Deutsche Romantik Friedrich Schlegel – Progressive Universalpoesie „ Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Sie will und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisieren und die Formen der Kunst mit gediegenem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen und durch die Schwingungen des Humors beseelen. Die romantische Poesie ist unter den Künsten, was der Witz der Philosophie, und die Gesellschaft, Umgang, Freundschaft und Liebe im Leben ist. Andere Dichtarten sind fertig und können nun vollständig zergliedert werden. Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, dass sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann.“ Novalis – Die Welt muss romantisiert werden „ Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder. Romantisieren ist nichts als eine qualitative Potenzierung. Das niedere Selbst wird mit einem besseren Selbst in dieser Operation identifiziert. So wie wir selbst eine solche qualitative Potenzenreihe sind. Indem ich dem Gemeinen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.“ Novalis – Lichtpunkt des Schwebens „ Frei sein ist die Tendenz des Ich – das Vermögen frei zu sein ist die produktive Imagination – Harmonie ist die Bedingung ihrer Tätigkeit – des Schwebens, zwischen Entgegensetztem. Sei einig mit dir selbst ist also Bedingungsgrundsatz des obersten Zwecks – zu sein oder frei zu sein. Alles Sein, Sein überhaupt ist nichts als Freisein – Schweben zwischen Extremen, die notwendig zu vereinigen und notwendig zu trennen sind. Aus diesem Lichtpunkt des Schwebens strömt alle Realität aus. Ichheit oder produktive Imaginationskraft, das Schweben – bestimmt, produziert die Extreme, das wozwischen geschwebt wird – dieses ist eine Täuschung, aber nur im Gebiete des gemeinen Verstandes. Sonst ist es etwas durchaus Reales, denn das Schweben, seine Ursache, ist der Quell, die Mater aller Realität, die Realität selbst. Novalis – Gedichte Der Himmel war umzogen... Der Himmel war umzogen, Es war so trüb und schwül, Heiß kam der Wind geflogen Und trieb sein seltsam Spiel. Ich schlich in tiefem Sinnen, Von stillem Gram verzehrt – Was sollt ich nun beginnen? Mein Wunsch blieb unerhört. Wenn Menschen könnten leben Wie kleine Vögelein, So wollt ich zu ihr schweben Und fröhlich mit ihr sein. Wär hier nichts mehr zu finden, Wär Feld und Staude leer, So flögen, gleich den Winden Wir übers dunkle Meer. Wir blieben bei dem Lenze Und von dem Winter weit Wir hätten Frücht und Kränze Und immer gute Zeit. Die Myrte sproßt im Tritte Der Wohlfahrt leicht hervor Doch um des Elends Hütte Schießt Unkraut nur empor. Mir war so bang zumute Da sprang ein Kind heran, Schwang fröhlich eine Rute Und sah mich freundlich an. Warum mußt du dich grämen? O! weine doch nicht so, Kannst meine Gerte nehmen, Dann wirst du wieder froh. Ich nahm sie und es hüpfte Mit Freuden wieder fort Und stille Rührung knüpfte Sich an des Kindes Wort. Wie ich so bei mir dachte, Was soll die Rute dir? Schwankt aus den Büschen sachte Ein grüner Glanz zu mir. Die Königin der Schlangen Schlich durch die Dämmerung. Sie schien gleich goldnen Spangen, In wunderbarem Prunk. Ihr Krönchen sah ich funkeln Mit bunten Strahlen weit, Und alles war im Dunkeln Mit grünem Gold bestreut. Ich nahte mich ihr leise Und traf sie mit dem Zweig, So wunderbarerweise Ward ich unsäglich reich. Es färbte sich die Wiese grün... Es färbte sich die Wiese grün Und um die Hecken sah ich blühn, Tagtäglich sah ich neue Kräuter, Mild war die Luft, der Himmel heiter. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Und immer dunkler ward der Wald Auch bunter Sänger Aufenthalt, Es drang mir bald auf allen Wegen Ihr Klang in süßen Duft entgegen. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Es quoll und trieb nun überall Mit Leben, Farben, Duft und Schall, Sie schienen gern sich zu vereinen, Daß alles möchte lieblich scheinen. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. So dacht ich: ist ein Geist erwacht, Der alles so lebendig macht Und der mit tausend schönen Waren Und Blüten sich will offenbaren? Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Vielleicht beginnt ein neues Reich – Der lockre Staub wird zum Gesträuch Der Baum nimmt tierische Gebärden Das Tier soll gar zum Menschen werden. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Wie ich so stand und bei mir sann, Ein mächtger Trieb in mir begann. Ein freundlich Mädchen kam gegangen Und nahm mir jeden Sinn gefangen. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Sie ging vorbei, ich grüßte sie, Sie dankte, das vergeß ich nie – Ich mußte ihre Hand erfassen Und Sie schien gern sie mir zu lassen. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Uns barg der Wald vor Sonnenschein Das ist der Frühling fiel mir ein. Kurzum, ich sah, daß jetzt auf Erden Die Menschen sollten Götter werden. Nun wußt ich wohl, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Novalis – Blütenstaub 3. Der Weltstaat ist der Körper, den die schöne Welt, die gesellige Welt, beseelt. Er ist ihr notwendiges Organ. 11. Das Höchste ist das Verständlichste, das Nächste, das Unentbehrlichste. 12. Wunder stehn mit naturgesetzlichen Wirkungen in Wechsel: sie beschränken einander gegenseitig, und machen zusammen ein Ganzes aus. Sie sind vereinigt, indem sie sich gegenseitig aufheben. Kein Wunder ohne Naturbegebenheit und umgekehrt. 16. Die Phantasie setzt die künftige Welt entweder in die Höhe, oder in die Tiefe, oder in der Metempsychose zu uns. Wir träumen von Reisen durch das Weltall: ist denn das Weltall nicht in uns? Die Tiefen unseres Geistes kennen wir nicht. – Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft. Die Außenwelt ist die Schattenwelt, sie wirft ihren Schatten in das Lichtreich. 18. Wie kann ein Mensch Sinn für etwas haben, wenn er nicht den Keim davon in sich hat? Was ich verstehn soll, muß sich in mir organisch entwickeln; und was ich zu lernen scheine, ist nur Nahrung, Inzitament des Organismus. 19. Der Sitz der Seele ist da, wo sich Innenwelt und Außenwelt berühren. Wo sie sich durchdringen, ist er in jedem Punkte der Durchdringung.