, mein Kind. Ich habe drei Bücher aus der Universitätsbibliothek einem Antiquitätenhändler verkauft. Das heißt, verkauft hab' ich nur zwei. Das dritte hab' ich heute morgen umsonst hergegeben. Schau mich doch nicht so entgeistert an. Jetzt verachtest du mich natürlich. Da hat es keinen Sinn, wenn ich weiter erzähle.« »Warum hast du das getan, Stanie!« »Lieber Gott! Warum! Ich habe eine Studie über die Idyllen des Calpurnius Siculus und seine _Hapax legomena_ geschrieben. Eine Arbeit über ein paar agrarische Fachausdrücke, die dieser Calpurnius Siculus verwendet, deren Bedeutung strittig ist und die in der übrigen römischen Literatur nicht vorkommen. Dazu hab' ich gewisse Quellenwerke gebraucht. Ich bekam einiges aus der Universitätsbibliothek. Aber drei alte, wertvolle Drucke wollte mir der Kustos nicht nach Hause geben. Ich brauchte sie aber, und so trug ich sie einfach unter dem Mantel fort.« »Und jetzt ist die Polizei --« »Deswegen? Ach Gott, nein. Das ist jetzt über ein Jahr her. Und kein Hahn hat in der Universitätsbibliothek nach den Büchern gekräht. Vielleicht, wenn sie wieder jemand verlangen würde, dann vielleicht würde man ihr Fehlen bemerken. Aber ich war seit einem Jahrzehnt der erste, der sie gebraucht hat, das hat mir damals ein Bibliotheksbeamter gesagt. Also diese drei Bücher habe ich fortgetragen. Meine Arbeit ist nach drei Monaten fertig geworden. Ich hab' sie in einer großen Fachzeitschrift veröffentlicht. Sie hat ziemlich viel Beachtung gefunden. Eine große Diskussion hat sich über ein Wort, für das ich eine neue Deutung gegeben habe, entsponnen. Ich bin gelobt und bin angegriffen worden. Ich habe viel Zuschriften bekommen. Professor Haase in Erlangen und Professor Mayer in Graz haben meine Auffassung verteidigt und der berühmte Riemenschmidt in Göttingen hat meine Untersuchung scharfsinnig genannt. Um ehrlich zu sein: Es war nicht eigentlich Scharfsinn, der mich das Richtige finden ließ. Es hat sich um Ausdrücke aus der antiken Bauernsprache gehandelt. Aber meine Eltern und Ureltern sind eben Bauern gewesen und ich bin hellsichtig in solchen Dingen. »Bezahlt wurde mir die Arbeit so, daß Kosten für Tinte, Feder und Papier gedeckt waren, und vielleicht ein paar von den Zigaretten, die ich während des Schreibens geraucht habe. Der Dienstbotenroman, den ich übersetzt habe, trägt mir genau das Zwölffache. Dafür hab' ich die Bücher behalten. Wem hab' ich sie weggenommen? Sie wären nutzlos und verstaubt in einem dunklen Winkel der Universitätsbibliothek gelegen und nur der Katalog hätte von ihnen gewußt.« »Aber die Polizei, Stanie! Die Polizei!« klagte Steffi Prokop verzweifelt. »Ach Gott, die Polizei! Wenn's nichts anderes wäre, die macht mir keine Sorge, derentwegen wär' ich nicht zu dir gekommen. Nein. Das ist es nicht. So einfach liegen die Dinge nicht. Ich will dir alles erzählen. Jetzt geht's viel leichter. Hör' zu.« Aber er sprach nicht weiter, sondern trat ans Fenster, blickte hinaus und pfiff leise vor sich hin. »Nun?« fragte Steffi Prokop. Er drehte sich um. »Ja. Also wo war ich stehen geblieben. Die drei Bücher, richtig. Die beiden ersten hab' ich vor einem halben Jahr verkauft. Ich hatte Schulden. Ich trug sie in die Antiquitätenläden in der Johannesgasse und in der Weihburggasse. Aber dort wollte man mir nichts dafür geben. Die Leute verstehen nichts. In alten Drucken legen sie ungern ihr Geld an. Einer von ihnen wollte sie nach dem Gewicht kaufen. Ich erfuhr durch Zufall den Namen eines Bücherliebhabers in Heiligenstadt, eines Sonderlings, der halb Trödler, halb Sammler ist. Ich ging hin. Er verstand wirklich etwas von Büchern. Für das eine zahlte er mir fünfzig Kronen; einen Monat später, als ich wieder Geld brauchte, bekam ich für das zweite fünfundvierzig. Die Bücher waren mehr wert, besonders das zweite, aber immerhin, die Preise waren annehmbar. Das dritte Buch wollte ich nicht verkaufen. Es war ein prachtvoller Druck, siebzehntes Jahrhundert, eine Ausgabe des Calpurnius Siculis aus der Offizin Enschede & Söhne in Amsterdam mit Interpolationen, Glossen und Marginalien und einem Titelblattkupfer, den Aart van Geldern gezeichnet hat. Der Einband war mit vier Halbedelsteinen und einer Elfenbeinschnitzerei verziert, die einen ziemlichen Wert besaßen. Das Buch wollte ich behalten. Ich hab' es auch nicht hergegeben, die ganze Zeit über und wenn ich noch so sehr in Geldnot war. Und in Geldverlegenheit war ich fast immer. Einmal im Jänner ist es mir so schlecht gegangen, daß ich in der strengsten Kälte meinen Winterrock ins Leihhaus tragen mußte. Aber das Buch hab' ich doch nicht hergegeben. Bis ich gestern das von der Sonja hörte. Das muß ich dir auch erst wieder erzählen. Ich erzähle dir alles. Ich bin so müde, Steffi, und es tut mir wohl, alles zu erzählen. Daß wir uns in der letzten Zeit öfters gestritten haben, die Sonja und ich, das weißt du. Es war nicht mehr ganz so wie früher. Aber ich legte dem keine Bedeutung bei, ich wußte, daß Sonja manchmal ihre Launen hatte. Auch mit dem Weiner ließ ich sie ruhig verkehren. Bei mir ist das eine Art Hochmut. Kann mir diesel Weiner irgend etwas wegnehmen? -- dachte ich. Dieser Weiner mir? Er ist ein aufgeblasener Hohlkopf. Ich habe noch nie ein Wort oder einen Gedanken aus seinem Mund gehört, auf den einzugehen es sich verlohnt hätte. Dabei ist er feig und hinterhältig und selbstsüchtig. Ich dachte mir: sie mag selbst darauf kommen, wieviel der Kerl wert ist. Nun, und gestern kam ich abends in ihre Wohnung. Sie war nicht zu Hause. Aber auf dem Tisch stehen zwei gepackte Reisetaschen. Ich frage die Quartierfrau. ›Ja, das Fräulein verreist.‹ ›So,‹ sag' ich. ›Wohin denn?‹ Ja, das wisse sie nicht. Ich war ganz erstaunt. ›Für den Urlaub ist's ja noch viel zu früh,‹ denk' ich mir. Und außerdem hätt' sie mir doch was devon gesagt. Und wie ich mich im Zimmer umschau, seh' ich ein Schreibtischfach offen und drin liegt ein großes Kuvert ganz obenauf von der Firma Cook & Son. Ich nehm' es und mach' es auf. Da sind die beiden Fahrscheinhefte drin. Eines auf ihren Namen und eines auf: Georg Weiner, _stud. jur._ Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Ich glaub', so ist einem zumute, wenn man überfahren wird oder einen Nervenchock bekommt. Wie ich aus der Wohnung hinausgekommen bin und die Treppe hinunter, weiß ich nicht. Eine halbe Stunde lang bin ich in den Gassen, die um Sonjas Wohnung liegen, herumgeirrt, wie ein Fremder und konnte mich nicht zurechtfinden, obwohl ich in diesem Stadtteil wie zu Hause bin. Dann bin ich wieder ein bißchen ruhiger geworden und hab' die Sonja gesucht. Zuerst im Kaffeehaus. Die Sonja geht fast täglich ins Kaffeehaus, das ist etwas, was mir nie an ihr gefallen hat. Ich hab' ihr das oft gesagt: eine Frau soll nicht ins Kaffeehaus gehen. Zu einer Frau soll man vier Treppen hoch steigen müssen, mit klopfendem Herzen muß man an ihrer Tür läuten. Und dann soll man sie erst nicht zu Hause antreffen und umsonst gekommen sein. Wenn man dann enttäuscht die Treppe hinuntergeht, dann fühlt man erst, daß man sie liebt. Aber eine Frau, die man, so oft man Lust hat, sie zu sehen, in seinem Kaffeehaus vorfindet, so sicher, wie den ›Simplizissimus‹ oder das ›Tagblatt‹, die verliert an Wert und wird Alltag. Die Sonja also hat vier Kaffeehäuser, in denen sie verkehrt. Zwischen neun und zehn ist sie meist im Café Kobra, dort verkehrt sie mit ein paar Malern und Architekten. Doch gestern war sie in keinem der vier Lokale. Aber ich traf einen ihrer Bureaukollegen, der wußte auch schon von ihrer Reise. Der hat mir bestätigt, daß sie mit dem Weiner nach Venedig fahren will. Um zehn Uhr war ich nochmals bei ihr in ihrer Wohnung, aber sie war noch immer nicht zu Hause. Bis ein Uhr bin ich vor ihrem Haus auf und ab gegangen. Sie kam nicht, und als es eins wurde und sie noch immer nicht da war, sah ich ein, daß es keinen Zweck hatte, länger zu stehen. Der Weiner hat ein Absteigquartier in der Liechtensteinstraße, dort hätte ich warten müssen. Ich hatte inzwischen Zeit genug gehabt, über die Sache ruhig nachzudenken. Über Sonjas Beweggründe. An dem Georg Weiner selbst konnte sie nichts finden, das war klar. Gar nichts. Er ist eine niedere Menschenform. Daß er manchmal Poker spielt, ist die einzige geistige Regung, die ich hie und da an ihm beobachtet habe, und auch da verliert er zumeist. Du kennst ihn nicht, aber ich hab' immer, so oft ich ihm begegnet bin, schon vorher, lang eh' ich gewußt hab', wer das ist, immer hab' ich ganz unwillkürlich den Gedanken gehabt: ›Dieser Mandrill hat doch eigentlich einen ganz menschenähnlichen Gang‹. Weißt du, nicht aus Gehässigkeit, sondern ich war wirklich erstaunt, daß er so gut aufrecht gehen konnte, und dachte mir, das muß ihm doch große Mühe machen, warum plagt er sich so und geht nicht einfach auf allen vieren? Also der Mandrill will mir jetzt die Sonja wegnehmen. Es ist eigentlich zum Lachen. Und doch geht sie mit ihm. Das kann nur die Aussicht auf die Reise sein. Reisen machen, das ist Sonjas große Leidenschaft. Sie möchte die Welt sehen, wie und mit wem, das ist ihr gleichgültig, sie ginge als Stewardeß auf ein Schiff, wenn man sie nähme, sie ginge als Lokomotivführer oder als Handgepäck, wenn es nicht anders zu machen ist. Ganz kindisch ist sie in diesen Dingen. Sie hat mich früher oft gebeten, mit ihr zu fahren, aber ich habe niemals die paar hundert Kronen gehabt, die eine Reise gekostet hätt'. Der Georg Weiner hat das Geld. Sein Vater ist ein Lederhändler in der Leopoldstadt. Und das war mir klar: wenn ich heute dreihundert Kronen aufbringe, so läßt sie den Weiner sofort stehen und fährt mit mir.« »Stanie!« sagte Steffi Prokop. »Ist das dein Ernst?« »Natürlich.« »Wie kannst du nur so von ihr denken? Wie kannst du glauben, daß es sich ihr nur um Geld oder um eine Reise oder um sonst etwas handelt. Sie hat ihn gern. Sie will mit ihm allein sein.« Stanislaus Demba lachte. »Mit ihm? Mit dem Georg Weiner? Man sieht, daß du ihn nie gesehen hast.« »Stanie, du bist so klug und doch denkst du wie ein Kind. Frauen sind anders, als ihr Männer. Euch stößt es ab, wenn eine häßlich ist. Aber eine Frau kann einen Mann liebhaben, auch wenn er bucklig ist oder entstellt oder dumm. Gerade, weil er so dumm ist, kann eine Frau einen Mann liebhaben. Das verstehst du nicht. Nie wird die Sonja mit dir fahren, und wenn du die Brieftasche voll Tausendguldennoten hast.« »So,« sagte Demba. »Du weißt es natürlich besser. Und ich sag' dir, sie wird mit mir fahren. Ich war bei ihr und hab' mit ihr gesprochen.« -- Demba lehnte sich in seinen Sessel zurück und genoß seinen Triumph. »Wirklich? Hat sie dir das gesagt?« fragte Steffi. »Jawohl.« »Dann tut sie mir leid,« sagte Steffi Prokop leise und verzagt. »Erzähl' weiter.« »Ja. -- Also wie ich drüber nachdenk', woher ich das Geld nehmen soll, da ist mir das Buch eingefallen. Das Buch ist viel Geld wert. Vielleicht sechshundert oder achthundert Kronen. Ich bin nach Hause gegangen, hab' mich aber nicht zu Bett gelegt. Ich bin die ganze Nacht aufgeblieben und hab' in dem Buch gelesen. Von jedem kleinen Holzschnitt hab' ich Abschied genommen. Mein Herz hing an dem Buch. Und heute, zeitlich morgens, hab' ich's nach Heiligenstadt getragen. Der Händler wohnt in der Klettengasse 6. Man fährt durch die Heiligenstädter Straße, steigt bei der dritten Haltestelle aus, biegt in die erste Seitengasse links ein und hat dann noch etwa vier bis fünf Minuten zu gehen. Er wohnt in einem kleinen, zweistöckigen Vorstadthaus mit einer ganz schmalen Zwei-Fenster-Front. Obwohl ich schon vorher dort gewesen war, fand ich es lange nicht, erst, als ich zum drittenmal vorüberging. Es muß irgendwo in der Nähe eine Brauerei sein, denn die ganze Gasse ist erfüllt von dem unangenehmen, dumpfen Malzgeruch, den ich nicht vertragen kann. Er macht mich wütend. Dann ging ich in den ersten Stock hinauf und hielt mir mit der Hand die Nase zu, denn der Malzgeruch verfolgte mich auch ins Haus hinein und bis auf die Treppe. Ich läutete, mußte eine Weile warten, läutete noch einmal, und dann hörte ich Schritte und eine Stimme: ›Ja, ja. Ich komme schon.‹ Dann machte der Alte selbst die Türe ein klein wenig auf und schaute durch den Spalt. Er erkannte mich und nahm die Vorlegkette ab. Ich trat ein und er führte mich in sein Arbeitszimmer. Dieses Arbeitszimmer ist der merkwürdigste Raum, den ich je gesehen habe. Schlafzimmer, Kontor, Museum, Magazin zu gleicher Zeit und scheinbar auch Atelier -- der Kerl restauriert auch Bilder. Das edelste Kunstmobiliar und der erbärmlichste Trödel stehen wüst durcheinander. Zum Beispiel, da ist ein Schrank aus Nußholz, vielleicht Frühbarock, mit wundervollen, dunkeln Stabeinlagen, aber seine Kleider hat der Alte nicht in diesem Schrank, sondern in einem halbzerbrochenen, deckellosen Wäschekorb. Ein schönes, geschnitztes Bett mit Blattwerk und einem adeligen Wappen, das früher einmal vergoldet gewesen sein muß, steht im Zimmer, aber sein Besitzer schläft auf einer schmutzigen, roten Matratze, die in einem Winkel auf dem bloßen Erdboden liegt. Ein französischer Eichenschreibtisch mit Rosenholzbelag ist da, aber der Alte arbeitet an einem wackligen Tisch, auf dem ein schlechtes, gläsernes Tintenfaß steht. Dort liegt auch seine Lupe und ein Haufen Papier und sein Geschäftsbuch, in das er die Ein- und Verkäufe einträgt. Und überall im Zimmer liegen und stehen Silberleuchter herum und alte Drucke und Kristallgläser und Porzellanfiguren. Auch ein ›Heiliges Grab‹ aus Ebenholz und Perlmutter steht in der Ecke. Das muß er billig gekauft haben und er möchte es wahrscheinlich rasch wieder verkaufen, denn er ist ein galizischer Jud und hat an dem ›Heiligen Grab‹ sicher keine rechte Freude. So sieht's in seinem Arbeitszimmer aus. Man bekommt das Gefühl der Nichtigkeit und Wertlosigkeit alles Sammelns. Es sind die schönsten, wertvollsten Stücke da, und doch sieht das Zimmer trostlos aus, und das Loch einer siebenköpfigen Taglöhnerfamilie mit zwei Bettgehern ist stilvoller. In das Zimmer also führt er mich, fragt nicht viel und nimmt mir das Buch gleich aus der Hand. Er blättert darin herum, nickt mit dem Kopf, sieht's durch die Lupe an und fragt: ›Woher haben Sie das?‹ Ich sage: ›Aus einer Auktion.‹ Er nickt wieder, setzt sich und fängt an, in dem Buch zu studieren. Dann fragt er: ›Warum verkaufen Sie das Buch? Nur weil Sie brochen Geld?‹ Er fragt das mit so einem galizischen Akzent, ich kann aber den Ton nicht nachahmen. Du kennst ja die Leute. Ich überlegte rasch, daß er mir mehr bieten werde, wenn ich nicht als armer Teufel vor ihm dastehe und sag' deshalb: ›Nein. Mich freuen alte Drucke nicht mehr. Ich hab' mich jetzt ganz auf die Keramik geworfen. Kacheln, wissen Sie?‹ Ich weiß nicht, warum mir gerade Kacheln einfielen. Ich hätte ebensogut sagen können: Limousiner Email oder Satsumavasen oder andere Dinge, die ich nur aus den Museen und Ausstellungen kenne. Er nickt mit dem Kopf, geht zu dem Wäschekorb und wühlt eine Weile in den alten Kleidern herum. Dann bringt er eine alte persische Fayancefliese zum Vorschein: Einen Jäger auf einem Schimmel mit einem großen, blauen Turban auf dem Kopf und einem Falken auf der Faust. Er reitet über ein Tulpenbeet und der Schimmel hebt die Beine so steif, als wüßte er ganz genau, daß er keine von den Tulpen zertreten dürfte. ›Was wollen Sie dafür?‹ frag' ich ihn. Aber er macht nur eine abwehrende Bewegung mit der Hand, und legt die Kachel wieder zurück in den Wäschekorb. Er hat sich von mir nicht täuschen lassen. Er hat sofort erkannt, daß ich ein armer Teufel bin, der Geld ›brocht‹. Dann blättert er wieder in dem Buch und fragt: ›Was wollen Sie dafür?‹ ›Sie müssen wissen, was es wert ist,‹ sag' ich. Er wackelte mit dem Kopf, kniff die Augen zu und begann wieder in dem Buch zu blättern. Er trug einen weißen Spitzbart, aber man sah trotzdem, daß er kein Kinn hatte. Das weißt du doch: manchen Menschen fehlt das Kinn. Das Gesicht geht unter dem Mund gleich in den Hals über. Sie sehen aus wie Hühner. Auch der Weiner gehört zu diesen Menschen. Sie tragen entweder einen Vollbart, dann sieht man es weniger, oder, wenn sie glatt rasiert sind, dann sehen sie stupid aus. Ich glaube, das ist ein Atavismus. Zwischen der zweiten und dritten Eiszeit sollen die Menschen so ausgesehen haben. -- Nein, das ist kein Witz, ich hab' das wirklich einmal in einem Aufsatz über den prähistorischen Menschen gelesen. Mir sind Leute ohne Kinn sehr zuwider. Und wie ich den Alten anschau', kommt mir der verrückte Gedanke, daß vielleicht ein Geheimbund aller dieser Kinnlosen besteht gegen die übrige Welt, daß sie zusammenstehen, und daß vielleicht der alte Trödler mit dem Georg Weiner im Einverständnis ist und mir nur eine Bagatell für das Buch zahlen wird, damit ich nicht mit der Sonja nach Italien fahren kann. Du hältst mich jetzt für verrückt, weil ich dir das sage. Ich wußte natürlich sehr gut, daß das Unsinn war, es war eben nur so ein Gedanke. Übrigens wurde ich sofort sehr angenehm enttäuscht. Er bot mir zweihundertunddreißig Kronen für das Buch und wir einigten uns auf zweihundertvierzig. Das war mehr, als ich erwartet hatte. Denn du mußt wissen, alte Drucke werden elend bezahlt, weil sich die Sammler weit weniger für sie interessieren, als für andere Antiquitäten. Zweihundertundvierzig Kronen sind ein ganz annehmbarer Preis und ich war zufrieden. Er ging in das andre Zimmer, um das Geld zu holen, kam aber gleich wieder zurück und fing an, nervös herumzusuchen. Er rückte die Stühle von ihrem Platz, kramte in der Tischlade und wühlte im Wäschekorb. Dann sagte er, er fände den Schlüssel zu der Kassette nicht, in der er sein Geld verwahrt hielte. Es bliebe nichts anderes übrig, als einen Schlosser kommen zu lassen. Ich möge ein bißchen warten oder ich könne auch fortgehen und in einer halben Stunde wiederkommen. Ich sagte, ich zöge vor, zu warten, aber er solle sich beeilen. Er ging nochmals ins Nebenzimmer und ich hörte ihn mit jemandem sprechen und gleich darauf kam er mit seinem Neffen zurück, einem mageren Burschen mit Korkzieherlocken, der ging angeblich um den Schlosser. Ich war ein Narr, daß ich darauf einging. Wenn ich gesagt hätte, ich könne nicht warten und darauf bestanden hätte, das Geld sofort zu bekommen, wäre die Sache wahrscheinlich anders ausgegangen. Aber ich blieb und der Alte zeigte mir inzwischen ein paar seiner Sachen: Einen Senftiegel aus Kupferemail, eine buntbemalte Holzfigur, eine Delfter Vase mit Landschaften und ein schönes, altes Damennecessaire aus Karneol, das Scheren, Stichel und allerlei kosmetische Instrumente enthielt, auch einen Zirkel merkwürdigerweise, ich erinnere mich, daß ich mir lange den Kopf zerbrach, zu welchem Zweck eine kleine Modepuppe aus dem achzehnten Jahrhundert einen Zirkel mit sich geführt haben mochte. Ich mußte ziemlich lange warten, aber ich wurde nicht mißtrauisch. Das hängt damit zusammen, daß ich niemals auch nur eine Stunde lang das Empfinden hatte, ein Verbrechen zu begehen. Was ich tat, ist so ganz unmerklich, so nach und nach ein Verbrechen geworden. Ich hab' das Buch aus der Universitätsbibliothek nach Hause genommen. Aber das war mir nie wie ein Diebstahl vorgekommen, eher wie ein Schabernack, den ich dem dummen Kustos spielte, ich hatte es ja mit dem Vorsatz getan, das Buch zurückzubringen, sobald ich es nicht mehr brauchte. Dann hatte ich es lange Zeit bei mir liegen gehabt, aber entliehene Bücher gibt man doch selten zurück; Bücher sind gleichsam vogelfrei. Man läßt den Besitzer ein halbes Dutzendmal mahnen und schließlich gibt er's auf, weil es ihm zu dumm wird, oder weil er's vergißt. Leute, die sonst sehr rechtlich und ehrlich sind, legen sich auf die Art eine Bibliothek an. Und mich hat niemand gemahnt, das Buch lag immer in meinem Zimmer, täglich hatte ich's in der Hand, und auf einmal war es ganz unmerklich mein Eigentum geworden. Mit dem gestem Gewissen der Welt trug ich es zum Händler. Den Bibliotheksstempel hatte ich längst ausgemerzt; auch nicht in einer betrügerischen Absicht, sondern eher so, wie man das Exlibris irgendeines früheren Besitzers entfernt, einfach weil es einem nicht gefällt. Der alte Trödler muß aber doch Spuren des Bibliothekstempels mit der Lupe gefunden haben. Es kann auch sein, daß er schon bei dem Buch, das ich ihm ein paar Monate zuvor verkauft hatte, Lunte gerochen hat. Kurz und gut, es läutete, der Alte ging öffnen und kam mit zwei Männern ins Zimmer zurück. Er sagte: ›Das ist er‹ und deutete auf mich, und einer von den beiden legte mir die Hand auf die Schulter und sagte: ›Im Namen des Gesetzes.‹ Ich konnte mir in diesem Moment furchtbaren Erschreckens gar nicht zurechtlegen, was mir da geschah. Ich hatte nur ganz dunkel die Empfindung, daß der alte Jude mich übertölpelt hatte. Sein kinnloses Gesicht machte mich plötzlich toll vor Wut, und ich fuhr ihm mit beiden Händen in den Bart. Die beiden Polizisten warfen sich augenblicklich auf mich und rissen mich zurück, und der eine von ihnen sagte: -- Um Gotteswillen, sieh doch nicht so verstört drein, Steffi! Wenn ich ruhig bin, so kannst du auch ruhig bleiben. Schließlich ist die Sache doch mir passiert und nicht dir. -- Willst du, daß ich nicht weiter erzähl'? -- Also. Wo war ich stehen geblieben? Ja. -- Der eine der beiden Polizisten sagte: ›Sie, exzedieren Sie nicht und kommen Sie ruhig mit.‹ Und der andere sagte: ›Mir scheint, er will Handschellen.‹ -- Da ließ ich mich abführen. Als wir durch die Glastür ins Vorzimmer gingen, blickte ich zurück und sah den Trödler, der seelenruhig an seinem Tisch saß und weiterschrieb. Was mit mir geschah, kümmerte ihn nicht weiter. Diese Gleichgültigkeit brachte mich aufs neue in Raserei. Ich wollte mich auf ihn stürzen, aber die beiden Polizisten hielten mich fest. Es kam zu einer Balgerei, zwei Sessel fielen um und die Glastür ging in Splitter. Aber sie waren zu zweit stärker als ich und wurden schließlich mit mir fertig. Sie gaben mir meinen Mantel zu tragen und führten mich die Treppe hinunter. Einer ging vor, einer hinter mir. Die Treppe war schmal und gewunden, und man mußte vorsichtig von Stufe zu Stufe gehen, da es in dem alten Haus ziemlich finster war. Plötzlich glitt der Mann, der hinter mir ging, aus und fiel zu Boden. Und im nächsten Augenblick gab ich dem andern mit beiden Händen einen Stoß in den Rücken, daß er sieben oder acht Stufen hinunterstolperte. Dann rannte ich die Treppe hinauf. Ich weiß nicht, wie es kam, aber ich hatte sofort einen Vorsprung von einem ganzen Stockwerk. Ich rannte weiter in den zweiten Stock und auf den Dachboden. Ich hatte durchaus keinen wirklichen Fluchtplan, keine eigentliche Absicht, keinen bestimmten Vorsatz. Es war alles Instinkt. Ich wollte bloß frei sein, die beiden Männer los sein, einen anderen Gedanken hatte ich nicht. Die Tür zur Dachkammer stand halb offen. Ich trat ein, zog den Schlüssel ab und sperrte von innen zu. Es war ein enger Raum mit zwei Türen, deren jede in eine ebenso enge Kammer führte. Alle drei Räume waren mit Gerümpel angefüllt. Zerbrochene Möbel, Bretter, Strohsäcke lagen herum. Ich suchte nach einem Versteck. Es gab ihrer mehrere, aber, wo immer ich mich verborgen hätte, in ein paar Minuten hätte man mich gefunden. Ich sah keine Möglichkeit von hier zu entkommen und die beiden Polizisten arbeiteten schon an der Türe. Und jetzt kam plötzlich die Verzweiflung über mich. Bis jetzt war ich unfähig gewesen, zu denken. Und nun kam es mir zum Bewußtsein, was mir bevorstand. Ich sah mich in eine Zelle gesperrt. Ich bin vom Land, weißt du. Schon in der Stadt ist's mir zu eng. In einer Zelle könnt' ich gar nicht atmen. Und nun: ich werde behorcht und belauert werden. Werde aufstehen müssen, wenn man mich aufstehen heißt. Mitgehen müssen, wenn man mir befiehlt, mitzugehen. Werde Rede stehen und Antwort geben müssen, wenn man mich fragt. Muß essen und schlafen und arbeiten, wenn es andern beliebt, mich essen, schlafen, oder arbeiten zu lassen. Das ist nicht zu ertragen! Und gestern war ich noch frei, konnte machen, was mir beliebte, konnte hunderterlei Dinge unternehmen. Pläne schossen mir in diesem Augenblick durch den Kopf, die ich jahrelang mit mir herumgeschleppt und niemals ausgeführt hab'. Zwecklose und unwichtige Dinge: daß ich noch niemals ein Glas Bier durch einen Strohhalm ausgetrunken hab', fiel mir wie eine brennende Sünde ein; es heißt, daß man davon betrunken wird, und ich hab' es noch niemals ausprobiert. Dann, was ich schon lange vorgehabt habe, irgendeinem fremden Menschen auf Schritt und Tritt nachzugehen, um zu sehen, was er treibt, wie er sein Brot verdient und wie sein Tag verläuft. Daß ich mich hätte heute auf eine Bank im Stadtpark setzen und auf Abenteuer warten und irgendein Mädchen mit einer tollen, erfundenen Geschichte erschrecken können, daß ich schon immer einmal den Bauernfängern beim Bukispielen hatte zuschauen wollen, -- alles das schoß mir durch den Kopf, alles das hätte ich noch gestern tun können, unwichtige Dinge, gewiß, lächerliche Dinge, aber es war die Freiheit. Und ich sah, wie reich ich gewesen war bei all meiner Armut, daß ich Souverän meiner Zeit gewesen war, es wurde mir deutlich, wie nie zuvor, was das zu bedeuten hat: Freiheit. Und jetzt war ich gefangen, war ein Sträfling, die Schritte, die ich in der engen Dachkammer zwischen dem Gerümpel machte, waren meine letzten freiem Schritte. Mir schwindelte, es gellte mir in den Ohren: Freiheit! Freiheit! Freiheit! Das Herz wollte mir bersten vor dem einen Wunsch: Freiheit! Nur noch einen Tag Freiheit, nur noch zwölf Stunden Freiheit! Zwölf Stunden! -- und dabei hörte ich die Polizisten am Türschloß arbeiten, gleich waren sie da, es gab keine Rettung, und da beschloß ich, mich nicht fangen zu lassen und lieber zu sterben -- Sei ruhig, Steffi, Vorwürfe haben doch jetzt gar keinen Sinn. Ich trat ans Fenster. Unten lag ein Garten. Ein bißchen Rasen, blühende Fliederbüsche, ein paar Rondellen mit Blumen, Fuchsien vielleicht oder Stiefmütterchen oder Nelken. Und dazwischen ein Baum. Aus einem offenen Fenster tönte die Musik eines Grammophons: Prinz Eugenius, der edle Ritter. Und das Lied machte mir Mut. Ich faßte den Entschluß bei den Worten: Stadt und Festung Belgerad, bei ›Belgerad‹ wollte ich -- wollte ich hinunter. Ich schloß die Augen, und dann kam ›Belgerad‹ viel zu bald, und ich verschob es bis: ›Brucken‹, ›er ließ schlagen eine Brucken.‹ Und im nächsten Augenblick schob ich es nochmals hinaus bis: ›Hinüber rucken‹, ›hinüber‹, ja dabei blieb es, das war das richtige Stichwort, wie ein Kommando. Ich beugte mich weit hinaus, die Sonne schien mir auf den Kopf, und ich schlürfte die letzten Sekunden mit Wollust, und dann kam's: Hinüber. Ich gab mir einen Ruck, verlor den Halt, ich hörte noch, wie die Glocke vom Kirchturm her neun Uhr zu schlagen begann, und dann --« »Und dann?« schrie Steffi Prokop. Sie hatte Demba an der Schulter gepackt und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. »Nichts,« sagte Demba. »Ich verlor das Bewußtsein.« »Gleich verlorst du das Bewußtsein?« hauchte das Mädchen, bleich vor Entsetzen. »Nein. Gleich nicht. Ich glitt das Schieferdach hinunter, das weiß ich noch. Und dann schossen zwei Schwalben aus ihrem Nest neben der Dachluke. Es war mir auch, als ob ich einen Schrei hörte, und ich hatte im gleichen Augenblick einen seltsamen, seit Jahrzehnten nicht mehr gefühlten Groll wegen meiner Mutter. Einmal nämlich, vor vielen Jahren, als ich ein kleines Kind war, hat mich meine Mutter auf die Erde fallen lassen. Und damals hatte ich ein Gefühl, halb Angst, daß ich mir etwas tun würde, halb kindischen Zorn, weil meine Mutter so schrie. Und das gleiche Gefühl hatte ich jetzt wieder. Aber gleich darauf verlor ich das Bewußtsein. Wahrscheinlich bin ich im Fallen mit dem Kopf irgendwo angeschlagen, an der Mauer des Hauses vielleicht, oder an der Dachrinne. Als ich wieder zu mir kam, wußte ich nicht, was geschehen war. Ich bemühte mich, zu denken. Es ging nicht. Ich konnte keinen Gedanken fassen. Es war qualvoll. Aber dann plötzlich ging's wieder. ›Wer bin ich eigentlich?‹ fragte es in meinem Kopf. Nicht so deutlich, nicht so in Worten, wie ich es dir jetzt sage, sondern solch quälendes Haschen und Tasten war es nach irgendeinem festen Punkt in der wüsten Leere. Dann wußte ich wieder, wer ich war, und fragte mich nur: ›Wo bin ich denn?‹ Und es kamen Antworten: ›Zu Hause in meinem Bett, der Miksch -- das ist mein Zimmerkollege -- wird gleich kommen, aufstehen!‹ Und dann wieder: Im Klassenzimmer der Quinta auf meinem Platz in der vorletzten Bank. Nein, wie kann einem das nur passieren, daß man bei hellichtem Tag im Kaffeehaus einschläft! Mit einemmal aber konnte ich alles ringsum mich her erkennen, das Buschwerk, den Baum, die Häuser drehten sich im Kreis, ich erinnerte mich an den alten Trödler, an den Senftiegel aus Kupferemail und an die beiden Polizisten, und ich wußte plötzlich genau, was geschehen war und wo ich mich befand. Das Grammophon aber spielte noch immer, und noch immer hielt es bei: Hinüber rucken. Vom Kirchturm her hallten die Glockenschläge, neun Uhr. Das Ganze: der Sturz, die Ohnmacht und das Haschen nach Bewußtsein hatte zusammen nicht länger als zwei Sekunden gedauert. Der Kopf tat mir entsetzlich weh. Ich versuchte trotzdem aufzustehen. Es ging. Neben mir lagen zwei zerbrochene Zweige. Ich war durch das Astwerk des Nußbaums gefallen, und das hatte die Wucht des Sturzes gemildert. Ich versuchte zu gehen. Auch in den Beinen spürte ich jetzt einen leichten Schmerz. Wahrscheinlich habe ich ein paar Hautabschürfungen davongetragen. Ich blickte mich um. Kein Mensch war sichtbar. Niemand hatte mich gesehen. Nur eine Katz rannte in hastiger Flucht quer durch den Garten. Die beiden Polizisten plagten sich wahrscheinlich noch immer mit dem Türschloß der Dachkammer. Die Kopfschmerzen vergingen. Mein Mantel und mein Hut lagen neben mir auf der Erde. Ich raffte beide auf. Auch meine Brille, die merkwürdigerweise nicht zerbrochen war. Ich bemerkte, daß ich auf einen Sandhaufen gefallen war, und bürstete mir den Rock und die Hosen ab, so gut ich konnte. Dann ging ich durch den Gang und das offene Haustor hinaus, ohne einem Menschen zu begegnen, bog in die Gasse ein und war frei!« Stanislaus Demba erhob sich und ließ sich langsam wieder nieder. Er blickte auf den Boden und dachte nach. Dann sagte er: »Bis auf die Handschellen.« 9 »Ich hab' dir alles gesagt, Steffi. Dir allein hab' ich alles gesagt. Du magst entscheiden, ob ich schuldig bin oder nicht schuldig. Ich hab' dir alles erzählt. Die Beweggründe, alles. Sprichst du mich frei?« Steffi Prokop schüttelte den Kopf. »Nein.« Demba biß sich in die Lippen. »Du willst mir also nicht helfen?« »O ja. Helfen will ich dir. Laß mich die Handschellen sehen!« »Nein,« sagte Demba. »Wenn du findest, daß ich unrecht habe, dann brauch' ich deine Hilfe nicht. Warum willst du mir helfen, wenn du mich verurteilst?« »Ich hab' dir vorhin gesagt, Stanie,« sagte Steffi leise und bittend. »Eine Frau kann einen Mann liebhaben, wenn er häßlich ist und wenn er dumm ist. Und auch, wenn er schlecht ist, Stanie. Laß mich die Handschellen sehen.« »Nein,« sagte Demba und rückte mit dem Sessel von Steffi fort. »Wozu?« »Aber ich muß sie doch vorher sehen, Stanie, wenn ich dir helfen soll.« Stanislaus Demba spähte unruhig nach der Tür. »Es wird jemand kommen.« »Nein. Jetzt essen sie noch,« sagte Steffi Prokop. »Erst wenn sie mit dem Essen fertig sind, kommt der Vater herein und legt sich aufs Sofa. Laß doch sehen.« Stanislaus Demba brachte langsam und zögernd die Hände unter der Pelerine hervor. »Im Grunde ist's mir gleichgültig, ob du mich für einen Verbrecher hältst oder nicht. Ich erkenne nur mich selbst als Richter über mich an,« sagte er und sah Steffi Prokop mit einem ängstlichen Blick an, der seine selbstsicheren Worte Lügen strafte. »So sehen Handschellen aus!« sagte Steffi Prokop leise. »Hast du dir sie anders vorgestellt?« fragte Demba und verbarg die Hände eilig wieder unter dem Mantel. »Zwei Stahlspangen und eine dünne Kette. Handschellen! Das klingt ganz anders, als es aussieht. So harmlos. Ich habe immer, wenn ich das Wort hörte, an eine Schlittenfahrt im Winter gedacht oder an das Kleid eines Hofnarren. Es klingt hübsch: Handschellen. Und ist doch ärger, als wenn ich den Aussatz des Feldherrn Abner an den Händen hätt'.« »Es ist eine ganz dünne Kette,« stellte Steffi Prokop fest. »Es kann doch nicht schwer sein, die durchzufeilen.« Sie stand auf. »Vater hat einen Werkzeugkorb. Wart' ein bißchen, ich geh eine Feile holen.« Sie kam mit zwei Feilen zurück, einer größeren und einer kleineren. »Jetzt mußt du die Kette so straff halten, als du kannst. So ist's gut. Jetzt, rasch.« Sie begann, die Stahlkette mit der Feile zu bearbeiten. »Und was würde dir geschehen, Stanie, wenn sie dich fänden,« fragte sie. »Du mußt die Hände ruhig halten, sonst geht es nicht.« »Zwei Jahre Kerker,« gab Demba zur Antwort. »Zwei Jahre?« Steffi Prokop blickte erschrocken von der Arbeit auf. »Ja. Soviel ungefähr. Zwei Jahre Kerker.« Steffi Prokop sagte nichts mehr, sondern mühte sich mit wilder Energie, die Kette durchzufeilen; arbeitete, ruhte nicht aus und wurde nicht müde. »Ja,« sagte Demba. »Das ist das Entsetzliche an der Sache. Dieses Mißverhältnis von Schuld und Strafe. Zwei Jahre Folter! Zwei Jahre ununterbrochene Tortur.« »Still!« mahnte Steffi Prokop. »Nicht so laut. Sie hören drinnen im Zimmer jedes Wort.« »Zwei Jahre Folter!« sagte Demba leise. »Man muß die Sache bei ihrem Namen nennen. Gefängnis, das ist der letzte Rest der Tortur und ihr ärgster. Die kleinen Martern: das Aufziehen und die Daumenschrauben sind abgeschafft, aber die schlimmste aller Folterstrafen, den Kerker, haben wir behalten. Tag und Nacht in einer engen Zelle versperrt gehalten werden, wie ein Tier im Käfig -- ist das nicht Folter?« »Du mußt stillhalten, Stanie. Sonst kann ich nicht arbeiten.« »Ja, und die Menschen wissen das und gehen dennoch spazieren und ins Theater und essen und schlafen. Und keinem nimmt es den Appetit und keinem das Behagen und keinem den gesunden Schlaf, daß zur selben Zeit tausend andere die Tortur des Kerkers erleiden! Wenn die Menschen es zustande brächten dieses Wort ›Zwei Jahre Kerker‹ bis auf den Grund nachzufühlen, bis ans Ende durchzudenken, so müßten sie aufbrüllen vor Grauen und Entsetzen. Aber sie haben stumpfe Sinne und die Bastille ist nur einmal gestürmt worden.« »Aber es muß doch Strafe geben.« »Wirklich? Natürlich. Es muß Strafe geben. Hör' zu, Steffi, ich will dir ein Geheimnis anvertrauen, aber erschrick nicht: Es muß keine Strafe geben.« Demba holte tief Atem. Rot vor Erregung, stammelnd, heiser und fanatisch fuhr er fort: »Es muß keine Strafe geben. Strafe ist Wahnwitz. Strafe ist der Notausgang, der gestürmt wird, wenn in der Menschheit Panik ausbricht. Die Strafe ist's, die Schuld trägt an jedem Verbrechen, das geschieht und geschehen wird.« »Das versteh ich nicht, Stanie.« »Daß die Menschheit die Macht hat, zu strafen, das ist die Ursache jeder geistigen Rückständigkeit. Gäb' es keine Strafen, so hätte man längst Mittel gefunden, jedes Verbrechen unmöglich, überflüssig und aussichtslos zu machen. Wie weit wären wir in allem, wenn wir Galgen und Kerker nicht hätten. Wir hätten Häuser, die nicht Feuer fangen und es gäbe keine Brandstifter. Wir hätten längst keine Waffen mehr und es gäbe keine Meuchelmörder. Jeder hätte, was er braucht und was er sich ersehnt, und es gäbe keine Diebe. Manchmal kommt mir der Gedanke: Wie gut es ist, daß Krankheit kein Verbrechen ist. Sonst hätten wir keine Ärzte, nur Richter.« »Halt doch still, Stanie! Es geht sonst nicht.« »Immer muß ich an das kleine Mäderl der Frau denken, mit der ich Tür an Tür wohne. Das Kind hatte auch einmal eine Begegnung mit der strafenden Themis. Seine Mutter ist mit ihm von der Elektrischen abgesprungen und gestürzt. Das Kind ist unter die Schutzvorrichtung des nächsten Wagens geraten, ein Bein ist ihm zermalmt worden und mußte ihm abgenommen werden. Beide sind jetzt wohl elend und unglücklich genug, Mutter und Kind, sollte man glauben. Aber nein! Noch nicht genug. Jetzt kommt erst die Gerechtigkeit und die will strafen. Die Mutter wird wegen Fahrlässigkeit angeklagt. Und wird verurteilt. Zu tausend Kronen Geldstrafe. Sie ist eine Postbeamtenwitwe. Aber tausend Kronen hat sie. Die hatte sie für ihr Kind zurückgelegt. Und das Kind, das ein Krüppel ist, muß jetzt auch noch bettelarm werden, so will es die Gerechtigkeit. Das Kind muß hungern. Siehst du, so geht's, wenn irdische Richter strafen! Und diesen Richtern mit ihrem niederträchtigen Irrwahn ›Strafe‹ hätte ich mich in die Hände geben sollen? -- Bist du jetzt endlich fertig, Steffi?« »Nein! Es geht nicht! Die Kette ist zu fest. Es geht nicht, Stanie!« schluchzte Steffi und blickte hoffnungslos und verzweifelt auf Stanislaus Dembas unglückselige Hände.