Goethes Werther Hans-G. Winter in vgl. Zmegac-GddL Bd. I/1, S. 228 ff. Mit dem Roman Die Leiden des jungen Werthers (1774, revidierte Fassung 1787) gelingt Goethe mehr noch als mit dem Götz ein Durchbruch zu einem gegenüber dem traditionellen erheblich erweiterten Lesepublikum und einer der größten Romanerfolge des Jahrhunderts. Die Erstfassung wird bis 1790 etwa dreißigmal, die Zweitfassung etwa fünfundzwanzigmal bis zu Goethes Tod gedruckt. Dazu erscheinen zahlreiche Übersetzungen. An das Werk knüpfen sich auch viele nachschaffende Auseinandersetzungen, von denen Goedekes Bibliographie allein in Deutschland (bis 1909) 140 Titel verzeichnet. Aus der Distanz von Dichtung und Wahrheit führt Goethe als eine dem Roman zugrundeliegende Eigenerfahrung die »Grille des Selbstmords« an, die sich bei ihm wie überhaupt bei einer »müßigen Jugend« aufgrund eines »Mangels an Taten« eingeschlichen habe. Er selbst habe sich durch die Komposition des Romans aus dem »stürmischen Elemente« gerettet. Die unglückliche Liebe zur bereits versprochenen Charlotte Buff, der Freitod des Braunschweigischen Legationssekretärs Jerusalem, ebenfalls wegen einer unglücklichen Bindung an eine schon vergebene Frau, und der gesellschaftliche Hintergrund, die Standeshierarchie, das leere Zeremoniell und das »glänzende Elend« der Langeweile in Wetzlar, dem Ort des erbärmlich-korrupten Reichskammergerichts, bilden die wichtigsten Eigenerfahrungen, aus denen Goethe in strenger Frankfurter Isolation »in vier Wochen« seinen Roman formt, »ohne daß ein Schema des Ganzen, oder die Behandlung eines Teils irgend vorher wäre zu Papier gebracht gewesen«. »Wie froh bin ich, daß ich weg bin!« Mit diesem Satz eröffnet Werther die Reihe seiner Briefe, in denen er seine Flucht an den Rand der Gesellschaft als Versuch, sich selbst zu befreien, schildert. »Wenn ich die Einschränkung so ansehe, in welche die tätigen und forschenden Kräfte des Menschen eingesperrt sind, ... kehre (ich) in mich selbst zurück und finde eine Welt! Wieder mehr in Ahndung und dunkler Begier als in Darstellung und lebendiger Kraft.« Produktiv sein kann Werther nur dann, wenn ihm die Entfaltung seiner eigenen schöpferischen Kräfte erlaubt ist. Das scheitert in einer Umwelt, wo um der »Befriedigung des Bedürfnisses« willen »Einschränkung« herrscht. So kennzeichnet Werther die bürgerliche Lebenspraxis mit ihren moralisch-ökonomischen Tugenden Fleiß, Sparsamkeit, Pflichtbewußtsein, Disziplin, welche Werther zum Beispiel in Lottes Verlobten Albert gegenübertritt. Diesem »einförmig Ding um's Menschengeschlecht« setzt Werther einen gesteigerten Subjektivismus, ein äußerstes Freiheitsverlangen entgegen, das er freilich praktisch nur in einer Anspannung aller Kräfte seiner Phantasie verwirklichen kann. In der Liebe zu Lotte findet Werthers »Herz« außerhalb seiner selbst einen wichtigen Bezugspunkt. Entscheidend ist ihre Unerfüllbarkeit, die von vornherein durch die gesellschaftliche Institution der Ehe gegeben ist. Diese führt Werther trotz erfüllter Augenblicke seelischer Übereinstimmung schließlich in die Einschränkung zurück, der er zu entfliehen sucht. Weitere Bezugspunkte für Werthers Herz sind die Einfühlung in die »unaussprechliche Schönheit« der »paradiesischen Natur«, die er als Ausdruck eines Unendlichen begreift, an dem sein Ich teilhat, und das unmittelbare Verhältnis zu einfachen Menschen und zu Kindern. In der Gesandtschaftsepisode erfährt Werther den »Verdruß« bürokratischer Pflichterfüllung im »Käfig« der Feudalbürokratie, welche jedes individuelle Wollen, jede Rücksicht auf Individualität dem Prinzip einer abstrakten Rationalität unterordnet. Hier stößt Werther auch auf die scharfe Grenze zwischen Adel und Bürgertum, die ihm die Illusion einer ›menschlich‹-privaten Beziehung über die Stände hinweg nimmt. Werthers Scheitern in der Gesellschaft wie in der Liebesbeziehung zu Lohte motivieren dann seine elementare Einsamkeitserfahrung als ein trotziges Aufbegehren gegen alle Zwänge, eine »Krankheit zum Tode«[1], aus der heraus er seinen Selbstmord begeht als eine letzte Tat der Selbstbestimmung. Dieser Tod, mit dem Werther gegen die Welt protestiert und gleichzeitig gegen moralische und kirchliche Verbote verstößt, ist für ihn Heimkehr zu Gott[2], seinem »Vater«, dem »Unendlichen«, zu dem er ein unmittelbares Verhältnis beansprucht – ohne Christus oder die Kirche als Mittler. Auf Werthers Pult aufgeschlagen ist Emilia Galotti. Odoardo tötet Emilia im Namen der überlegenen bürgerlichen Moral, die allerdings aufgrund der Machtverhältnisse im absolutistischen Staat nicht durchgesetzt werden kann. Werther steht weniger für seine Klasse als für sich selbst ein, für sein unbedingtes Freiheitsverlangen. Dieses richtet sich auch gegen die zeitgenössische bürgerliche Moral und es transzendiert selbst den ihr zugrundeliegenden Anspruch auf Entfaltung des Individuums durch ökonomische Praxis in einer sich entwickelnden bürgerlichen Gesellschaft. Eine solche Kritik, deren Perspektive in der Logik ihrer Argumentation schon die zu dieser Zeit fortschrittlichen, die feudale Gesellschaft von innen her verändernden Tendenzen überholt hat, kann zu diesem Zeitpunkt nur von einer Außenseiterposition formuliert werden. Sie muß gerade von bürgerlich gesinnten Aufklärern wie Lessing und Nicolai als sozial unproduktiv und damit die bürgerliche Bewegung gefährdend empfunden werden. Entsprechend erinnert Nicolai in seiner Spottschrift Die Freuden des jungen Werthers (1775) diesen daran, daß er gegenüber der Gesellschaft »Pflichten« habe und »Sohn, Bürger, Vater, Hausvater, Freund sein könnte, sein müßte«. Daher wandelt sich Nicolais Hauptfigur vom Subjektivisten zum geselligen Verstandesmenschen, der heiratet und »ein klein Bauerngütchen« kauft. Die ungeheure Wirkung des Romans beruht auf dem Erwartungshorizont des Publikums wie auf der Struktur des Textes. Drei Leseweisen, die erbauliche, didaktische und trivialempfindsame können in den zahlreichen Dokumenten zur Rezeption unterschieden werden. Das »Wertherfieber«, welches zu einer Werthermode und sogar zu zahlreichen nachgeahmten Selbstmorden führt, beruht vor allem auf einer intensiven Wiederholungslektüre. Diese sind gerade Leser, sie sich emanzipieren und sozial aufsteigen, noch gewohnt: denn sie gelangen in der Regel von der Devotionalliteratur, welche noch bis ins 19. Jahrhundert auf dem Buchmarkt dominiert, zur Belletristik. Jene intendiert eine emotional-erlebnishafte Reproduktion des Textes, die Weckung von Gefühlen ist Wirkungsprinzip. Diesem Rezeptionsmuster kommt die Textstruktur des Werther auf besondere Weise entgegen. Der Distanzlosigkeit des Lesers entspricht die Form des einseitigen Briefromans, die bis zum Herausgeberbericht am Ende durchgehalten wird. Sie drängt den Leser auch von sich aus zur Identifikation mit der Selbst- und Weltsicht des Helden. Diese einseitige Perspektivierung revolutioniert die Form des Briefromans, die bisher – zum Beispiel bei Richardson und Rousseau – immer aus, meist auch noch kommentierten, Briefwechseln besteht. Werthers Briefsprache sprengt zudem als Mittel des spontanen Gefühlsausdrucks und der Selbstreflexion alle gewohnten Regeln vernünftiger Kommunikation. Die Aufhebung der logischen Folge, Unregelmäßigkeiten in der Syntax, umgangssprachliche Wendungen und Phantasie und Emotionen ansprechende Bilder stilisieren den Text zum Medium eines permanenten Erregungszustands, der den Eindruck der gesteigerten Subjektivität des Helden über den Inhalt hinaus erst schafft. Dieser Suggestivkraft der Darstellung konnten sich auch Gegner des Buches nicht entziehen. So stellte die theologische Fakultät der Leipziger Universität in ihrem Verbotsantrag fest, daß auch »einige gelehrte und auch sonst gesetzte Männer ... sich nicht getrauet hätten das Buch durch zu lesen, sondern es etliche mal weggelegt hätten«. Die didaktische Leseweise beruht auf dem aufklärerischen Konzept, der Roman habe als Nachfolger der moralischen Wochenschriften Propaganda für die Tugend zu machen. Diese Argumentation findet sich sowohl bei fortschrittlichen aufklärerischen Kritikern, wie auch bei den Vertretern der Institutionen des Staates (Kirche, Schule). Auch Goethe erklärt sich in DuW die Wirkung des Werther mit dem Vorurteil, daß er einen »didaktischen Zweck haben müsse. Die wahre Darstellung aber hat keinen. Sie billigt nicht, sie tadelt nicht, sondern sie entwickelt die Gesinnungen und Handlungen in ihrer Folge und dadurch ... belehrt sie«. Diese These stimmt überein mit der aufklärerischen Romantheorie Friedrich von Blanckenburgs und es ist von daher kein Zufall, daß dieser 1776 eine zustimmende Rezension veröffentlicht. Durch das Fehlen distanzierender Reflexion kann eine »didaktische« Leseweise nur zu dem Schluß kommen, das Verhalten des Helden solle als Vorbild für den Leser propagiert werden oder zumindest werde das Publikum das Werk so auffassen. Diese Perspektive veranlaßt zum Beispiel den badischen Physiokraten Johann August Schlettwein, Werthers »eigennützige«, ökonomisch unproduktive »Schwärmerei« mit der egoistischen, wirtschaftlich unsinnigen Zoll- und Steuerpolitik einiger Landesfürsten auf eine Stufe zu stellen und ebenso nach einem Verbot des Werkes durch die Behörden zu rufen (Werther in der Hölle, 1775) wie der Hamburger Hauptpastor Goeze, der eine Erschütterung lutherisch-orthodoxer Grundthesen und damit auch des Gehorsams gegenüber der Obrigkeit befürchtet (Kurze aber nothwendige Erinnerungen über die Leiden des jungen Werthers, 1775). Die trivialempfindsame Rezeption liest den Roman als sentimentale Liebesgeschichte. Werthers pointierte Antithese zum Wertesystem gerade auch der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft wird zu einem empfindsamen Gefühls- und Seelenkult aufgeweicht. An alle drei Rezeptionsarten knüpft der Hainbundautor Johann Martin Miller (1750-1814) an, dessen Siegwart. Eine Klostergeschichte (1776) deshalb zu einem Erfolg wird, der den des Werther erreicht. Der Roman verbindet Elemente der Werther-Handlung (im Liebespaar Siegwart-Marianne) mit einer breiten Ausmalung des Klostermilieus als Zuflucht und Endstation für am Leben Gescheiterte, vor allem für unglücklich Liebende. Siegwart ist passiv, gefühlvoll, jederzeit bereit, sich zu offenbaren. Er liebt einfache Leute, Natur und Einsamkeit. Der auf das Gemüt wirkenden Tränenseligkeit der Hauptfiguren und überhaupt der breiten Gefühlsdarstellung entspricht, wie die »Allgemeine deutsche Bibliothek« hervorhebt, »die ... vortreffliche Absicht, gute Empfindungen und gute Grundsätze« unter den Lesern zu verbreiten. In Millers Briefroman Geschichte Karls von Rosenheim und Emiliens von Rosenau (1778-1779) werden Weltschmerz und Liebesglück am Schluß erfolgreich zusammengefügt, nachdem der zunächst sehr unglückliche Liebhaber vorher schon seine Geliebte moralisch gebildet hat. Goethe selbst erfährt durch die Wirkung des Romans, die von ihm aus gesehen auf weitgehenden Mißverständnissen beruht, die »ungeheure Kluft« zwischen Autor und Publikum. Andererseits beleuchtet und bezeugt die durch den Werther ausgelöste »Explosion« auch die Beziehungen zwischen den Positionen des Sturm und Drang und dem Bewußtseinsstand breiterer Kreise, die sich über diesem Werk zum Publikum zusammenschließen. Für seine Anhänger erfüllt das Werk überwiegend kompensatorische Funktionen: es kultiviert die gewollte Ausgrenzung aus einer Gesellschaft, unter der man leidet, ohne ihren Zustand ändern zu können. Damit ist es zugleich Signal einer untergründigen Unzufriedenheit, ein Indiz dafür, »daß die junge Welt sich selbst untergraben hatte«, weil »ein jeder [bei der Lektüre] mit seinen übertriebenen Forderungen, unbefriedigten Leidenschaften und eingebildeten Leiden zum Ausbruch kam« (DuW). Voll erkannt und anerkannt wird der Werther fast nur in Kreisen, die dessen Gedanken ohnehin teilen (u. a. Lenz: Briefe über die Moralität der Leiden des jungen Werthers, 1776). Goethe, DuW, über den Selbstmord Sonderbar genug bestärkte unser Vater und Lehrer Shakespeare, der so reine Heiterkeit zu verbreiten weiß, selbst diesen Unwillen. Hamlet und seine Monologen blieben Gespenster, die durch alle jungen Gemüter ihren Spuk trieben. Die Hauptstellen wußte ein jeder auswendig und rezitierte sie gern, und jedermann glaubte, er dürfe ebenso melancholisch sein als der Prinz von Dänemark, ob er gleich keinen Geist gesehnundkeinen königlichen Vater zu rächen hatte. Damit aber ja allem diesem Trübsinn nicht ein vollkommen passendes Lokal abgehe, so hatte uns Ossian bis ans letzte Thule[3] gelockt, wo wir denn auf grauer, unendlicher Heide, unter vorstarrenden bemoosten Grabsteinen wandelnd, das durch einen schauerlichen Wind bewegte Gras um uns, und einen schwer bewölkten Himmel über uns erblickten. Bei Mondenschein ward dann erst diese kaledonische Nacht zum Tage; untergegangene Helden, verblühte Mädchen umschwebten uns, bis wir zuletzt den Geist von Loda[4] wirklich in seiner furchtbaren Gestalt zu erblicken glaubten. In einem solchen Element, bei solcher Umgebung, bei Liebhabereien und Studien dieser Art, von unbefriedigten Leidenschaften gepeinigt, von außen zu bedeutenden Handlungen keineswegs angeregt, in der einzigen Aussicht, uns in einem schleppenden, geistlosen, bürgerlichen Leben hinhalten zu müssen, befreundete man sich, in unmutigem Übermut, mit dem Gedanken, das Leben, wenn es einem nicht mehr anstehe, nach eignem Belieben allenfalls verlassen zu können, und half sich damit über die Unbilden und Langeweile der Tage notdürftig genug hin. Diese Gesinnung war so allgemein, daß eben »Werther« deswegen die große Wirkung tat, weil er überall anschlug und das Innere eines kranken jugendlichen Wahns öffentlich und faßlich darstellte. Wie genau die Engländer mit diesem Jammer bekannt waren, beweisen die wenigen bedeutenden, vor dem Erscheinen »Werthers« geschriebenen Zeilen: To griefs congenial prone, More wounds than nature gave he knew, While misery's form his fancy drew In dark ideal hues and horrors not its own.[5] Der Selbstmord ist ein Ereignis der menschlichen Natur, welches, mag auch darüber schon so viel gesprochen und gehandelt sein als da will, doch einen jeden Menschen zur Teilnahme fordert, in jeder Zeitepoche wieder einmal verhandelt werden muß. Montesquieu erteilt seinen Helden und großen Männern das Recht, sich nach Befinden den Tod zu geben, indem er sagt, es müsse doch einem jeden freistehen, den fünften Akt seiner Tragödie da zu schließen, wo es ihm beliebe. Hier aber ist von solchen Personen nicht die Rede, die ein bedeutendes Leben tätig geführt, für irgend ein großes Reich oder für die Sache der Freiheit ihre Tage verwendet, und denen man wohl nicht verargen wird, wenn sie die Idee, die sie beseelt, sobald dieselbe von der Erde verschwindet, auch noch jenseits zu verfolgen denken. Wir haben es hier mit solchen zu tun, denen eigentlich aus Mangel von Taten, in dem friedlichsten Zustande von der Welt, durch übertriebene Forderungen an sich selbst das Leben verleidet. Da ich selbst in dem Fall war, und am besten weiß, was für Pein ich darin erlitten, was für Anstrengung es mir gekostet, ihr zu entgehn; so will ich die Betrachtungen nicht verbergen, die ich über die verschiedenen Todesarten, die man wählen könnte, wohlbedächtig angestellt. Es ist etwas so Unnatürliches, daß der Mensch sich von sich selbst losreiße, sich nicht allein beschädige, sondern vernichte, daß er meistenteils zu mechani- schen Mitteln greift, um seinen Vorsatz ins Werk zu richten. Wenn Ajax in sein Schwert fällt, so ist es die Last seines Körpers, die ihm den letzten Dienst erwei- set. Wenn der Krieger seinen Schildträger verpflich- tet, ihn nicht in die Hände der Feinde geraten zu las- sen, so ist es auch eine äußere Kraft, deren er sich versichert, nur eine moralische statt einer physischen. Frauen suchen im Wasser die Kühlung ihres Verzwei- felns und das höchst mechanische Mittel des Schieß- gewehrs sichert eine schnelle Tat mit der geringsten Anstrengung. Des Erhängens erwähnt man nicht gern, weil es ein unedler Tod ist. In England kann es am er- sten begegnen, weil man dort von Jugend auf so man- chen hängen sieht, ohne daß die Strafe gerade enteh- rend ist. Durch Gift, durch Öffnung der Adern gedenkt man nur langsam vom Leben zu scheiden, und der raffinierteste, schnellste, schmerzenloseste Tod durch eine Natter war einer Königin würdig, die ihr Leben in Glanz und Lust zugebracht hatte. Alles dieses aber sind äußere Behelfe, sind Feinde, mit denen der Mensch gegen sich selbst einen Bund schließt. Wenn ich nun alle diese Mittel überlegte, und mich sonst in der Geschichte weiter umsah, so fand ich unter allen denen, die sich selbst entleibt, keinen, der diese Tat mit solcher Großheit und Freiheit des Gei- stes verrichtet, als Kaiser Otho. Dieser, zwar als Feld- herr im Nachteil, aber doch keineswegs aufs Äußerste gebracht, entschließt sich, zum Besten des Reichs, das ihm gewissermaßen schon angehörte, und zur Schonung so vieler Tausende, die Welt zu verlassen. Er begeht mit seinen Freunden ein heiteres Nacht- mahl, und man findet am anderen Morgen, daß er sich einen scharfen Dolch mit eigner Hand in das Herz ge- stoßen. Diese einzige Tat schien mir nachahmungs- würdig, und ich überzeugte mich, daß, wer nicht hie- rin handeln könne wie Otho, sich nicht erlauben dürfe, freiwillig aus der Welt zu gehn. Durch diese Überzeugung rettete ich mich nicht sowohl von dem Vorsatz als von der Grille des Selbstmords, welche sich in jenen herrlichen Friedenszeiten bei einer müßi- gen Jugend eingeschlichen hatte. Unter einer ansehnlichen Waffensammlung besaß ich auch einen kostbaren wohlgeschliffenen Dolch. Diesen legte ich mir jederzeit neben das Bette, und ehe ich das Licht auslöschte, versuchte ich, ob es mir wohl gelingen möchte, die scharfe Spitze ein paar Zoll tief in die Brust zu senken. Da dieses aber niemals gelingen wollte, so lachte ich mich zuletzt selbst aus, warf alle hypochondrische Fratzen hinweg, und beschloß zu leben. Um dies aber mit Heiterkeit tun zu können, mußte ich eine dichterische Aufgabe zur Ausführung bringen, wo alles, was ich über diesen wichtigen Punkt empfunden, gedacht und gewähnt, zur Sprache kommen sollte. Ich versammelte hierzu die Elemente, die sich schon ein paar Jahre in mir herumtrieben, ich vergegenwärtigte mir die Fälle, die mich am meisten gedrängt und geängstigt; aber es wollte sich nichts ge- stalten: es fehlte mir eine Begebenheit, eine Fabel, in welcher sie sich verkörpern könnten. Auf einmal erfahre ich die Nachricht von Jerusa- lems Tode, und, unmittelbar nach dem allgemeinen Gerüchte, sogleich die genauste und umständlichste Beschreibung des Vorgangs, und in diesem Augen- blick war der Plan zu »Werthern« gefunden, das Ganze schoß von allen Seiten zusammen und ward eine solide Masse, wie das Wasser im Gefäß, das eben auf dem Punkte des Gefrierens steht, durch die geringste Erschütterung sogleich in ein festes Eis verwandelt wird. Diesen seltsamen Gewinn festzuhal- ten, ein Werk von so bedeutendem und mannigfalti- gem Inhalt mir zu vergegenwärtigen, und in allen sei- nen Teilen auszuführen, war mir um so angelegener, als ich schon wieder in eine peinliche Lage geraten war, die noch weniger Hoffnung ließ als die vorigen, und nichts als Unmut, wo nicht Verdruß, weissagte. Es ist immer ein Unglück, in neue Verhältnisse zu treten, in denen man nicht hergekommen ist; wir wer- den oft wider unsern Willen zu einer falschen Teil- nahme gelockt, uns peinigt die Halbheit solcher Zu- stände, und doch sehen wir weder ein Mittel, sie zu ergänzen noch ihnen zu entsagen. Goethe-HA Bd. 10, S. 582 ff. Goethe über den Erfolg seines Romans Die Wirkung dieses Büchleins war groß, ja, ungeheuer, und vorzüglich deshalb, weil es genau in die rechte Zeit traf. Denn wie es nur eines geringen Zündkrauts bedarf, um eine gewaltige Mine zu entschleudern, so war auch die Explosion, welche sich hierauf im Publikum ereignete, deshalb so mächtig, weil die junge Welt sich schon selbst untergraben hatte, und die Erschütterung deswegen so groß, weil ein jeder mit seinen übertriebenen Forderungen, unbefriedigten Leidenschaften und eingebildeten Leiden zum Ausbruch kam. Man kann von dem Publikum nicht verlangen, dass es ein geistiges Werk geistig aufnehmen solle. Eigentlich ward nur der Inhalt, der Stoff beachtet, wie ich schon an meinen Freunden erfahren hatte, und daneben trat das alte Vorurteil wieder ein, entspringend aus der Würde eines gedruckten Buchs, dass es nämlich einen didaktischen Zweck haben müsse. Die wahre Darstellung aber hat keinen. Sie billigt nicht, sie tadelt nicht, sondern sie entwickelt die Gesinnungen und Handlungen in ihrer Folge und dadurch erleuchtet und belehrt sie. Von Rezensionen nahm ich wenig Notiz. Die Sache war für mich völlig abgetan, jene guten Leute mochten nun auch sehn, wie sie damit fertig wurden. Doch verfehlten meine Freunde nicht, diese Dinge zu sammeln und, weil sie in meine Ansichten schon mehr eingeweiht waren, sich darüber lustig zu machen. Die „Freuden des jungen Werther“ mit welchen Nicolai sich hervortat, gaben uns zu mancherlei Scherzen Gelegenheit. Dieser übrigens brave, verdienst- und kenntnisreiche Mann hatte schon angefangen, alles niederzuhalten und zu beseitigen, was nicht zu seiner Sinnesart passte, die er, geistig sehr beschränkt, für die echte und einzige hielt. Auch gegen mich musste er sich sogleich versuchen, und jene Broschüre kam uns bald in die Hände. Die höchst zarte Vignette von Chodowiecki machte mir viel Vergnügen; wie ich denn diesen Künstler über die Maßen verehrte. Das Machwerk selbst war aus der rohen Hausleinwand zugeschnitten, welche recht derb zu bereiten der Menschenverstand in seinem Familienkreis sich viel zu schaffen macht. Ohne Gefühl, dass hier nichts zu vermitteln sei, dass Werthers Jugendblüte schon von vornherein als vom tödlichen Wurm gestochen erscheine, lässt der Verfasser meine Behandlung bis Seite 214 gelten, und als der wüste Mensch sich zum tödlichen Schritt vorbereitet, weiß der einsichtige psychische Arzt seinem Patienten eine mit Hühnerblut geladene Pistole unterzuschieben, woraus denn ein schmutziger Spektakel, aber glücklicherweise kein Unheil hervorgeht. Lotte wird Werthers Gattin, und die ganze Sache endigt sich zu jedermanns Zufriedenheit. So viel wüsste ich mich davon zu erinnern; denn es ist mir nie wieder unter die Augen gekommen. Die Vignette hatte ich ausgeschnitten und unter meine liebsten Kupfer gelegt. Dann verfasste ich, zur stillen und unverfänglichen Rache, ein kleines Spottgedicht, „Nicolai auf Werthers Grube“, welches sich jedoch nicht mitteilen lässt. Auch die Lust, alles zu dramatisieren, ward bei dieser Gelegenheit abermals rege. Ich schrieb einen prosaischen Dialog zwischen Lotte und Werther, der ziemlich neckisch ausfiel. Werther beschwert sich bitterlich, dass die Erlösung durch Hühnerblut so schlecht abgelaufen. Er ist zwar am Leben geblieben, hat sich aber die Augen ausgeschossen. Nun ist er in Verzweiflung, ihr Gatte zu sein und sie nicht sehen zu können, da ihm der Anblick ihres Gesamtwesens fast lieber wäre als die süßen Einzelheiten, deren er sich durchs Gefühl versichern darf. Lotten, wie man sie kennt, ist mit einem blinden Mann auch nicht sonderlich geholfen, und so findet sich Gelegenheit, Nicolais Beginnen höchlich zu schelten, dass er sich ganz unberufen in fremde Angelegenheiten mische. Das Ganze war mit gutem Humor geschrieben und schilderte mit freier Vorahndung jenes unglückliche, dünkelhafte Bestreben Nicolais, sich mit Dingen zu befassen, denen er nicht gewachsen war, wodurch er sich und andern in der Folge viel Verdruss machte und darüber zuletzt, bei so entschiedenen Verdiensten, seine literarische Achtung völlig verlor. Das Originalblatt dieses Scherzes ist niemals abgeschrieben worden und seit vielen Jahren verstoben. Ich hatte für die kleine Produktion eine besondere Vorliebe. Die reine heiße Neigung der beiden jungen Personen war durch die komisch-tragische Lage, in die sie sich versetzt fanden, mehr erhöht als geschwächt. Die größte Zärtlichkeit waltete durchaus, und auch der Gegner war nicht bitter, nur humoristisch behandelt. Nicht ganz so höflich ließ ich das Büchlein selber sprechen, welches, einen alten Reim nachahmend, sich also ausdrückte: Mag jener dünkelhafte Mann Mich als gefährlich preisen: Der Plumpe, der nicht schwimmen kann, Er will’s dem Wasser verweisen! Was schiert mich der Berliner Bann? Geschmäcklerpfaffenwesen! Und wer mich nicht verstehen kann, Der lerne besser lesen. Vorbereitet auf alles, was man gegen den „Werther“ vorbringen würde, fand ich so viele Widerreden keineswegs verdrießlich; aber daran hatte ich nicht gedacht, dass mir durch teilnehmende, wohlwollende Seelen eine unleidliche Qual bereitet sei; denn anstatt dass mir jemand über mein Büchlein, wie es lag, etwas Verbindliches gesagt hätte, so wollten sie sämtlich ein für allemal wissen, was denn eigentlich an der Sache wahr sei? Worüber ich denn sehr ärgerlich wurde, und mich meistens höchst unartig dagegen äußerte. Denn diese Frage zu beantworten, hätte ich mein Werkchen, an dem ich so lange gesonnen, um so manchen Elementen eine poetische Einheit zu geben, wieder zerrupfen und die Form zerstören müssen, wodurch ja die wahrhaften Bestandteile selbst, wo nicht vernichtet, wenigstens zerstreut und verzettelt worden wären. Näher betrachtet, konnte ich jedoch dem Publikum die Forderung nicht verübeln. Jerusalems Schicksal hatte großes Aufsehen gemacht. Ein gebildeter, liebenswerter, unbescholtener, junger Mann, der Sohn eines der ersten Gottesgelehrten und Schriftstellers, gesund und wohlhabend, ging auf einmal, ohne bekannte Veranlassung, aus der Welt. Jedermann fragte nun, wie das möglich gewesen sei? Und als man von einer unglücklichen Liebe vernahm, war die ganze Jugend, als man von kleinen Verdrießlichkeiten, die ihm in vornehmerer Gesellschaft begegnet, sprach, der ganze Mittelstand aufgeregt, und jedermann wünschte das Genauere zu erfahren. Nun erschien im „Werther“ eine ausführliche Schilderung, in der man das Leben und die Sinnesart des genannten Jünglings wieder zu finden meinte. Lokalität und Persönlichkeit trafen zu, und bei der großen Natürlichkeit der Darstellung glaubte man sich nun vollkommen unterrichtet und befriedigt. Dagegen aber, bei näherer Betrachtung, passte wieder so vieles nicht, und es entstand für die, welche das Wahre suchten, ein unerträgliches Geschäft, indem eine sondernde Kritik hundert Zweifel erregen muss. Auf den Grund der Sache war aber gar nicht zu kommen; denn was ich von meinem Leben und Leiden der Komposition zugewendet hatte, ließ sich nicht entziffern, indem ich, als ein unbemerkter junger Mensch, mein Wesen zwar nicht heimlich, aber doch im Stillen getrieben hatte. Bei meiner Arbeit war mir nicht unbekannt, wie sehr begünstigt jener Künstler gewesen, dem man Gelegenheit gab, eine Venus aus mehreren Schönheiten herauszustudieren, und so nahm ich mir auch die Erlaubnis, an der Gestalt und den Eigenschaften mehrerer hübschen Kinder meine Lotte zu bilden, obgleich die Hauptzüge von der geliebtesten genommen waren. Das forschende Publikum konnte daher Ähnlichkeiten von verschiedenen Frauenzimmern entdecken, und den Damen war es auch nicht ganz gleichgültig, für die rechte zu gelten. Diese mehreren Lotten aber brachten mir unendliche Qual, weil jedermann, der mich nur ansah, entschieden zu wissen verlangte, wo denn die eigentliche wohnhaft sei? Ich suchte mir wie Nathan mit den drei Ringen durchzuhelfen, auf einem Ausweg, der freilich höheren Wesen zukommen mag, wodurch sich aber weder das gläubige, noch das lesende Publikum will befriedigen lassen. Dergleichen peinliche Forschungen hoffte ich in einiger Zeit loszuwerden; allein sie begleiteten mich durchs ganze Leben. Ich suchte mich davor auf Reisen durchs Inkognito zu retten, aber auch dieses Hilfsmittel wurde mir unversehens vereitelt, und so war der Verfasser jenes Werkleins, wenn er ja etwas Unrechtes und Schädliches getan, dafür genugsam, ja übermäßig durch solche unausweichliche Zudringlichkeiten bestraft. Auf diese Weise bedrängt, ward er nur allzu sehr gewahr, dass Autoren und Publikum durch eine ungeheuere Kluft getrennt sind, wovon sie, zu ihrem Glück, beiderseits keinen Begriff haben. Wie vergeblich daher alle Vorreden seien, hatte er schon längst eingesehen; denn je mehr man seine Absicht klar zu machen gedenkt, zu desto mehr Verwirrung gibt man Anlass. Ferner mag ein Autor bevorworten, soviel er will, das Publikum wird immer fortfahren, die Forderungen an ihn zu machen, die er schon abzulehnen suchte. Mit einer verwandten Eigenheit der Leser, die uns besonders bei denen, welche ihr Urteil drucken lassen, ganz komisch auffällt, ward ich gleichfalls früh bekannt. Sie leben nämlich in dem Wahn, man werde, indem man etwas leistet, ihr Schuldner und bleibe jederzeit noch weit zurück hinter dem, was sie eigentlich wollten und wünschten, ob sie gleich kurz vorher, ehe sie unsere Arbeit gesehen, noch gar keinen Begriff hatten, dass so etwas vorhanden oder nur möglich sein könnte. Alles dieses beiseite gesetzt, so war nun das größte Glück oder Unglück, dass jedermann von diesem seltsamen, jungen Autor, der so unvermutet und so kühn hervorgetreten, Kenntnis gewinnen wollte. Man verlangte, ihn zu sehen, zu sprechen, auch in der Ferne etwas von ihm zu vernehmen, und so hatte er einen höchst bedeutenden, bald erfreulichen, bald unerquicklichen, immer aber zerstreuenden Zudrang zu erfahren. Denn es lagen angefangene Arbeiten genug vor ihm, ja, es wäre für einige Jahre hinreichend zu tun gewesen, wenn er mit hergebrachter Liebe sich daran hätte halten können; aber er war aus der Stille, der Dämmerung, der Dunkelheit, welche ganz allein die reinen Produktionen begünstigen kann, in den Lärmen des Tageslichts hervorgezogen, wo man sich in anderen verliert, wo man irre gemacht wird durch Teilnahme wie durch Kälte, durch Lob und durch Tadel, weil diese äußern Berührungen niemals mit der Epoche unserer innern Kultur zusammentreffen, und uns daher, da sie nicht fördern können, notwendig schaden müssen. ________________________________ [1] Am 12. August. Albert und Werther »Die menschliche Natur«, fuhr ich fort, »hat ihre Grenzen: sie kann Freude, Leid, Schmerzen bis auf einen gewissen Grad ertragen und geht zugrunde, sobald der über stiegen ist. Hier ist also nicht die Frage, ob einer schwach oder stark ist, sondern ob er das Maß seines Leidens ausdauern kann, es mag nun moralisch oder körperlich sein. Und ich finde es ebenso wunderbar zu sagen, der Mensch ist feige, der sich das Leben nimmt, als es ungehörig wäre, den einen Feigen zu nennen, der an einem bösartigen Fieber stirbt.« »Paradox! sehr paradox!« rief Albert aus. - »Nicht so sehr, als du denkst.« versetzte ich. »Du gibst mir zu, wir nennen das eine Krankheit zum Tode, wodurch die Natur so angegriffen wird, daß teils ihre Kräfte verzehrt, teils so außer Wirkung gesetzt werden, daß sie sich nicht wieder aufzuhelfen, durch keine glückliche Revolution den gewöhnlichen Umlauf des Lebens wieder herzustellen fähig ist. [2] Am 15. November. Ich ehre die Religion, das weißt du, ich fühle, daß sie manchem Ermatteten Stab, manchem Verschmachtenden Erquickung ist. Nur - kann sie denn, muß sie denn das einem jeden sein? Wenn du die große Welt ansiehst, so siehst du Tausende, denen sie es nicht war, Tausende, denen sie es nicht sein wird, gepredigt oder ungepredigt, und muß sie mir es denn sein? Sagt nicht selbst der Sohn Gottes, daß die um ihn sein würden, die ihm der Vater gegeben hat? Wenn ich ihm nun nicht gegeben bin? Wenn mich nun der Vater für sich behalten will, wie mir mein Herz sagt? - Ich bitte dich, lege das nicht falsch aus; sieh nicht etwa Spott in diesen unschuldigen Worten; es ist meine ganze Seele, die ich dir vorlege; sonst wollte ich lieber, ich hätte geschwiegen: wie ich denn über alles das, wovon jedermann so wenig weiß als ich, nicht gern ein Wort verliere. Was ist es anders als Menschenschicksal, sein Maß auszuleiden, seinen Becher auszutrinken? - Und ward der Kelch dem Gott vom Himmel auf seiner Menschenlippe zu bitter, warum soll ich großtun und mich stellen, als schmeckte er mir süß? Und warum sollte ich mich schämen, in dem schrecklichen Augenblick, da mein ganzes Wesen zwischen Sein und Nichtsein zittert, da die Vergangenheit wie ein Blitz über dem finstern Abgrunde der Zukunft leuchtet und alles um mich her versinkt und mit mir die Welt untergeht? Ist es da nicht die Stimme der ganz in sich gedrängten, sich selbst ermangelnden und unaufhaltsam hinabstürzenden Kreatur, in den innern Tiefen ihrer vergebens aufarbeitenden Kräfte zu knirschen: »Mein Gott! mein Gott! warum hast du mich verlassen?« Und sollt' ich mich des Ausdruckes schämen, sollte mir es vor dem Augenblicke bange sein, da ihm der nicht entging, der die Himmel zusammenrollt wie ein Tuch? [3] Ultima Thule. Thule nannten Polybius und Ptolemaeus das noerdlichste Land der Erde. Aus Thule wurde Ultima Thule, um das weitgesteckteste, weitreichendste Ziel jedes menschlichen Bestrebens zu bezeichnen, die letzte Schranke, aeusserste Grenze, die moeglich ist. SENECA, Medea: An age will come after many years when the Ocean will loose the chain of things, and a huge land lie revealed; when Tiphys will disclose new worlds and Thule no more be the Ultimate. Eine Zeit wird kommen nach vielen Jahren wenn Okeanos die Kette der Dinge lockert, und ein ungeheueres Land offenbart liegt; wenn Tiphys neue Welten enthuellt und Thule nicht laenger das aeusserste ist. VERGIL's Lehrgedicht ueber den Landbau Georgica I,30 bietet die Bezeichnung eines weit entlegenen Eilandes Ultima Thule. Die (oder das) ausserste Thule. GOEHTE uebersetzt ("Dichtung und Wahrheit" T.3, Buch 13) anders: "Ossian hatte uns bis ans l e t z t e T h u l e gelockt". [4] Schutzgeist der Mitternacht (Loda), den Fingal mit seinem Schwerdte entzwey gehauen haben soll [5] Ossian