Iii ja Trojanow Der britische Offizier Sir Richard Burton ist einer der seltsamsten Menschen des an exzentrischen Figuren reichen 19. Jahrhunderts: Anstatt in den Kolonien die englischen Lebensgewohnheiten fortzuführen und jede Anstrengung zu vermeiden, lernt er wie besessen die Sprachen des Landes, vertieft sich in die fremden Religionen und reist zum Schrecken der einheimischen Behörden anonym in diesen Ländern herum. So betritt er, in Indien zum Islam konvertiert, als einer der ersten Europäer unerkannt die heiligen Stätten von Mekka und Medina; und er reist zu den Quellen des Nils - eine seelische und körperliche Zerreißprobe, die zum Zusammenbruch führt. Was hat diesen Mann getrieben, der in Indien mit einer Kurtisane zusammenlebte und nächtelang die heiligen Schriften studierte, der in Arabien nicht mehr von den Arabern zu unterscheiden war und in Afrika Strapazen auf sich nahm, die selbst den Einheimischen unmenschlich vorkommen? Ilija Trojanow hat einen farbigen Abenteuerroman geschrieben, der durch genaue Sachkenntnis begeistert. Er ist wie Burton durch die drei Kontinente gereist, um der Faszination, die Hinduismus, Islam und die afrikanischen Naturreligionen auf ihn ausübten, nachzuspüren. Der Weltensammler Roman Ilija Trojanow, 1965 in Sofia geboren, floh mit seiner Familie 1971 über Jugoslawien und Italien nach Deutschland, wo sie politisches Asyl erhielt. 1972. zog die Familie weiter nach Kenia. Von 1985 bis 1989 studierte Trojanow Rechtswissenschaften und Ethnologie an der Universität München. In München gründete er auch den Kyrill &C Method Verlag und •päter den Marino Verlag. 1999 zog Trojanow nach Bom-kiy. Seit 2003 lebt er in Kapstadt. Deutscher Taschenbuch Verlag Aus einer Silbe Manchmal rülpste die pralle Stadt. Alles roch wie von Magensäften zersetzt. Am Straßenrand lag halbverdauter Schlaf, der bald zerfließen würde. Ein Löffel schnitt durch das Fleisch einer überreifen Papaya, Fußsohlen schwitzten auf dem Heimweg vom Markt Koriander aus. Er wußte nicht, was ihn eher anwiderte, die Meeresbrise, zur Ebbe faulig von Algen und gestrandeten Quallen, oder die Düfte des moslemischen Frühstücks, aus Innereien von Ziege, auf kleinen Öfen gebrutzelt. Der Pfad der Menschheit war gepflastert mit tückischen Verlockungen. - Sir, Sie zu stören ist nicht meine Art, ein hoher Herr wie Sie, das sehe ich, ich erkenne das sofort, denken Sie nicht... keineswegs, ich bin ein einfacher Mann, Sie zu täuschen ist nicht möglich, nein, ich will Ihre Zeit nicht rauben, nein, Sir, wenn Sie mir nur Ihr Gehör zu geben wünschen, ich werde Ihnen eine Hilfe sein können. Burton ging die Straße entlang, ein Flaneur, der die Häuser mit seinen aufmerksamen Blicken abtastete. Er fiel auf, dieser junge britische Offizier, der seinen Kopf hoch und seinen Bart voll trug. - Sie sind gewiß gerade angekommen. Schwierig. Überall ist es so, nach der Ankunft, niemand an Ihrer Seite, es ist schwierig ... - Aapka shubh naam kyaa hee? fragte der Offizier. - Are Bhagwaan, aap Hindi bolte hee? Naukaram ist mein Name, zu Diensten, Saheb, zu Diensten. Nach einer Woche wußte Burton, daß es in der Stadt nur so vor schmierigen Indern wimmelte, die in jedem Offizier, in jedem Weißen, eine unheilige Kuh sahen, die sie nach Belieben melken wollten. Während sie sich verbeugten, griffen sie einem schon in die Tasche. - Zu was für Diensten? - Sie haben unsere Sprache schnell gelernt, bahut atschi tarah. Sie sind vor kurzem angekommen, jüngst auf dem letzten Schiff aus England. - Du bist gut informiert. - Nur ein Zufall, Saheb, mein Bruder, mein Cousin, arbeitet am Hafen, verstehen Sie. Was will dieser junge Mann mit dem altklugen Gesicht? Gekleidet in Peinlichkeiten. Hochgewachsen, leicht gebeugt. Erstaunlich blaß, das Gesicht zugänglich, aber wenig anziehend. - Je schneller Sie einen Diener finden, desto besser. - Was kümmert es dich? - Ich, Ramji Naukaram, werde Ihr Diener sein. - Wieso denkst du, daß ich einen Diener suche? - Sie haben schon einen Diener? - Nein. Ich habe noch keinen Diener. Auch noch kein Pferd. - Jeder Saheb braucht einen Diener. - Und wieso gerade du? Wieso sollte ich dich nehmen? Sie blieben stehen, an einer Kreuzung, wo weitere Angebote auf Burton lauerten. Bis zum Nachmittag, so hat er sich vorgenommen, als er das Hotel in der Früh verließ, würde er lernen, nein zu sagen, hart zu bleiben. Er wollte sich allen Verlockungen aussetzen, zum Beweis, daß er ihnen widerstehen konnte. Um ihnen später nachgeben zu können. - Ich gebe mich nur mit dem Besten zufrieden. -Ach, Saheb, was heißt schon Bestes? Es gibt Männer und es gibt Frauen, und die Männer, die eine Frau nicht nehmen, weil um die Ecke vielleicht bessere Frau, schönere Frau, reichere Frau wartet, die Männer bleiben am Ende ohne Frau. Heute nehmen ist besser als Versprechen von morgen. Heute ist sicher - niemand weiß, was morgen ist. Am übernächsten Tag kam ihm eine Idee. - Ich will die Stadt bei Nacht erleben. - Zum Klub fahren, Saheb? 32 - Die wahre Stadt. - Wahr, wie meinen Sie? - Zeige mir die Orte, wo sich die Einheimischen vergnügen. - Was wünschen Sie dort, Saheb? - Genau das, was die Stammgäste dort suchen. Was ihnen die Zeit vertreibt, soll mir die Zeit vertreiben. Diesmal nahm Burton den Sanitäter nicht mit, den schon die Fahrt entnervt hätte. Keine Lichter, jedes Wesen, das ihnen begegnete, war in seine eigene Staubhülle gehüllt. Die Straßen wurden enger, die Abzweigungen so zahlreich, daß Burton alleine verloren gewesen wäre. Sie mußten zu Fuß weitergehen. Er spürte eine unerwartete Anspannung, er fragte sich, ob er die Fußtritte hören würde, bevor ein Messer durch seine Haut drang. Der Gedanke erregte ihn, der Abend hatte nach seinem Geschmack begonnen. Vor ihnen schimmerte eine Häuserzeile, sie kamen näher und konnten einzelne Gebäude erkennen, allesamt dreistöckig, und jedes Stockwerk mit einem Balkon versehen. Auf den Balkons standen Frauen, die sich über die Brüstung lehnten und ihm zuriefen, Hamara gbar ana, atscba diu bee. Viel zu laut und viel zu gierig, als daß sie ihn verführen könnten, in das Erdgeschoß einzutreten, offen wie ein Laden, wo gewiß eine ältere Frau den weiteren Ablauf dirigierte. Die Gesichter waren heftig geschminkt, sie stachen die eigenen Stimmen aus, alles weitere im ersten Stock war wallender Sari. Nicht schön, Saheb, oder? Kommen denn viele hierher? Die wenig haben, die kommen hierher, aber hier ist nicht gut. Wir werden jetzt Besseres sehen, Saheb. Sie kamen an einem Gebäude vorbei, in dem, so wußte Naukaram, Opium geraucht wurde. Das Gold meiner Arbeitgeber, dachte Burton, die Quelle allen Silbers, genaugenommen. Den Dunst, den er zu schützen hatte. Er war versucht, in die Opiumhöhle hineinzugehen, aber ihn verwirrten die Männer, die vor dem Eingang standen, erstarrt wie Wachsfiguren. Können sich nicht bewegen, sagte Naukaram, zuviel Opium. 33 leuchtete. Eine Zelle. Schwere Wände. Matschiger Reis auf einer Tawa, die von einem Sepoy in die Mitte gelegt wurde. Sie mußten mit ihren dreckigen Händen essen. Die Mitgefangenen blickten ihn prüfend an. Sie fragten sich woL, ob sie sich auf ihn verlassen konnten. Bald brannte die Fak-kel aus. Es dauerte nicht lange, da wurde einer von ihnen herausgeholt. Er blieb lange weg. Sie wußten nicht, ob es Tag war oder Nacht. Als er zurückgebracht wurde, konnte er ihnen nicht erzählen, was mit ihm geschehen war. Die Angst engte die Zelle noch mehr ein. 59- Naukaram II Aum Durjayaaya námaha I Sarvavighnopashantaye námaha I Aum Ganeshaya námaha II - Der Kommandant nickte dem Sepoy hinter mir zu. Kr hätte mich bestimmt geschlagen, wenn ich nicht vorgesorgt hätte. Ich hatte einen Beweis mitgenommen. Das war ein selten hellsichtiger Moment in meinem Leben. Bitte, schrie ich auf, einen Augenblick bitte, ich werde Ihnen etwas zci«i gen. Und ich griff in meinen Sack und holte die Uniform von Burton Saheb heraus. Und einige andere kleinere Sachen.1 Glauben Sie mir, ich lüge nicht, Sie können mich ausfragen, ich weiß über die 18. Infanterie Bescheid. Ich kenne die Na«' men der anderen Offiziere. Bitte, holen Sie ihn heraus, und fragen Sie ihn, wenn er alleine ist. Gut, sagte der Kommandant langsam. Aber du kommst mit. Zwei weitere Sepoy« begleiteten uns in ein Zimmer mit nacktem Boden, in dein es kein einziges Möbelstück gab. Wenig später wurde Bur-ton Saheb hereingeführt. Ich erschrak über sein Aussehen. Kennen Sie diesen Mann? Fragte ihn der Kommandant. Bur« 210 ron Saheb reagierte nicht. Der Kommandant ließ die Frage von einem der Sepoy übersetzen. Nein, sagte Burton Saheb, ohne zu zögern. Der Kommandant blickte mich mißtrauisch an, bevor er sich wieder Burton Saheb zuwandte. Dieser Mann behauptet aber, Sie zu kennen. Er behauptet, in Ihrem Dienst zu stehen. Er behauptet gar, Sie seien ein britischer ()ffizier. Der Sepoy mußte zuerst übersetzen, und so dauerte es eine Weile, bevor uns die Anwort von Burton Saheb erreichte. Ich weiß nicht, was Sie mit dieser Geschichte bezwecken. Ich habe Ihnen schon gesagt, ich bin ein Händler aus Persien, und ich habe mit dieser Angelegenheit nichts zu um. Der Kommandant überlegte ein wenig. Dann befahl er, ich solle das Zimmer verlassen, zusammen mit den Sepoy. Ich weiß nicht, worüber sie gesprochen haben, Burton Saheb hat nie mit mir über diesen Tag geredet. Sie kamen erst nach einer Stunde heraus. Beide ignorierten mich. Der Kommandant kehrte in sein Büro zurück, und Burton Saheb ging durch das schwere Tor hinaus, rief eine Tonga, stieg ein und verschwand. Er wartete nicht auf mich. Als ich unser Haus erreichte, hatte er sich schon schlafen gelegt. In den schmutzigen Kleidern. Ich bereitete ein Bad vor. Ich hatte Angst vor seinem unverständlichen Zorn. Als er aufwachte, hat er mich wie üblich behandelt. Nicht feindselig. Ich habe mich nicht getraut, die Episode anzusprechen, und er hat nie ein Wort darüber verloren. Nicht einmal eine Andeutung hat er gemacht. - Du hast nichts Weiteres darüber erfahren? - Doch. Weil ich gelauscht habe. Als er sich mit einem seiner Lehrer besprach. Du hättest dich gleich zu erkennen !',eben sollen, sagte der Lehrer zu ihm. Das ist nicht dein Kampf! Glaubst du, so einfach kannst du die Seiten wechseln. Was du getan hast, hast du allein deiner Eitelkeit zuliebe getan. Worauf Burton Saheb antwortete: Ihr denkt immer nur in groben Mustern, Freund und Feind, unser und euer, schwarz und weiß. Könnt ihr euch nicht vorstellen, daß es etwas dazwischen gibt? Wenn ich die Identität eines an- 211 deren annehme, dann kann ich fühlen, wie es ist, er zu sein. Das bildest du dir ein, sagte der Lehrer. Du übernimmst mir der Verkleidung nicht seine Seele. Nein, natürlich nicht. Aber durchaus seine Gefühle, denn sie werden davon bedingt, wie die anderen auf ihn reagieren, und das kann ich spüren. Ich muß dir sagen, ich war gerührt, als ich das hörte. Burton Saheb flehte fast, so sehr wollte er an die Wahrheit seiner Worte glauben. Der Lehrer aber war nicht gnädig. Du kannst dich verkleiden, soviel du willst, du wirst nie erfahren, wie es ist, einer von uns zu sein. Du kannst jederzeit deine Verkleidung ablegen, dir steht immer dieser letzte Ausweg offen. Wir aber sind in unserer Haut gefangen. Fasten ist nicht dasselbe wie hungern. 60. Von schrecklicher Gestalt Dann wurde er herausgeholt. Er vermutete, daß die anderen seinen Verrat voraussahen. Er hatte sich geschworen, seiner Verkleidung treu zu bleiben. Was war sie wert, wenn er ihr entwich bei dem ersten Widerstand, der ersten schweren Prüfung, und in den sicheren Hafen des imperialen Schutzes zurückschlüpfte? Das wäre schäbig gewesen, ohne Wert. Er hätte danach keinem seiner adoptierten Freunde in die Augen blicken können. Der Raum, in dem er verhört werden sollte, war riesig, der Boden uneben und die Wände an mehreren Stellen eingebuchtet. Er erkannte den Engländer, der hinter dem einzigen Tisch saß; ein Mitarbeiter von Major McMurdo. Im nachhinein würde er sich daran erinnern, daß der Engländer kein einziges Mal aufstand, sondern am Fenster sitzen blieb, Unterlagen studierte und gelegentlich etwas notierte. Er sollte sich als der Antrieb aller Schmerzen erweisen, doch blieb er an ihnen fast unbeteiligt. Ein Sepoy fragte ihn aus, zuerst nach Namen, nach Herkunft. Nach seiner Beziehung zu Mirza Aziz. Er antwortete mit einer möglichen Wahrheit. Wie erwartet, wurden die Männer, die ihn verhörten, hellhörig, als er sich als Perser ausgab. Der Engländer blickte auf, nachdem der kleinwüchsige Übersetzer neben ihm die Information übermittelt hatte. Mirza Abdullah erkannte in dem Blick die Gier nach einem unerwarteten Erfolg, nach Beförderung. War dieser Offizier auf eine Verschwörung gestoßen, die weiter reichte als Belutschistan, bis nach Persien, und somit gewiß Afghanistan einschloß, und - wer weiß - vielleicht sogar Rußland umfaßte? Die Aufdeckung einer solchen Verschwörung würde zweifelsohne eine saftige Belohnung in Rang und Rente nach sich ziehen. Er begann diese Verschwörung mit seinen Fragen zu umzingeln. Er wollte hören, was seiner Erwartung möglichst nahe kam. Ungeduldig wischte er Antworten zur Seite, die in andere Richtungen führten. Mirza Abdullah nahm sich vor, diesen Offizier, der sich eine Manila anzündete, wegen Unfähigkeit zu denunzieren. Als ihm die dreiste Dickköpfigkeit der Fragen unerträglich wurde, beschimpfte er den Offizier. Ihm fiel auf, daß der Übersetzer seine Ausdrücke abschwächte. Aber der Verhörer hatte den Tonfall aufgefangen, er blickte ein zweites Mal auf. Mirza Abdullah erkannte etwas anderes, das ihm vertraut war. Die Empörung darüber, daß ein Einheimischer sich herausnimmt zu widersprechen. Laut zu werden. Eine Impertinenz, die nicht geduldet werden, die manch einen zur Weißglut bringen kann. Im nächsten Augenblick wurde ihm von hinten ein Kübel kaltes Wasser über den Kopf geschüttet. Ich habe gehört, sagte der ranghöchste Sepoy, die Gefangenen wurden früher nackt ausgezogen. Ich verstehe das nicht. In nassen Kleidern friert es sich doch besser. Ich bin sicher, sagte der Offizier hinter dem Schreibtisch, du wirst dein Wissen nicht freiwillig preisgeben. Deswegen werden wir keine weitere Zeit mit Plauderei und Courtoisie ver- schwenden. Wir werden dir zeigen, was wir mit dir vorhaben. Die Ubersetzung war kaum abgeschlossen, da spürte er die Schläge, in die Kniekehlen, auf den Rücken, auf die Nieren. Mirza Abdullah spürte, wie jedes andere Gefühl außer dem Schmerz verging. Er knickte um und fiel seitlich auf den kalten Boden. Das Zittern setzte ein. Einer der Folterknechte setzte ihm einen Stiefel auf das Gesicht und verharrte in dieser Haltung eine Weile, bevor er ruhig sagte: Wir werden deinen Vater verbrennen. Eine Weile schwiegen alle, dann stellte der Offizier eine weitere Frage, doch sie war so eng und abwegig formuliert, daß Mirza Abdullah sie nicht hätte beantworten können, selbst wenn er wollte. Er krümmte sich auf dem Boden. Er richtete sich auf, etwas riß in seiner linken Schulter, er versuchte zu erklären, wieso er nicht wissen konnte, was ihm abverlangt wurde. Er war ein einfacher Bazzaz auf der Durchreise. Die Stimme, die er hörte, lauerte direkt hinter seinem Ohr. Wir können andere Sachen mit dir machen. Wir können dich in eine Frau verwandeln, und diesen Stock - Sheikh Abdullah spürte einen leichten Schmerz in seinem After - können wir in deinen Khyber-Paß rammen. Das mögt ihr doch, oder? In diesem Moment begriff Mirza Abdullah, daß der ranghöchste Se-poy ein Bengale war, wahrscheinlich Hindu. Und er erkannte, welche verhängnisvolle Verbindung der Ehrgeiz de« britischen Offiziers mit der Abneigung seiner rechten Hand eingegangen war. Er roch die Zigarre, als sei sie in seiner Hand, dieser Geruch von morschem Waldboden, der sich bald in einen Geruch der Verwesung verwandeln würde. Das letzte, was er spürte, war sein Ohr, und er konnte sich später nur noch an den Geruch verbrannten Fleisches erinnern. fix. Naukaram II Aum Vikataaya námaha I Sarvavighnopashantaye námaha I Aum Ganeshaya námaha II - Er erholte sich überraschend schnell von seinen Wunden. Aber er war ausgelaugt. Er hatte kein Interesse mehr an dem Land. Er lag manchmal tagelang auf dem Bett. Gelegentlich las er eine Zeitung. Ansonsten nichts. Er lag da und hatte nicht einmal die Augen geschlossen. Es ist schrecklich, wenn ein Mensch seinem eigenen Wesen zuwiderhandelt. Ich wußte nicht, ob er anwesend war, wenn ich etwas in dem Zimmer verrichtete. Plötzlich hörte ich seine Stimme. Naukaram, wir müssen hier weg. Zurück nach Baroda, Sa-heb? Das ist nicht möglich. Wenn wir hier herauskommen wollen, müssen wir nach England zurück. - Was für eine Arbeit sollte er als Offizier in England verrichten? - Ich war auch verwirrt. Damals. Ich habe schnell begrif-len, als Burton Saheb begann, sich krank zu stellen. Zuerst gab er sich leidend. Er jammerte in Gegenwart der anderen, wie elend ihm sei. Er erschien nicht zum morgendlichen Appell, er blieb der Regimentsmesse fern. Er suchte den Arzt der Garnison auf, gestützt von zwei gewaltigen Belutschen, die mindestens sechs Fuß groß waren. Der Arzt zeigte sich besorgt. Er fragte nach, ob er denn trinke, ob er rauche. Keine einzige Zigarre, schwor Burton Saheb. Ab und an ein < das, ich trinke es selten aus. - Stimmte das? - Er leerte zu diesem Zeitpunkt einige Flaschen am Abend, aber er rauchte nicht, das war die Wahrheit, er konnte den (ieruch der Manilas nicht ausstehen, seitdem ich ihn aus dem < .efängnis befreit hatte. Frag mich nicht, ich weiß nicht, wieso. Er stellte jemanden an, der vor seiner Tür zu wachen liatte, um Besucher rechtzeitig anzukündigen, damit sie Bur- ton Saheb stets im Bett vorfanden. Er ließ seinen Kameraden schon um acht Uhr am Abend einen Gutenachtwunsch ausrichten. Natürlich sickerte das zum Arzt durch. Burton Saheb begann mit viel Nostalgie über das Korps zu sprechen und darüber, wie sein Leben ruiniert wäre, wenn er es verlassen müßte. Er verbot mir, sein Zimmer aufzuräumen. Sogar sauberzumachen. Die Tassen lagen herum, weicher Toast auf dem Tisch. Es war ekelerregend. Ich hatte kaum etwas zu tun in diesen Wochen. Er gab mir Geld, damit ich mich in der Stadt vergnügte. Ich hatte nur eine Aufgabe, später am Abend, wenn mich niemand sehen würde, ein Tablett mit Salat, Curry, Sherbet und Portwein zu ihm zu bringen. Das alles wurde von einem seiner Freunde besorgt, auf die er sich verlassen konnte. Tagsüber verdunkelte er sein Zimmer, nachts machte er nie eine Lampe an. Er schluckte etwas, davon wurde ihm schlecht, und dann schickte er mich los, um zwei Uhr in der Früh, den Arzt zu holen. Er setzte sein Testament auf, und er bat den Arzt, Vollstrek-ker seines Letzten Willens, so nennen die Angrezi das Testament, zu werden. Der Arzt lenkte bald ein, ich glaube, er schätzte seinen Schlaf. Es dauerte nicht lange, bis er davon überzeugt war, daß Burton Saheb dienstunfähig war. Et schrieb ihn für zwei Jahre krank. Zwei Jahre! Die Angrezi sorgen sich um die Ihren. Er erhielt weiterhin seinen Sold, Wir reisten zuerst ein Jahr lang durch das Land, wir kamen bis nach Ooty. Das wirst du nicht kennen, das liegt in den Bergen. Im Süden, weit von hier entfernt. Daran erkennst du, wie rüstig Burton Saheb in Wirklichkeit war. Aber dann geschah die Gerechtigkeit, die niemals ausbleibt, wenn man sie erwarten kann. Burton Saheb wurde krank. Wirklich sehr krank. So krank, er wäre fast gestorben. SC5SCSSC5SCSSCSSC3 zi6 6z. Ohne Tod Bericht an General Napier Streng geheim Sie hatten mir den Auftrag erteilt, mich mit den Gründen vertraut zu machen, weswegen die widerspenstigen Stam-inesfürsten der Belutschen, angeführt von Mir Khan, schon mehrfach Kenntnis hatten von unseren Plänen, und derart vorgewarnt in der Lage waren, rechtzeitig zu fliehen oder sich zu verstecken. Seit Monaten bin ich in dieser Angelegenheit unterwegs, ich habe unzählige Orte aufgesucht, an denen sich Belutschen treffen, ich habe jeder Stimme mein aufmerksames Ohr geliehen, aber bis vor kurzem deutete nichts auf einen Verräter in unseren eigenen Reihen hin. Bei unserer letzten Besprechung haben Sie mir zusätzlich die Order erteilt, zu prüfen, ob und in welchem Ausmaße britische ()ffiziere jenes Bordell frequentieren, das Lupanar genannt wird. Gewiß haben Sie nicht im entferntesten daran gedacht, daß diese zwei Fragestellungen miteinander verknüpft sein könnten. Ich bin auch diesem Ihren Auftrag nachgekommen, und ich fürchte, ich habe die unangenehme Aufgabe, Ihnen einige äußerst unerfreuliche Einsichten mitzuteilen. Das Lupanar unterscheidet sich von den anderen Bordellen weder in Einrichtung noch in Bewirtung, sondern einzig und allein darin, daß die Kurtisanen keine Frauen sind, sondern Jünglinge und als Frauen verkleidete Männer. Die Jünglinge kosten doppelt soviel wie die Männer, nicht nur, weil sie die schönsten und nobelsten Wesen sind und die Liebe zu ihnen von der reinsten Form ist, eine Auffassung, die hiesige Vifis anscheinend von den Piatonikern übernommen haben, sondern auch weil ihr Skrotum als Zügel benutzt werden kann. Dieses Bordell wird, das kann ich nunmehr mit Sicherheit bestätigen, regelmäßig von einigen unserer Offiziere aufgesucht. Die meisten von ihnen treibt die Neugier und die 2,17 Langeweile dorthin, und wir können davon ausgehen, daß sie den Verlockungen dieses Ortes zu widerstehen wissen. Doch einige finden genau das, was sie gesucht haben. Besonders bemerkenswert erscheint mir der Fall jener, die gegen ihren Willen zu Taten gezwungen wurden, die sie nicht gebilligt hätten. Der Emir, dem das Lupanar gehört, ist ein Connais-seur von jungen, hellhäutigen Männern, und so hat er schon einige Male laut den Auskünften meiner Gewährsleute britische Besucher seines Establishments mit Spirituosen abgefüllt, bis sie ganz willig oder bewußtlos waren und ihm zu Diensten lagen. Die Vermutung könnte naheliegen, er räche sich somit für die Erniedrigung, die unsere Herrschaft ihm auferlegt, aber nach meinem Dafürhalten giert er einfach nur nach der Schönheit blonder, unbehaarter Jünglinge. Es ist mir zugetragen worden, daß einer dieser Griffins am nächsten Morgen die Verwunderung geäußert habe, der einheimische Alkohol verursache eine Reizung des Posterieur. All das wäre ein wenig unappetitlich, aber gewiß harmlos für unsere Sicherheitslage, würde nicht einigen unserer Offiziere in diesem Lupanar das Wissen entlockt werden, das sie unbedingt für sich behalten sollten. Ich habe meinem Gewährsmann, der dieses Bordell regelmäßig aufsucht und mit dem Betreiber verwandt ist, das Versprechen gegeben, keine Namen zu nennen. Er schwört, daß schon mehrfach dem Emir wertvolle Informationen zugetragen worden sind, die einem Offizier in seinem Rausch oder seiner Entzückung; oder in der Intimität danach entschlüpft sind. Und wenn wir uns vor Augen halten, daß dieser betreffende Emir, der Lu-panar-Emir, mit Mirza Aziz verschwägert ist, können wir erkennen, wie das Netz geknüpft ist, das uns so viele Kopfschmerzen bereitet. :-c-:;c«.o: «f. :<>.»•: 63. Naukaram II Aum Mritunjayaaya námaha I Sarvavighnopashantaye námaha I Aum Ganeshaya námaha II Der Lahiya schrieb: Dieser mein Text ist eine Kette von .uisgesuchten Perlen, die ich um den Hals Ihrer gnädigen und aufmerksamen Wahrnehmung hängen möchte, lieber I .eser; diese meine Geschichte ist eine duftende Blüte, die ich in die Hand Ihrer warmherzigen und mitfühlenden Empfindung geben möchte, lieber Leser; dieses mein Werk ist ein Stoff aus feiner Seide, den ich über das Haupt Ihrer scharfsichtigen und weitreichenden Weisheit ausbreiten möchte, lieber Leser. Worauf er die Feder zur Seite legte und den gesamten I ext durchlas, einmal, und dann ein weiteres Mal, die Nacht wurde grau dabei, und er war gerührt von der Unantast-harkeit des Geschriebenen, er war den Tränen nahe. Nicht, daß es ohne Schwäche, ohne Fehler war. Wenn er noch einmal von vorne anfangen könnte, er würde ... Ha, unsinnige I Verlegung. Entscheidend war, das Werk überragte ihn, mächtig und fremd, als sei es nicht aus ihm heraus entstanden, als habe er nicht alles gelenkt, und ihm fiel der Satz ein, den der unbekannte Architekt des Kailash-Tempels zu l.llora seinem Bauwerk eingeschrieben hat, der größte Satz, den je ein Schöpfer hinterlassen hat: Wie habe ich das nur geschafft? Eines blieb noch zu tun. Der Schluß, selbst wenn es sich nur um einen letzten Absatz handelte, sollte nicht von ihm selbst geschrieben werden. Kein Mensch sollte die ganze Geschichte kennen. So wie keiner den gesamten Kailash-Tem-pcl überschauen konnte. Der Lahiya rief seine Frau - er ver- II ahm seit kurzem die Geräusche ihrer frühmorgendlichen I lausarbeit - und trug seine Bitte vor. Sie war erstaunt, und III r einige widerspenstige Augenblicke überlegte sie, ihm die- 218 219 sen Wunsch abzuschlagen. Doch dann stimmte sie zu. Mm hoffte, sobald dieser Auftrag abgeschlossen war, würde- ilic gemeinsames Leben weitergehen wie zuvor, bevor diesen Naukaram aufgetaucht war und ihrem Ehemann den Knpfj verdreht hatte. Er dankte ihr umständlich, richtete sich müh« sam auf und ging hinaus. Er würde an diesem Tag nicht y.iiH Straße der Lahiya gehen, er würde nichts schreiben. VielJ leicht auch am morgigen Tag nicht. Und danach, wer willst« das schon. Burton Saheb - eine unverankerte Erinnerung] durchtrieb seine Gedanken - habe laut Naukaram einma" sein Erstaunen darüber geäußert, daß im Hindustani ein unefl dasselbe Wort sowohl morgen als auch gestern bezeich noi Was konnte man schon daraus folgern? War das Wort fUfl vorgestern nicht ein anderes als das Wort für übermorgen? ] Naukaram wunderte sich über die Verspätung des Lahiya, Das war noch nie vorgekommen. Er sah eine Frau die staubige Straße entlanggehen. Alles an ihr strahlte Stärke nun,] Einige der anderen Schreiber grüßten sie. Sie betrachtete ihn] prüfend, bevor sie ihn fragte, wer er denn sei. Sie stellte sk Ii als die Frau des Lahiya vor. Er werde heute nicht kommen, wofür er sich entschuldige. Er habe sie geschickt, weil er den Abschluß der Geschichte nicht selbst erfahren wolle. - Wieso nicht? -Aus alter Tradition. So wie kein Mensch das gesamte Mahaabhaarata lesen sollte. -Das wußte ich nicht. Ich habe etwas Ähnliches einmal von Burton Saheb gehört. Er sagte mir, die Araber glaubten, sie würden innerhalb eines Jahres sterben, wenn sie alle Ge> schichten aus Tausendundeiner Nacht gehört haben. - Aberglaube. - Gehört er nicht der Satya Shodak Samaj an? Ich dachte, er verachtet jeden Aberglauben. - Er nennt es Überlieferung. Jeder Mensch ist abergläu* bisch. Manche geben ihrem Aberglauben einen anderen Namen. Können wir beginnen? Ich habe nicht viel Zeit. Heute nachmittag sind die Enkelkinder bei mir. - Und die Bezahlung? Was hat er Ihnen über die Bezahlung gesagt? - Er hat nichts erwähnt. Wahrscheinlich hat er es vergessen. Wissen Sie, er hat bestimmt genug von Ihnen erhalten. Vergessen wir die Bezahlung. - Nicht seine Bezahlung, meine Bezahlung. - Ihre Bezahlung? - Er muß mich bezahlen. - Ich verstehe nicht. - So haben wir es vereinbart. Er zahlt mir Geld, damit ich ihm die Geschichte zu Ende erzähle. - Das kann ich nicht glauben. Er hat den Verstand verloren. Seit wann geht das schon so? - Nicht erst seit gestern. Ein paar Wochen schon. Ich hätte sonst nicht weitererzählt. Sie kennen ihn ja, er ist neugierig. - Er ist völlig verrückt. Wer hat so etwas schon einmal i-ehört. Ein Lahiya, der seinen Kunden bezahlt. Er benimmt sich sonderbar, seitdem Sie zu ihm gekommen sind. Aber so ii was, das macht ihn vollends zum Gespött. - Nur, wenn Sie es jemandem sagen. Unsere Vereinbarung Inutet, kein Wort darüber zu verlieren. - Er wird was zu hören kriegen von mir. - Erwähnen Sie es nicht. Bitte. Es würde so viel für ihn zerstören. -Was sind Sie jetzt, sein Verbündeter? Sie haben sich ständig gestritten. Das weiß ich wohl, er hat sich bei mir beschwert. - Wir waren zusammen unterwegs. Das zählt viel. Lassen Sie es sein, wie es ist. - Gut. Und jetzt, was machen wir mit dem Ende der Geschichte? Eigentlich interessiert es mich nicht, und da ich kein Geld dabeihabe ... - Ich verlange nichts. Es wird mein Abschiedsgeschenk an Ihren Ehemann sein. Obwohl er es nicht lesen wird. Wer /eiß, vielleicht ändert er seine Meinung. Schreiben Sie auf, 220 221 es ist nicht viel, wir können das Ende doch nicht verschluk ken. - Gut. Hat das Ende eine Überschrift? -Auf dem Schiff. Schreiben Sie: Auf dem Schiff. Und dann schreiben Sie: Ankunft im Land der Firengi. - Klingt gut. -Werden Sie so viele Kommentare abgeben wie Ihr Mann? - Nein, von nun an schweige ich. Sie werden sehen, nicht einmal ein Seufzer wird über meine Lippen dringen. - Das Schiff hieß Elisa, und ich dachte, es sei ein Toten» schiff. Burton Saheb sah schlecht aus. Sein Körper war ausgezehrt, seine Haltung gebeugt, seine Augen eingefallen, seine Stimme ohne Fülle. Er hatte Erlaubnis erhalten, nach Hause zurückzukehren. Um sich dort zu erholen. Wenn er j sich überhaupt erholen würde. Ja, ich glaubte, das Schiff sei ein Totenschiff. Nicht nur ich. Einer seiner Freunde in Bombay hatte zu ihm gesagt: Es steht dir ins Gesicht geschrieben, daß deine Tage gezählt sind. Hör auf mich, fahr nach Hause, um dort zu sterben. Bald nach dem Auslaufen gerieten wir in eine Flaute. Das Wasser war so glatt, Burton Saheb sagte, das Meer sei ein Friedhof der Wellen. Ich pflegte ihn, so gut ich konnte, ich dachte, was werde ich machen in diesem unbekannten Land, wenn mein Herr stirbt. Werde ich dann auch sterben? Meine Sorgen, sie hielten nicht an. Wind kam auf, wir segelten mit den starken Winden aus Südosten in gesündere Gefilde. Burton Saheb erholte sich erstaunlich schnell, und noch ehe wir das Land der Angrezi erreichten, war er wiederhergestellt. In diesen Tagen waren wir uns so nahe wie nie zuvor und nie mehr danach. Er vertraute mir an, was geschehen war im Sindh, wieso er sich zuerst krank gestellt habe, ohne zu wissen, daß er wirklich schwer erkranken würde. Unter den Angrezi kursierten die Gerüchte über seine Besuche in dem Bordell, verzeihen Sie bitte, in dem Männer sich anboten. Es wurde behauptet, Burton Saheb habe zu gründlich gekundschaftet. Er habe nicht nur re- 222 l herchiert, sondern auch probiert. Sein Ruf war beschädigt. Und seine Vorgesetzten, die von der Wahrheit wußten, nahinen ihn nicht in Schutz. Sie waren erbost über seinen Mangel an bedingungsloser Treue. Ich habe sein Leid gefühlt, als sei es mein eigenes. Nie in meinem Leben war ich jenem Mitgefühl für eine andere Kreatur so nahe, das unsere heiligen I xhrer von uns fordern. Wir liefen einen Hafen an, der Ply-mouth heißt, und ich sah es endlich. Dieses England. Ich sah saftiges Grün und weiche Hügel in der Ferne. Und die Passagiere, vor allem jene unter ihnen, die lange in Hitze oder Wüste gedient hatten, sie hatten glasige Blicke. Ich bin mir sicher, keiner riß die Augen so weit auf wie ich. Ich konnte nicht glauben, wie schön dieses Land war, das sie England nennen. Ich wandte mich zu Burton Saheb, und ich weiß noch genau, was ich sagte, Wort für Wort: Was seid ihr Angrezi für Menschen, ein solches Paradies zu verlassen, ohne Zwang und ohne Not, um in ein gottverlassenes Land wie das unsere zu reisen. SCSSCSS*5SC*SCSS©3 64. Unendlich bewusst Der General las diesen Bericht so oft durch wie kein anderes Schreiben in seinem Leben. Er suchte nach einem Weg, diesen Soldaten vor den Konsequenzen seiner Pflichterfüllung zu bewahren. Nicht nur hatte er sich in einen Morast begeben, den >ein wenig unappetitlich/ zu nennen eine ungebührende Untertreibung war; er hatte aufgedeckt, was nicht sein durfte, und somit würde die ganze negative Anmutung des Falles auch auf ihn persönlich zurückfallen. Zu allem Überfluß verweigerte er, zumindest schriftlich, einen Teil der Auskunft, weil er einem Einheimischen ein Versprechen ge- ZZ3 geben hatte. Das würde nicht gut ankommen. McMuuli wünschte ein Gespräch mit diesem Burton, von dein efi schon manch Unschmeichelhaftes gehört habe. Sie fielen den Leutnant in das Dienstzimmer des Generals. Er war cm staunt, eine Handvoll von Hochrangigen vorzufinden. I >rr General sprach, langsam. Er wirkte müde. -Major McMurdo wünscht, Ihre Untersuchung fori/1 setzen, und hierzu müßte er wissen, wie die Namen Huer] Gewährsleute lauten, wie die Offiziere heißen, die diese« Ort aufsuchen. - Die Namen unserer Offiziere kann ich Ihnen nicht gM ben, weil ich sie nicht kenne. In meiner Gegenwart war kein' Offizier im Lupanar. Die Namen der Gewährsleute kann ich] Ihnen nicht verraten. - Wieso nicht? - Weil ich mein Wort gegeben habe. - Es sind doch nur Einheimische. - Ich habe auf meinen Bart und auf den Koran geschworen. - Er scherzt, mein Gott, er scherzt zu unpassender Zeit. - Ich kann diesen Schwur nicht brechen. - Das meinen Sie nicht ernst, Soldat. Sagen Sie uns, dufit Sie das nicht wirklich so meinen. - Mein voller Ernst, Sir. - Ihnen bedeutet das Versprechen gegenüber einem gemeinen Einheimischen mehr als die Sicherheit unserer Truppe? - Ich habe für die Sicherheit unserer Truppe einiges geleistet, wenn ich darauf hinweisen darf, Sir, und ich bin zuversichtlich, daß wir auf anderen Wegen bald die gesamte Wahrheit herausfinden werden. Ich kann das Vertrauen dieses Mannes nicht enttäuschen. - Du mußt dich entscheiden, Burton. Er oder wir. -Ich gehe davon aus, Major, daß man verschiedenen Loyalitäten treu sein kann. Sie konstruieren einen unlösbaren Konflikt. Sie sagten kein Wort mehr, die versammelten Herren von den obersten Rängen, der General, sein Spürhund McMurdo und ihre Adjutanten. Sie blickten sich an, und mit diesen Blicken schlossen sie ihn aus für sein restliches Leben, aus dem Militär, aus ihrer Gesellschaft. Er wußte in diesem Augenblick, er würde nie über den Rang eines Hauptmanns hinauskommen. Nicht nach dem Vermerk, den sie nach diesem Gespräch aufsetzen würden, ein Vermerk über seine Unzuverlässigkeit, der ihn überallhin begleiten würde. Man konnte sein Wesen ändern, eigentlich ließ sich fast alles .in einem selbst ändern, nicht jedoch die eigene Akte. Sie würden etwas Vernichtendes niederlegen, etwas in der Art von... »sein Verständnis der Eingeborenen, ihrer Denkweise, ihrer Bräuche, ihrer Sprache, ist profund und könnte von großem Nutzen sein. Doch hat die Nähe, aus der sich seine Kenntnisse speisen, in Leutnant Burton eine Verwirrung hinsichtlich seiner Loyalitäten ausgelöst, die den Interessen der Krone zuwiderläuft. Mit Bedauern müssen wir feststellen, daß wir das Ausmaß seiner Treue zukünftig nicht abschätzen können.« SC*8©SSC8SC3S«3SC* O. Kalte Rückkehr Es war ein grausamer Empfang. Naukaram und er, zwei Kosinen, die in einen Sauerteig geworfen wurden. Die Luft war düster, voller Rauch und Ruß, zum Atmen ungeeignet. Der kalte graue Himmel ließ sie schaudern. Alles an der Stadt war klein, kleinkariert, kleingeistig und knauserig, die winzigen Einfamilienhäuser unterwürfig, in den öffentlichen Plätzen verknotete sich die Melancholie. Und dann das Essen! Primitiv, halbgar, fad, das Brot bestand nur aus Krümeln ohne Kruste. Zum Trinken gab es penetrante Medizin, 224 225