an einem bestimmten Punkt geht das nicht mehr dann bleibt unter Umständen nurmehr noch der Selbstmord Wahrscheinlich ist es nur die Frage des günstigsten Augenblicks die Frage des günstigsten Augenblicks ist es %u Olga direkt Du hast nie eine Beziehung zur Musik gehabt das ist ganz merkwürdig Die Anna ja du nicht dein Vater konnte das nicht verstehen vielleicht liegt es daran daß du in der Schweiz geboren bist schaut in Richtung Burgtheater Wenn die Leute auf dem Burgtheater auftreten bilden sie sich ein sie sind etwas Die Niederreiter kommt doch nicht jetzt zum Mittagessen Schauspieler und Schauspielerinnen am Tisch das war nie meine Sache Meine Sekretärin wollte ja auch Schauspielerin werden daraus wurde nichts zu einer guten Schreibkraft gehört auch Talent Noch sind die Österreicher ein musikalisches Volk aber eines Tages werden sie auch kein musikalisches Volk mehr sein Sie gehen weiter 116 Dritte Szene Ausgeräumtes Speisezimmer Nur ein langer Tisch und sieben verschiedene Sessel Der Tisch ist notdürftig gedeckt Eine hohe Tür links, eine hohe Tür rechts Drei große hohe Fenster mit Blick auf den Heldenplat^ Die Jalousien sind offen Kisten und Koffer mit der Aufschrift Oxford Professor Robert, Professor Liebig und Frau, Herr Landauer und Anna sitzen an den Wänden, Olga auf einer Kiste, und warten auf die Frau Professor Schuster und Lukas professor robert Denkanstöße geben mehr war es ja nicht Die Zuhörer haben immer taube Ohren es wird geredet aber es wird nicht verstanden Zur Selbstverleugnung nicht befähigt in allen diesen Gesichtern ist doch nur Anmaßung sonst nichts Alle Wissensgebiete geschändet alle Kultur vernichtet den Geist ausgetrieben Früher ist es ein Vergnügen gewesen auf die Straße zu gehen naturgemäß auch alles irrtümlich "7 irrtümlich alles naturgemäß er schaut auf die Straße Redet man mit einem Menschen stellt sich heraus er ist ein Idiot in jedem Wiener steckt ein Massenmörder aber man darf sich die Laune nicht verderben lassen Es ist die Logik ganz einfach in der Schicksalsgemeinschaft ersticken zu müssen Wien ist eine kalte graue Stadt provinziell das Amerikanische macht es so widerwärtig Der Amerikanismus hat hier alles zerstört Ich habe mir die Laune nie verderben lassen Das Österreichische frage ich mich immer was ist es die Absurdität zur Potenz es zieht uns an und stößt uns ab total verkommener Sozialismus total verkommenes Christentum Am Ende sind wir doch alle nur angewidert davon das ist das Deprimierende anna Ich werde jedenfalls den Brief an den Bürgermeister aufsetzen du mußt ihn ja nicht gleich unterschreiben Onkel Robert Die Straße reißt ja das Grundstück vollkommen auseinander Die Mutter ist ja hilflos 118 mit der Mutter macht die Gemeinde ja was sie will die Mutter kann nichts unternehmen Angeblich soll auch die Kirche abgerissen werden olga Neuhaus ist ja schon ruiniert professor liebig Ich erinnere mich genau an Neuhaus wir waren jeden Sommer zwei Wochen in Neuhaus professor robert Für uns war es auch immer nur die Sommerfrische Während unserer Englandzeit ist es mehr oder weniger verfallen das Haus anna Onkel Robert hat es sich so schön hergerichtet Den großen Garten angelegt Und jetzt wird das alles durch die neue Straße ruiniert frau liebig Mit dem einzelnen wird heute gemacht was der Staat will professor liebig Das war immer so professor robert Dem einzelnen ist vom Staat immer auf den Kopf gemacht worden professor liebig Eine schlimme Zeit professor robert Dem Denkenden kann in der Frühe nur übel werden 119 professor liebig Es herrschen überall chaotische Zustände Die Lüge beherrscht alles und das Unvermögen herr landauer Wahrscheinlich wird die Regierung im Herbst umgebildet professor liebig Darum geht es ja nicht das ist ja vollkommen gleichgültig was das für eine Regierung ist es ist ja eine wie die andere es sind ja immer dieselben Leute es sind ja immer dieselben Geschäfte die diese Leute machen es sind immer dieselben Interessen das sind ja immer diese ganz und gar verkommenen Leute die mit jedem Tag den Staat mehr zugrunde richten professor robert Allein die Sprache dieser Leute ist so widerwärtig hören Sie sich doch den Bundeskanzler an der kann ja nicht einmal einen Satz korrekt zu Ende führen und die andern auch nicht aus allen diesen Leuten kommt immer nur Unrat heraus was sie denken ist Unrat und wie sie es aussprechen ist auch Unrat professor liebig Und die Zeitungen schreiben Unrat in den Zeitungen wird auch eine Sprache geschrieh die einem den Magen umdreht auf jeder Zeitungsseite garantiere ich Ihnen abgesehen von den Lügen die da abgedruckt sind hundert Fehler die Zeitungsredaktionen in Österreich sind ja nichts als skrupellose parteiorientierte Schweineställe professor robert Alles unqualifizierte Leute die nicht denken und daher nicht schreiben können professor liebig Bei dieser stumpfsinnigen Leserschaft die die anspruchsloseste in Europa ist kein Wunder professor robert Aber diesen Dreck lesen wir doch tagtäglich in uns hinein weil er uns interessiert und weil wir von ihm fasziniert sind Sie müssen doch zugeben Herr Kollege daß Sie im Grunde diese idiotischen Blätter mit ihrem geradezu infernalischen Stumpfsinn mehr interessieren als beispielsweise die Neue Zürcher Zeitung Das sogenannte Hohe Niveau ist immer langweilig gewesen 120 121 Was wir in den Zeitungen suchen ist ja der Abschaum Zum tagtäglichen Denkgebrauch muß ich keine Zeitung haben die absolute Primitivität in diesen österreichischen Dreckblättern ist es die ich jeden Morgen haben muß ich versenke mich zugegeben lieber in diesen Dreck als in das abgeschmackte Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Da ziehe ich doch gleich nach dem Frühstück Descartes vor anstatt die Frankfurter Allgemeine ein paar alte Bücher auf die ist alles zusammengeschrumpft Nein auf diese Dreckblätter kann ich nicht verzichten der Abschaum ist das Sensationelle und dieses gemeine Sensationelle ist lebensnotwendig gerade im Alter professor liebig Was hier fehlt ist die Zeitungskultur professor robert Machen Sie sich nicht lächerlich Was ist Zeitungskultur Zeitungskultur Zeitungskultur die ist ja gerade das Widerliche Aber ich gebe zu daß es hier in Österreich 122 an einem Blatt wie die Neue Zürcher Zeitung fehlt das gebe ich zu wenn ich auch immer gelangweilt bin bei der Lektüre der Neuen Zürcher Zeitung Wenn ich ehrlich bin ziehe ich den Dreck vor Stellen Sie sich Neuhaus vor und dazu die Neue Zürcher Zeitung die ich ja abonniert habe aus Gewohnheit weil ich jahrzehntelang denke ich kann ohne die Neue Zürcher Zeitung nicht existieren das ist mein Stumpfsinn neinnein ich würde ersticken ohne die österreichischen Dreckblätter Sie ersparen sich Unsummen für Tabletten wenn Sie sich schon in der Frühe gleich dem totalen Stumpfsinn der Kronenzeitung und des Kurier ausliefern das bringt den Blutkreislauf schon in der Frühe in Raserei von der Presse rede ich nicht dieses verkommene Blatt ist mit zehn Schilling selbst als Schlafmittel viel zu teuer schaut auf den Heldenplat^ Diese Niederreiter proletarische Herkunft lernt Schauspielerei und verkommt dann 123 mein Neffe Lukas hat sich immer nur an solche Zwielichter verplempert die Söhne aus gutem Haus sozusagen sind mehr oder weniger immer schon Opfer der Schauspielerei geworden den Bühnenkünstlerinnen verfallen Der Bühne auch der Burgtheaterbühne von einem Augenblick auf den andern in den Hochadel hinein entsprungen das war keine Seltenheit professor liebig Hätten Sie nicht auch einmal Lust gehabt nach Cambridge zurückzugehen professor robert Nein ich nicht ich war in England niemals glücklich England war für mich immer nur eine Notlösung ich bin nie wie mein Bruder in England vernarrt gewesen es hat ja eine Zeit gegeben da ist mein Bruder in England vernarrt gewesen England hat mich gerettet so wie ihn auch aber ich wäre nie in England geblieben und ich bin ja auch nicht zurückgegangen das wäre mir nie in den Sinn gekommen Ich empfand alles auch nie so mörderisch hier wie mein Bruder Josef Aber ich kann gut verstehen daß er Schluß gemacht hat 124 Ich lebe ja schon jahrelang nurmehr noch ganz gleich wo ich bin in Neuhaus man könnte sagen daß ich schon jahrelang tot bin mein Bruder hat Selbstmord gemacht ich bin nach Neuhaus gegangen es kommt auf dasselbe hinaus vielleicht wahrscheinlich Ich existiere die längste Zeit gar nicht mehr und beobachte alles sozusagen aus dem Tod heraus verstehen Sie herr landauer Sie gehen aber doch immer wieder in den Musikverein professor robert Gewohnheitsmäßig es fällt mir sonst nichts mehr ein Ich lese und ich gehe in Neuhaus ein paar Schritte ich bin ja kein Naturliebhaber ich hasse die Natur ja das ist die Wahrheit mir gibt die Natur nichts und ich fahre ein- oder zweimal in der Woche in die Stadt herein und gehe in den Musikverein meine musikalischen Ansprüche sind aber nicht mehr sehr groß ich warte nurmehr noch darauf endgültig und ganz tot zu sein ich habe nicht den Kopf zum Selbstmord anna ihm Die Mutter will mit dir über die Zittel sprechen 125 professor robert Über die Zittel was will sie über die Zittel mit mir sprechen anna Die Altersheimkosten für die Mutter der Zittel hat der Vater gezahlt professor robert Ja und anna Ob du das übernimmst will sie wissen professor robert Die Frau Zittel ist ja nicht meine Haushälterin oder Wirtschafterin oder wie immer sie geht zu eurer Mutter nach Neuhaus dort bleibt sie wahrscheinlich das ist nicht meine Angelegenheit ich habe ja die Kronberger die Kronberger und ich wir sind in Neuhaus schon jahrzehntelang eingespielt Deine Mutter erstickt ja förmlich in Geld das soll sie bezahlen %u allen Meine Schwägerin ist schließlich immer die Kapitalistin in der Familie gewesen Und außerdem was ist das für ein Thema hier Herr Landauer was sagen Sie werden die Roten die nächste Wahl gewinnen die haben doch keinen Charakter 126 und die Schwarzen sind lauter Dummköpfe und die Schweinigelei ist in allen Parteien die Triebkraft Wenn Sie heute in Österreich einen Politiker wählen wählen Sie doch nur ein korruptes Schwein so ist es doch Frau Zittel kommt mit einem Stoß Teller herein und verteilt sie auf dem Tisch professor robert Meine Schwägerin müßte ja längst da sein sie ist ja noch bevor ich ins Taxi gestiegen bin mit Lukas weggefahren Diese Niederreiter bringt alles durcheinander Was ist denn das eigentlich für eine Person Frau Zittel anna Das war doch eine Geschmacklosigkeit daß die auf dem Begräbnis erschienen ist professor robert Eine an und für sich gut aussehende Person v>u Anna hat sie der Josef gekannt anna Zweimal hat er sie mitgebracht der Vater war nicht begeistert professor robert Lukas war immer auf Schauspielerinnen spezialisiert 127 anna Auf die zweit- und drittklassigen professor robert Das ist ganz unmöglich zuerst diese Person nachhause zu bringen und dann die Mutter anna Eine Zumutung professor robert Aber natürlich warten wir Frau Zittel Herta ist eingetreten und an der Tür stehengeblieben professor robert Zwei Jahre dann geht sie ihm auf die Nerven es ist immer das gleiche Was als große Liebe anfängt ist schon ein paar Wochen später lästig im Grunde ist das ganz normal Manchmal denke ich Lukas wird nie eine Frau finden In seinem Alter kann das gar nicht mehr glücken da ist alles in einem Menschen schon zu wählerisch jeder Blick durchschneidet alles da kommt nichts mehr heraus außer Langeweile und Überdruß frau zittel Der Herr Professor hat sich vorige Woche einen Tag vor dem Unglück noch Schuhe anmessen lassen beim Scheer das wollte ich noch sagen sie teilt Servietten aus anna Lukas hat ja dieselbe Schuhgröße professor robert Josef war der klassische Schuhfetischist ich habe drei Paar verbraucht in zwanzig Jahren er hat über hundert Paar Schuhe gehabt in Wien allein an die sechzig Paar in Neuhaus stehen überall Schuhe von ihm herum auch in Salmansdorf frau zittel Die Post hab ich in den kleinen weißen Sack gesteckt anna Ich hab überhaupt niemandem geschrieben daß der Vater tot ist die glauben alle er ist schon in Oxford Frau Zittel flüstert Herta etwas ins Ohr, beide gehen hinaus professor liebig Auf mich haben Friedhöfe immer eine deprimierende Wirkung Meine Frau lebt geradezu auf auf dem Friedhof frau liebig Ich bin immer auf die Friedhöfe gegangen schon mit meiner Großmutter professor liebig Auf den Friedhöfen kann man am besten die verschiedenen Familiengeschichten studieren gewisser Familien 128 129 professor robert Friedhofbesuche sind die nützlichsten sie dienen wie nichts der Belehrung und der Beruhigung nirgendwo sonst kann sich ein heute doch überall gestörter Kopf konzentrieren Von meiner Schwägerin bin ich ja Unpünktlichkeit gewohnt das hat meinen Bruder immer zur Verzweiflung gebracht daß sie so unpünktlich ist vor jeder Verabredung mit ihr hab ich mich gefürchtet Diese Niederreiter und eure Mutter in einem Auto das ist doch unvorstellbar Herta kommt mit einem Brotkorb herein und stellt ihn auf dem Tisch ab professor robert Ins Sacher zu gehen wäre doch das beste gewesen oder ganz einfach auf eine Kleinigkeit zum Sluka unter diesen Umständen aufkochen das kann auch nur der Frau Zittel einfallen %u Herta Wissen Sie in Wolfsegg habe ich einen Neffen das ist doch gleich über Ottnang der Hausruck ist eine schöne Gegend eine Bergarbeitergegend da gibt es doch ich erinnere mich nur die allerfreundlichsten allerbesten Leute Sie sind doch aus dieser Gegend herta Ja Herr Professor professor robert War Ihr Großvater nicht der Bergmann den die Nazis in das Konzentrationslager gesteckt haben weil er den Schweizer Sender gehört hat herta Ja Herr Professor professor robert Der Nachbar hat Ihren Großvater angezeigt und er ist ins Konzentrationslager gesteckt worden in Holland nicht wahr mein Bruder hat mir davon erzählt Die Großeltern waren noch tapfere Leute Herta geht hinaus anna Ihr Vater war Alkoholiker und die Mutter ist wegen wiederholten Diebstahls ein Jahr im Gefängnis gesessen professor robert Und die leben noch die Eltern anna Kein Mensch weiß wo sie sind tot sind sie nicht das steht fest aber kein Mensch weiß wo sie sind 130 professor liebig Man merkt es immer gleich das Oberösterreichische Professor robert schaut %um Fenster hinaus Alles in Auflösung begriffen Du hast schon als ganz kleines Kind gefroren dadurch war dir die Liebe aller sicher schaut %um Fenster hinaus Die Leute ahnen ja nicht daß die Katastrophe eintreten wird alles lenkt von der Katastrophe ab alles ist nur Ablenkung von der Katastrophe Das Fräulein Niederreiter wird euren Bruder heiraten und die Familie Schuster endgültig vernichten das kann auch sein das Fräulein Niederreiter bringt alles um ihr werdet sehen Eine Welt in der nurmehr noch gegafft wird die das Denken verlernt hat der Verdummungsprozeß ist nicht mehr aufzuhalten Es handelt sich um Shakespeare hat er gesagt das ist mir egal sie es handelt sich um Kleist das war ihr alles egal anna Ich dachte ein großer Kranz aus Narzissen aber das war falsch professor liebig Jeder Tote läßt nur lauter schlechtes Gewissen zurück herr landauer Es war doch ein gelungenes Begräbnis professor robert Alle Begräbnisse sind mißglückt sind sie pompös sind sie abstoßend sind sie die simpelsten sind sie abstoßend das Theater mit dem Tod mißglückt immer Das Fräulein Niederreiter wird Lukas zerstören es wird ihn vernichten Schauspielerinnen haben noch jede Familie zugrunde gerichtet Manchmal daran gedacht einmal nach Cambridge zu reisen aber jetzt nicht mehr die englische Zeit war die schönste die Kinderzeit und die englische Zeit %u Anna Du warst immer die Abgehärtete Und du die Empfindliche die Verhätschelte Dich friert immer Hast du den Muff noch 132 J33 olga Den Muff von der Mutter professor robert Ja den Muff von deiner Mutter olga Nein ich weiß nicht wo der Muff hingekommen ist professor robert Im Winter sind die Damen nie ohne Muff auf die Straße gegangen der Muff ist ganz aus der Mode gekommen nach dem Krieg hab ich keinen Muff mehr gesehen In der Rotenturmstraße hab ich Josef zum letztenmal gesehen am Lugeck ich hatte mit ihm einen Kaffee trinken wollen er lehnte aber ab der herzkranke Bruder hat ihn überlebt wir stellen uns ganz darauf ein daß wir zuerst sterben und bleiben übrig In den sechziger Jahren hätte er nach England zurückgehen müssen nicht neunzehnhundertachtundachtzig Wir hätten gar nicht nach Österreich zurückgehen dürfen Mir war es ja schon in England klar daß Österreich nicht mehr möglich ist In die Falle gegangen das ist es Die Mutter war die einzige Konsequente aber auf die Mutter hat niemand gehört In Wien will ich nicht einmal begraben sein hat sie immer gesagt es hat ihr nichts genützt Josef hat sich durchgesetzt Das Wienerische ist das Zerstörerische Zersetzende hat sie immer gesagt Die Politiker haben dieses Land ausgepreßt bis zum letzten zerstört entstellt vernichtet Was meinen Sie herr landauer Die Österreicher haben keine Wahl was der Österreicher auch wählt es ist niederträchtig professor liebig Es ist nur eine Frage der Zeit daß die Nazis wieder an der Macht sind alle Anzeichen sprechen dafür die Roten und die Schwarzen spielen alles den Nazis in die Hände professor robert Da geschieht ja gerade das das ein Großteil der Österreicher will daß der Nationalsozialismus herrscht unter der Oberfläche ist ja der Nationalsozialismus schon längst wieder an der Macht herr landauer Das Gespenst tritt auf einmal als starker Mann über Nacht auf Professor Robert schaut auf den Heldenplat^ Die Zukunft schon die nächste Zukunft Herr Landauer 134 13 5 wird Ihnen recht geben Für mich persönlich ist das alles kein Problem auf dem Döblinger Friedhof nicht mein Bruder Josef kann von Glück reden daß ihm ein so spontaner Abgang gelungen ist Ich habe Selbstmörder immer bewundert ich habe nie gedacht daß mein Bruder dazu imstande sein könnte Ach wissen Sie das Leben ist tatsächlich eine Komödie deutet auf die herumstehenden Kisten und Koffer auf allen diesen Kisten und Koffern steht Oxford und alles kommt nach Neuhaus mein Bruder hat ja die Wohnung schon verkauft an einen persischen Geschäftsmann der in Istanbul lebt ich kenne die Summe nicht es ist mir auch gleichgültig wieviel der Perser bezahlt hat Der Bösendorfer ist schon nach Oxford vorausgeschickt per Schiff wie in alten Zeiten %u Anna Jetzt kannst du zusehen wie der Bösendorfer wieder nach Wien zurückkommt Deine Mutter hat nie gut gespielt dilettantische Klimperei die Ännchenarie aus dem Freischütz zu mehr hat es nicht gereicht aber vergessen wir nicht was sie zeitlebens für uns getan hat f(U Professor Liebig und Herrn Landauer Zuerst glaubten wir alle es ist ein einmaliger Vorfall schließlich hat es sich zu einer chronischen Krankheit entwickelt beugt sich vor Sie hört seit Monaten wieder auf geradezu beängstigende Weise die Massen auf dem Heldenplatz schreien Sie wissen ja fünfzehnter März Hitler zieht auf dem Heldenplatz ein anna In Neuhaus hat sie die Anfälle nicht professor robert Medizinisch ganz leicht erklärbar aber nicht heilbar anna Ich bin froh daß die Wohnung verkauft ist Die Wohnung hat uns kein Glück gebracht professor robert Ich habe ja immer gesagt nicht in der Inneren Stadt wohnen die Fenster auf den Heldenplatz das ist ja Wahnsinn olga Die Mutter wollte ja nicht in die Wohnung 136 137 professor robert Tiefsitzender Schock sozusagen sie hat sich mit Händen und Füßen gegen diese Wohnung gewehrt aber Josef war wie besessen davon Da habe ich nicht weit in die Universität Schon gleich wie sie eingezogen waren hatte sie schon am ersten Tag den ersten Anfall Eine Marotte ist gedacht worden denn eure Mutter war ja immer eine Theatralikerin aber es saß doch tief es war kein Theater Gerade sie die immer Theater gemacht hat schließlich ein chronischer Krankheitsprozeß Wie spät ist es denn olga Drei Uhr Frau Zittel tritt ein, stellt einen Glaskrug mit Wasser auf den Tisch und geht ivieder hinaus professor robert Frau Professor Liebig Sie kennen doch Karlsbad sehr gut Was halten Sie von einer Kur in Karlsbad frau liebig Ich bin fünfzig Jahre nicht mehr in Karlsbad gewesen professor robert Aber Sie wissen doch wie es dort aussieht 138 frau liebig Ich weiß wie es vor fünfzig Jahren in Karlsbad ausgesehen hat professor robert Vor fünfzig Jahren natürlich wahrscheinlich schaut es jetzt in Karlsbad ganz anders aus ich war niemehr in der Tschechei Es soll sehr schöne Hotels geben in Karlsbad professor liebig Nach Karlsbad kann man nicht gehen Mag sein die Hotels sind dieselben das Mauerwerk ist dasselbe aber die Atmosphäre ist heute unerträglich überall wo der Kommunismus herrscht professor robert Wahrscheinlich wäre es auch ein Unsinn in meinem Alter nach Karlsbad zu fahren unter allen heutigen Umständen meine Eltern sind noch in fünf Stunden im Expreßzug von Wien nach Karlsbad gefahren Schlafwagen erster Klasse professor liebig Ab sechzig eine Kur zu machen wenn man nie eine Kur gemacht hat ist völlig unsinnig Die Monarchie war auch kein Idealzustand Glauben Sie es wird jemals wieder so etwas wie eine österreichische Monarchie geben 139 professor robert Nein nie Es wird nichts mehr geben nichts professor liebig Nichts professor robert Nichts professor liebig Wie hatten Sie denn seinerzeit den Lehrstuhl in Cambridge bekommen professor robert Durch Professor Strotzka den kannte ich aus Wien der war schon vierunddreißig nach England großartiger Mann nach dem Krieg hat er mir und meinem Bruder auch wieder in Wien die Professur verschafft der Professor Strotzka ist ja unser Lebensretter jetzt auch schon auf dem Döblinger Friedhof begraben alle diese großartigen Leute liegen auf dem Döblinger Friedhof auf dem Döblinger Friedhof und auf dem Grinzinger Friedhof liegen die österreichischen Geistesmenschen begraben ruft aus Strotzka Hat uns in Dover abgeholt und in sein Haus gebracht bei Reading kleine Villa immer bescheiden gelebt aber anspruchsvoll 140 die englischen Verhältnisse damals waren nicht die besten die englischen Regierungen waren schwachsinnig Nach Steinhof geflüchtet zu Strotzkas Bruder der war Primär in Steinhof zwölf Tage in Steinhof gezittert und dann in die Schweiz in Genf hausten wir in einem Kellerloch die Schweizer sind mir nicht in der besten Erinnerung die Schweizer sind ein charakterloses Volk insgesamt Aber Sie wissen ja Ausnahmen bestätigen die Regel Goethes Tasso gelesen im Genfer Kellerloch und das alles mit Anna und Olga Josef ging nach Oxford ich nach Cambridge aber es hat zwei Jahre gedauert bis wir eine Vorlesung machen durften und wir hatten in dieser Zeit auch kein Geld verdient professor liebig Meine Frau und ich waren acht Jahre in Caltanisetta versteckt wie Sie wissen professor robert Strotzka hat uns gerettet zweifellos übrigens ein hervorragender Wissenschaftler Frau Zittel tritt mit einem ^weiten Glaskrug voll Wasser ein, stellt ihn auf den Tisch und geht wieder hinaus 141 anna %u ihrem Onkel Wenn du dem Bürgermeister einmal ein Abendessen gibst wäre schon gewonnen Du kannst mit diesen Leuten so gut umgehen Professor Robert %u Professor Liebig Nach England zu gehen war ja ein großes Glück den Professor Strotzka habe ich noch im Dezember ein paarmal im Papageno in diesem verrauchten Gasthaus gesehen dahin ist er immer essen gegangen mit seiner Frau jetzt ist er auch schon tot Ich gehe ja jedesmal an seinem Grab vorüber auf dem Döblinger Friedhof Die eine Hälfte der Schuster liegt auf dem Grinzinger Friedhof die andere auf dem Döblinger Friedhof meine Frau ist nie in einen Park gegangen nur auf die Friedhöfe es ist ja auch nirgendwo schöner als auf den Friedhöfen schaut um sich Der Anblick von Gepäck ist mir immer ein fürchterlicher gewesen Das hat immer nur eine Reise ins Unglück bedeutet Frau Zittel kommt mit der Vase voller Schwertlilien herein, stellt sie auf den Tisch und geht wieder hinaus professor robert Blumen hat er gehaßt 142 Blumen und Katzen Das ist das erstemal daß die Frau Zittel hier Blumen aufstellt das hätte sie sich zu Lebzeiten meines Bruders nicht getraut Zum erstenmal und zum letztenmal In der freien Natur ja hat er immer gesagt im Haus nein herr landauer Ich bin in jede Vorlesung von Professor Schuster gegangen professor robert Er war immer pünktlich und er hat eine exakte Arbeit abgeliefert das war selbstverständlich Er hatte ja auch die meisten Zuhörer Er war natürlich mißtrauisch er mißtraute seinen Zuhörern Wenn sie ihn angesprochen haben seine Bücher betreffend erteilte er ihnen eine Abfuhr da war er unduldsam über seine Bücher hat er nicht reden wollen überhaupt war er kein gesprächiger Mensch Debatten haßte er nichts haßte er so wie Debatten Debatten führen zu nichts alle Welt debattiert und es kommt nur Unsinn heraus 143 hat er immer gesagt Er unterhielt sich ja auch mit mir nicht über seine Arbeit und es interessierte ihn im Grunde nicht was ich machte er fragte nie danach Mit dir ist ja alles in Ordnung hat er immer gesagt das war alles Ein eigentliches Gespräch haben wir das ganze Leben nicht miteinander geführt er war ein unzugänglicher Mensch wie gesagt wird Jede selbst die äußerste Anstrengung führt zu nichts hat er immer gesagt alles das gemacht wird ist sinnlos weil es letztenendes kopflos gemacht ist er war zu kompliziert um die Welt auszuhalten herr landauer Einmal habe ich ihn im Palmenhaus getroffen und er hat bedauert daß er nicht ein ganzes Jahrhundert früher gelebt hat Wir leben doch immer in der falschen Zeit hat er gesagt wir wollen alle nur in der Vergangenheit leben die haben wir uns so schön eingerichtet die Vergangenheit wie wir wollen kein Mensch will die Zukunft aber alle müssen sie in die Zukunft hineingehen dahinein wo es nur kalt und unfreundlich ist Ich habe den Professor immer verehrt professor robert Dabei war ihm Verehrung so zuwider nichts haßte er mehr als verehrt zu werden das verabscheute er die Verehrer haßte er wie die Pest %u Herrn Landauer direkt Aber ich weiß schon daß er zu Ihnen ein ausgezeichnetes Verhältnis gehabt hat dieses ausgezeichnete Verhältnis beruhte auf Gegenseitigkeit Selbst Zuneigung war ihm nicht recht er empfand das alles gleich als Besitzergreifung der Preis für Verehrung war ihm zu hoch den zu bezahlen war er nicht bereit Was er veröffentlicht hat war grundlegend ohne Zweifel aber er wollte dafür nicht verehrt werden Inruhegelassensein war sein höchstes Glück wenn man bei ihm überhaupt von Glück sprechen kann herr landauer An manchen Tagen sehe ich nur glückliche Menschen um mich das ist wahr Landauer hat er gesagt alle sind glücklich sie sehen alle glücklich aus und ich täusche mich nicht 144 145 in allen selbst in den ärmsten und armseligsten ist alles glücklich Landauer und dann sehe ich doch wieder nur daß sie alle zusammen todunglücklich sind professor liebig Er lebte doch sehr abgeschlossen in sich gekehrt wie gesagt wird herr landauer Einige Hörer hatten vor mit ihm nach Oxford zu gehen das wissen Sie sicher gar nicht professor robert Er hat absolut zuverlässige Anhänger gehabt er selbst wußte das nicht herr landauer Der Professor Schuster hat den größten Einfluß gehabt professor robert Das hat nicht unbedingt zu seiner Beliebtheit beigetragen die Kollegenschaft hat ihn doch nicht angenommen um nicht sagen zu müssen daß sie ihn gehaßt hat Die Universitätslehrer in Österreich sind ja heute fast ohne Ausnahme Provinz was die Denken nennen ist es ja nicht da fehlt es ja an den einfachsten Voraussetzungen das Denken an unseren Hochschulen kommt ja seit Jahrzehnten gar nicht mehr in Gang und dazu kommt auch noch die absolute nationalsozialistische und die absolute katholische Gesinnung die hier alles beherrscht Die heutigen Universitätslehrer sind von einer unglaublichen Primitivität ihre Ahnungslosigkeit ist eine katastrophale Wenn Sie bedenken daß an unseren Universitäten die wichtigsten Lehrstühle mit Tiroler und mit Salzburger Nazis besetzt sind kann das ja nur katastrophal sein Der Hochgebirgsstumpfsinn wird gepredigt heute das ist die Wahrheit der Wendekitsch ein unerträgliches Banausentum unterrichtet nurmehr noch den alpenländischen Schwachsinn nichts sonst früher kamen die Universitätslehrer aus dem Großbürgertum aus dem großbürgerlichen Judentum heute kommen sie aus dem verzogenen kleinbürgerlichen Proletariat und aus dem debilen Bauernstand die Situation ist beschämend heute gilt ja hier schon ein kleiner feister Leitartikelschreiber im Kurier als eine Geistesgröße und ein noch immer mit dem Analphabetismus ringender Vorstadtpopanz die Karikatur eines Sozialisten als Bundeskanzler 146 M7 als Staatsmann das sind die Tatsachen in diesem Kleinstaat ist alles schwachsinnig und die Geistesbedürfnisse sind auf das absolute Minimum heruntergeschraubt Kann schon sein daß Sie sich ein paarmal im Jahr in dieser Stadt wohl fühlen wenn Sie über den Kohlmarkt gehen oder über den Graben oder die Singerstraße hinunter in der Frühlingsluft wenn Sie es sich einmal mit größter Selbstverleugnung verbieten an die absolute Lächerlichkeit dieses Staates zu denken an seine Unzurechnungsfähigkeit Sie fallen ja immer wieder auf Österreich herein aber weil Sie einmal in einem Gasthaus gut essen oder in einem Kaffeehaus einen guten Kaffee trinken dürfen Sie doch nicht vergessen daß Sie sich in dem gemeingefährlichsten aller europäischen Staaten befinden wo die Schweinerei oberstes Gebot ist und wo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden Was für ein beneidenswerter Mensch doch der ist der die Kraft gehabt hat sich aus diesem Unstaat in das absolute Aus und ganz einfach auf den Döblinger Friedhof zu retten 148 Für unsereinen ist ja der Friedhof immer der einzige Ausweg gewesen Herr Kollege Liebig Frau zittel tritt ein und bleibt an der Tür stehen, flüstert Die Frau Professor kommt und geht wieder hinaus professor robert Na also Er will aufstehen, es gelingt ihm aber nicht, Anna hilft ihm auf. Alle stehen auf professor robert Da kommt sie ja die Schwägerin Die Frau Professor Schuster wird von ihrem Sohn Lukas und Frau Zittel hereingeführt Professor Robert geht auf sie %u und küßt ihr die Hand, Frau Zittel geht wieder hinaus und kommt mit einem Topf Suppe t^urück, bleibt mit dem Suppentopf an der Tür stehen lukas Wir haben einen Umweg gemacht wir haben das Fräulein Niederreiter nachhaus gebracht professor robert In meinem Alter ist Warten zur Gewohnheit geworden frau professor schuster Schließlich ist es ein Ausnahmetag Professor Liebig und Frau Liebig sowie Herr Landauer begrüßen die Frau Professor Schuster 149 professor robert das war schon als Kind mein Lieblingsessen Man muß sich in alles fügen %ur Frau Professor Schuster das haben wir in der Zwischenzeit gelernt Ich hätte dich gern im Taxi mitgenommen will sich an den Tisch setzen ich wollte nicht mit dieser Niederreiter A.nna und Olga rücken die Sessel an den Tisch, auch eine zusammentreffen Kiste, weil ein Sessel %u wenig ist frau professor schuster Lukas führt Frau Professor Schuster an den Tisch, sie Es war mit Lukas abgesprochen set^t sich daß er mich nachhaus bringt Professor Robert set%t sich ihr gegenüber professor robert Professor Liebig und Frau Liebig setzen sich, auch Olga Dich und diese Niederreiter und Herr Landauer; Wenn du nichts dagegen hast Olga set^t sich auf die Kiste bleib ich über Nacht bei euch Frau Zittel trägt die Suppe auf ich kann heute nicht mehr nach Neuhaus professor robert frau professor schuster Das ist wahrscheinlich das letztemal Das ist doch selbstverständlich daß hier gegessen wird frau zittel anna Das Bett für den Herrn Professor Robert Es gibt noch ein Nachtmahl ist schon überzogen professor robert Herta kommt herein, nimmt die Wasserkrüge und geht Ist es da nicht besser damit wieder hinaus ins Restaurant zu gehn Lukas ruft aus in irgendein Gasthaus Minna von Barnhelm schaut sich um das ist abgeschmacktes Theater anna als Ablenkungstheater allerdings Die Frau Zittel hat schon alles vorbereitet nicht zu unterschätzen sie hat das Wildpastetentörtchen vom Sluka %ur Mutter geholt In Nathan der Weise professor robert in diese verlogene Pathetik vom Sluka wäre ich mit dir gegangen 150 151 aber Minna von Barnhelm das ist zu lächerlich %h allen Tatsächlich ist das ja eine Überlegung wert ob es geschmackvoll ist sozusagen im Trauerzustand in diese verbissen komische Minna zu gehn In ein Requiem im Musikverein das fände doch sicher die allgemeine Zustimmung nicht wahr Onkel Robert andererseits ist Minna von Barnhelm doch Operette Dem Trauernden sollte Minna von Barnhelm dieses deutschnationale Operettchen gestattet sein Gerade der Trauernde darf nicht wählerisch sein Im übrigen werden in der Josefstadt selbst die allerernstesten Tragödien als Operette gespielt das ist das Charakteristische an der Josefstadt daß dort alles zur Operette gemacht wird Faust Fräulein Julie Dantons Tod das macht keinen Unterschied in der Josefstadt wird seit zweihundert Jahren nur Operette gespielt professor robert Das Burgtheater leidet darunter daß es sozusagen den Ernst gepachtet hat jeweils auf neunundneunzig Jahre das Lachen das die Leute in der Josefstadt so gemein macht wird ihnen im Burgtheater auf das gemeingefährlichste wieder ausgetrieben Die Theaterlage in Wien ist schon immer eine fatale absolut irreparabel lukas Das ist das Wienerische daß wir am Vormittag auf das Begräbnis des Vaters und Bruders gehn und am Abend in Minna von Barnhelm professor robert Das wäre doch der Gipfel der Geschmacklosigkeit lukas Die absolute Geschmacklosigkeit ist ja gerade das Wienerische Onkel Robert Das Fräulein Niederreiter spricht der Familie übrigens ihr tiefstes Beileid aus Frau Professor schuster Suppe essend Ich kann mir vorstellen daß ich allein eine Zeitlang in Oxford bin Alle essen Suppe Vielleicht ist es aber doch ein Unsinn nach Oxford zu gehn allein es ist das beste die Anna fährt mit dem Lukas hinüber und das Haus wird so schnell wie möglich verkauft %u Anna Hast du schon Post 152 153 anna Vom Vermittlungsbüro frau professor schuster Ja anna Nein frau professor schuster Das wird nicht leicht sein das Haus zu verkaufen Ich habs nicht einmal gesehen anna Vielleicht bleib ich eine Zeit in Oxford ich kann mich ja von der Nationalbibliothek beurlauben lassen die Olga kann ja auch mitkommen professor robert Das ist eine gute Idee anna Das wird ja Monate dauern bis das Haus wieder verkauft ist frau professor schuster Wir hätten schon gleich wie wir wieder nach Wien gekommen sind umkehren und nach Oxford zurückgehen sollen Ich war gleich zurückgegangen anna Es ist ja ein sehr schönes Haus fast zu schön für einen Philosophieprofessor frau professor schuster Der Josef war nicht davon abzubringen ich wollte ja nicht mehr er hatte sich das in den Kopf gesetzt zuerst wollte er nicht und ich wollte und dann wollte ich nicht und er wollte Er wollte ja nach Wien zurück nicht ich Wir hätten in Oxford bleiben sollen professor robert Als Geistesnest hat er Oxford bezeichnet Eigentlich hat er mich immer um Cambridge beneidet Der Kollege Liebig meint ob ihr das Haus nicht behalten und vermieten sollt sozusagen als euer englisches Schlupfloch im Hintergrund anna Jetzt wo der Vater tot ist hat das alles ja keinen Sinn mehr frau professor schuster Das Haus wird verkauft nicht an den Erstbesten natürlich Und ich will es auch gar nicht sehen jetzt nicht mehr 154 155 professor robert In Neuhaus wirst du dich erholen Die Olga kann doch eine Zeit in Neuhaus sein bei dir nicht wahr Olga olga Wenn die Mutter das wünscht . frau professor schuster Ich bleib ja nicht in Neuhaus ich halte ja Neuhaus nicht aus Was tu ich in Neuhaus Ich hab mich in Neuhaus immer gelangweilt Ich hab ja auch nicht die Kindheit in Neuhaus verbracht wie der Josef in Neuhaus hat es mir immer den Hals zugeschnürt im Grunde war ja auch der Josef nicht gern in Neuhaus das hat er sich immer nur eingeredet weil es ihm Robert eingeredet hat nein Neuhaus kommt nicht in Frage Ich werde mir im ersten Bezirk eine Wohnung kaufen möglichst zwischen Kohlmarkt und Graben so eine Dachwohnung wie sie jetzt überall gebaut werden es kann nicht zentral genug sein alles kann nicht zentral genug sein Die Essigfabrik wird verkauft %u Professor Robert direkt Ich hab nie verstanden wie du es in Neuhaus t ausgehalten hast j professor robert j Herr Landauer wird sich um den Hausverkauf I in Oxford kümmern er fährt mit Anna und Lukas hinüber Herta kommt mit den frisch gefüllten Wasserkrügen j herein und stellt sie auf dem Tisch ab I professor robert I Also werden keine Partezettel gedruckt : frau professor schuster i Keine anna Der Vater wollte keine Partezettel er hat nichts so gehaßt wie Partezettel olga Er hat alles genau festgelegt anna Bis ins kleinste professor robert Das entspricht ihm gar nicht ich bin ganz überrascht daß der Josef überhaupt ein Testament gemacht hat da bin ich doch sehr überrascht i %u den Liebigs und %u Herrn Landauer Das überrascht Sie doch sicher auch lukas Mich überrascht das nicht 156 !57 der Vater war doch ein Präzisionsfanatiker Er bestimmte doch alles den Zufallsbegriff hat es bei ihm nicht gegeben Übrigens hat er Stücke wie Minna von Barnhelm gehaßt Lessing ist der typisch deutsche Zeigefinger als Dichter pathetisch sentimental humorlos hat er gesagt An Lessing klammern sich die Deutschen die von Goethe genug haben wie an einen Rettungsanker für ihre Verlogenheit professor robert Das Theater war doch immer nur ekelhafte Wichtigtuerei aber natürlich verhilft es immer wieder zu aufregenden Familienanschlüssen Frau Professor schuster %u den Liebigs und %u Herrn Landauer Es ist ja schon alles eingepackt die Möbel sind schon in England den Speiszimmertisch wollten wir in Wien zurücklassen Das Besteck war auch schon eingepackt professor robert Gut daß das Gepäck noch nicht abgegangen ist nach England Das wäre ja dann eine perfekte Komödie alle schauen auf Professor Liebig wird morgen früh die Professorenschaft verständigen von Selbstmord wird nicht geredet in diesem Alter ist ja ein plötzlicher Tod ganz natürlich tagtäglich sterben in dieser Stadt Tausende einen natürlichen Tod Da werden viele richtig aufatmen wenn sie hören daß der Professor Schuster tot ist frau professor schuster Mein Mann hat bestimmt daß sein Tod erst eine Woche nach dem Begräbnis bekanntgemacht wird professor robert Das kann ruhig schon morgen mitgeteilt werden das stört ja jetzt niemanden mehr schließlich ist ja jetzt wirklich alles vorbei Herta, die bis jet^t hinter dem Professor Robert stehengeblieben war, geht hinaus Langsam anschwellender Aufschrei der Massen bei Hitlers Ankunft auf dem Heldenplat% neun^ehnhundertachtund-dreißig, der nur von Frau Professor Schuster gehört wird professor robert Der Tod ist das Natürlichste auf der Welt nicht wahr Kollege Liebig %u Frau Professor Schuster, die plötzlich steif geworden im Sessel sit%t und aufgehört hat Suppe $>u essen In Neuhaus wird dir die Frau Zittel 158 *59 ihre berühmten kalten Umschläge machen die Ruhe in Neuhaus hat mich immer krank Neuhaus wird dir bestimmt guttun Hedwig gemacht Bis du eine Wohnung gefunden hast professor robert kannst du ja alles in Neuhaus lassen Bei dir hat sich immer alles da ist Platz genug ganz anders ausgewirkt Die Kronberger versteht sich ja gut immer entgegengesetzt mit der Frau Zittel olga Und vielleicht bleibst du auch länger Ich war immer gern in Neuhaus in Neuhaus lukas wenn du erst in Neuhaus bist Ich hätte Neuhaus längst verkauft wird sich alles zeigen in diese stupiden Landnester verkriechen Alle bis auf Frau Professor Schuster löffeln ihre Suppe das ist doch nichts anderes ruhig weiter als Schlußmachen professor robert Neuhaus ist mir immer verhaßt gewesen Begräbnisse sind immer ich war auch nie gern in Baden etwas Fürchterliches Professor Robert ^u allen Wenn sie nur nicht auf dem Zentralfriedhof Mein Bruder Josef war ja ein Kurortehasser stattfinden lukas habe ich immer gedacht Auf dem Land altern die Leute auf dem Zentralfriedhof begraben zu sein doppelt so schnell wie in der Stadt das wäre selbst mir entsetzlich anna aber auf dem Döblinger Friedhof Die Abwechslung ist das Ideale olga einmal in Neuhaus Das Begräbnis war doch gerade richtig und dann wieder in Wien frau professor schuster und wieder in Neuhaus Neuhaus hat mich immer nervös gemacht Professor robert %u Professor Liebig vor Neuhaus hab ich mich immer gefürchtet Sie sollten auch einmal mich hat die Ruhe immer nervös gemacht nach Neuhaus kommen das hat der Josef nie verstanden seit zwanzig Jahren versprechen Sie 160 161 daß Sie nach Neuhaus kommen und Sie waren bis heute nicht in Neuhaus Neuhaus ist ja noch viel schöner als Baden Unser Vater hat das Haus in Neuhaus neunzehnhundertsiebzehn gekauft damals gehörten noch sechzehn Hektar Wiesen dazu Frau ZIttel tritt ein, bleibt aber an der Tür stehen Das Geschrei der Masse vom Heldenplat^ schwillt mehr und mehr an professor robert In Oxford war es ein ganz anderes Klima als in Cambridge in Oxford war es sehr ungünstig Frau Zittelgeht %u den Fenstern und schließt die Jalousien professor robert Das Tragische ist ja nicht daß mein Bruder tot ist daß wir zurückgeblieben sind ist das Fürchterliche Herta geht auch %u den Fenstern und bleibt an der Seite der Frau Zittel professor robert Lebenslängliche Anstrengung und immer alles in die höchsten Höhen hinaufgeschraubt und totale Zwecklosigkeit am Ende Drei Bände hatte er sich vorgenommen Sie wissen ja Die Zeichen der Zeit jetzt ist alles nur Stückwerk 162 ganze Haufen von Zetteln sonst nichts Das Geschrei vom Heldenplat^ schwillt auch beigeschlossenen Jalousien mehr und mehr an und hört nicht mehr auf Ich selbst bin ja wenn ich ehrlich bin nur der Musik zuliebe nach Österreich zurückgekommen die Universität war es nicht alles andere außer der Musik war es nicht Wien ist ja keine geistige Stadt mehr vor dem Krieg ja aber nach dem Krieg nicht mehr alles nurmehr noch künstlich aufgeblasen und ordinär nicht wahr Professor Liebig professor liebig . Ganz gewiß Herr Kollege lukas Ich finde Wien ist doch sehr amüsant amüsant interessant amüsant professor robert Wir hätten schon bei der Ankunft auf dem Westbahnhof umkehren sollen Wir sind in die Wiener Falle gegangen wir sind in die Österreichfalle gegangen Wir haben alle gedacht wir haben ein Vaterland aber wir haben keins lukas Vielleicht geh ich mit der Mutter 163 in die Minna Das hat er nicht mehr ausgehalten so ein blödes Stück unser unglücklicher Bruder hat schon oft Wunder gewirkt Da aber alle Österreicher unglücklich sind professor robert kann nicht gesagt werden Josef ist getäuscht worden daß nur e r ein unglücklicher Mensch gewesen ist wir alle sind getäuscht worden Frau ZIttel geht mit Herta %um Tisch und gibt dem Oxford wäre aber durchaus keine Lösung gewesen Professor Robert, dem Professor Liebig und seiner Frau Das Problem war ja daß es für meinen Bruder und dem Herrn Landauer Suppe nach überhaupt keine Lösung gegeben hat Professor robert während das Massengeschrei vom Die Frau Professor Schuster richtet sich noch höher auf Heldenplat^ herauf bis an die Grenze des Erträglichen und bleibt so starr sitzen anschwillt, laut professor robert Das Ganze war ja eine absurde Idee In diesem fürchterlichsten aller Staaten nach Wien zurückzugehen haben Sie ja nur die Wahl noch lauter zwischen schwarzen und roten Schweinen Aber die Welt besteht ja nur aus absurden Ideen ein unerträglicher Gestank breitet sich aus Die Frau Professor Schuster fällt mit dem Gesicht voraus von der Hofburg und vom Ballhausplatz auf die Tischplatte und vom Parlament Alle reagieren erschrocken über dieses ganze verluderte und verkommene Land Ende ruft aus Dieser kleine Staat ist ein großer Misthaufen professor liebig Wer Visionen hat braucht einen Arzt hat der Bundeskanzler gesagt professor robert Ja eine Ungeheuerlichkeit als Dummheit 164