Wieland, Christoph Martin * 5. 9 1733 Oberholzheim bei Biberach, † 20. 1. 1813 Weimar; 1752: Anti-Ovid (eine tugendhafte Liebe, in der Sinnlichkeit und Vernunft harmonisiert werden sollen). Die für die dt. Literatur bedeutsame Entwicklung W.s war nahezu vollzogen, als er 1760 in Biberach zum Senator u. Kanzleiverwalter gewählt wurde. Als bedeutendstes Resultat ging daraus der noch in der Schweiz (mit einem Titelhelden Chärephon) konzipierte Roman Geschichte des Agathon (Zürich 1766/67) hervor. Und sein literarischer Stern ging mit der ersten dt. Übersetzung von 22 Dramen Shakespeares (Zürich 1762-66), mit der Verserzählung Musarion, oder die Philosophie der Grazien (Lpz. 1768) u. besonders mit der Geschichte des Agathon auf, dem, wie Lessing im 69. Stück der Hamburgischen Dramaturgie(29. 12. 1767) rühmte, »erste[n] und einzige[n] Roman für den denkenden Kopf, von klassischem Geschmacke«. Agathon : eine bürgerliche Auffassung, das man sich entwickelt und erst allmählich positive Eigenschaften erwirbt; Wechsel vom typischen zum individuellen Helden, vom Abenteuerlichen in die private Sphäre: Der unehelich geborene Held wird durch Priester erzogen, flieht aus dem Tempel vor Nachstellung einer älteren Oberpriesterin, stößt auf seinen Vater, einen reichen Athener, eröffnet ihm eine steile Karriere, Intrigen der Reichen verbannen ihn aus der Stadt, auf dem Schiff der Seeräuber begegnet für kurze Zeit seine Psyche, in Smyrna an den reichen Philosophen Hippias verkauft. Hippias materialistische-hedonistische Lehre behagt ihm nicht. Hippias setzt zur Bekehrung des Idealisten Agathon die hetäre Danae ein. Diese Szenen brachten Wieland den Vorwurf der Frivolität. Göttinger Hainbündler (Heinrich Christian Boie, Mitbegründer des Musenalmanachs, Ludw. Christoph Heinrich Hölty, Leisewitz, Brüder Stolberg und Voß; vier Jahre Bestand) verbrannten seine Bücher. Die Rechnung Hippias ´geht nicht auf: Danae ändert sich und bekennt sich zur wahren Liebe und wendet sich von ihrem bisherigen Lebenswandel ab. Am Hof des Dionysios zu Syrakus. Seine Reformpläne scheitern auch hier, wie hier schon Platon gescheitert ist. Bei Archytras in Tarent, einem alten Freund von Agathons Vater, lernt er einen aufgeklärten Weiser kennen. Agathons politisches Engegement in Tarent ist schon mehr reaslistisch und es gelingt ihm, einen mittleren Weg zwischen Entfaltungsmöglichkeiten für das Individuum und den von der Gesellschaft gestellten Bedingungen zu finden, einen Kompromis, der Akzeptanz findet. Blanckenburg , angeregt durch diesen Entnwicklungsroman, formulliert seine Theorie, in der er den Roman einem Epos gleichstellt. Frühere Verserzählungen: 1765 Comische Erzählungen 1768 Idris und Zenide Das Thema des Agathon: der Zwiespalt zwischen Vernunft und Sinnlichkeit. Zu Musarion Der Pythagoräer Theophron. Der Weltverächter Kleanth betrinkt sich, während der sinnenfeindliche Theophron sich durch die Reize der hübschen Dienerin Chloe verführen läßt, eine heiteres Plädoyer für die Mitte zwischen den Extremen – ein durch Shaftesbury beeinflußter Standopunkt Wielands. Schloß Warthausen, Graf Stadion, Sophie von La Roche 1769 nach Erfurt berufen. In seinem Singspiel Alceste (Lpz. 1773) witterte Goethe auf der Höhe der Originalgenieästhetik eine Kritik an Euripides u. ahndete sie mit der Farce Götter, Helden und Wieland (1774), deren lukianische Manier Wielnad stilsicher erkannte u. als ein »Meisterstück von Persiflage« zur Lektüre empfahl (TM, 1774).