PAULSCHULTZe-NAUMBURG KULTURARBEITEN BAND 3: DÖRPERu.KQLONIEN HERAUSGEGEBCN VOMkUNSTWART f| i f I I m i f ; » 1 II |i|i ii u f f , . f f . > f f i . T f I lii U i i l PAUL SCHULTZE-NAUMBURG KULTURARBEITEN BAND III PAUL SCHULTZE-NAUMBURG KULTURARBEITEN 5:0 BAND III: DÖRFER UND KOLONIEN ^z® HERAUSGEGEBEN VOM KUNSTWART ZWEITE VERMEHRTE UND VERBESSERTE AUFLAGE V V» GEORG D. W. CALLWEY, KUNSTWART-VERLAG MÜNCHEN 1908 Kgl. Hofbuchdruckerei Kastner & Callwey, München. Vorwort zum dritten Band TROTZDEM ich über die Absichten, die ich mit der Herausgabe der „Kulturarbeiten" verfolge, nämlich zum Nachdenken über die darin behandelten Fragen anzuregen, mich schon oft an den verschiedensten Stellen deutlich ausgesprochen habe, ist mir von mehreren Seiten der Vorwurf gemacht worden, dass meine Aufzählungen grosse Lücken hätten und nicht systematisch alle Bautypen be- rücksichtigten. Es scheint mir daher notwendig, auch hier nochmals ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass diese Bände in keiner Weise die Aufgabe haben, Vorlagewerke zu bilden und das Thema zu erschöpfen, also, wie etwa bei diesem Band, eine Übersicht über alle Formen des deutschen Bauernhauses zu geben. Zunächst war es sogar meine Absicht, die Reihe der Hauptprinzipien, auf die es mir ankam, an der Hand von nur einigen Bauernhöfen zu erörtern, die ich meiner nächsten Umgebung entnahm. Es kam dann mit der Zeit noch eine Anzahl besonders interessanter Beispiele aus andern Gegenden dazu. Der Versuchung, das Buch durch eine, wenn auch zusammengedrängte Übersicht über die wundervollen Bauernhäuser des übrigen Deutsch- VORWORT lands auszubauen, bin ich beharrlich aus dem Wege gegangen, da sich so das Thema gänzlich verschoben hätte. Zudem arbeitet ein Kreis von Männern an einem grossen Werke zur planmässigen Aufnahme guter älterer bäuerlicher Kunst und Bauweise, das unter dem Titel „Das deutsche Bauernhaus" erscheint* Es ist also durchaus notwendig, beide Absichten getrennt zu halten. Gerade deswegen, weil ich hier in meinem Buch vorzugsweise nur die Grundformen einer Gegend bringe, werden die Leser anderer Gegenden dazu angeregt, die Bautypen ihrer Heimat zu beobachten, die Unterschiede, Abweichungen oder Abwandlungen festzustellen und das Ergebnis in photographischen oder zeichnerischen Aufnahmen festzuhalten. Die Betrachtungen über die Wohnhaus-Kolonien habe ich deswegen an die Dörfer angegliedert, weil ich, wie ich im Text weiter ausführe, der Ansicht bin, dass sich die Kolonien in ihrer überwiegenden Mehrzahl aus der Überlieferung des Bauernhauses entwickeln müssen. Wo die Aufgaben, wie in reichen Villenkolonien, anderer Natur sind, werde ich in weiteren Bänden eingehender darauf zurückkommen. Saaleck i/Th. PAUL SCHULTZE-NAUMBÜRG * Inzwischen erschienen. Vorwort zur zweiten Auflage ZUR neuen Auflage ist prinzipiell nichts zu bemerken. Die typographische Anordnung hat sich dem in den andern neuen Bänden der Kulturarbeiten gewählten System angeschlossen; Text und Bilder sind wesentlich vermehrt und verändert worden. Saaleck i/Th. PAUL SCHULTZE-NAUMBURG DÖRFER Es gibt Leute, die behaupten, unsere Dörfer müssten verschwinden. Bei der Diskussion über die Formen unserer Häuser und Gärten wird man auch mit dem schlimmsten Gegner immer insofern ein Stück gemeinsamen Boden haben, als Wohnhäuser und Gärten immer als notwendige Anlagen gelten müssen, so lange es Menschen gibt. Kommen wir hier zum Thema Dörfer, so erweitert sich das Gebiet der Streitpunkte recht erheblich. Denn hier kann man einen Standpunkt einnehmen, der von vomherein die Daseinsberechtigung unserer Bauerndörfer leugnet, mit der Begründung, dass unsere Dörfer als Kunstform eben deswegen auf der Aussterbeliste ständen, weil sie überhaupt keine Kunstform der Zukunft wären. Dieser Standpunkt der Betrachtung führt sogleich in den Kreis ganz allgemein menschlicher Entwicklungsfragen hinein. Wenn heute von solchen auch viel die Rede ist, so ist doch die Zahl derer gering, die mit der beobachtenden Ruhe des Naturforschers an der Verwirklichung von Zukunftsträumen mitarbeiten, und das meiste, das darüber geäussert wird, klingt nach kurzsichtiger Einseitigkeit des Schultze-Naumburg, Kulturarbeiten 111 1 erregten Parteigängers, den im Grunde enge Interessen in die Rolle des Zukunftsuchers drängen. Gewiss, es ist möglich, dass sich mit der Zeit die Völkerbeziehungen dahin entwickeln, dass unser Heimatland nicht mehr aus' weiten, bebauten Flächen von Ackerland besteht. Man kann sich solchen Zukunftstraum ausmalen. Wir hätten die ganze Erde der Kultur gewonnen. Unermessliche Landstrecken, deren klimatische Verhältnisse in ganz besonders hohem Grade dazu geeignet wären, durch pflanzliche Fruchtbarkeit die Brotkammer der Erde zu werden, hätten sich dem menschlichen Besitz zuaddiert. Andere, deren Landschaftscharakter auf die Viehweide hinwiese, sorgten für die tierische Nahrung der Menschheit, soweit sie dieser blutigen Opfer noch bedürfte. In unseren nordischen Ländern dagegen, in denen man, im Vergleich mit den Tropen, nur mit Mühe der Erde die Nahrung abgewinnen kann, hätte man auf dies undankbare Geschäft ganz verzichtet, da der allgemeine Weltfriede die Sorge um ein Aushungern eines ganzen Landes überflüssig machte. Aber gerade unter diesem' kalten nordischen Himmel hätte sich die Intelligenz der Menschheit konzentriert, hier wäre ihr Kopf zu Hause. Da man sich auch nicht mehr die Mühe machte, die Rohstoffe vor ihrer Verarbeitung erst durch die ganze Welt zu schleppen, hätten sich die Fabrikationen nach den Gebieten gezogen, wo die jeweiligen Rohprodukte gewonnen würden. Deutschland wäre deshalb durchaus nicht so von Fabriken erstickt, dass es zu einer Stätte des Grauens geworden wäre, denn auch die beschränkte Anzahl von Fabriken, die selbstverständlich keine Schlote mit Qualm mehr brauchten, da ihnen die elektrische Kraft von fern her zugeleitet würde, wären in lichten, freundlichen Arbeitsräumen untergebracht. Das Land zwischen diesen und den Wohnhäusern wäre in einen grossen Garten verwandelt, in dem das Bauen von Feldfrüchten nur noch ein gesunder Sport von einzelnen wäre. Da es aber eine planmässig betriebene Landwirtschaft hier nicht mehr gäbe — wozu dann noch Dörfer? Man würde das Wort mit einem gewissen romantischen Zauber umgeben, wie heute das Wort „Ritterburgen". Aber man würde keine Dörfer mehr bauen. Ich meinerseits neige der Ansicht zu, eine solche Entwicklung in einer fernen Zukunft für wahrscheinlich, ja sogar für wünschenswert zu halten. Eine ganz andere Antwort erheischt sie aber, wenn man die Frage so stellt: Was tut uns heute not? Man kann sich sehr wohl in seinen Mussestunden einmal mit Zukunftsphantasterei abgeben und doch, wenn man danach zur Arbeit schreitet, den Faden der Arbeit da weiterspinnen, wo man aufgehört hat. Und man kann sehr wohl solch allgemeine Entwicklungsideen mit sich herumtragen und doch ganz genau wissen, dass es Unsinn, ja gefahrbringend wäre, die Kontrolle darüber, auf welchem Standpunkt wir heute stehen, und das Bewusstsein davon, was die Stunde fordert, zu verlieren. 1* BEISPIEL |;i;;^.;ii,ijJ!il!lSir:i;HO!i'fliii aZA lf»SIIH' Abbildung 1 Und das, was die Stunde fordert, ist etwas ganz anderes. Noch ist die Menschheit nicht bis zu den Höhen sittlicher Entwicklung gestiegen, wo Menschen friedlich neben Menschen hausen könnten. Noch ist die Raubtiernatur nicht überwunden, die stets bereit ist, dem ermüdenden Gegner auf den Nacken zu springen. Ja, noch ist auch der Wille des Lebens im Menschen noch nicht geläutert genug, um dieses Anpeitschen zum Wettlauf entbehren zu können. Noch fusst seine Existenz auf dieser Raubtiernatur. Noch ist Deutschland ein von Waffen umstarrtes, in Waffen starrendes Land, das seine Brotmagazine und GEGENBEISPIEL Abbildung 2 seine Fleischkammern nicht leer werden lassen darf; noch muss es wie jedes andere Land eine kleine Welt für sich bilden und kann noch nicht teilnehmen an den Segnungen einer leichten Arbeitsteilung nach grossen, weisen Gesichtspunkten. Und doch können wir wohl auch hierin unsere Hoffnung für die fernste Zukunft getrost auf das setzen, was wir Menschheitsentwicklung nennen. Diese grossen Erziehungsresultate treten, betrachtet man es recht bei Licht, doch immer noch in überschaubaren Epochen ein. Man müsste jedes Kulturbild, wie geschichtliche Forschung es uns rekonstruiert, leugnen, wollte man nicht sehen, dass BEISPIEL Abbildung 3 vom Mittelalter bis heute gerade auf diesem Gebiet ein mächtiger Schritt zur Menschheitsentwicklung getan ist. Gewiss, wir haben in diesem wirren, aufgeregten IQ. Jahrhundert viel, viel verloren. Diese Bücher werden dazu geschrieben, um daran zu gemahnen. Aber noch können wir es wiedergewinnen. Und es hiesse geradezu: nicht sehen wollen, dass es auch etwas bedeutet, dass der Andersgläubige nicht mehr gefoltert, dass die Hexe nicht mehr verbrannt, der Kranke nicht mehr mit Aberglauben ge- GEGENBEISPIEL -'^^l BEISPIEL Abbildung 5 haben mögen, dass es bei uns keinen Bauernstand und keine grosse Landwirtschaft mehr gäbe, sondern in denen nur der einzelne im Privatleben wieder so weit zur uralten Form des Ackerbaues zurückkehrt, wie die Verheissung des dort zu erntenden menschHchen Glückes ihn triebe. Dass dann natürlich die Form der Dörfer antiquarisch geworden wäre, ist selbstverständlich. GEGENBEISPIEL Abbildung 6 Aber man sollte doch das Fell des Bären nicht früher verkaufen, als man ihn hat. Und mir scheint, dass das augenblicklich in Deutschland recht reichlich geschieht. Ich nehme hier ein gewisses Gebiet, das mir am nächsten liegt, heraus, um an ihm die Erscheinung näher zu beschreiben : die Kunst. Seitdem bei uns eine beachtete Literatur über die Forderung von Zukunftsformen entstanden ist, ist auch gleich die Kehrseite einer jeden neuen Erkenntnis da : die Narren BEISPIEL 10 Abbildung 7 der neusten Mode. Es entzieht sich meiner Beurteilung^ ob dies auch auf den Gebieten der Fall ist, die die Frage vom rein sozialen Standpunkt aus behandeln. Auf dem Gebiet mit künstlerischen Gesichtspunkten fangen aber 11 GEGENBEISPIEL Abbildung 8 die Anzeichen bereits an, bedenklich zu werden. Wenn man der Wahrhaftigkeit der Aussprüche unserer Mitmenschen immer ganz glauben wollte, so müssten wir uns heute in einem Lande der Zukunftsdeuter befinden. BEISPIEL 12 Abbildung 9 Einige Sucher auf dem Gebiete der Kunsterkenntnis waren zum Teil auf dem Wege der Erfahrung, zum Teil auf dem des einfachen Nachdenkens zu dem Satze gelangt, man dürfe, falls ein neuer Stil mit neuen Formen sich entwickeln sollte, in diesen Formen nichts Unberechtigtes sehen. Denn die Beobachtung der Vergangenheit könne uns lehren, dass jeder Zeitabschnitt seinen eigenen Stil gehabt habe. Darum könne wohl auch unsere Zeit ihren eigenen haben. 13 GEGENBEISPIEL Abbildung 10 Gegen solche Ideen ist rein theoretisch nichts einzuwenden. Solange man die Wahrheit in ihrem Kernpunkte auffasst: dass, wenn ein neuer Sinn aufträte, eine neue Form diesen ausdrücken müsste, weil nämlich die Form immer der wahrhaftige Ausdruck des dem Dinge innewohnenden Sinnes sein müsse. Wir können aber mit einem Schlagwort wie dem angeführten nicht wie mit der Elle messen. Wenn wir dem seltsamen Werden der Kultur mittels des Intellekts in seine Geheimnisse dringen wollen, so müssen wir das mit weit grösserem Scharfsinn anstellen. 14 Abbildung 11 als das heute mit der so beliebten Oberflächlichkeit geschieht, die die Sache rasch mit dem Modeschlagwort abtut. Nicht allein, dass man mit allen programmmässig gezüchteten Zukunftskunstformen selten den Weg des natürlichen Wachstums einschlägt — auch die Theorien leiden meist an einer Krampfhaftigkeit, die sie bis zur Wertlosigkeit hinunterbringt. Der grosse Denkfehler, den jene Neuerer um jeden Preis begangen haben, war der, dass sie einen Analogieschluss auf die Vergangenheit zu ziehen glaubten, als sie 15 den Satz aufstellten : jeder Zeitabschnitt der Vergangenheit hat seinen eigenen Stil gehabt, deswegen dürfen wir nicht in den überkommenen Formen weiter schaffen. Denn sie sind nicht unsere Formen. Dieser Satz ist falsch gestellt. Es ist nämlich durchaus nicht richtig, dass alle Zeiten immer wieder ganz andere Formen gehabt haben. Ganz sicher hatte jede ihre charakteristischen Stilformen, besonders in der schwankenden Mode der höfischen Luxuskunst, und am ausgesprochensten im Ornament; ausserdem aber gab es immer noch Grundformen menschlich-künstlerischer Gestaltung, die zahlreichen Epochen hintereinander gemeinsam waren, und deren Veränderungen jedenfalls nur ganz langsam vor sich gingen. Die Jünger dieser Richtung reden immer von Stil, Stil und wieder Stil. Und wenn man sie dann recht aufs Gewissen fragt, dann entdeckt man, dass sie dabei regelmässig nur an die ornamentalen Schmuckformen denken, die auf den grossen Bauformen draufsitzen. Will man denn nicht endlich zur Einsicht kommen, dass es neben diesen Schmuckformen der Stile, die etwa den Blüten vergleichbar sind, noch etwas Stabileres gibt, das gleichsam den Unterbau zu allem Verästel darstellt: die starken Wurzeln und den Stamm, der das bewegte Spiel der Spitzen nicht mitmacht? Man betrachte die Entwicklung des menschlichen Hauses im Norden. Neben dem Renaissancehaus, dem BEISPIEL 16 1 ^^^^1 17 GEGENBEISPIEL Abbildung 13 lässt er es ärgerlich abreissen. Und auf die merkwürdige Idee, auf dieses Urhaus hinzuweisen, wenn es gilt, den Entwicklungsgang unserer Bauformen historisch darzustellen, ist noch keiner gekommen. Wenigstens keiner von der Zunft. Es ist das schlichte deutsche Haus. Es hat auch noch einen kleinen Bruder. Das ist das Bauernhaus. Aber auch dem ist es bisher nicht besser ergangen. Es ist überhaupt Schultze-Naumburg, Kulturarbeiten III 2 18 Abbildung li nur dann gesehen worden, wenn es sein bescheidenes Dasein mit irgendeinem Ornament, einer Holzschnitzerei oder was dergleichen mehr ist, als berechtigt erweisen konnte. Dann ist ihm hie und da die Ehre angetan worden, „imitiert" zu werden. — Ich will von diesem Typus nun nicht behaupten, dass er alle Phasen seiner Entwicklung durchlaufen habe und keiner Erweiterung, Bereicherung fähig sei. Im Gegenteil. Ich wüsste nicht, wozu der technische und wissenschaftliche Verstoss des 19. Jahrhunderts geschehen sein sollte, wenn wir ihn nicht anwendeten. Es wäre also durchaus zu erwarten, dass wir all das, was wir auf dem Gebiet der Gesundheitslehre, der Technik usw. gelernt haben, dem alten Besitz einverleibten. Aber ein Weiterentwickeln ist doch nur dann möglich, wenn man es versteht, den erworbenen Schatz zu erhalten. Und mit welcher Ahnungslosigkeit ist man mit diesem Erbe umgegangen; ja, es haben sich immer wieder Phrasenhelden gefunden, die diesen Treubruch an den Traditionen und die dafür eingetauschte Hilflosigkeit und Haltlosigkeit gutheissen und zugunsten der beliebten „Zukunftsformen" ausbeuten möchten. Nun gibt es aber wenig Konservativeres, als das Leben des Bauern. Man mag sagen, was man will; da, wo der Bauer noch Landmann ist, haben sich seine Lebensformen nicht so geändert, dass die überlieferten Formen der Dörfer für ihn eine formale Lüge bedeuteten. Und da die dörfischen Bauten doch auch heute noch eine ganz gewaltige Rolle spielen, wäre es unsere Pflicht, zu den einfachen, schlichten, aber doch schon so hoch entwickelten Grundformen zurückzukehren. Ja, selbst wenn der Bauer verschwunden wäre, hätte man allen Grund, sein Erbe, die Form des Bauernhauses, nicht verkommen zu lassen. Denn der Schatz, der im Bauernhause als Kunstform niedergelegt ist, birgt die höchsten Werte für die Formen der menschüchen Behausung überhaupt. Denn es ist die Keimform des fein organisierten kleinen nordischen Wohnhauses. Die Sehnsucht unserer neuen Generation, soweit sie 2* BEISPIEL 20 Abbildung 15 unsere Wohnstätten umfasst, zielt auf die Wiedergründung einer feinen, stillen bürgerlichen Kultur, in der sie die Ruhe und das Behagen wenigstens zwischen ihren vier 21 GEGENBEISPIEL Abbildung 16 Wänden findet, zu dem der Existenzkampf draussen sie sonst nicht kommen lässt. Aber je nach Stand, Herkunft, Besitz oder auch Neigung teilt sich diese Generation doch deutlich merkbar in 22 Abbildung 17 zwei Klassen. Die eine, die mehr die wohlhabende, behäbige bürgerliche Kultur ihr Eigen nennt; die andere, die eine bescheidenere, ländlichere Form für sich erringen will. Ich denke an den sich überall mit Macht verbreitenden Trieb, weit draussen vor der Stadt, in der Ruhe des Waldes, der Wiesen, zwischen den Feldern, Wohnhauskolonien zu gründen, die auch den bescheidensten Ansprüchen gerecht werden sollten. Ja, gerade von diesen scheint die Hauptbewegung auszugehen. 23 Diese Kolonieformen sind zwar in dieser Ausdehnung und Verbreitung neu. Aber auch diese Ansiedler sind doch nicht Heimatlose, sondern sie haben ihre Geschichte und ihr Herkommen. Vornehmheit ist die Treue gegen die Tugenden der Vorfahren. Was liegt also näher, als dass sie die aus Holz und Stein sprechenden Tugenden ihrer Ahnen, die Formen des deutschen Bauernhauses in Ehren halten und sie auf ihre Wohnstätten übernehmen? Niemand, der mir bis hierher mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, wird auf die Idee kommen, ich wollte ein unwürdiges Spielen mit Bauernhausimitationen empfehlen. Der Himmel behüte uns vor noch mehr solchen Schweizerhäusern und skandinavischen Blockhäusern, wie sie neulich — ich weiss nicht, ob augenblicklich noch — Mode waren. Sondern es handelt sich um das Weiterführen und Anpassen, genau wie es die Jahrhunderte hindurch Brauch war. Wie weit dies möglich ist, will ich im zweiten Teil dieses Bandes über Kolonien zu erweisen suchen. H Das Endergebnis der Betrachtungen in den vorhergehenden Bänden der Kulturarbeiten war immer, dass die Arbeiten aus älterer Zeit sachlicher, praktischer und vornehmer, die neueren unsachlicher, unpraktischer und unvornehmer waren, und dass diese Eigenschaften sich der- BEISPIEL 24 Abbildung 18 artig im Aeussern ausdrückten, dass bei vorurteilslosem Betrachten ihr inneres Wesen schnell dem Auge sich enthüllte. Man kam am Ende zu dem Schluss: unsere ästhetische Kultur, soweit sie sich in den sichtbaren Zeugnissen unserer baulichen Anlagen kundgibt, ist kopflos, wirr und ohne Harmonie, und der Ausdruck ihres Aeussern ist gemein. Wenn wir erkannt haben, dass diese Urteile „schön" und „hässlich", die unser Auge fällt, solange es nicht verkünstelt und verdorben ist, nichts weiter bedeuten als „gut" 25 GEGENBEISPIEL Abbildung 19 und „schlecht", so stehen wir vor der Frage: ist unsere Zeit nun wirkHch so niedrig, wie diese ihre Werke es erzählen, und war die alte Zeit wirklich so ausserordentlich BEISPIEL 26 Abbildung 20 vernünftig, harmonisch und gut, wie es beim Betrachten ihrer hinterlassenen Werke scheinen will, oder aber: „trügt der Schein?" Man kann die Schuld teilen und die eine Hälfte reichlich dem sittlichen Charakter unserer Zeit aufbürden. Wenn auch der Gang der tatsächlichen Entwicklung späteren Jahren klarer und einfacher erscheinen wird, als uns heute 27 GEGENBEISPIEL Abbildung 21 aus der Nähe, so wird doch die Kultur, zumal der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, recht wie ein brodelnder Hexenkessel aussehen, in dem die treibenden Kräfte der Zukunft wirr durcheinander kochen. Zur einen Hälfte reden also die Werke wahr, zur anderen aber, so wollen wir hoffen, trügt in der Tat der Schein, und unsere Zeit hat denn doch bessere Eigenschaften, als sie in ihren Gesichtszügen verrät. Die Schuld aber dafür ist dem System aufzu- BEISPIEL 28 Abbildung 22 bürden, nach dem seit beinahe hundert Jahren der Baum der ästhetischen Kultur des Sichtbaren bei uns gepflegt wurde, bis er dann nahe am Eingehen war. Wie das kam, davon brauchen wir heute nicht wieder zu sprechen, die Tatsache aber wissen wir alle: wir sind vom guten Wege ab und in den Graben gekommen, als wir die Ueberlieferung ausser acht Hessen. Und die heute so mühsam gesuchten neuen Formen wären wahrscheinlich 29 GEGENBEISPIEL Abbildung 23 längst als üppige Blüten aufgegangen, wenn man den guten, gepflegten Boden ihres Wachstums nicht zerstört hätte. Steiniges, dürres Land gibt taube Früchte. Mit Bildern lässt sich das anschaulicher machen, als mit Worten. Abb. 1 und 2 zeigen zwei Bauernhöfe, der eine im Jahre 1796, der andere 1900 erbaut. Der erste vertritt durchaus den Typus des guten alten Bauernhofes aus Mitteldeutschland, der andere das heimatlose Schema, 30 Abbildung 24 nach dem heute überall in deutschen Landen gebaut wird, das Schema, das nicht mehr Dorf- und doch nicht Stadtgepräge trägt und von zehntausend Reissbrettern her übers Land wuchert. Die Aufgabe aller meiner vorausgehenden Bände war, den umständlichen, aber überzeugenden Beweis dafür zu führen, dass das häufig gehörte Wort: ja, das alte Haus sei ja malerischer, das neue aber für die Benutzung zweckdienlicher — eine oberflächliche Redensart ist und nicht 31 mehr. Auch an diesen beiden Beispielen Hesse dieser Beweis sich durchführen, wie ich es weiterhin bei einer Reihe von Bauernhöfen tun werde: nicht allein, dass das alte Haus als der Ausdruck eines behaglichen, menschenwürdigen Daseins und das neue als der eines freudlosen, höheren Zuchthäuslerdaseins erscheint, sondern auch, dass die alte Anlage in jeder Beziehung sachlicher, praktischer, harmonischer und fester ist als die neue und sie an Uebersichtlichkeit und Kraft des Ausdrucks himmelweit überragt. Wenn das Auge das alles mit dem ihm eigenen Urteil „schön" zusammenfasst, so kann der Verstand die Ursachen dieser Schönheitsempfindung der Reihe nach zerlegen in Teile, die nicht aus dem Wolkenkuckucksheim irgendeiner Theorie stammen, sondern praktischethische Werte des Lebens bedeuten. Kein Zweifel, das alte Bauernhaus ist ein abgerundetes Kunstwerk, denn es drückt den vollkommenen Zweck „Bauernhaus" in vollkommener Weise aus. Man sollte denken: der Mann, der das „schuf", war ein Genie, Der ländliche Baumeister aber, der im Jahre 1796 baute, war höchstwahrscheinlich kein Genie. All die Baumeister aus der Umgegend waren es auch nicht — und trotzdem sehen alle alten Bauernhöfe dort und weit umher gleich gelungen aus, wie sehr auch ihre Formen im einzelnen variieren. Tatsächlich enthüllt sich hier, gerade wie auf dem Gebiet der darstellenden Kunst, das ganze Geheimnis der leichten und vollkommenen Ausdrucks- 32 Abbildung 25 fähigkeit der Alten. Sie hüteten sich davor, kurzer Hand aus Eigenem heraus das leisten zu wollen, was nur die Arbeitssumme von Geschlechtern sein kann : das Gestalten des Typus, den der Künstler auswendig beherrschen muss, um ihn dann der Einzelaufgabe entsprechend abzuwandeln. Was von der darstellenden Kunst gilt, trifft nicht minder 33 ZU bei der angewandten Kunst. Nirgends handelt sich's mehr als bei der Baukunst um einen durch ungeheure Summen von Arbeitsleistungen bis auf das äusserste entwickelten feststehenden Typus, den der Künstler auswendig beherrschen muss, um ihn dem Einzelfalle anzupassen. Wenden wir uns zurück zu unserm Bilde. All die in ihrer höchsten Einfachheit so schöne Gestaltung dieses Hauses: die auf das feinste abgewogenen Verhältnisse, der stets richtige und schlichte Ausdruck des sinnreich verwendeten Materials, die wohltuende Verteilung der Räume und Bauglieder, die zum Auge sofort von behaglicher Lebensführung spricht, alles das sind nicht Neuschöpfungen des Mannes, der das Haus da erbaute. Sondern die gestaltende Lösung all der Aufgaben ist das Werk einer langen Reihe suchender, versuchender und denkender Köpfe, die durch Jahrhunderte weiter vervollkommneten, während Legionen fleissig ausführender Hände das Ueberlieferte als heiliges Besitztum sorgfältig bewahrten und weitertrugen. Deshalb waren jene so reich, und weil wir die Tradition verliessen, deshalb sind wir, trotz allen Holzerkern, Schnörkeln und Spitzchen, mit denen wir uns zu putzen suchen, so bettelarm. Der Mann, der im Jahre 1796 den Auftrag erhielt, einen mittleren Bauernhof zu bauen, stand nicht mit einem Mal vor der ungeheuren Aufgabe, den sinnfälligen Ausdruck für den Begriff: Deutscher Bauernhof zu gestalten, sondern er wusste dank der Vorarbeit von Vielen ganz genau, wie dieser auszusehen habe, Schultze-Naumburg, Kulturarbeiten 111 3 BEISPIEL 34 Abbildung 26 in einer Weise, die den Bediirfnissen und dem Material der Gegend auf das beste entspräche. Der Typus stand fest, er brauchte ihn nur dem Sonderfall anzupassen. War er dazu ein erfindungsreicher und gestaltender Kopf, so brachte er kleine Vervollkommnungen an und führte damit die Entwicklung gemäss veränderten Bedingungen oder neuem Material um ein bescheidenes Stückchen weiter. Nie wäre es dem Manne in den Sinn gekommen, dass es möglich sei, von dieser Tradition vollkommen abzuweichen 35 GEGENBEISPIEL Abbildung 27 und ein Haus zu bauen, das alles aufgibt, was die Vorzeit ^gestaltet hat. Neue, völlige Um- und Neugestaltungen blieben das Vorrecht der Genies, wie ihrer ein jedes Jahrhundert nur wenige hervorbringt. Jenes „bescheidene Stückchen" Neuerung aber war dann wirklicher, dauernder Erwerb, nicht nur Scheinerwerb, wie all die „Nouveautes" unserer modischen Bauerei, die auf der grossen Jagd durch die Stile vorgestern erbeutet und gestern verlassen wurden. 36 Abbildung 28 Wenn heute ein Maurermeister den Auftrag erhält, einen Bauernhof zu bauen, so tritt nicht mit einem Schlage die feste und gefestigte Anschauung: Bauernhof in seine Vorstellung mit der Ueberzeugung : so und nicht anders soll die Anlage aussehen, sondern er sucht in seiner Vorlagensammlung, wie er sie von der Baugewerkeschule her hat oder wie sie ihm für die neuesten Moden der Reisende ins Haus bringt, etwas aus, wie es ihm nach seinem un- 37 erzogenen und beschränkten Urteil passend erscheint. Das Durchschnittsschaffen aber bedarf des festen Halts, wie die Ueberlieferung ihn verlieh. Oder aber es reisst planund ziellose Willkür ein, denn wir können nicht erwarten, dass die grosse Masse der ausführenden Köpfe durch den Bruch mit der Ueberlieferung plötzlich zu lauter echten gestaltenden Künstlern geworden sei. Einen Typus zeigt Abb. 2 allerdings auch und noch dazu einen ganz neuen. Aber er ist nicht natürlich gewachsen, sondern dürftige Köpfe haben ihn fern vom Leben auf dem Reissbrett zusammengequält, ohne sich im geringsten auf die endlose Erfahrungsfülle von gefundenen Lebensformen zu stützen. Nur die eben nicht zu entbehrenden .konstruktiven Kenntnisse sind übernommen, im übrigen ist alles öde Gedankenarmut. Auf das Gestalten haben sie von vornherein verzichtet, weil sie gar nicht mehr fühlten, was das ist. Bei ihnen verkehrt sich alles nur in die Begriffe billig und teuer und danach in die Anschauung: einfach oder — verziert. Die RaumgLiederung, die Grundrisslösung, die Hauptsache am ganzen Bau, wird ohne Verständnis fürs Leben und ohne Gefühl für das Behagen des Lebens gemacht. So schwankt die Gestaltung immer zwischen einem freudlosen schematischen Einteilen in kubische Hohlräume und läppischer Spielerei mit unverstandenen „Motiven", wie die teureren Bauten sie zeigen, hin und her. Es geschieht also nicht ohne bewussten Grund, wenn BEISPIEL 38 Abbildung 29 hier im folgenden immer wieder auf gute alte Bauformen als (jegensatz zu schlechten neuen zurückgegriffen wird. Nicht antiquarischen Idealen soll gehuldigt werden, sondern die Wiederanknüpfung an die letzten guten Ueberlieferungen soll gefördert werden, nicht, um eine Weiterentwicklung überflüssig zu machen, sondern um die Weiter- 39 GEGENBEISPIEL Abbildrng 30 entwicklung auf einem festen Baugrunde überhaupt erst wieder recht zu ermöglichen. m 40 Abbilduag 31 lieber die Zerstörung unserer Dörfer ist schon verhältnismässig viel gesprochen und geschrieben worden. Es ist aber noch lange nicht genug darüber gesprochen und geschrieben worden. Und verstanden hat man's meist falsch. „Ja, das ist ja für den Malerstandpunkt ganz schön/' hört man dann wohl, „aber die Leute können doch nicht in malerischen Ruinen wohnen. Was haben denn 41 auch die Bauern davon, wenn ihre Dörfer „romantisch" sind, das macht ja doch eigenthch bloss den Touristen Spass. Es wäre nur gut, wenn man auch in den Dörfern anfinge, helle und gesunde Räume zu bauen" usw. Das sind, bei Licht betrachtet, alles leere Worte, die nichts verraten als gänzliche Unkenntnis des Sachverhalts und vollkommene Verständnislosigkeit für den Kernpunkt der Fragen. Denn erstens sind die alten Dörfer durchaus nicht wegen ihrer verfallenen Hütten oder der vermoosten Mühlen schön, die hier und da vorkommen, sondern sie sind schön wegen ihrer einfachen, überlegenen Anlage, die die praktischen Forderungen oft glänzend löst und weit und luftig gebaut ist; und dann wegen des Ausdrucks ihres Aeussern, das von kluger Sachlichkeit, aber auch von unendlich wertvollen moralischen Besitztümern redet. Diese entzückenden Dorfbilder, die uns so anheimeln, in denen sich ein jeder, der die Gefühlswerte aus dem Aeussern zu lesen versteht, so wohl fühlt, hat die Liebe zur Scholle, zur Heimat gebaut, und davon erzählen sie nun dem Auge. Zum andern sind aber in praktisch-hygienischer Beziehung unsere neuen Bauernhäuser meistens das Gegenteil eines Fortschritts. Die Zimmer sind eher kleiner als grösser geworden, die Fenster sitzen falsch, der Ausdruck der ganzen Anlage spricht nur von der Kopflosigkeit, Gleichgültigkeit und Stumpfheit ihrer Erbauer und Bewohner. Dass aber die heimische gute Bauweise eine im übrigen gewiss sehr notwendige 42 Abbildung 32 Bereicherung nach neueren hygienischen Gesichtspunkten nicht ausschhesst, sondern dass gerade darin der Kern ihrer Weiterentwicklung Hegt, davon soll ein eigenes Kapitel später handeln. Wenn doch alle Landpastoren und Lehrer sich unserer Sache annähmen und den Leuten klarmachten, wohin sie 43 gekommen sein müssen, wenn man dem glaubt, wovon ihre Häuser und Gärten erzählen. Ich bin der Ansicht, dass es ein schwerer Fehler wäre, dabei das Wort „Kunst" in den Mund zu nehmen. Wohin hat denn das viele Reden von der „Bauernkunst" geführt, als immer nur zu Nebendingen, die von der Hauptsache stets ablenkten? Gewiss, im Grunde müsste man das alles Kunst nennen. Aber diese Auffassung ist doch nicht die allgemeine, und ich glaube, man macht sie nur dann allgemein, wenn man damit beginnt, nicht von „Kunst" zu reden. Die Gewohnheit, „Kunst" mit „Luxus" zu verwechseln, ist immer noch zu verbreitet, als dass man diese Auffassung schon überall verstehen könnte: Kunst ist nichts als der sinnfällige Ausdruck von Dingen, die sich begrifflich nicht sagen lassen. Wie ich schon im Vorwort sagte, fällt es nicht in den Rahmen meines Themas, eine Enzyklopädie des deutschen Bauernhauses zu schreiben. Es kommt mir viel weniger darauf an, zu zeigen, was alles vorhanden ist und wie gross dieser Schatz noch ist, als beständig warnend zu zeigen, wie bedenklicher Natur die Wandlungen sind, die sich innerhalb unserer Dörfer vollziehen. Auch beim Betrachten unserer ländlichen Baukunst kommt man zu demselben Ergebnis, wie bei den städtischen Bauten, dass es nämlich ein grosser Irrtum ist, dass mit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unsere Bau- und angewandte Kunst ihren tiefsten Stand erreicht 46 i^m^- jf / Abbildung 35 habe. Es ist einfach nicht wahr. Ihren tiefsten Stand erreichte sie erst um 1880 herum, als in der Stadt die Alldeutschmeierei anfing; als die Renaissanceherrlichkeit „wiederentdeckt" wurde und dort eine Auferstehung feierte, bei der die gute, alte, echte Renaissance sich allerdings kaum wiedererkannt hätte. Dort hat sich in den allerletzten Jahren hie und da eine leise Besserung gezeigt, auf den Dörfern beharrt der Tiefstand noch. Bis in die sechziger Jahre hinein zehrte man auf dem Lande noch an den letzten Beständen einer alten guten Ueberlieferung, dann drang auch dorthin das Elend des Gewerbeschulmeisters. 47 Seitdem auch die ländlichen Maurermeister die Erziehung der Baugewerkeschulen kennen gelernt oder doch Vorlagewerke zu Gesicht bekommen haben, die aus jenen Gegenden stammen, seitdem ist es mit dieser Ueberlieferung aus. Auch hier kann wohl wieder das Bild am klarsten sprechen. Um eine Vorstellung von der Wandlung zu geben, die das deutsche Bauernhaus in den letzten hundert Jahren durchmachte, ist es vielleicht am praktischsten, diese Wandlung zunächst an einer Einzelform, etwa dem Torwege, zu untersuchen. Ich führe je vier Bauernhöfe vor: einen von 1791, einen von 1811, einen von 1852 und einen gar von 1862 (Abb. 3, 7, 5 und 9). Die Gegenbeispiele stammen in derselben Reihenfolge von 1883, 1897, 1900 und 1899 (Abb. 4, 8, 6 und 10). Die alten Bauermhöfe waren im eigentlichsten Sinne ein Gehöft, d. h. ein Hof, von Gebäuden und Mauern eingefriedigt, deren Höhe und Unzugänglichkeit einen wirklichen Diebschutz bot, während andererseits die heimkehrenden, hochbeladenen Erntewagen eine recht geräumige Zufuhr verlangten. Es ergab sich deshalb ganz von selbst, dass man in den der Strasse zugekehrten Teil der Mauer einen mächtigen Torbogen einliess, der schon durch die Grösse seiner Form der Hauptschmuck des Gehöftes wurde. Man war damals zu sachlich, als dass man zum Personendurchgang riesengrosse Türen angelegt hätte, wie man das heute so gern tut, heute, wo man besonders in öffentlichen Gebäuden gezwungen wird, der Feierlichkeit halber scheunentorgrosse Abbildung 36 49 Türflügel zu bewegen. So entstand zum Personendurchlass das kleine Pförtchen, das sich an der Seite des Wohnhauses befand. Diese beiden Zugänge in ein feines Verhältnis zueinander zu bringen, war eine Hauptkunst jener alten Dorfbaumeister. Man dachte nicht daran, sie durch Zierat „gefälliger" zu machen; war Wohlhabenheit genug dazu da, so zog man die Profile mit noch grösserer Liebe und gestaltete höchstens den Schlusstein etwas reicher aus. Welcher Reiz liegt nun z. B. bei Abb. 3 in diesen beiden geschwungenen Linien , diesem einen mächtigen Bogen und dem zierlichen Pförtchen daneben. Die derben, fast humoristischen Formen des Bauernbarocks, das sich in den Schlussteinen zeigt, gibt unsere Abbildung leider nicht wieder. Sie sind aber auch nicht das Wesentliche daran. Die Anlage wäre auch ohne sie schön und gut. Immer noch einen schönen Hof zeigt unsere Abb. 7. Man merkt ihm an : Kriegsjahre sind über das Land gegangen; dem Bauern war nicht übermütig zu Sinn, aber deswegen verleugnete er doch nicht seine ererbte Freude am Ausdruck des Seins in der Erscheinung. Der Torbogen ist so einfach wie möglich, an den Profilen ist Steinmetzarbeit gespart, soweit es nur irgend mit dem Gewissen des Erbauers vereinbar war, und der Schlusstein musste sich allein mit dem Schmucke des A. D. 1811 begnügen. Aber seltsam : in dem Kunstsinn des einfachen Mannes werden unter der sicheren Führung einer gefestigten Tradition sogar diese simplen sechs Zeichen zum Schmuck, Schultze- Naumburg, Kulturarbeiten 111 4 50 Abbildung 37 wird die etwas magere Linie nur ein neuer Reiz ihrer Anmut. Auch die Schönheit des Giebels liegt vorwiegend in seiner Silhouette. Er zeigt die Formen einer etwas älteren Zeit; doch findet man bei der Beharrlichkeit auf dem Lande das Wiederholen guter älterer Formen sehr oft. Die dem Hofe zugewandte Seite ist aus Fachwerk, dessen Balken tiefblau gefärbt auf dem weissen Putz stehen. Auf unserem Bilde nicht sichtbar, trägt diese Wand etwas 51 weiter nach innen zu eine offene Laube aus Balkenwerk ohne Schnitzerei. Und doch — sogar aus unserer Abbildung wird hier jeder erkennen, was für ein harmonisches Werk der ganze Hof in all seiner Schlichtheit und Einfachheit ist. Wie köstlich wären unsere Dörfer, wenn sie nur noch so aussähen! Und er ist von 1811. Aber was sagt man erst zu dem Hof auf Abb. 5 von 1852, also nach der Mitte des Jahrhunderts? Leider sind hier das Wohnhaus und die Scheune durch einen abscheulichen Neubau ersetzt. Aber wie gut wölben sich hier noch die Bogen, wie anständig und würdig ist noch die Erscheinung. Sogar die simpeln Profile sind noch durch das Anlehnen an eine alte Überlieferung vor jeder störenden Zutat bewahrt geblieben ! Dieser negative Vorzug ist in unserer verdrehten Zeit etwas sehr Merkwürdiges, so dass er besonders erwähnt werden muss. Aber nun zu dem Hof von 1862, Abb. 9. Es erscheint mir ziemlich sicher, dass die Anlage älter, d. h. die ältere Anlage im Neubau erhalten geblieben ist. Hier ist alles ganz Bauernhaus, nichts, was an Vorstadt erinnern möchte. Das dunkle Fachwerk gibt dem Ganzen Kraft und klare Verhältnisse, das drollige kleine Backöfchen nach der Strasse zu macht das Haus in der Erscheinung gross. Leider hat zwar die gute Tradition des grossen Torbogens aufgehört, und das Hoftor ist nach einem andern, allerdings auch alten, nur etwas mageren Typus gebildet. Trotzdem ist es auch so noch eine gute Lösung der Aufgabe. Und was 4* 52 Abbildung 38 für ein gutes und freundliches Strassenbild ergibt sich aus den beiden benachbarten Höfen. Und jetzt zu den anderen Abbildungen, zu denen aus der Zeit unseres, wie man sagt, künstlerischen Aufschwungs. Abb. 4 ist vom Jahre 1883. Hier schon sind die Formen erreicht, in denen man bis heute steckengeblieben ist. Im Giebel sind höchst unnötige „Verzierungen" angebracht. Das Ganze ist Ziegelrohbau, ohne jeden 53 Verputz. Billiger ist es kaum, da die Verblendsteine und das Fugen meist teurer sind als selbst guter Putz. Wie dem aber sei: der Bauer, der sein Haus liebhat, und dessen Blick noch so klar ist wie der seines Grossvaters, der fände das Geld zum Verputz. Über das Thema: Rohbau oder Putzbau noch später. Hier ist der alte Typus mit dem grossen Tor beibehalten. Aber wie traurig, als sei er gepresste Fabrikware, sieht uns der Bogen an ! Und wie langweilig und nüchtern ist der Schlusstein ! Der Anblick dieses Hauses müsste auf die Dauer unerträglich werden. Aber die Erbauer und Bewohner hören nicht und sehen nicht. Sie wissen nicht, wer sie selbst geworden sind, und dass ihre Häuser davon erzählen. — Dann zu Abb. 6. Hier ist schon der Torbogen gefallen, nur ein totes Erinnern an den Typus von Abb. 9 ist geblieben, aber schlecht nachgebildet. Und, ein Zeichen der unglaublichen Gedankenlosigkeit der Erbauer: das Wohnhaus ist links, das Personenpförtchen rechts von der Einfahrt, so dass der Zugang zum Hause stets über die tiefen und bei Regenwetter schlammigen Furchen der Räder im ungepflasterten Hof führt. Noch schlimmer wird's dann bei Abb. 8. Hier hat man sich das Pförtchen ganz geschenkt: man kommt ja schliesslich auch durch die Einfahrt ins Haus. Alles in allem machen die Neubauten unserer Dörfer einen ärmeren Eindruck, als die früheren, ganz abgesehen von ihren moralischen Qualitäten. Ich bin nicht unter- BEISPIEL 54 Abbildung 39 richtet, ob dieser Eindruck tatsächlich der Vermögenslage entspricht. Doch würde man einen Trugschluss begehen, wollte man der Armut, wäre sie da, das klägliche Aeussere unserer neuen Bauernhäuser in die Schuhe schieben. Ich kenne ganz armie Gebirgsdörfer, deren Aeusseres doch ganz entzückende Formen in der Armut zeigt, weil sie die Tradition erhalten und weitergebildet haben. Und von den 55 GEGENBEISPIEL Abbildung 40 schlimmsten Folgen der Verwahrlosung kann man ja auch bei unseren Gegenbeispielen nicht reden; denn ich habe Beispiele gewählt, die leidlich ordentlich und sauber gehalten waren. Was uns so niederdrückt, das ist lediglich der Ausdruck von vollkommener Charakterlosigkeit bei dieser unserer Bauerei. Welch prächtige alte Gesellen müssen das gewesen sein, die einst jene Häuser schufen ! EISPIEL 56 Abbildung 41 Zum Schluss noch Abb. 10. Hier kann auch von Armut gar keine Rede sein. Das kindische Tür-Gebäu ist vollständig überflüssig und verdankt lediglich dem eiteln Wunsch sein Dasein, auch so etwas zu haben, wie dort in der Stadt steht. Ein junger Maurermeister hat es noch GEGENBEISPIEL Abbildung 42 warm daher mitgebracht. Ich will auch verraten, wo er es her hat, wenn niemand es weitersagt: vom — Reichspostamtsgebäude dort. Wenn ich nicht mit dem Räume rechnen müsste, könnte ich schier ins Unendliche fortfahren, Würde und Gemeinheit so zu konfrontieren. Stoff dazu ist, Gott sei Dank und leider, genug da. An den Beispielen der vier Torwege aus den vier BEISPIEL 58 Abbildung 43 verschiedenen Zeiten lässt sich deutHch erkennen, nach welcher Richtung die Entwicklung des ländlichen Bauens gegangen ist. Ich möchte nun im folgenden eine Reihe von Bauernhausanlagen vorführen, aus denen sich speziellere Gesichtspunkte für diese Bautypen gewinnen lassen. Abb. 11 und 12 sind schöne und charakteristische Beispiele für die bescheidene Bauernhausanlage an der 59 GEGENBEISPIEL Abbildung 44 Dorfstrasse. Die Giebelseite ist der Strasse zugekehrt, und es entsteht dadurch von selbst an der senkrecht zur Strasse stehenden Hauptfront des Wohnhauses der geräumige Hofplatz, der nach vorn zu wieder mit hoher Mauer und Torweg abgeschlossen ist. Das Ganze bildet mit seinem unregelmässigen Fachwerk, der offenen Galerie links in der Front und dem hohen Dache eine vortreffliche Anlage, gegen deren praktische Anordnung und Gestaltung nirgends etwas einzuwenden sein wird. Bei diesem Hause sowie bei manchem der folgenden liegt ein hoher Reiz 60 61 denen massive Mauern verwendet sind. Allerdings sind hier die Wände verputzt, wie es für das Bauernhaus aus mancherlei Gründen nützlich ist. Ich sprach in Band I schon einmal über die Frage des Ziegelrohbaues und des Putzbaues und davon, dass man nicht von vornherein nur eine Art gelten lassen darf. Die alte und wohl berechtigte Tradition unserer Dorfbauten in Mittel- und Süddeutschland zeigt den Putzbau, wobei wohl neben ausschliesslichen Materialfragen die Beobachtung massgebend gewesen ist, dass die weiss oder auch stark farbig getünchten Häuser sehr freundlich aussahen, während dem Ziegelrohbau leicht etwas Düsteres anhaftet. Immerhin lässt sich bei richtiger Verwendung auch das vermeiden, wenn man die vortrefflichen Bauformen, wie sie an der Nordküste Deutschlands Tradition waren, dort weiter verwenden würde. Was man dagegen heute unter Ziegelrohbau versteht, der jetzt überall fast ausschliesslich verwendet wird, das sieht meist aus wie auf Abb. 13, 16, 19. Die schauerliche Oede eines solchen Gebäudes soll dann durch die vorgestreckten Ziegel und Gesimse unterbrochen werden, was den Eindruck nur noch trauriger und dem Zuchthaus ähnlicher macht. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus lässt sich nichts gegen unsern heimischen Putzbau einwenden, nicht einmal, dass er teurer ist, wie ich im vorhergehenden schon einmal bemerkte. Die Verblendziegel und das Fugen kosten eher etwas mehr als ein guter Mörtelputz. Auch dass ein Abbildung 46 solcher nicht haltbar sei, lässt sich nicht behaupten, denn recht alte Bauten stehen noch mit ihrem alten Putz. Dass sich aus Chausseestaub und Wasser kein guter Putz herstellen lässt, ist natürlich ; bei allen Bauausführuneen ist 63 es notwendig, gute Materialien zu verwenden. Dass hier und da einmal eine Ausbesserung auch an gutem Putz notwendig wird, ist möglich, ist aber an einem Bau, der in allen Teilen erhalten sein will, nichts besonderes. Man könnte eher den Putzbau als das Haltbarere hinstellen, denn unter dem schirmenden Putzüberzug, der leicht erhalten oder erneuert werden kann, halten sich die Mauersteine gegen Einflüsse von aussen vollkommen unversehrt, während der blanke Ziegel viel leichter der Verwitterung ausgesetzt ist, sich aber nicht ohne weiteres erneuern lässt. Da auf dem Lände die Bauern das Verputzen und Weissen ihrer Häuser oft selber machen, ist es nicht einmal eine wesentliche Ausgabe, dagegen hält bei ihnen die Wachsamkeit über das stets schmucke Aussehen des Hauses moralische Eigenschaften wach, die nicht mit Geldeswert gemessen werden können. Ich mache schon seit Jahren meine Beobachtung über die Tatsache, dass meist die Inhaber der gut geputzten und geweissten Bauernhäuser zu jenem kernigen echten Schlage gehören, unter dem man sich den „Bauer" von ehemals vorzustellen pflegte, während in den unverputzten Ziegelrohbauten, die keiner Pflege bedürfen, meist Leute wohnen, die die Züge des Proletariers tragen. Es klingt sonderbar, aber jeder kann die Beobachtung selber machen. Man fasse nur ein Haus wie das auf Abb. 15 und dann das auf Abb. 16 recht ins Auge, — genau so, wie diese Häuser, so sehen auch ihre Inhaber aus. Und wer 65 auch nur noch eine Spur von Schätzungsvermögen durch das Urteil seiner Augen hat, dem wird das hier zu fällende nicht zweifelhaft sein. Die hier folgenden Abbildungen bis Abb. 23 werden alle, jede in ihrer Art, dies Urteil bestätigen. Wer bis hierher mit Interesse gefolgt ist, wird allein aus den Bildern das herauslesen, was mit Worten noch über sie zu sagen wäre. Die Gegenbeispiele sind ja auch von einer Einförmigkeit, dass niemand es merken würde, wenn ein und dasselbe Haus so und so oft in diesem Buche verwendet worden wäre. Doch liegt das nicht an der Wahl der Bilder, sondern an den Häusern selbst, die heute überall nach demselben trostlosen Schema gebaut werden. Wenn es so weitergeht, wird man in fünfzig Jahren ein umfassendes Weltbild malen, wenn man vier oder fünf dieser Häuser nebeneinander abbildet. Ein sehr lehrreiches Beispiel für die neue ländliche Bauerei war mir das Haus auf Abb. 27, das ich auf einem Dorfe von einem Bauern erbaut fand. Bis jetzt hatten die ländlichen Maurermeister sich damit begnügt, die alten Bautypen aller ihrer Reize zu entkleiden und sie zu Proletarierkasernen zu degradieren. Hier erscheint mir zum ersten Male bei einem Bauernhause der Versuch, das Haus über diese Sphäre zu erheben. Die Art und Weise, wie dies geschieht, ist so charakteristisch, dass sie Bücher redet. Die ganze unsinnige Erziehung, mit der man nun seit Jahrzehnten die Bauleute bedacht hat, wird Schultze-Naumburg, Kulturarbeiten 111 5 66 Abbildung 48 hier mit einem hellen Schlaglicht beleuchtet. Also auf diese Stufe ist heute das deutsche Bauernhaus gekommen, dass es in seiner Steigerung s o aussieht. Das jämmerliche Gebilde, von dem man vor zehn und zwanzig Jahren in der Stadt behauptete, dass es den Schätzen unserer Renaissance nachgebildet sei, ist also jetzt glücklich beim Bauernhause angekommen. Über das Haus selbst ist kaum noch etwas zu sagen. Seine ganze Anlage entspringt längst nicht mehr der Tradition des alten Bauernhauses, das immer zugleich ein Hof war, d. h. dessen Wohnhaus, Scheune und Tenne einen Hof umschlossen, 67 der auf seiner vierten Seite von der Mauer und dem Hoftor abgeschlossen wurde. An sich wäre das ja noch kein Unglück, wenigstens kein Grund, dass der Ausdruck des Hauses ein gemeiner würde; man könnte höchstens darüber klagen, dass der Charakter des Hauses seinem Zweck und Stil entfremdet würde. Auch dieser Typus des langgestreckten Hauses, dessen Dachfirst parallel zur Strassenflucht läuft, wäre durchaus gut zu gestalten, wie Abb. 26 zeigt. Ganz sicher stammt auch dies Haus nicht vom deutschen Bauernhaus ab, obgleich es ein Wohnhaus für einen Bauern ist. Auch seine Herkunft weist mehr auf das bürgerliche Haus hin, aber nicht auf den verzweifelten Stadthausstil, wie ihn unser heutiges Bauelend dort gezeitigt hat, sondern auf das höchst kultivierte Landhaus, wie Städter im 18. und zu Anfang des IQ. Jahrhunderts es sich auf dem Lande bauten. In Gegenden, in denen ein Fürst seine Besitzungen hatte, Arbeiter- und Beamten häuser anlegte, seine Förstereien und Gärtnereien hinausschob und sie in einem mehr städtischen Stil bildete, reizte ein solcher auch die Landleute zur Nachahmung. Ist es nun im allgemeinen für das deutsche Bauernhaus nicht das Wünschenswerte, wenn städtische Bauten Vorlagen sind und umgekehrt, so ka.m doch damals kein gemeines Resultat heraus, solange die Vorbilder gut waren. Das Resultat wurde das kleine bescheidene Landhaus, das zwar ländlichen Zuschnitt hat, aber doch keine eigentlichen Bauern zu seinen Bewohnern zählt. Beim Thema Kolonien BEISPIEL 68 Abbildung 49 wird uns dieser Typus ganz besonders wichtig werden. Neben den mit der Zeit so hoch entwickelten Bautypen selbst, die man verfallen lässt, geht auch noch eine 69 GEGENBEISPIEL Abbildung 50 andere Geschicklichkeit verloren : die Ausnutzung des jeweiligen Geländes und die Gruppierung der ganzen Anlage. Es scheint, dass das Gefühl dafür den Bauern von ehemals derartig in Fleisch und Blut übergegangen war. BEISPIEL 70 Abbildung 51 dass sie darin nie einen Missgriff begingen. Es ist fast unbegreiflich, wie in verhältnismässig kurzer Zeit eine ganze — ich möchte hier sagen : Kunst — vollständig verloren gehen konnte. Die Methode, nach der man heute die Häuser im Gelände gruppiert, spottet jeder Beschreibung. Es ist, als ob ein Blinder die Bebauungspläne machte. Und zwar nicht nur hier und da, sondern überall und überall. Jeder, der sich das Gefühl dafür bewahrt hat, erkennt bei den alten Bauten sofort die fast gesetzmässige Notwendigkeit, mit der das Haus 71 GEGENBEISPIEL Abbildung 52 in der und der Form an einer bestimmten Stelle seinen Platz fand. Heute geht es auch nach einer regelmässigen Gesetzmässigkeit, nur nach einer von negativer Natur; nach der nämlich mit grösster Funktionssicherheit jedes neue BEISPIEL n Abbildung 53 Gebäude sich neben den Ort setzt, an den es organisch hingehört. Das klingt fast paradox, doch bestätigt jede neue Be- 73 GEGENBEISPIEL Abbildung 54 obachtung die Behauptung. Beim Thema Städtebau wird sich ganz besonders die Gelegenheit bieten, davon zu reden und sie zu zeigen. Hier nur einige Beispiele dafür. Bei Abb. 28 und 29, u Abbilauiig ob die beide dasselbe Haus darstellen, ist sofort erkennbar, wie gut das so bescheidene Hüttlein seinen Platz behauptet. Auf einer Anhöhe über dem Dorfe schiebt es sich so vor, dass seine Ostseite (Abb. 29) sich auf den Kellerfundamenten ziemlich hoch erhebt, und die Fenster der (von oben zu ebener Erde zugänglichen) Räume nach Osten zu das ganze Tal beherrschen, während die breite Südseite mit der Haustür sich dem Platze zuwendet, 75 (Abb. 28) und die Westfront sich halb hinter ein Nebengebäude versteckt. Die Nordseite nimmt der kleine Hof ein. Gegenüber der Haustür beginnt der kleine Garten, der sich hart am Abhänge an der Höhe hinzieht und von dem aus steinerne Stufen dicht am Hause hinabführen (Abb. 29). Neben der Tür vorn die steinerne Bank mit der Katze vollendet das Bild von einer fast Ludwig Richterschen Anmut. Die Ursache davon ist nicht, dass das Haus etwas ausbesserungsbedürftig ist, sondern der gute Geist der Anlage. Ich habe das Haus nicht betreten können und weiss daher nicht, wie die Innenräume sind. Nach dem Aeussern zu urteilen, könnte ein sauber gehaltenes Zimmerchen, wie es die beiden geschickt angebrachten, gekuppelten Fenster auf der Ostseite verraten, wohl zum Wohnen einladen. Aber auch gesetzt den Fall, die Raumlösung wäre noch keine vollendete — wäre es nicht gerade deswegen eine Aufgabe, an dieser weiterzuarbeiten, ohne den Schatz der hier aufgespeicherten Formgestaltung und Gruppierung, der Anlage und des Aufbaus zu verlieren? Wohin man kam, als man diesen Schatz der gesammelten Erfahrungsfülle zu verachten anfing, bis man ihn verlor, zeigt Abb. 30. Das Haus ist irgendwo hingesetzt, irgendeine schiefe Ebene führt als Weg irgendwo hinauf, irgendwo ist die Gatterpforte angebracht. Man hätte alles genau so schlecht auch anders legen können. Dass das Gelände seine Gesetze in sich trägt, und dass es gleich- 76 Abbildung 56 sam seine Gestaltung durch Menschenhand herausfordert — daran ist kein dumpfes Erinnern mehr übriggebHeben. Eine andere gute Anlage zeigt Abb. 31. Hier zieht sich rechts von den Häusern ein tief eingeschnittener und abfallender Felsenweg hin, während der Abhang zur Linken eine Terrasse bildet, von der aus das Hauptgeschoss der Häuser ebenerdig zugängig ist, ihre Fundamente aber mit den Kellern auf den Felsen nach der Tiefe zu abfallen. Auch hier herrscht das wohltuende Gefühl, dass die Gebäude sich dem Boden organisch anschmiegen, was die Benutzung natürlich und daher angenehm macht. Der Einwand, dass eine solche Bauart teurer sei, als die heute übliche, kann nicht aufrechterhalten werden. Denn hinter den hohen Futtermauern liegen die Kellerräume, deren Sohle der gewachsene Fels ist, aus dem wahrscheinlich die Bausteine gebrochen worden sind. Abb. 32 ist ein Bauernhof, der wohl aus einem alten, einst befestigten Sitz hervorgegangen ist. Die hohen Untermauern, auf denen die beiden Flügel sich erheben, weisen deutlich auf eine einstige Befestigung hin. Nur der Keller wegen hätte man den Bau wohl kaum so stark erhöht. Die neueren Gebäude sind durchaus als Bauernhof errichtet, wie ihre Bauart beweist. Es ist bemerkenswert, welch ausserordentlich stattlichen Eindruck die ganze Anlage macht. Ein anderer Typ ist das einzeln stehende Bauernhaus. Der Bauer, der früher sein Haus abseits von der gemeinsamen Ansiedlung anlegen wollte, muss dabei einer so sicheren Tradition gefolgt sein, dass er nicht fehlen konnte. Aber auch diese Ueberlieferung hat sich doch nur von Fall zu Fall entwickelt durch ein immer feineres Abbildung 57 Erfüllen der Forderungen, so dass jeder einzelne der Mitschaffenden den Anspruch auf einen Teil des Ruhmestitels hat. Immer steht das Haus am richtigen Platz. 79 immer passt es zur Landschaft, immer scheint es uns, als ob wir vor einem grossen Organismus ständen. Man betrachte Abb. 33. Das Dach, das in seiner Silhouette den Bergzug wiederholt, mit seinen drei ehrlichen Augen, die freundlichen, weissgeputzten Wände, die vorgeschobene Terrasse der Gartenanlage, die Linde, am richtigen Ort gepflanzt, um ohne Symmetrie doch das Gegengewicht zur Masse des Hauses zu halten. Abb. 34 zeigt ein einzeln stehendes Bauernhaus, das noch dazu inmitten eines Talkessels liegt, auf einem Platze, der von allen Orten ringsumher zu sehen ist. Auf demselben Grundstück stand früher ein altes Haus, und ich hatte auf allen Spaziergängen meine Freude daran, wie überall der hohe, weisse Giebel mit dem runden Fenster darin hervorlugte und so gleichsam einen natürlichen trigonometrischen Punkt bildete, dem man nirgends entgehen konnte. Über den Eindruck, den es heute macht, ist wohl nichts weiter zu sagen. Noch eindringlicher erkennen wir die grosse Kunst, Bauanlagen zueinander zu gruppieren, in Bildern, die ganze Dorfanlagen zeigen. Abb. 35 ist ein gutes Beispiel dafür. Jedes der Häuser, das in diesem gesegneten Tale liegt, hat einen anderen Besitzer. Jeder hat sein Haus einzeln für sich gebaut; und doch bilden sie zusammen eine Einheit, als ob ein grosser Künstler ein entzückendes Gesamtbild geschaffen hätte. Aber bei der Bewunderung vor dem Bild dürfen wir nicht stehenbleiben. Es ist 80 Abbildung 58 meine Überzeugung, dass jenes Etwas, was uns diese Erscheinung „wundervolles Bild" nennen lässt, ja im Grunde gar nichts anderes ist, als das rasch mit dem Auge ge- 81 fällte Urteil, dass diese Hcäuser da unten vortrefflich angelegte Wohnstätten sind, in denen Menschenglück sich niederlassen kann, wenn die Menschen es nur wollen. Dass natürlich auch die beste Anlage und Bauart nicht fähig ist, gesundheitsschädliche Einrichtungen und unvernünftige Lebensgewohnheiten aufzuheben, muss immer und immer wieder betont werden, weil die Erfahrung lehrt, dass diese beiden Dinge immer wieder in der sinnverwirrendsten Weise verwechselt werden. Auch Abb. 36 zeigt diese vortreffliche Gruppierung, ebenso Abb. 37. Und doch sind beide Bilder durchaus nichts Besonderes in unsern deutschen Dörfern, soweit sie erhalten geblieben sind. Wenn ich die Müsse dazu hätte, und wenn ich meine Aufgabe darein setzen wollte, so könnte ich hunderte und aber hunderte in kurzer Zeit zusammenbringen, die gleich schön und noch weit schöner sind. Jeder, der die verschwiegenen Reize unseres Heimatlandes kennt, wird das zu bestätigen wissen. Und all diese HerrHchkeit soll nun binnen kurzem vernichtet werden, weil ihre Besitzer keine Ahnung davon haben, dass, wenn einst alles verloren und geschändet ist, man dann Schätze darum geben wird, das Verlorene wiederzugewinnen ! Die nächsten Bilder führen uns zur Beobachtung von DorfStrassen-Anlagen. Wie auf beinahe allen Gebieten der Baukunst von heute, herrscht auch hier die negative Observanz: man brauchte nur immer das Gegenteil von dem Schultze-Naumburg, Kulturarbeiten 111 6 82 Abbildung 59 ZU tun, was heute Gebrauch ist, um es sogleich richtig zu machen. Beim Thema Gärten sprach ich schon davon, dass die gewundene Weganlage eigentlich viel mehr für die mit Häusern besetzte Strasse passt, während der kiänstlich angelegte Gartenweg im allgemeinen viel mehr an die gerade Linie zu halten ist, also tatsächlich umgekehrt, als es 83 Brauch ist. Schon eine Tatsache erhellt dies: die Wege des Gartens sind in der weitaus überwiegenden Zahl von Fällen ganz Kunstprodukt, d. h. sie sind gemeinsam von einem Willen zu einer Zeit angelegt und zwar auf einem Terrain, das ebenfalls meist eben erst geschaffen, d. h. gestaltet wurde. Dörfer und Städte dagegen sind in den meisten Fällen alte Ansiediungen und nur selten einheitliche Neuschöpfung eines mächtigen Willens, Ihr lebendiges Wachstum ist derart, dass zunächst auf dem noch unbearbeiteten und unbewohnten Boden der menschliche Fuss sich seine Pfade bahnt. Die Tendenz eines jeden natürlich gebahnten Pfades ist, die Schwierigkeiten der ursprünglich vorhandenen Terraingestaltung mit möglichst wenig Kraft- und möglichst geringem Zeitverlust zu bewältigen. Die Methode, diese Kurve durch die stetig wiederholte Auswahl des Besten durch viele Versuche zu finden, ist die uralte der natürlichen Auslese, wie sie im Kosmos allgemein gilt. Die getretenen Pfade zeigen natürlich auch den Stil des Fussgängers: also keine abgesteckte Bahn, wie der Kunstweg des Gartens, sondern die Zufallsbahn, wie ihr der Fuss nachgeht, wenn er sich die gangbarsten Fusstapfen heraussucht. Ein solcher Pfad zeigt im kleinen manche Knicke und Krümmungen, im grossen anscheinend regellose Kurven. Wird der Pfad ein begangener, so wird er zum Weg. Wird er ein Verkehrsweg, so wird er zur Strasse. Die Strasse bringt ein neues Werkzeug mit sich: den Wagen mit dem rollenden Rade. Der Stil des rollen- 84 Abbildung 60 den Rades ist aber ein anderer, als der des tastenden, wählenden, prüfenden Fusses. Das Rad rollt geradeaus und der Wille des Lenkers wählt den Weg in Form 85 grosser Kurven. Dadurch entsteht die Radspur, und die Radspur gibt dem Weg seinen neuen Stil. Die kleinen eigensinnigen Kreuz- und Quersprünge des Fusspfades verschwinden, und die charakteristischen Kurven des Fahrweges treten dafür ein. Die ursprüngliche Grundidee des Weges, nach der das Gelände auf die sinnreichste Art durch die Auslese von Vielen festgelegt worden war, bleibt natürlich als Kern immer darin stecken. Bilden sich Ansiedlungen, so lagern sie sich in den meisten Fällen längs des Weges. Auch hier bleibt also die natürliche Kurve erhalten, die nur allmählich zu immer grösserer Weichheit abgeschliffen wird. Wächst die einzelne Ansiedlung sich zur grössern Gemeinschaft, zum Dorf oder zur Stadt aus, so stecken doch auch in ihr und ihrem Strassennetz all die kleinen, durch lange Auswahl gefundenen Lösungen von alten Wegaufgaben, selbst wenn das Gelände längst durch willkürliche Gestaltung verändert ist. In diesem natürlichen Wachsen liegt das ganze Geheimnis der wundervollen „Bebauungspläne" der alten Städte und Dörfer. Der Versuch, die Art dieser Anlagen genauer zu untersuchen und sie auch noch von erweiterten Gesichtspunkten aus zu betrachten, wird in dem Bande der Kulturarbeiten über „Städtebau" gemacht. Hier wollte ich nur kurz auf die Bedingungen hinweisen, die für Dorfanlagen massgebend sind. BEISPIEL 86 Abbildung 61 Abb. 38 und 39 zeigen die beiden Seiten derselben Strasse. Man erkennt deutlich die ziemlich weite und mannigfache Kurve des Weges. Die linke Häuserfluchtlinie ist stärker gekrümmt als die rechte, die Strasse verjüngt sich deshalb nach hinten zu. Da es sich nicht um 87 GEGENBEISPIEL Abbildung 62 den grossen Durchgangsweg des Dorfes handelt, sondern um eine Querstrasse, die rechtwinklig von der Hauptstrasse abzweigt, drücken sich in der Form der Anlage aufs anschaulichste ihre inneren Bedingungen aus. Der Hauptausfahrtsweg all dieser Bauernhöfe ist die grosse Strasse, die auf dem Bild dem Beschauer zu hegt. Demgemäss verbreitert sich in der Richtung auf den Beschauer die Strasse immer mehr und verjüngt sich nach dem Hintergrunde, wo neben einer schmalen Ausfahrt aufs Feld die 88 Abbildung 63 letzten kleinen Häuser stehn, die den Blick abschliessen. Es ist schwer, durch Beschreibung der einzelnen Entwicklungsstufen zu schildern, wie solche Feinheiten in die Anlage kommen, aber der Sehende wird ohne weiteres nachempfinden, dass man es hier mit einem logisch und schön entwickelten Organismus zu tun hat. Die Lage der Häuser zur Strasse zeigt wieder die hier in meinen Beispielen häufigste Bauart, dass die Giebel der Strasse und die eigentliche Hausfront dem Hofe zu liegen. Durch die stete Abwechslung von Giebeln, Mauern und Hoftoren entsteht eine so reizvolle Mannigfaltigkeit, dass es eine wahre Freude ist, diese Dorfstrasse hinabzuschauen. Schämen sollte sich, wer die Dreistigkeit hat. 89 auszusprechen, solche Schönheiten zu erkennen hätte der Bauer keine Veranlagung gehabt. Glaubt man wirklich, dass all diese Schönheit reines Zufallswerk sei? Warum schafft denn dann unsere Zeit nicht mehr ein einziges solcher Zufallsprodukte? Ganz sicher, der Bauer von heute sieht es nicht mehr, und wo es einer noch sieht, da ist es ein Alter, der noch aus einer anderen Zeit herübergekommen ist. Aber er wagt es dann nicht mehr auszusprechen, weil er sich schämt, fijr dumm gehalten zu werden. Ich kenne solche Alte. Am Ende öffnen sie einem das Herz. Ganz sicher, der Bauer ist nicht mehr der alte. Viele Ursachen mögen zusammengekommen sein, eine Verwirrung ins Volk zu bringen, und diese Verwirrung findet in dem würdelosen Aussehen der heutigen ländlichen Bauten ihren sichtbaren Ausdruck. Aber eine Ursache davon und zwar eine, die bei unserem Thema von ganz besonders ausschlaggebender Bedeutung ist, steht fest und fällt nicht dem Bauer zur Last: das ist die unsinnige Erziehung, die wir den Verwaltern der ländlichen Bauweise, den Maurermeistern und kaum minder den „Architekten" gegeben haben, denen jahrzehntelang künstlich mit allen Mitteln jede Spur von Achtung und Verständnis für unsere heimatliche Tradition ausgetrieben worden ist, und denen man zum Ersatz die jammervollen Vorlagen aufnötigte, deren sie sich nun in ihrer Ratlosigkeit überall bedienen. Man werfe einen Blick auf Abb. 40. So bildet man 90 Abbildung 64 jetzt das Angesicht unserer Dörfer um. Ganz im Hintergrund ahnt man noch etwas von dem, was die Anlage einst war. Auch die leise Krümmung des Weges war nicht gut fortzubringen. Aber die entsetzlichen stolzen „Fronthäuser", die hier der Bauer dem Bauern in sein friedliches Dorf importiert — Stück für Stück könnte ich 91 sie nachweisen in den Bauvorlagen, die man in den Baugewerkeschulen und nicht viel anders auf den Hochschulen den Schülern gibt. Das ist das Traurige, aber auch das Tröstliche daran. Denn es ist zu hoffen, dass die ländliche Bauweise von dem Augenblick an besser wird, in dem die hier massgebenden Kreise ein Einsehen bekommen haben und die Erziehung der jungen Generation wieder auf ihre natürlichen Bedingungen stellen. Abb. 41 zeigt den bebauten Seitenweg eines Dorfes, der langsam die sanfte Steigung der Anhöhe nimmt. Auch hier wieder folgt die Bebauung dem ursprünglichen natürlichen Pfade, was der Lagerung nur zum Besten dient. Man beobachte, wie gut die Futtermauer rechts im Vordergrund sich an das Giebelhaus ansetzt. Das linke Haus ist mir übrigens noch in einer anderen Beziehung merkwürdig. Es bildet einen der ganz seltenen Fälle, in denen ein eigensinniger alter Bauer sein Haus im heimischen Stil wiederaufbaut. Wie langweilig dagegen ist die Strasse auf Abb. 42, wo man sich die grösste Mühe gegeben hat, ihre einst gekrümmte Linie bei Errichtung des Neubaues so schön zu „regulieren", wie in den Geschäftsstrassen unserer grossen Städte. Auch Abb. 43 zeigt das äusserst geschickte sich Anschmiegen der Architektur an die natürliche Wegeführung. Wie gut sind hier die drei Gebäudekörper zu einem Ganzen verschmolzen. Auch der Weg auf Abb. 44 zeigte 92 Abbildung 65 ursprünglich noch die natürliche Kurve. Heute löst man sie, wie man aus dem Bilde erkennt, in ein paar starre Knicke auf, was weder „praktische" noch andere Vorteile bringt, wohl aber der Denkfaulheit vor dem Reissbrett so angenehm ist. Auch Abb. 45 ist ein eigenartiges Dorfstrassenbild, für dessen Beobachtung das Vorausgesagte gilt. Wie der Sinn für echte Gestaltung auch bei jedem Nebending abgestorben ist, davon reden die nächsten Bilder. Ein Bauer, der dies eiserne Schlossertor (Abb. 46) bezahlen kann, muss übrigens Geld haben; irgendwelcher 93 Mangel hat. hier nicht Gesetze vorgeschrieben. Die Züge des alten Hauses verraten, wie das einstige Tor ausgesehen hat, und wie es durch das neue ersetzt wurde. Goethe schon sagt: „Das einfach Schöne soll der Kenner schätzen, Verziertes aber spricht der Menge zu." Goethe hat unsere Zeiten nicht mehr erlebt, und es wäre ungerecht gegen das Volkstum von damals, dem sein Wort gilt, diesem Ausspruch einen v-erächtlichen Beigeschmack zu geben. Auch als Goethe starb, lebte bis zum niedrigsten Mann noch so viel gesunde Tradition im Volk, dass auch das „Verzierte", das ihm zusprach, uns heute noch Vorbild und Beispiel sein könnte. Ich habe kaum ein Möbel gesehn, das vor 1832 entstanden wäre und strenger Prüfung nicht hätte bestehen können. Das trifft auch in Fällen zu, wo bäuerischer Geschmack nach Zierat strebte. Wohin solcher Drang einst beim reichen Bauern führte, zeigt Abb. 47, die eine Stube aus der Wilster Marsch darstellt. Das ganze Prunkzimmer ist vom vortrefflichsten Formenverständnis angegeben. Es gibt auch noch kindlicher Verziertes, aus früheren Zeiten, als dies ausgesucht schöne Beispiel einer reichen Bauernstube. Aber es dürfte schwer fallen, irgendeins aus der Zeit vor 1830 zu finden, dessen Zierat einen Ausdruck von Gemeinheit zeigte. Wie ein böses Beispiel ansteckend wirkt, zeigen die Abb. 46, 48, 50 und 52, die alle demselben und einem 94 Abbildung 66 benachbarten Dorfe entnommen sind, während die andern Dörfer der Umgebung noch etwas treuer bei ihren hölzernen Hoftoren beharren. 95 Dass für diese Tore als Material dem Eisen vor dem Holze kaum Vorteile, wohl aber viele Nachteile zukommen, davon sprach ich im Bande „Gärten" schon so eingehend, dass ich auf diese Stelle verweisen muss, um zu häufige Wiederholungen zu vermeiden. Es ist bezeichnend, wie mit jedem Jahr die Gestaltung des Tores schlechter wird. Abb. 48 ist das älteste der Gegenbeispiele. Schön ist es nicht, aber dass man es noch hässlicher machen kann, beweisen die folgenden durch ihr Vorhandensein und zwar in steigender Reihe Abb. 50, 46 und 52. Auch die eiserne Tür auf Abb. 45 gehört in diese Kategorie. Dieser Eingang ist noch besonders lehrreich, weil er recht verfallen und trotzdem nicht schöner dadurch geworden ist — ein gutes Beweismittel gegen die Behauptungen, dass die alten Häuser nur durch das Alter so „malerisch" geworden seien. Welch trostlose Proletarieratmosphäre spricht aus einem Bilde wie 54, wenn man es gegen die selbstsichere Erscheinung des Bildes 53 hält. Abb. 55 möchte ich noch mit anführen, als eigenartige Gestaltung eines bäuerlichen Hauseingangs. In Abb. 59—64 durchlaufen wir nochmals kurz die Haupttypen der Wandlungen, die man in langen, langen Zeitläufen in einer bestimmten Gegend an den Bauernhäusern feststellen kann. Abb. 5Q ist der älteste Typus, den ich erhalten weiss: der einsame und daher einst befestigte grosse Hof, dessen Bauformen mehr von der Burg 96 Abbildung 67 als vom Bauernhause stammen. Abb. 60 gehört der Holzarchitektur an, wie sie sich seit der deutschen Renaissance beim Bauernhause ausbildete, und die oft mit reichen Zierformen ausgestaltet wurde, die ja oft genug gerühmt, und für deren Erhaltung manche Schritte getan worden sind. Noch viel zu spärlich ist aber die Erkenntnis aufgegangen, dass die einfachen, unverzierten Gestaltungen für die Architektur von keinem geringeren Werte sind. Meine eigene Überzeugung ist sogar die, dass sie für uns heute wichtiger sind. Erstens deswegen, weil der weit grössere Teil der praktischen Aufgaben von heute aus wirtschaftlichen und anderen Gründen auf jeden verteuernden „Schmuck" verzichten muss, und jene unverzierten alten Bauten eine eindringhche Ermahnung sind, 97 dass auch ohne hinzutretende ornamentale Schmuckformen das Haus in seiner Gesamtheit ein „Schmuck" sein kann. Zweitens, weil auch schon in jenen älteren Zeiten die reichgeschmückten Häuser nicht immer die beste Gestaltung bedeuteten. Ein wirklich hässliches Protzentum konnte damals bei dem wundervoll geschulten Handwerk nicht recht zum Ausdruck kommen, denn auch die oft recht unnötig überladenen Fassaden, Türen, Balken und Füllungen waren stets mit so viel echtem Kunstgefühl ausgeführt, dass dies mit allem versöhnt. Aber man muss endlich einmal aufhören, den Wert historischer Bauten nach der Zahl ihres Schmuckes einzuschätzen. Es ist geradezu tragisch, zu sehen, dass die einfache Tatsache einer etwas reichen Ornamentik genügt, um den Gegenstand gesetzlich vor Zerstörung zu schützen, mag seine Gestaltung an sich hervorragend sein oder nicht. Nur Verziertsein heisst die Tugend, die heute ein altes Haus vor seiner Zerstörung retten kann. Alte Lösungen von Bauaufgaben, die einfach klassisch genannt werden müssen, gehen unrettbar samt ihrem Schatze von gesammelter Formen- und Erfahrungs-Erkenntnis verloren, während dicht daneben die mit Blindheit geschlagene Menschheit dahin- tappt. Abb. 61 ist ein neueres Haus, das noch ganz naiv in der alten bäuerlichen Bauweise des Fachwerks weitergebaut ist. Als ein recht ergötzliches Gegenbeispiel setze ich Abb. 62 daneben, an dem man erkennen mag, was Schultze-Naumburg, Kulturarbeiten 111 . 7 98 Abbildung 68 heute entsteht, wenn man ebenfalls Fachwerkbauten aufführt. Abb. 63 und 64 endlich sind neuere Bauernhäuser (wohl vom Anfang des 19. Jahrhunderts), in die gewisse Bestandteile des bürgerlichen Landbaustiles aufgenommen zu sein scheinen (auch von Abb. 18 gilt dies). Man betrachte nur die Giebel, um sofort zu erkennen, was ich meine. Aber trotz diesem Verlust an eigentlichem Bauerncharakter sind es gute liebe Häuser, die eben nur Übergangsformen darstellen, wie sie sich ja überall zwischen gesonderte Gattungen verbindend einschieben. Der zweite Teil dieses Bandes über Kolonien 99 handelt ja vorzugsweise von solchen. Immerhin muss man sich klar darüber sein, dass mit Überschreitung dieser Grenzlinie das eigentliche deutsche Bauernhaus aufhört. Das Dorfbild wird nicht allein von den bäuerlichen Wohnhäusern gebildet, sondern gerade die wirtschaftlichen Zwecken dienenden Baulichkeiten nehmen den räumlich überwiegenden Teil ein. Besonders bei grösseren Anwesen und bei Gütern werden sie fast bestimmend für den Gesamteindruck. Ich brauche die grundlegenden prinzipiellen Betrachlungen, die sich an unsere nächsten Bilder schliessen, kaum zu wiederholen, da sie im Grunde doch wieder auf dasselbe hinauskommen. Es kommt mir im besonderen auf einige Beobachtungen an, die ich immer kurz andeuten will. — Man besehe sich Abb. 72 und 73, und man wird finden, dass fast alles früher Gesagte wörtlich auch hier passt. In beiden Fällen handelt es sich um massive Mauern und einen hölzernen Dachstuhl mit Ziegeldeckung. Sollte bei der Scheune auf Abb. 73 wirklich grössere Sicherheit gegen Feuersgefahr gegeben sein, so liegt das weder an der Gestaltung der Einzelformen, noch in den grossen Formen der Anlage, der Gruppierung und Lagerung. Es Hesse sich bei denselben Bauformen wie auf Abb. 72 dieselbe Sicherheit erzielen. — Man bemerkt auf allen diesen und den folgenden Abbildungen, »dass die Giebeleindeckungen in grossen und schön durchgebildeten Kehlen ausgeführt sind, während bei den 100 Abbildung 69 neuen Bauten immer die fatalen zerschnittenen Dächer zu sehen sind, die mit Zinkeinlagen gedichtet werden (wie bei Abb. 74 rechts neu hinzugefügt). Wenn wir auf 101 modernen Bauten keine Dächer mit so harmonischer Bildung wie bei den alten sehn, so ist dies kein Wunder, denn auf unsern Bauschulen wird ja allgemein gelehrt, in „früheren Zeiten" hätte man Dachkehlen und Dachluken sorgfältig ausgekehlt, das sei aber sehr schwierig, und man „mache das heute nicht mehr". Das alte Märchen von der Undichtheit solcher Dächer und ein Loblied auf das Zinkblech wird gewöhnlich hinzugefügt. Auch bei Abb. 74 erkennt man wieder die wundervollen Gestaltungsmöglichkeiten bei solchen einfachen Aufgaben, die gerade hier so am Platze sind, weil die Formen sehr einfache sein müssen und kein anderer Schmuck hinzutreten kann. Aber wenn das Auge den kräftigen und dabei doch so anmutigen Linien der grossen Kehle, der senkrechten Giebelwand und des Torvierecks nachgeht, wird es kein Verlangen nach anderm Schmuck haben, sondern sich stets wieder an der rein plastischen Durchbildung dieses Formengebildes erfreuen. Zu welchen oft geradezu monumentalen Gestaltungen frühere Zeiten auch bei solchen Wirtschaftsgebäuden kamen, zeigt Abb. 76. Dieser Bau wird auch damals zu den Seltenheiten gehört haben, wie heute noch Anlagen von solcher Grösse, solchem Umfang und Wert nicht häufig sein werden. Dass sie heute aber nie vorkommen, lässt sich doch nicht behaupten. Schon Abb. 77 zeigt ein neues Wirtschaftsgebäude von ansehnlicher Grösse. Käme es darauf an, so Hessen sich wohl noch Beispiele von 102 i 103 allen diesen Fällen wählt. Nicht, weil das Geld fehlt. Denn bei solchen Aufgaben werden immer noch ganz ansehnliche Summen für den äusseren Ausbau verwendet. Abb. 78 ist die einzeln stehende Scheune eines Gutes, die ziemlich spät, wohl gegen Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet ist. Trotz den sehr einfachen, fast geometrischen Formen ist eine Feinheit der Verhältnisse und dementsprechend eine angenehme Gestaltung erreicht, die das Gebäude in seiner Art geradezu schön macht. Man wäge es nur mit den Augen gegen den kläglichen Typus der üblichen neuen Scheunen ab. Bei Abb. 79 liegt der kräftige, fast monumentale Eindruck neben den übrigen Verhältnissen zum guten Teil an dem Strebepfeiler, der nicht allein rein konstruktiv die Mauer stützt, sondern auch das Feste und Starre für das Auge begreiflich macht. Selbstverständlich darf man nun nicht annehmen, dass solche Bauformen, wie Strebepfeiler usw., rein als Attrappen verwendet werden dürften. Sie werden auch nur dann ihre wohltuende Wirkung auf das Auge ausüben, wenn aus dem Sinn des Ganzen ihre Berechtigung hervorgeht. Aber wie selten greift man noch zu diesen natürlichen und anschaulichen Mitteln. Abb. 83 und 84 zeigen zwei ländliche Einfahrten. Die eine hat die vornehmen Formen des 18. Jahrhunderts, wie sie sich besonders bei Gütern ausgebildet hatten. Die andere möchte ihre ländliche Existenz gern verleugnen und sich mit städtischer Eleganz schmücken. An sich läge 104 Abbildung 71 nicht das geringste sachliche Hindernis vor, die Anlage auf 84 auch so behaglich und praktisch zu gestalten wie 105 auf 83. Nur der irre geführte Sinn der Erbauer und Bewohner wird das unüberwindliche Hindernis. Abb. 85 ist ein Stück aus einer ganz wundervollen Gutsanlage. Die Gebäude bilden durch ihr Zurückspringen, Vorlagern und die verschiedenen Dachvariationen ein reichgegliedertes Ganzes, ohne dass sie auch nur im kleinsten Teile ein Zerfallen in Einzelheiten zeigten. Im Gegenteil sind alle Teile bis aufs äusserste einfach gestaltet. Auf Abb. 86 ist der Turm hinten eine Zutat, die gewiss nicht zur sachlichen Lösung notwendig war. Die Gebäudegruppe hat nichts durch ihn gewonnen. Aber zu so etwas ist Geld da, weil ein Turm doch eine Verschönerung in unserem nüchternen Dasein bedeutet. Abb. 87 ist eine ebenso schöne Gutsanlage wie 85, nur noch erheblich grösser. Leider ist sie im Zustand der Verwahrlosung; das alte Schloss ist eine Wohnung für kleine Leute geworden, und so geht die ganze herrliche Anlage ihrem langsamen Verfall entgegen. Und niemand findet sich, diesen alten Besitz zu retten, der an einem grossen Strom malerisch gelegen ist. Was für ein Sommersitz Hesse sich aus solch alter Anlage machen ! Die übrigen Bilder, die ich hier im ersten Abschnitt noch zeige, sind Gutsgebäude von guter Lagerung der einzelnen Bauteile zueinander. Man beachte, wie schön sich bei Abb. 88 die beiden Häuser durch die oben mit Ziegeln abgedeckte kleine Pforte verbinden, wie sicher das Haus rechts durch die vorgelagerte Treppe dasteht. Abb. 89 BEISPIEL 106 Abbildung 72 zeigt dieselben beiden Häuser von aussen, wo sie eine nicht minder glückliche Harmonie ergeben. Abb. 90 ist ein Gutshof in der Mark. Bei sehr einfachen Formen zeigt er vortreffliche Verhältnisse und schöne Gruppierung. Zu beachten ist dabei, dass sich der Seitenflügel mit seinem Giebel bis an die Strassenflucht heranschiebt, während die niedrige, lange Fassade des Hauptgebäudes zurückspringt, und ein ansehnlicher 107 GEGENBEISPIEL Abbildung 73 Garten zwischen ihr und der Strasse entsteht. Die Zinkeinlage in der Kehle ist Zutat neuerer Zeit. Abb. 91 zeigt das Seitengebäude eines grösseren Mühlenhofs, der im Oberstock kleine Wohnungen von Angestellten enthält. Im Erdgeschoss befinden sich Wirtschaftsbetriebe. Das ungekünstelte Steingeländer im Vordergrund fasst eine Quelle und ein Wasserbecken ein. Das Uhrtürmchen ist ersichtlich eine Zutat oder doch eine Gestaltung neuerer Zeit. Gegen ein Uhrtürmchen an sich Hesse sich nichts einwenden, ja, es ist wahrscheinlich, dass 108 Abbildung 74 ursprünglich eins oben gewesen ist, da wenigstens die Form als Dachreiter gut gewählt ist. Es ist nicht so schlimm, dass es den Gesamtcharakter störte; untersucht man es aber im Einzelnen und vergleicht es mit der vortrefflichen Gestaltung der beiden runden Türen, der Dachluken oder des Steingeländers, so hat man doch den sehr 109 deutlichen Eindruck einer Zeit, der es an Formensinn gebricht. Nirgends ist an dem Uhrtürmchen ein Verhältnis, ein Bauglied oder ein Materialausdruck, der gut genannt werden könnte. Alles kommt schon etwas aus dem Geiste, der die Anlage auf Abb. 92 geschaffen hat. Abb. 93 ist ein Bauernhof, der auf den Resten eines alten Rittersitzes entstanden ist. Deutlich sichtbar steckt noch das ganze alte Schloss darin. Die Art und Weise, wie sich dieser landwirtschaftliche Betrieb einst hineingenistet hat, ist vortrefflich. Es sind durch diese Verschmelzung Bauideen entstanden, die in ihrer Einfachheit und in ihrer Stattlichkeit ausserordentlich lehrreich sind. Die nächsten Bilder zeigen Gutseingänge. Die Gebäude auf Abb. 94 dienen gärtnerischen Zwecken ; nebenan liegt ein Schlossbau. Die Lagerung der Gebäude zueinander ist hier besonders gut. Abb. 95 gibt den Eingang im Hintergrund grösser. Die Durchfahrt zeigt an sich die denkbar einfachsten Formen. Was dem Orte seine sonnige Heiterkeit verleiht, ist ausgedrückt durch Verhältnisse, Materialbehandlung, geschickte Bepflanzung und den einzigen Schmuck der Gattertore. Man kann sich kaum eine Anlage denken, die mit geringeren Mitteln wirkt. Wo der Eindruck unfreundlich und lieblos ist, wie bei Abb. 96, da liegt es an den Erbauern, nicht an den Mitteln. Abb. 97 ist Einfahrt und Pforte zu einem Gute, 98 zeigt den Teil der Umfriedigung rechts von der Einfahrt. Man hat hier von dem Mittel Gebrauch gemacht, das man 110 Abbildung 75 sich bei alten Anlagen selten eintgehn Hess, bei modernen aber fast vergessen zu haben scheint: einen Teil des Gebäudes bis an die Strasse zu rücken, so dass die Giebelwand oder Frontseite in der Fluchtlinie der Mauer liegen (vergl. Abb. 90). Ganz abgesehen von den Vorteilen und Annehmlichkeiten, einen Teil des Gebäudes hart an der Strasse zu haben, bringt es eine weit grössere Geschlossenheit und Mannigfaltigkeit in das Gesamtbild. Die 111 Behauptung, dass durch solche Anordnung die Strasse an Licht und Luft verlieren könnte, lässt sich nicht einmal bei Villenstrassen beweisen, geschweige denn bei Anlagen auf dem Lande. (Näheres siehe Band IV, Städtebau.) Ferner für das Dorfbild bestimmend werden die Kirchen, das Pfarrhaus und die herrschaftlichen Häuser der Güter. Die Kirchen sind ein Gebiet für sich, das an anderer Stelle behandelt wird. Das Pfarrhaus bildet eine Art städtisch ausgebautes Bauernhaus, während die Gutswohnhäuser selbst in reicher Abwandlung vom erweiterten Bauernhof bis zum Schlossbau steigen, der ebenfalls nicht zu unserm Thema gehört. In Abb. 99 zeige ich eine geräumige Pfarrwohnung vom Garten aus, die so recht die Eigenart einer solchen Wohnstätte spiegelt. In diesem Beispiel kommt die Wohlhabenheit des Orts, an dem sich diese Anlage befindet, sehr zum Ausdruck. Weit einfacher, aber doch noch freundlich und behäbig ist Abb. 100, während 101 ein Haus im Stile unserer Pfarrhäuser in Verbindung mit einem geschlossenen Hofraum ist. Mit der Korrumpierung des Bauernhauses sind auch alle anderen Glieder des Dorfes verdorben und in ihrer Gestaltung verkommen. Man vergleiche zwei ländliche Kaufläden, Abb. 102 und 103. Oder man denke gar an das alte Wirtshaus an der Heerstrasse und an die ländlichen Gasthäuser, zu denen im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Stadtbewohner an schönen Sommer- BEISPIEL 112 Abbildung 76 nachmittagen und Festtagen hinauswanderten. Die noch sichtbaren Zeugen jener Zeit erzählen von der Anmut und Würde, die den Lebensformen ihrer Menschen auch auf diesem heute so verwilderten Gebiet eigen waren. Es 113 GEGENBEISPIEL Abbildung 77 ist ein grosses Thema, das hier kaum gestreift werden kann. Nur zwei Bilder möchte ich anführen. Abb. 104 ist ein ländHches Gasthaus, dessen liebliche Lage es zum Ausflugsort für den Städter in hohem Grade geeignet machte. Es scheint, dass das Bedürfnis nach solchen Orten ein Charakteristikum des 18. Jahrhunderts ist, in dem die Freude am Genüsse der Natur neu erwachte und den Bürger aufs Land hinausführte. Indem man der neuen Verkehrsweise Rechnung trug, erbaute Schultze-Naumburg, Kulturarbeiten III 8 114 Abbildung 78 man ein helles, freundliches Lusthaus, mit Saal, Säuleneingang, hellen Zimmern, einem grossen Garten mit weissen Bänken und rundem Pavillon. Kann man sich etwas denken, das besser Landlust, harmlose Feiertagsstimmung und gesellige Formen in sich vereinigte, als ein solches Haus? Heute sucht man diesen altmodischen Ort nicht mehr auf. Ein modernes „Vergnügungsetablissement" ist in der Nähe entstanden, der Saal auf Abb. 105 dient als „Balllokal", Aufenthalt im Freien bietet ein konfus angelegter Kiesplatz mit eisernen Stühlen und Tischen; Automaten stehen überall umher und laden die Gäste zu ihrem geist- 115 reichen Spiel ein. Das sind zwei Symbole der Welt, der, wie sie vor hundert Jahren war, in jener Zeit, auf die wir so herablassend blicken, und der von heute, die es so herrlich weit gebracht hat. 8* KOLONIEN DIES allein wäre eine für uns bedeutsame Aufgabe, auf die guten Traditionen unserer dörflichen Bauart und auf die über alle Massen ordinäre ländliche Architektur von heute die allgemeinste Aufmerksamkeit zu lenken. Aber die Beobachtung der Tradition unserer Dorfhäuser hat noch einen andern und für die Städter nicht minder wichtigen Zweck. Im Bauernhause nämlich haben wir den einzigen noch lebenden Vertreter einer nordischgermanischen Bauart in Reinkultur. Unser Bürgerwohnhaus und das städtische Landhaus sind das nicht mehr so ausgesprochen, sondern ihr schönes Bild ist bei der Berührung des mittelalterlich deutschen Stadt- oder Landhauses mit klassizistischen Formen vermengt worden. Das darf keinen Tadel bedeuten. Die meisten unserer grossen Kulturen sind bei der Berührung zweier einander fremden Rassen entstanden. Ja, man hat dies Prinzip der Rassenmischung zur Erklärung besonders gesteigerter geistiger Tätigkeit auch für geniale Individuen in Anspruch genommen. Wollen wir bei diesem Bilde bleiben, so kann man weiter sagen : es gibt gute — es gibt auch BEISPIEL 120 Abbildung 79 schlechte Ehen. Die Mischung von germanischem Wesen mit griechischem Geist war für unsere deutsche Kultur seit langer Zeit eine geistige Ehe und zwar eine glijckliche. Man sollte aus Groll über gewisse Missgriffe, die bei uns mit klassischen Studien gemacht worden sind, nicht undankbar vergessen, dass ein grosser Teil unserer besten Geistesblüten, ja vielleicht unsere ganze Kultur direkt in ihr wurzelt. Noch aus neuerer Zeit gibt es Weniges in 121 GEGENBEISPIEL Abbildung 80 den Formen deutschen Lebens, das nicht durch die Befruchtung mit klassischer Bildung seine charakteristische Färbung erhalten hätte, rnit Ausnahme der bäurischen Kultur. Das Bauerntum und damit auch die Form des Bauernhauses haben keine klassizistischen Keime in sich aufgenommen. Das ist ganz natürlich, da das Leben BEISPIEL 122 Abbildung 81 des Bauern von ihnen nicht erreicht wird, während sie mit unserer bürgerlichen Kultur seit langen Zeiten sich derart verbinden, dass sie deshalb auch ihre sichtbaren Ergebnisse haben müssen, von denen man nun diese Beziehungen deutlich ablesen kann. Ziehn wir die Nutzanwendung daraus, so scheint der Gedanke sich von selbst zu ergeben, dass der Anschluss an die Tradition für die primitiveren Formen des Lebens mehr beim Bauernhause, für die Formen einer ausgesprochen geistigen Entwicklung mehr bei der mit der klassischen Formensprache beeinflussten bürgerlichen Bauweise des 18. Jahrhunderts liegen muss. Und zwar nicht infolge 123 GEGENBEISPIEL Abbildung 82 eines willkürlichen und exklusiven Kastengeistes, sondern natürlicher organischer Entwicklung entsprechend. Diese Beobachtung wird wichtiger, als es anfangs den Schein hat. Traditionen werden seit Jahrzehnten aufgesucht und vorgeblich weitergeführt. Wenn es bis heute noch nichts oder wenig gefruchtet hat, ja, wenn wir den Hauptschaden daher datieren, so hat das nicht allein den Grund, dass man die alten Formen so entsetzlich schlecht und unverstanden wiederholte, sondern auch vor allen Dingen den, dass man falsche, für den Fall nicht passende Traditionen wählte. Ja, das wurde der Hauptgrund dafür, dass unser Architekturbild jede feste Fügung verlor, dass unsere Proletarierhäuser wie Paläste, die Paläste wie Schweizerhäuser, die Bauernhäuser wie Zucht- BEISPIEL 124 Abbildung 83 häuser, die Zuchthäuser wie Kirchen und die Kirchen wie Bahnhöfe aussehen. Immer wieder muss darauf hingewiesen werden, dass man der Menge der Bauenden nie zu viel freien Willen lassen darf, sondern dass für sie ein gefestigtes Herkommen absolut notwendig ist, das ihr genau und zweifellos sagt: so wird dies und so wird jenes gebaut. Mit einem Wort: feststehende Bautypen. Solche Typen schafft sich ja die Ratlosigkeit doch immer wieder. Wir müssen Sorge tragen, dass die rechten Vorbilder an den rechten Ort kommen. 125 GEGENBEISPIEL Abbildung 84 Was sich heute während des künstlerischen Anarchismus als Typus für die Wohnstätten der unteren Stände, im wesentHchen jlso der Arbeiter, herausgebildet hat, gilt es jetzt zu untersuchen. Wenn man das Wort „Arbeiterhäuser" hört, denkt man unwillkürlich an traurige Gegenden, in denen rohe Ziegelbauten einförmig lange, öde Strassenzüge einfassen. Physiognomielos ziehen sie sich mit ihren flachen Dächern und ihren gleichförmigen, kasernenartigen Fenstern die 127 128 Abbildung 87 Strassenflucht entlang. Man betrachte Abb. 106. Es ist kein Ort der Freude, niemand wird seine Spaziergänge zur besonderen Erholung durch diese Arbeiterkolonien lenken. Der gute Mensch fühlt keine Geringschätzung für diese Stätten und ihre Bewohner, sondern Mitleid für alle Individuen, denen ein so armes Los zugefallen ist. Aber er wird sich meist in den Glauben ergeben, dass erst dann ein freundlicheres Bild den Arbeitern erblühen werde, 129 Abbildung 88 wenn die Mittel der gesamten Menschheit so gewachsen sind, dass sie ausreichen, auch für die Letzten. Vorderhand sei es aber als Schicksal hinzunehmen, denn die Völker verfügten eben noch nicht über den Reichtum, der auch den Ärmsten noch mit dem Behagen der Wohlhabenheit umgeben könnte. Muss es wirklich so sein? Ich will gewiss nicht behaupten, die soziale Frage lösen zu können. Aber das weiss ich, dass das ZuchtSchultze-Naumburg, Kulturarbeiten III 9 130 Abbildung 89 hausgesicht unserer Arbeiterkolonien gerade so wenig eine notwendige Folge der geringen aufwendbaren Mittel ist, wie der falsche Prunk unserer Städte eine notwendige Folge der dort beginnenden Wohlhabenheit. Wenn wir von Arbeiterkolonien sprechen, so handelt es sich auch bei diesen nicht um Aufgaben, die noch niemals in der Welt gelöst worden wären und also auch keine Überlieferung vorfänden. Der Name hat sich vielleicht geändert, denn wo solche Kolonien sich vorfinden 131 Abbildung 90 (ich denke dabei an die Umgebung alter kleiner Residenzen), wurden sie zur Zeit ihrer Erbauung wahrscheinlich für kleine Beamte errichtet, nicht für freie Arbeiter. Der Name hat sich geändert und die Ausdehnung: denn es handelt sich heute um die Schaffung von ungeheuren Arbeiterstädten, die dem Heer der modernen Arbeiter zum menschenwürdigen Wohnsitz dienen sollen. Bis jetzt wohnt ja der Arbeiter, von seltenen Ausnahmen abgesehen, in jammervollen „Provisorien". Allerdings, mit Einem kann er sich trösten : die meisten andern Menschen wohnen auch in Provisorien. Wenn ich mich umsehe in Stadt und Land, überkommt mich immer mehr die Ge- 9* BEISPIEL 132 Abbildung 91 wissheit: so wie das, was hier vor meinen Augen entsteht, können unmögHch die Wohnstätten des Zukunftsmenschen aussehen — denn auf die Dauer hält er's darin nicht aus. Der Arbeiter wohnt heute noch nicht in seiner Heimat. Sein Stamm ist noch zu jung, er ist noch auf der Wanderschaft. Allmähhch wird seine Wohnstätte wachsen. Aber wir werden ihm helfen müssen, sich diese 4 133 GEGENBEISPIEL Abbildung 92 Wphnstätte zu schaffen, denn er selber ist von dem Wege zur Erkenntnis, worauf es dabei ankommt, und zur Fähigkeit, hier zu gestalten, gerade so entgleist wie die übrigen Stände auch. Solange der Arbeiter in der Stadt wohnt, ist ihm vorderhand kaum zu helfen. Solange wir diesen menschenmordenden Typus der Grosstadt immer weiter züchten, uns immer mehr Mühe geben, dass immer mehr Menschen sich wie in Bienenzellen zwischen turmhohen Mauern zusammenkleben, so lange muss den Arbeitern in diesen 134 Abbildung 93 gigantischen Steinhöhlen das jämmerlichste Los zufallen. Das Los der Wohlhabenden, die sich diese Steinaufhäufungen zum Wohnsitz erwählen, ist ja von dem seinigen nur im Grad, nicht im Wesen verschieden. Man steht ratlos, wo da der Hebel anzusetzen ist. In dem Band über Städtebau wird der Leser diese Gedanken weiter ausgeführt finden. Wollen wir versuchen, die Gestaltung des Arbeiterhauses günstig zu beeinflussen, so muss es da geschehen, wo man im Begriff ist, im Freien kleine Arbeiterhäuser einzeln oder in Kolonien zu errichten. Sowohl von selten 135 Abbildung 94 des Arbeitgebers wie des Arbeiters selber geschieht da viel. Aber es sind doch verschwindende Ausnahmen, wo es gut geschieht. Wollen wir uns darüber klären, wie diese zukünftigen Wohnstätten der Arbeiter auszusehen haben, so werden wir wie überall bei unsern Aufgaben nicht die Torheit begehen, aus dem Nichts neu anfangen zu wollen und noch einmal auf eigene Faust alle die längst mustergültig gelösten Aufgaben von neuem zu lösen. Unsere Radikalissimi wollen das zwar am liebsten, wir aber, denke ich, tun besser, alles zu übernehmen, was die Menschheit an bewährten Lösungen bereits geschaffen hat, um unsere Arbeitskraft dafür zu sparen, dort weiter zu BEISPIEL 136 Abbildung 95 bilden und zu formen, wo andrer Sinn und andrer Zweck neue Formen verlangen. Wir haben gesehen, dass bei technischen Bauten der Gegenwart die Form sich als eine noch nie dagewesene, gänzlich neue, aus neuen Aufgaben und neuen Lösungsmitteln ergab. Wir haben aber auch gesehen, dass der neue Sinn bei unsern Wohnhäusern verhältnismässig geringe Bedeutung hat. Wir werden sehen, dass der neue Sinn bei diesen Arbeiterwohnungen verschwindend klein ist. Wenn man nach der Form des Arbeiterhauses sucht, 137 GEGENBEISPIEL 7^^:^.^!^^'^':';'^*^^^'^'^^ w^^^^ % % Abbildung 96 weil es noch nicht unter diesem Namen als gegebene Grösse im Besitz unserer Tradition zu finden ist, so kann man, wie in der Einleitung angedeutet wurde, Rat finden 138 Abbildung 97 bei den Ständen, deren Lebensweise und Bedürfnisse mit denen des Arbeiterstandes verwandt sind, und die doch im Besitz einer festen Überlieferung eines eigenen Heims sind, in dem sich menschenwürdig und zufrieden leben lässt. Wir werden dann, wenn wir unsere Wünsche sowohl wie die Grenze der erreichbaren Möglichkeiten in Betracht ziehen, ungefähr auf das kleine Landhaus hinauskommen, das als Bautypus dicht neben dem Bauernhaus 139 Abbildung 98 steht und von diesem seine Formen bezogen hat. Ein Fehler würde es natürHch sein, das Bauernhaus schlechtweg zu kopieren , denn dies entspricht neben den Hauptbedürfnissen, die gleichbleiben mögen, noch einer ganzen Reihe von Nebenbedingungen, die hier beim Arbeiterhaus fehlen. Das Arbeiterhaus, dessen Bewohner keine eigene Landwirtschaft treiben, braucht keine Bauglieder anzubringen, die lediglich aus der Beschäftigung 140 Abbildung 99 mit der Landwirtschaft hervorgegangen sind und ohne siebedeutungslos wären. Es braucht sich aber gerade so wenig nach kümmerlich angedeuteten Luxusformen zu sehnen, die seiner eigenen bescheidenen Bestimmung nicht entsprechen. Auch der Arbeiter sollte, wie der selbstbewusste Bürger, zu stolz sein, den Parvenü um seinen unechten Plunderkram zu beneiden. Die Aufgabe ist: behagliche , gesunde und gut brauchbare Räume zu schaffen, mit kleinen Gärtchen, einer Laube als Aufenthalt im Freien während des Sommers, wohlverwahrte, 141 Abbildung 100 warme, aber gut ventilierte Räume im Winter. Für das alles gibt es bei uns als mustergültiges Vorbild : das deutsche Bauernhaus, wie es der Typus war bis weit in das 19. Jahrhundert hinein, und wie es noch heute in einer als Vorbild genügend grossen Anzahl erhalten ist. Daraus sind all jene bescheidenen Wohnhäuser hervorgegangen, und aus ihm muss auch das Arbeiterhaus hervorgehen, wenn es die Zukunft mit der Vergangenheit 142 Abbildung 101 verbinden, d. h. sich dem organischen Werdegang geordnet einfügen will. Lassen wir nur einiges vom Bauernhaus weg, fügen wir nur einiges hinzu und verändern wir wieder einiges, gemäss neuzeitlicher Erkenntnis und fortgeschrittener Technik, so haben wir das Ideal des anständigen Arbeiterhauses , dessen Äusseres so behaglich von Glück und Zufriedenheit erzählt, dass ein Abglanz davon auf die Inwohnenden übergehen muss. Aber noch mehr als das. Hier wäre ein äusserliches Mittel ge- 143 funden, den traditionslosen Stand der Zukunft mit der Vergangenheit zu verknüpfen. Sonderbar, gerade sie, denen die Sorge um die Zukunft der Arbeiterbewegung am meisten am Herzen liegt, übersehen zumeist vollkommen die umbildende Wirkung, die die äussere Formensprache der Umgebung auf die innere Artung des Menschen ausübt. Man darf nicht herablassend von der Verkommenheit der unteren Volksschichten reden, solange man sie in Häusern wohnen lässt, deren Form den Ausdruck der Freud- und Trostlosigkeit trägt; solange man sie arbeiten lässt an Stätten, denen der Stempel des Zuchthäuslerdaseins aufgedrückt ist. Ich kenne zur Genüge das Heer der Einwände, die auf solch einen Ausspruch auch von sonst Wohlwollenden erhoben werden : Ob ich denn meinte, der Arbeiter müsse in elegante Häuser gesetzt werden, ob er vielleicht gar mit Kunstwerken umgeben werden solle oder was sonst? Das alles wäre doch nur eine Geldfrage, und wenn die Mittel nur zu dem Notwendigsten reichten, so bliebe eben für den Luxus nichts übrig usw. Ach, ich kenne sie auswendig, die ganze Phraseologie, und es ist ermüdend genug, gegen ihre Redseligkeit immer und immer zu wiederholen : das meinen wir nicht, sondern wir meinen das und das. Allmählich aber bleibt doch etwas hängen von der so einfachen Erkenntnis, dass das Geforderte mit Kunst im Sinn von Luxus gar nichts zu tun hat, sondern dass nur eine andere Gestaltung notwendig ist, um dasselbe Mate- BEISPIEL 144 Abbildung 102 rial, das jetzt so öde wirkt, und sei es das einfachste und billigste, erfreulich und erquicklich zu meistern. Es ist ein Irrtum, zu meinen, das Bauernhaus sei unkomfortabel, unpraktisch oder gar unhygienisch. Im Gegenteil: die Typen der Bauernhäuser aller Gegenden Deutschlands zeigen das behaglichste Innere, die bequemste Raumgestaltung, die man sich nur wünschen kann. Die Zimmer sind gross, werden durch kleine, aber 145 GEGENBEISPIEL Abbildung 103 zahlreiche und am rechten Ort angebrachte Fenster reichHch erhellt; jede Form erzählt von Lebensfreude. Wenn man diese alten guten Bauernhäuser gut angesehen hat, so versteht man nicht mehr, wie das alte Märchen von dem Unhygienischen dieses Baustiles erfunden werden konnte. Denn unsere Errungenschaften wie Wasserleitung oder Kanalisation bedingen doch nicht die Erscheinung Schultze- Naumburg, Kulturarbeiten III 10 BEISPIEL 146 Abbildung 104 unserer modernen Kästen, vielmehr treten sie einfach zum Alten hinzu. Auch unhygienische Gewohnheiten ihrer Bewohner haben natürlich in unsern Bauernhäusern feste Gestalt gewonnen, wie in andern Haustypen alter Zeiten auch. Aber 147 GEGENBEISPIEL Abbildung 105 ihr Fortlassen oder Beseitigen wirft noch lange nicht den ganzen Baustil um, sondern bedingt eben nur gewisse Fortbildungen, wie sie in allen Zeiten, auch denen 10* 148 ununterbrochen fortlaufender Traditionen stattgefunden haben. Abb. 107 und 108 zeigen ein Bauernhaus aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und ein Arbeiter- oder Beamtenhaus eines Guts. Bedürfnisse und äussere Verhältnisse der Bewohner liegen in beiden Fällen nahezu gleich. Jedenfalls gibt es keine Verschiedenheiten, die irgendeinen Einfluss auf die äussere oder innere Gestaltung des Hauses haben müssten, mit Ausnahme natürlich von Torbogen und Scheune, die das Arbeiterhaus, wenn es keine eigene Landwirtschaft besitzt, nicht braucht. Betrachtet man mit ganz unbefangenem Auge beide Bilder, so wird man von dem ersten den angenehmsten Eindruck mitnehmen. Das Haus hat entgegen dem sonst in der Gegend üblichen Typus wenig Fenster. Doch spricht die Bauart nicht gegen die Möglichkeit, die Fensterfläche zu vergrössern. Sehr häufig sieht man diese so angeordnet, dass zwei oder gar drei Fenster zu einem grossen gekuppelt sind. Diese Konstruktion ist sehr einfach und entspricht dem Fachwerk, da die senkrechten Holzstiele die natürlichen Pfeiler und Trennungen der Fenster bilden. Welch behagliches Innenbild und welch angenehme Beleuchtung dabei entsteht, mag Abb. 109 andeuten. Wollte man die Tradition unsers Bauernhauses weiterführen, es wäre ein Leichtes, die Verschiebungen und Veränderungen daran vorzunehmen, die neuere Erkenntnis uns wünschenswert macht. 149 Abbildung 106 Betrachtet man das andere Bild, so wird man keinerlei freundliche Gedanken von ihm mitnehmen. Der ungeputzte rohe Ziegelbau trägt die Züge der nachlässigen Arbeit, die man nicht einmal fertigmacht, sondern hastig und ohne Liebe und Freude in Benutzung nimmt. Gewiss, man kann auch Ziegelrohbauten gut behandeln, es ist aber ein Unterschied zwischen einem Bau, der als Ziegelrohbau gedacht ist, und einem, den man unverputzt BEISPIEL 150 liüRW. : '"»Ä»;;» Abbildung 107 gelassen hat. In einem solchen Hause wie Abb. 108 ist nur ein Vegetieren, kein Leben möglich. Macht diesen grundlegenden Unterschied nun etwa die angelegte Bausumme aus? Wenn man genau nachrechnet, wird man finden, dass das obere Haus bei gleicher Grösse genau so viel, ja wahrscheinlich weniger kostet, weil es vom ersten Stock an in Fachwerk gebaut ist. Es ist eine falsche Tendenz, ländliche Bauten durch übertriebene Solidität unnütz teuer zu machen. Fachwerk genügt für die oberen Räume eines solchen Hauses vollkommen, besonders, da 151 GEGENBEISPIEL Abbildung 108 neuere Isoliermethoden seine Eigenschaften zum Wohnen hinsichtlich des Schutzes gegen Wärme und Kälte wesentlich steigern können. (Allerdings sind heute die Holzpreise so gestiegen, dass Fachwerkbau in holzarmen Gegenden keine Verbilligung mehr bedeutet.) Die Raumgestaltung in dem Hause auf Abb. 107 ist freundlich und behaglich, während die Zimmer des Hauses Abb. 108 erbärmlich öde und nüchtern aussehn. Wasserleitung und Kanalisation können in beiden Häusern gleichermassen angelegt 152 Abbildung 109 werden : diese Frage hat mit der Frage des Bautypus nichts zu schaffen. Und was das Sauberhalten der Wohnung anbetrifft, so hängt das doch wohl am meisten von dem Sinn der Bewohner ab. Frage man sich doch einmal ehrlich : Welches Haus regt mehr zur Sauberkeit, zur Erhaltung einer schmucken Erscheinung an, das auf Abb. 107 oder Abb. 108? Muss nicht im untersten Bewusstsein einem jeden das Gefühl aufdämmern, dass mit solchem Hause doch nie ein freundlicher Anblick zu erreichen sein wird, da es stets einen Sträflingsblick behalten wird? 153 Man vergleiche die beiden Dachgestaltungen. Das flache Dach mit der Versenkung der Dachbalken in der typischen Anwendung auf Abb. 108 gehört auch zu jenen kurzgedachten „Bereicherungen" unserer Bauformen, die die neuere Zeit gebracht hat. In allen Bauschulen wird sie gelehrt und unter dem Stichwort vom sparsamen Bauen weitergegeben, ohne dass die damit Beglückten den Trugschluss und den Unsinn merkten. Zunächst die Raumfrage. Unter einem Dach wie auf Abb. 108 lässt sich mehr unterbringen, behauptet man. Ich glaube es nicht. Das Dach auf Abb. 107 hat in seinem Innern zwei geräumige Kammern, zwischen denen noch ein Stück Bodenraum liegt. Über diesen liegt nochmals ein weiterer Bodenraum, der die Länge des gesamten Dachstuhles einnimmt und in der Mitte genügend Höhe zum Beschreiten hat. Was für Raum hat dagegen der Drempel auf 108? Zum Begehen ist er für kleine Personen kaum in der Mitte hoch genug; rings an den etwas über einen Meter hohen Seitenwänden bietet er allerdings leidlich Platz zum Aufstellen von Sachen. Trotzdem kann bei genauerem Beobachten gar kein Zweifel darüber bleiben, dass der Dachboden auf Abb. 107 mehr wirklich benutzbaren Raum bietet als der auf Abb. 108. Dieselbe Beobachtung können wir an Abb. 110 und 111 machen. Hier entsprechen sich die beiden Häuser noch genauer als in den vorigen Beispielen ; der gewonnene Bodenraum auf Abb. 111 ist bei den beiden Mittelfenstern gerade hoch genug, während er von den BEISPIEL 154 ^^ jpn Abbildung 110 kleinen runden Fenstern nach auswärts zu nur kriechend erreicht werden kann. Bei der starken Dachschräge auf Abb. 110 ist der tote Raum viel geringer. Allerdings wird das Dach auf Abb. 111 etwas billiger sein, besonders da es mit Dachpappe eingedeckt ist. Diese Billigkeit gilt aber nur für die ersten zwei Jahre, denn dann fangen bei dem für unser nordisches Klima nicht geeigneten flachen Dach die Reparaturen an, die überhaupt nicht wieder aufhören. Jeder Besitzer verwünscht nach einiger Erfahrung die Unzweckmässigkeit solch flacher Dächer. Und trotzdem geschieht das Unbegreifliche weiter, dass die Lehre von der Vortrefflichkeit der flachen Dächer und den Vorzügen des 155 GEGENBEISPIEL Abbildung 111 Pappdachs durch die Bauschulen geschleppt wird, dass jährlich neue Tausende solcher Gebäude unser schönes Land entstellen. Es wäre natürlich vollkommen unrichtig, wenn jemand aus dem Vorstehenden die Schlussfolgerung ziehen wollte, es sei überhaupt unmöglich, flache Dächer schön zu gestalten. Ich zeige ein Beispiel aus Italien, wo die natürlichen Bedingungen überall die flachen Dächer ausgebildet 157 haben. Aber vor Abb. 112 wird niemand im Zweifel sein, dass das Bild aus Italien geholt ist, genau so, wie er sich vor Abb. 107 sofort in Deutschland fühlt. Und deswegen werden wir, ganz abgesehen von dem Fehlen der Bedingung des italienischen Himmels in Deutschland, nicht den Wunsch haben, das Bild unseres Landes gegen das eines fremden einzutauschen, selbst wenn wir dauerhafte Konstruktionen für flache Dächer fänden, denn es ist unserer unwürdig, unsere Formen preiszugeben für fremde, die doch nicht durchaus passen können. Dass es sehr wohl geht, von fremder Architektur zu lernen, ja sogar ganze Bauglieder derselben unserm heimischen Schatz einzuverleiben, steht damit nicht in Widerspruch. Wo unsere Architektur das mit Erfolg getan hat, handelte es sich immer um Formen, die in ihrem Wesen unseren Bedingungen entsprachen, und die ganz ähnlich entstanden sein müssten, auch wenn wir das fremde Vorbild nicht gehabt hätten. Die flachen Dächer zählen nicht hierzu. Abb. 113 und Abb. 114 zeigen einen ganz andern Typus des Hauses als die vorhergehenden. Auch hier wird niemand im Zweifel sein, ob das Bild links ein würdigeres Ansehen zeigt als das rechts. Die übrigen Betrachtungen werden im allgemeinen auf das gleiche Ergebnis hinauskommen. Manche werden die gute Erscheinung des Hauses auf Abb. 113 zum Teil auf Rechnung des alten malerischen Baumes setzen. Ich muss aber immer wieder- BEISPIEL 158 Abbildung 113 holen, dass das Pflanzen des rechten Baumes an den rechten Fleck durchaus eine Kunst ist, die früheren Zeiten eigen war, der unsern aber verloren gegangen ist. Sogar das Schonen und Stehnlassen am rechten Fleck hat unsere Generation ja verlernt. Deshalb gehört der Baum auf Abb. 113 durchaus zu den Vorzügen der Anlage. Abb. 116 ist nicht so kümmerHch wie die beiden vorhergehenden Gegenbeispiele. Das Dach ist nordisch steil 159 GEGENBEISPIEL Abbildung 114 und mit Schiefer eingedeckt. Trotzdem hat das Haus etwas so Reissbrettsteifes, dass es seine Umgebung verödet. Und wie gering sind doch die Änderungen, die notwendig gewesen wären, um ihm dasselbe freundliche Behagen zu geben, wie es das Haus auf Abb. 115 hat! Man hatte bloss das Dach abzuwalmen, Ziegel anstatt Schiefer zu nehmen oder den Schiefer doch wenigstens auf unsere gute deutsche Art zu decken und die Dachluke schön zu kehlen gebraucht. Hätte man dann das Haus noch verputzt, den Fenstern bessere Verhältnisse gegeben, so hätte BEISPIEL 160 Abbildung 115 man dasselbe vortreffliche Haus gehabt wie auf Abb. 115. Gegen das ordentliche Verkehlen der Dachluken sträuben sich heute die Handwerker, weil sie nicht mehr das handwerkliche Können dazu besitzen, mit ihnen sträuben sich manch rückständige Architekten, weil sie einmal gelernt haben, dass „man" das nicht macht. Sie wissen dann immer eine ganze Blütenlese von Gründen anzuführen, die für ihre schlechte Zinkarbeit sprechen sollen. Abb. 117 und 118 zeigen als Gemeinsames ihre kleinen Ausmessungen, als Unterscheidendes ihre Charaktere. Als 161 GEGENBEISPIEL Abbildung 116 Ergänzung der Bilder endlich noch zwei Haustüren, die solchen Häusern entsprechen (Abb. 119, 120). Vergleicht man den Gesamteindruck beider Bilder, so wird sich ja ungefähr dasselbe ergeben, wie wenn man die einzelnen Bestandteile, die Türflügel, das Oberlicht, die Treppenstufen auf ihre Gestaltung, Brauchbarkeit, Bequemlichkeit und sichtbare Schönheit einzeln untersuchte. Mit Absicht waren alle diese Beispiele dem Lande entnommen, um zu zeigen, wohin wir uns zu wenden haben, wenn wir an der Tradition zugunsten des Arbeiterhauses wieder anknüpfen wollen. Handelt es sich um Schultze-Naumburg, Kulturarbeiten III 1 1 BEISPIEL 162 Abbildung 117 städtische Arbeiterkolonien, so verändern sich die Verhältnisse nur ganz wenig. Das Prinzipielle des früher Gesagten hat auch hier dieselbe Geltung. Arbeiterkolonien werden errichtet weit draussen vor den Städten, halb auf dem Lande, wo der Boden noch billig ist. Das ist gut. Je weiter sie sich vom Weichbild der heissen Grosstadt, die alles meilenweit in ihrem Umkreise zu versengen scheint, entfernen, um so besser. Man hat grosse Gebiete erschlossen. Wiesen, Felder, die sich an Wäldern hinziehen, aus denen noch frische reine Luft herüberweht. Durch zahlreiche Vorortbahnen hat man alles leicht zugängig gemacht, und nun hat 163 GEGENBEISPIEL Abbildung 118 man es in der Hand, endlich, endlich einmal wirkliche Heimstätten erstehen zu lassen. Aber was tut man? Man baut, ohne darüber nachzudenken, welche Wirkungen die Bauformen haben müssen, immer von neuem diese lieblosen Kästen und verlegt hier hinein 11* BEISPIEL 164 Abbildung 119 künstlich das traurige Elend der Grosstadt. Man will menschenbeglückende Stätten schaffen und errichtet traurige Kasernen, in denen die Lebensfreude verkümmert und erstirbt. 165 GEGENBEISPIEL Abbilduag 120 Man wird einwenden, das System unserer Arbeiterkolonien stecke in den Kinderschuhen. Aber es könnte ja längst vollendet sein, wollte man die ganze Frage nur ernsthaft überdenken und sich dann zu BEISPIEL 166 Abbildung 121 den richtigen Vorbildern wenden. Wenn man wirklich sähe, was man angerichtet hat, so würde man bekennen : allerdings, das habe man nicht gewollt. Aber man sieht und merkt es ja gar nicht. Wo wäre der Sehende? Bei den Arbeitern etwa? Wir können ganz sicher sein, vorläufig wollen die Arbeiter selber es gar nicht anders. Deshalb sollten alle, die es mit ihnen gut meinen, immer von neuem darauf hinwirken, dass ihnen die Augen geöffnet werden. Wie lange 167 GEGENBEISPIEL Abbildung 122 sollen noch weiter „Orte des Grauens" entstehen, wo für dasselbe Geld freundliche Gartenstädte aufwachsen könnten ? Die Verschiebung der Verhältnisse in der Kolonie gegenüber dem ländlichen Arbeiterhaus liegt, wenn man die Gesamtanlagen betrachtet, vor allem darin, dass das ländliche Haus zumeist ein Einzelhaus für sich darstellt, das von allen Seiten frei ist, während es bei der Kolonie darauf ankommt, Strassenzüge zu schaffen. Bei genügend weiter Bebauung sollte auch hier das Haus von BEISPIEL 168 Abbildung 123 allen vier Seiten frei sein. Im Band IV über Städtebau ist eingehender erörtert, wo das möglich und wo es zu vermeiden ist. Bei ebenem Terrain und für den Fall, dass man keinen vorhandenen Anlagen, etwa Alleen oder Baumgruppen folgen kann, versteht es sich von selbst, dass man den Charakter der Entstehungsweise dadurch ausdrückt, indem man ähnlich verfährt, wie beim künstlich angelegten Garten, dem ein einheitlicher Plan zugrunde liegt. Die gekrümmte Dorfstrasse ohne Grund zu imitieren, ist gerade so sinnwidrig, wie die alte Dorfstrasse reguheren zu wollen. Man kommt also von selbst darauf, die gerade lange Allee mit 169 GEGENBEISPIEL Abbildung 124 der langen Perspektive häufig anzuwenden. Die HauptRichtpunkte bei solchen Plänen sollten die schon vorhandenen pflanzlichen Bestände sein, da über dem Heranwachsen von neuen doch eine Generation vergeht. Wie oft kann man beobachten, dass alte herrliche Bäume gefällt werden und dicht daneben eine neue Allee gepflanzt wird. Man kommt dabei auf die Vermutung, dass es auf dem Reissbrett so besser passte. Abb. 121 ist aus einer alten Schifferkolonie, die um BEISPIEL 170 'i 171 GEGENBEISPIEL Abbildung 126 daneben weht um einige neue Kolonien (vgl. Abb. 122, 124, 128 u. a.) wieder die trostlose Atmosphäre, die fast alle derartigen modernen Anlagen umgibt. Wie kann es auch anders sein, wenn alle Formen von Ungemütlichkeit, Nachlässigkeit und Niedrigkeit erzählen? Für alle, die aufmerksam den Betrachtungen der Kulturarbeiten gefolgt sind, braucht man das kaum noch zu wiederholen. Auch den albernen Ausputz, mit dem man die Gesichter der Häuser entstellt, wenn man sie „schmücken" will, kennen die Leser zur Genüge. Man betrachte die Abb. 124. Die kümmerliche und unüberlegte 1/ i Gesamtform allein kann einen schon mit Schauder erfüllen. Die Giebeldächer sind unmässig weit vorgeschoben und mit dem jämmerlichen Schnörkelwerk bedeckt, das heute jede Zimmermannsarbeit zeigt. Das hat seinen guten Grund. Solche Holzarbeit nämlich mit Zacken, Palmetten und Kerben ist nicht einmal der hier zwar verfehlten guten Absicht, zu schmücken, entsprungen, sondern lediglich der, schlechte Zimmermannsarbeit zu verdecken, die man bei einfacherer Behandlung viel leichter sehen würde. Das ist auch ein Grund, weshalb die Bauunternehmer so ungern auf ihre „Zierate" verzichten. Gegen die Dachfenster an sich wäre nichts einzuwenden, wenn sie so gestaltet wären, dass sie von aussen als Augen eines gemütlichen Raums erschienen. Auf Abb. 123 ist dies der Fall. Hier sitzen die kleinen aber breiten Fenster zu zweien gekuppelt hoch in der Zimmerwand, sie ergeben ein Dachkämmerlein, das ärmlich sein mag, aber doch so traut und freundlich ist, wie sich's mit so einfachen Mitteln eben hervorbringen lässt. Abb. 125 ist eins jener bescheidenen, stillen Landhäuser, deren Gestaltung wie geschaffen dazu wäre, hier wieder an die Tradition anzuknüpfen, wenn es die Errichtung von Kolonien mit kleinen Wohnhäusern gilt. Die finanzielle Notwendigkeit, ganz kleine Häuser zu einem Bau zu vereinigen, wird sehr häufig bestehn. Es ist leicht einzusehn, dass dadurch die Bausumme geringer wird, 173 als wenn jedes ein Einzelhaus für sich wäre. Die letzte Konsequenz dieser Bauart ist ja die Mietkaserne, bei der die Wohnungen übereinander liegen. Aber auch beim blossen Nebeneinanderreihen ergibt sich eine wesentliche Ersparnis, ohne dass dem Bewohner das Gefühl des eigenen Grunds und Bodens geraubt würde. Dies lässt auch die Befürchtung schwinden, solche Vorbilder wie etwa auf Abb. 125 seien zu gross gedacht. Ich habe eine Reihe solcher Häuser, die ein und denselben Typus zeigten, aufgenommen und ihre Grundrisse verglichen. Es erwies sich, dass sie in verschiedenen Abwandlungen fast immer die gleichen waren, ein Zeichen, dass sich auch in Zeiten des guten Bauens gewisse feste Schemata ausgebildet hatten, die man als etwas Selbstverständliches übernahm. Nur waren die Schemata damals gut, während sie heute schlecht zu sein pflegen. Schon die Grundrisse gliederten das Haus so behaglich, dass man beim ersten Eintreten vom Vorsaal aus die ganze trauliche Atmosphäre des Hauses und seiner Bewohner fühlte. Ich habe nun versucht, auch eine Reihe Grundrisse jener Häuser aufzunehmen, deren Schema Abb. 126 zeigt. Es war vergebens, weil man hier von Lösungen einer Aufgabe überhaupt nicht reden konnte. Der viereckige Kasten war ohne jeden Versuch der Gestaltung eben in weitere viereckige Räume eingeteilt, wie es gerade kam : ein so trostloses Versagen jeder Raumgestaltung, dass es gar nicht möglich war, von gewissen Bautypen zu sprechen. Ein schlagender Beweis BEISPIEL 174 Abbildung 127 gegen jene, die mit hochgezogenen Augenbrauen wichtig beginnen : „Ja, die alten Bauten mögen ja ganz malerisch sein, aber in der Praxis sind diese modernen doch bei weitem usw." Ja — antwortete mir aber dieser und jener — Hegt 175 GEGENBEISPIEL » Abbildung 128 €s SO, woher soll man dann heutzutage die Geisteskräfte nehmen, die imstande sind, auch die einfachsten Aufgaben mit architektonischem Raumgefühl und Sinn für BEISPIEL 176 Abbildung 129 Zweckmässigkeit und Behaglichkeit zu gestalten? — Liebe Freunde, gebt mir die Hand und kommt mit mir zu jenem einfachen Haus. Da habt ihr die Baupläne, die Modelle, den praktischen Ratgeber in Lebensgrösse vor euch, alles umsonst. Ihr braucht nur nachzubauen und gerade das ein wenig zu verändern und umzuformen, was aus besonderen Gründen anderer Form bedarf. Ich weiss, das sind einige Kleinigkeiten. Nämlich : im „Watercloset" gipfelt zumeist die ganze „Umgestaltung nach modernen 177 Abbildung 130 Gesichtspunkten", in der architektonischen Raumgebung und den Formen. Das übrige ist meist mehr technischer als ästhetischer Natur. Natürlich muss man sich an die richtigen Vorbilder wenden. Sucht man helle, luftige Arbeiterhäuser, so wird man eben helle, luftige Landhäuser aus der guten Zeit suchen müssen und sich dabei nicht darauf versteifen dürfen, die alten WinkelSchultze-Naumburg, Kulturarbeiten III 12 BEISPIEL 178 Abbildung 131 gassen, wie es sie etwa in manchen Teilen der inneren Stadt Hamburgs gibt, seien eben doch auch malerisch und taugten deswegen doch nichts. Sie wären eben falsche Vorbilder, wenigstens als Ganzes. Gewiss, malerisch sind sie, aber es wird niemandem einfallen, wirkliche Enge und Lichtlosigkeit als Vorbild hinstellen zu wollen. Als im Mittelalter die befestigten Städte sich nicht nach aussen 179 GEGENBEISPIEL Abbildung 132 vergrössern konnten, musste im Innern alles so verfilzen : ein Beweis für die fabelhafte Gestaltungskraft jener Zeiten, 12* BEISPIEL 180 Abbildung 133 dass sogar diese Winkel sich künstlerisch auswuchsen. Deswegen habe ich ja auch nie das finstere Mittelalter als Vorbild zum Anknüpfen angeführt, sondern stets die heiteren, hellen Räume der Gartenstädte unserer Gross- väter. Mancher wird da sagen : warum einfach nachbauen ? Die Gestaltungskraft einer jeden Zeit will sich doch auch 181 GEGENBEISPIEL Abbildung 134 betätigen — warum sollen gerade wir uns an ein festes Vorbild halten? Nun bekämpfe ich hier in diesen Büchern auch nicht neue, eigenartige künstlerische Bestrebungen, sondern das schlechte gedankenlose Schema, das sich für modern ausgibt. Die neuen eigenartigen Formen unserer Zeit liegen auf einem ganz anderen Gebiet. Auf dem, was uns hier angeht, hat sich nichts so geändert, dass es notwendig geworden wäre, bewährte Formen zu verlassen. Zudem gibt es auch 182 Abbildung 135 keinen Weg, um dies mit Erfolg zu tun. Das Heer der einfachen Bauhandwerker besteht nicht aus schöpferischen Künstlern und wird nie aus ihnen bestehen, wie ich zu Anfang des Buches schon schilderte. Ihnen helfen nur gefestigte Formenüberlieferungen, und da wir das Glück haben, solche zu besitzen, die zudem fast das sind, was wir ersehnen, so bleibt uns heute kein anderer Weg, als der, den auch England mit so viel Erfolg beschritten hat. In früheren Zeiten waren die Baugenies auch nicht so eng gesät, dass jedes Dorf zwei geniale Baumeister 183 gehabt hätte. Aber freilich : die Leute hatten das bisschen Vernunft, das man braucht, um die guten, die bewährten Lösungen immer wieder nachzubauen und nicht mehr Veränderungen anzubringen, als man wirklich brauchte. So klärte man den Typus mehr und mehr, bis wir Ende des 18. Jahrhunderts tatsächlich das deutsche bürgerliche Wohnhaus hatten. Abb. 128 zeigt eins der grotesk-hässlichsten Häuser, das ich je gesehen habe. Seine Geschichte bietet manches Lehrreiche. Leider hat man es in eine Wohnhauskolonie gebaut (und nicht nur dies eine, sondern noch ein paar Dutzend von gleicher Art daneben), mit deren vernünftigen und gesunden Tendenzen dieser klägliche Anblick aufs schärfste kontrastiert. Man wollte, wie begreiflich, möglichst billig bauen. Doch besteht ein grosser Unterschied zwischen möglichst billig und möglichst vorteilhaft bauen. Durch Übertreibung des ersteren baut man nämlich häufig recht unvorteilhaft. Jede bauliche Anlage kostet nun einmal ihre gewisse Bausumme, man erhält nichts geschenkt. Diese Bausumme lässt sich allerdings durch allerlei Mittel und Mittelchen sehr herunterdrücken, so dass man zunächst sehr viel weniger Geld auf den Tisch zu legen braucht. Was nützt das, wenn man sehr bald gezwungen ist, eine zweite Summe anzuwenden, um das zuerst angelegte Kapital zu retten? Zu alledem stellt dann das Bauwerk mit beiden Summen immer noch einen minderwertigen 184 Abbildung 136 Besitz dar, als ein Bau, bei dem man gleich zuerst die doch einmal nicht zu umgehende Summe angelegt hat. Und sie ist immer noch geringer als die Summe jener beiden Kapitale. Das Beispiel wird es erläutern. Um das Haus auf Abb. 128 so billig wie nur irgend möglich zu bauen, verwendete man gestampfte, zu dijnne Zementplatten. Als der Winter übers Land zog, und schwere Regenschauer niederprasselten, fingen die Tapeten an, sich wässerig zu trüben und nass zu glänzen, bis sie abfielen. Man war schlimm hereingefallen mit dem billigen Bauen, denn man war nun gezwungen, die Aussenwände des Baues zu isolieren. Wie man auf der Abbildung sieht, verkleidete man den unteren Teil mit den bewährten 185 Ziegelsteinen, während der obere Teil mit Holz verschalt werden soll. Natürlich kosten die gesamten Neuaufwendungen zusammen mit der ursprünglichen Anlage mehr, als wenn man gleich ordentlich solid gebaut hätte. Die übrige trostlose Gestaltung des Hauses spricht gegen sich selbst. Die Erkenntnis, dass man die Arbeiter nicht weiter in viereckige Kasten mit Zuchthausgepräge setzen dürfe, ist in neuerer Zeit denn doch verschiedenen Leuten aufgegangen. Es gibt einige Orte, wo man sich in höchst rühmenswerter Weise lebhaft darum bemüht, die Arbeiterwohnstätten zu frohen, hellen und in ihrem Sinn schönen Kolonien zu gestalten. Es ist interessant, den Weg zu verfolgen, den man hierbei in Deutschland ging, und auch einiges zum Vergleich aus dem Ausland mit heranzuziehen. Abb. 130 ist einer der frühesten solcher Kolonien entnommen, Abb. 132 zeigt die typischen Hauseingänge in ihr. Die Frage, dass es damals vom wirtschaftlichen Standpunkte aus gesehen eine Tat war, überhaupt Arbeiterwohnstätten zu errichten, soll hier nicht berührt werden. Die Art und Weise, wie man sie gestaltete, war die traurigste, die man sich überhaupt ausdenken konnte. Man stelle sich die niederdrückende Wirkung vor, die solche Bauart auf den Arbeiter, seine Frau und die Kinder ausüben muss, die gezwungen sind, täglich durch diese dunkle, traurige Pforte in ihr Heim zu treten. Der Einwand, dass der Mann das ja gar nicht 186 Abbildung 137 fühlt, kann nicht triftig sein. Es handelt sich ja nicht um das Ziel, seine Gefühle möglichst abzustumpfen. Und wenn derselbe Stand sich vor achtzig Jahren noch seine Wohnstätten so schuf, wie auf Abb. 131, so ist wohl anzunehmen, dass er damals Augen und Sinn für angemessene Gestaltung hatte. Dass ein so freundliches Heim seinem. Stande, seiner Bildung oder Vermögenslage nicht zukäme, wird niemand behaupten wollen. Und dass ein Haus wie auf Abb. 131 wirtschaftlich schwerer erreichbar sei, als das Gegenbeispiel, ist nicht zu erweisen. 187 Es kam nun die Zeit des ersten Erwachens. Die Abb. 134, 135 und 136 sind sehr charakteristisch dafür. Hier ist bereits ein Riesenschritt getan. Schon die Form des kleinen Einzelwohnhauses und das offenkundige Bestreben, von der Zuchthausform loszukommen, ist eine Tat. Doch sucht man auch hier noch die Lösung der Aufgabe in der angeklebten Romantik. Da hier (es sind Kruppsche Arbeiterhäuser) ganz aussergewöhnliche Mittel zur Verfügung standen, verfiel man in ein Übermass von Giebeln, Erkern, Türmchen und Dächlein, die die Kolonie zum reinen illustrierten Katalog der Pseudobauglieder machen, wie sie heute gezüchtet worden sind. Die Überlieferung ist zudem von unrichtiger Stelle übernommen. Das Ideal, das den Erbauern vorschwebte, ist das mittelalterliche Burg-Torwächterhäuschen, nicht das bescheidene Landhaus aus moderner Zeit, wie es doch natürlich wäre. Da aber die bauliche Durchführung und die Materialbehandlung die heute üblichen sind, ist nicht einmal die Poesie des mittelalterlichen Torwächterhäuschens hineingekommen, was ein kurzer Blick auf ein Haus wie auf Abb. 133 sofort zeigen kann. Die Mischung mit dem „Schweizerhausstil", wie er auf den Baugewerkeschulen wächst, ist zudem vollkommen unmöglich, und die schwarzglänzenden Falzziegel tun ein Übriges. Dagegen sind die Grundrisslösung und die Raumgestaltung mit Liebe gemacht, was sich in gewissem Grade ja auch schon im Ausseren andeutet. 188 Abbildung 138 Dass immerhin der Weg auf ein gutes Ziel hinleitete, zeigen die letzten Bauten derselben Kolonie, von denen Abb. 137, 138, 139 und 140 eine Vorstellung geben mögen. Diese Häuser (Gemeinschaftshäuser für eine Anzahl Witwer oder Witwen) sind so vortrefflich, dass man nur seine Freude an ihnen haben kann. Neben den natürlich heimischen, also westfälisch-rheinländischen Traditionen sind englische Anregungen verwertet. Das ist bei so neuen Bestrebungen naheliegend, denn England hat tatsächlich auf diesem Gebiet Führendes geleistet. Zu wünschen wäre trotzdem sehr, dass so 189 vortreffliche Architekten sich noch etwas mehr auf den Schatz der heimischen ländHchen Bauformen besännen, da ihnen hier noch ungeahnte MögHchkeiten zum weiteren Ausbau aufgespart sind. — Was uns diese zwei Bauten (Abb. 140 zeigt die Rückseite von dem Hause auf Abb. 138) so anziehend macht, ist ihr Ausdruck von Schlichtheit, Kraft und Festigkeit, zu dem als fein differenzierter Stimmungsgehalt ein Zug von Ehrlichkeit und beschaulicher Behaglichkeit sich gesellt. Die Raumlösungen des Innern sind ganz ausgezeichnet, auch die Mittel der Baiaausführung sind durchweg geschickt und sinngemäss verwendet. Auch von England möchte ich einige Beispiele mit anführen, die ich der Freundlichkeit von Hermann Muthesius verdanke (Abb. 141 —144). Sie sind aus Port Sunlight, der besten oder doch einer der besten englischen Arbeiterkolonien. Man wird vor ihnen sofort den fremdartigen Reiz eines anderen, uns aber in vielen Grundzügen doch wieder verwandten Landes empfinden. Das geht so weit, dass den Bewohnern unserer Nordküste diese englischen Bauten vielleicht vertrauter scheinen mögen, als ausgesprochen süddeutsche. Ahnliche Übergänge finden wir z. B. von den fränkischen Formen zu den spezifisch oberbayerischen, von denen weiter zu den tiroler, den südtiroler und weiter den italienischen Formen, die oft nur eine Nuance trennt. Und doch ist das Schlussglied der Kette dem Anfangsglied nicht mehr ähnlich. Wir wollen nicht wünschen , dass unsere Arbeiter- 190 Abbildung 139 häuser als Kopien dieser sonst so vortrefflichen englischen Häuser gebaut werden. Wir können an ihnen lernen, sogar sehr viel lernen, an der Methode nicht allein, sondern auch direkt an den Bauformen und der Materialbehandlung. Im übrigen brauchen wir nicht zu vergessen, dass wir ja unsere eigene und ebenso wundervolle Tradition haben, aus der wir schöpfen können, wie die Engländer aus der ihren geschöpft haben. Man macht keine Anleihen, wenn man selber ein reicher Mann ist. Unsere Bilder haben uns einen kleinen Teil dieses Reichtums gezeigt. Es soll mit ihnen kein Vorlagewerk gegeben werden, nach dem man bauen kann, sondern die 191 Richtung soll bezeichnet werden, in der gesucht werden muss. Unsere Abbildungen zeigen die Typen einiger weniger Gegenden. Es ist kaum zu übersehen, was in ganz Deutschland noch für Schätze ungehoben liegen. Überfliegen wir nochmals den Weg, indem wir die Wandlungen von Abbildung 107—131 betrachten, so finden wir den Anfang beim echten Bauernhaus und den Schluss beim städtischen Landhaus, durch dessen verschiedenartige Mischung die zahlreichsten und feinsten Nuancen entstanden. Schätze, die noch niemand gesehen hat, weil sie — zu sehr zutage lagen. Aber gerade sie können uns heute das Wichtigste und Beste lehren, nämlich, dass schon die allereinfachsten architektonischen Mittel genügen, um ein Haus freundlich und menschenwürdig zu gestalten. Man werfe einen Blick auf Abb. 145. Trotz dem schlichten Satteldach mit der ebenso schlichten Giebelfassade wird der Eindruck des Hauses vermöge der rechten Dachneigung, guter Proportionen und anständiger Materialbehandlung äusserst wohltuend. Man vergleiche es auch mit Abb. 166, wo ebenfalls Satteldach und massiver Giebel vorhanden sind, allerdings mit ganz anderer Wirkung. Die folgenden Abb. 147, 149, 151 und 153 sind mit der Absicht zusammengestellt, zu zeigen, welche Mannigfaltigkeit des Ausdrucks mit denselben primitiven Grundformen allein durch leise Variationen der Verhältnisse erreicht werden kann. Alle vier Häuser haben ein schlichtes 192 Abbildung 140 Krüppelwalmdach. Und doch wird man beim Betrachten sogleich erkennen, dass jedes der vier Häuser einen anderen Charakter besitzt. Das erste das ganz bescheidene Handwerkerwohnhaus draussen vor den Toren, das zweite das kleinere Gasthaus an der Landstrasse, am Ausgang der Stadt. Das dritte das Haus des Gärtners; das vierte ein abseits gelegenes graues Haus, in dem einsame, stille 193 Leute wohnen. Ganz besonders lehrreich ist der Vergleich von diesen Häusern Abb. 153 und 154, weil hier die Raumanordnung Teil für Teil sich durchaus entspricht und trotz alledem der Eindruck beider Häuser verschieden ist, wie Tag und Nacht. Bei beiden Häusern zwei Stockwerke mit je fünf Fenstern. Bei beiden Häusern die Tür unten rechts. Bei beiden massive Giebel mit zwei Kammerfenstern darin, bei beiden die Schornsteine hinter der Firstlinie. Und doch ist bei Abb. 154 alles verpfuscht und bei Abb. 153 alles gut. Um ein solches Haus säuseln die Winde, über ihm lacht der Himmel, ziehen die Wolken. Es steigt aus der Erde, wie eins ihrer Geschöpfe, das dort wachsen musste, so natürlich, wie die Bäume neben ihm. In einem solchen Hause wohnen Menschen, an ein solches Haus können sich ihre Schicksale anknüpfen. Ein solches Haus kann ihnen Heimat werden. An einem schnöden Kasten wie auf Abb. 154 wächst nichts an. Kein Baum, kein Heimweh. Hart, kalt und beziehungslos steht es in der Landschaft, und nur ein beengendes Gefühl kommt uns vor ihm auf, ein Gefühl, dass Menschen darin eingesperrt werden können. — Grössere Verschiedenheiten zeigen Abb. 155 und 157. Beim ersten durch das durchbrochene Dach, dessen oberer Teil abgewälmt ist, beim zweiten durch einen Risaliten, der von einem Giebel bekrönt ist. Innerhalb solcher ganz einfachen Bauformen bewegen sich unsere sämtlichen BeiSchultze-Nauraburg, Kulturarbeiten III 13 195 spiele. Und trotzdem diese Mannigfaltigkeit, diese Fülle von Charakteren und Schönheit. Und wie öde dagegen ist jene Musterkarte von Bauformen, die unsere modernen Wohnhausbauten zeigen, mit ihren Spitzchen, Türmchen, Giebeln, Dachreitern, Treppenanbauten, Baikonen, Loggien, Terrassen, mit denen man die kleinen Bauten zerdrückt und zerreisst. Verzichtet man aber auf sie, so ist das Resultat der formlose Kasten unserer Gegenbeispiele. Endlich noch ein paar Beispiele für Eingänge. Man vergleiche Abb. 159 und 160. Auch hier wieder ist alles entsprechend, bis auf den einen Unterschied, dass links alles gut, rechts alles schlecht ist. Man wird sagen, dass die beiden Bäume auf Abb. 159 das Bild wesentlich heben. Der Eingang wäre auch ohne sie gut und der andere schlecht. Aber ich möchte hier etwas bemerken, auf das ich schon mehrfach in den Bänden der Kulturarbeiten aufmerksam gemacht habe : die an den rechten Fleck gesetzten und recht gepflegten Bäume gehören doch durchaus mit zu der Anlage von Menschenhand. Nichts würde den Besitzer des andern Hauses hindern, ebensolche Bäume zu pflanzen und zu ziehen, die durch sorgfältiges Beschneiden ihre niedere Form bewahren und so nicht die oberen Fenster des Hauses verdunkeln, sich aber über die Treppenterrasse als Laube wölben. Bei Abb. 161 und 162 könnte man sagen, dass die vorgelagerte Terrasse teuer sei. Dadurch, dass man sie im Innern als Vorratsraum ausbaute, ist es kein toter 13* 196 1 197 Handelt es sich gar um Aussenpforten, so kann man durchweg behaupten, dass die heutigen eisernen Pforten trotz ihrer Hässlichkeit und Unzweckmässigkeit teurer sind, als die alten hölzernen (Abb. 163, 164). Ich verweise hier auf das in Band II, Gärten, Seite IIQ—128 über dies Thema, Holz und Eisen, Gesagte. Für alle Nuancierungen bis hinauf zu dem grossen Landhaus finden wir in unserer Überlieferung den Weg vorgezeichnet, der beschritten werden muss, wenn wir zu denselben gesunden Ergebnissen kommen wollen, die wir bei den Engländern so sehr bewundern. Wir können gar nichts anderes tun, als an diese Traditionen wieder anknüpfen. Was bewundern wir denn in jenen alten Formen anderes, als die Menschen und wie sie in ihren Bauten so ganz sie selber waren. Da nun der Unterschied von unseren Grossvätern bis zu uns nicht so gross ist, wie immer behauptet wird, überhaupt nur auf gewissen Gebieten besteht, und weil im letzten Grunde sehr vieles, was unsere Grossväter hatten, das wir aber nicht mehr haben, uns heute nicht als unbrauchbare Antiquität erscheinen, sondern als wertvolles Erbe erwünscht sein sollte, ist die Anknüpfung an jene Zeit nicht so rückschrittlich, wie es vielleicht manchem auf den ersten Blick erscheint. Denn man mag über jene Zeit denken, wie man will. Das Eine wird man ihr unbedingt lassen müssen : es war eine vornehmere, ehrlichere Welt, in der die Sucht, etwas anderes zu scheinen, als was man 199 ist, im Gesamtkulturbild nicht hervortrat, während es heute das Kainszeichen unserer Zeit ist. In der Reihe der Abbildungen ist eine Anzahl von Bautypen, die mehr dem vorstädtischen oder, genauer ausgedrückt, dem bürgerlichen Charakter ihrer Bewohner, im Gegensatz zum ländlichen oder Arbeiterbewohner, entsprechen. Auch hier ist gar kein Wert auf Vollzähligkeit der Typen gelegt, sondern lediglich die sind aufgezählt, die nach Zeit und Charakter bei uns vorherrschen. Jede neue Gegend Deutschlands wird neue Typen hinzufügen können. Ich kann den vielen Amateurphotographen, die sehr oft nicht recht wissen, was sie vor ihre Linse bringen sollen, gar nicht dringend genug empfehlen, sich im Sammeln ihrer heimischen Bautypen zu üben. Sie werden auf diese Weise nicht allein mehr Freude an einer planmässigen Schulung ihres Steckenpferdes haben, sondern sie werden mit diesen Beobachtungen ihre Augen üben und in ihren Sammlungen Überlieferungen aufspeichern, die vielleicht später von grösstem Werte sein werden. Wenn man die Gegenbeispiele immer so gebaut hätte, wie ihre gegenüberstehenden Beispiele, so hätte man keinen Vorteil bequemen Wohnens usw. aufzugeben brauchen, wohl aber hätte man die Gegend nicht geschändet und nicht, wenn man es je wieder gutmachen will, eine Unsumme menschlicher Arbeitskraft und somit nationalen Vermögens auf die unsinnigste Weise verschwendet. 201 Ich habe die stereotype Erwiderung der Gegner unserer Bestrebungen schon öfters erwähnt: ja, diese Bauweise möge ja ganz malerisch sein, aber sie stehe im Widerspruch mit den hygienischen und anderweitigen Forderungen unserer modernen Zeit, wie sie sich in den baupolizeilichen Bestimmungen ausdrückten ; und ein schöneres Aussehen der Gebäude sei aus wirtschaftlich-finanziellen Gründen nicht möglich. Die Hauptaufgaben unseres ländlichen und städtischen Bauens drehten sich um ganz andere und viel wichtigere Dinge, nämlich darum, gesunde, praktische und billige Wohnungen zu schaffen usw. usw. Zunächst ein Wort pro domo : kein Mensch, der von meinen Bestrebungen (auch auf andern Gebieten als diesem) nur eine ungefähre Vorstellung hat, wird auf den Gedanken kommen, ich wünschte das Entstehen heller gesunder Räume mit frischer Luft und die allgemeine Erkenntnis der wichtigsten hygienischen Forderungen hintanzuhalten. Ein grosser Teil meines persönlichen Wirkens im Leben war auf die Aufklärung über diese Dinge gerichtet. Ich glaube ruhig ähnliches von allen denen behaupten zu können, die mit mir für Heimatschutz kämpfen. Es wird aber für die Allgemeinheit gut sein, jetzt noch einmal alle hier in Frage kommenden Gesichtspunkte planmässig zusammenzufassen und sie dann der Reihe nach zu untersuchen. Die Anhänger unserer landläufigen Bauweise behaupten : die Vorzüge der Bauten, die ich als Gegenbeispiele BEISPIEL 202 Abbildung 145 zeige, vor den alten Bauten, die ich als Beispiele vorführe, beständen in hygienischen Fortschritten, Feuersicherheit, Billigkeit. Ich behaupte dagegen : 1. Das unfreudige, verdrossene Aussehn unserer neuen Architektur, die wir unter die Rubrik der „wirtschaftlichen, praktischen" Bauten einreihen, ist nicht a priori identisch mit hygienisch, feuersicher, billig. 203 GEGENBEISPIEL Abbildung 146 2. Die Bautypen und Bauformen der bäuerlichen und bürgerlichen Kultur bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts sind nicht a priori identisch mit unhygienisch, feuergefährlich, kostspielig. 3. Gegenüber den Forderungen an Hygiene, Feuersicherheit und Billigkeit mögen in manchen Fällen die alten Gebäude selber fallen, ihre anmutigen und freundlichen Formen können bestehen. Denn mit ihnen kann 204 man diese Forderungen erfüllen. Mit ihnen so gut wie mit allen anderen kann man sie natürlich auch nicht er- füllen. Dass sie symbolisch den Forderungen der Hygiene usw. widersprächen und deshalb „unwahrhaftig" wären, ist nicht zu behaupten. Ihr Ausdruck ist ausgesprochen der von Freundlichkeit, Gesundheit, Anmut und Stille, also von Eigenschaften, die den Kernpunkt der Lebenshygiene ausmachen. Und um andere kann es sich beim wahrhaftigen Ausdruck der Architektur gar nicht handeln. Es reicht ins Gebiet des Humors, wenn Prinzipienreiter fordern, das Vorhandensein von Waterklosets müsse in der Architektur seinen Ausdruck finden. 4. Die traditionellen Formen, die unsere Beispiele zeigen, sind in keiner Weise als ein von unserer Entwicklung überwundener Standpunkt zu betrachten. Sie sind lediglich in einer Epoche heilloser Verwirrung verloren und vertrödelt worden. Die Verwirrung entstand durch einen beklagenswerten Systemwechsel in der künstlerischen und handwerklichen Erziehung. 5. Ein blosser status quo ante ist unser Endziel nicht, sonst müsste es als reaktionär bezeichnet werden, sondern es heisst Weiterentwicklung mit sorgfältiger Berücksichtigung aller „Forderungen". Wir betrachten ausdrücklich als den Zweck der „Kulturarbeiten", die Vorbedingungen zu einer Weiterentwicklung wieder zu schaffen. 205 Wir betreiben diese Propaganda so eifrig, weil wir der Überzeugung sind, dass eine solche Weiterentwicklung allein über den Wiederbesitz des ganzen nationalen Schatzes führt und zwar nicht des antiquarischen Schatzes, sondern des noch nutzbaren: den der bürgerlichen und bäuerlichen Kultur. Erst wenn wir wieder so weit sind, dann sind wir reif genug, an die Gestaltung „neuer Formen" zu gehen. Aber diese müssen organisch wachsen und dürfen nicht zum Modeartikel, d. h. „letzte Neuheit", werden. Richtet sich der Vorwurf gegen die alten Bauten selbst, so ist unser Standpunkt folgender: Die Anschuldigungen treffen lediglich die mittelalterlichen Bauten. Die Bauten der Periode, die für uns fruchtbar wird, erfüllen meist die Forderungen der neueren Zeit ^anz leidlich, die übrigen Hauptforderungen viel besser. Vier Fünftel aller Anschuldigungen sind fahrlässig aus der Luft gegriffen und werden ohne Nachprüfung weiter- gegeben. Wir brauchen die alten Bauten noch als Lehrer. Wenn wir es erst wieder können, dann steht es in unserer Macht, sie gleich oder schöner neu entstehen zu lassen. Untersuchen wir auf dies Glaubensbekenntnis hin unsere Abbildungen nach den Bauformen und die Ver- BEISPIEL 206 Abbildung 147 schiedenheiten bei Alt und Neu, soweit sie für Hygiene, Feuersicherheit und Billigkeit in Betracht kommen. Für die gesundheitlichen Fragen sind wesentlich : die Lage des Gebäudes, seine technische Ausführung, soweit sie die richtige Fundierung, Isolierung der Wände, Trockenlegung des Grunds usw. betrifft. Alle andern Einrichtungen wie Kanalisation, Heizung usw. treten zur Architektur nur hinzu, ohne für ihre Formen bestimmend zu werden. Ferner wird für die Bauten wichtig: die Gestaltung der Räume in ihren Ausmessungen, die Grundrisslösung in bezug auf vernünftige Lagerung der Räume, endlich die Anordnung der Zugänge, der Türen und der 207 GEGENBEISPIEL Abbildung 148 Öffnungen für Luft und Licht, der Fenster. Endlich die Anordnung der Häuser nach den Himmelsrichtungen und zueinander. Gerade diese letzten Punkte werden ja für die sichtbare Gestaltung des Baues am allerwichtigsten. Nehmen wir nun zwei Bauten, etwa die auf Abb. 165 und 166. Beide Bauten sind, beiläufig gesagt, gleich gross und dienen gleichen Zwecken. Nur der Ausdruck der Häuser ist ein grundverschiedener. Wer bis hierher meiner BEISPIEL 208 Abbildung 149 Darstellung gefolgt ist, bedarf nicht näherer Beschreibung dessen, was ich meine. Die auf dem Vorhergesagten fussende Untersuchung müsste nun ergeben, ob die Abweichungen und Veränderungen des neuen Baues gegenüber dem alten irgendwelche Verbesserungen oder Vorzüge auf hygienischem Gebiet bedeuten. Die tatsächlichen hygienischen Vorzüge, die das Haus auf Abb. 166 vielleicht haben mag, die aber nicht im Zusammenhang mit seiner sichtbaren Erscheinung stehn, sind hierbei für uns natürlich ohne Belang. Bei beiden Häusern handelt es sich um einen Bau 209 GEGENBEISPIEL Abbildung 150 aus massiven Mauern. Der erste grosse Unterschied ist der, dass Abb. 165 ein abgewälmtes Satteldach, Abb. 166 ein gewöhnliches Satteldach mit massivem Giebel hat. Ohne grundsätzlich über Berechtigung oder Nichtberechtigung beider Bauformen urteilen zu wollen, ergibt doch die einfache Anschauung, dass für ein bescheidenes Wohnhaus die abgewälmte Form den Eindruck der bescheidenen Behaglichkeit erhöht und den Häusern in Art der VorstadtGartenhäuser sehr glücklich entspricht. Der nicht spitze und nicht flache Giebel auf Abb. 166 zeigt zudem den Ausdruck vollkommener Charakterlosigkeit. Ein grundlegender Unterschied ist ferner die AnordSchultze-Naumburg, Kulturarbeiten III 14 210 nung der Fenster. Man müsste, um die Unterschiede der Innenräume recht klarzumachen, jeden zuerst in solche Räume führen und ihn durch eigenen Augenschein von der Wirkung der Fensteranlage auf das Innere, wie auf Abb. 165 und 166, überzeugen. Man ahnt ja auch sofort schon von aussen, welch gemütliche Zimmer hinter den Fenstern auf Abb. 165 und welch nüchterne Hohlräume hinter denen auf Abb. 166 sitzen müssen. Die hoch ansetzenden, breiten Fenster in jenem Haus ergeben das den Augen so wohltuende Licht, von dem ich früher schon einmal sprach. Ähnlich steht es bei allen andern Vorwürfen, mit denen man die alten Häuser oder vielmehr ihre Bauart überhäuft. Immer wieder hört man jene Behauptung, die gar nicht die architektonischen Formen treffen kann : dass es in ihnen zöge. Ich möchte wissen, wie es nach hundert Jahren in den heutigen Unternehmerkästen zieht. Fin hölzernes Fenster kann keine ewige Dauer haben. Auch die Tatsache, dass die meisten jener älteren Häuser keine Doppelfenster haben, trifft noch nicht ihren architektonischen Gedanken. Auch die neuen einfachen Häuser haben nicht immer Doppelfenster. Von hygienischen Gesichtspunkten aus lässt sich also nichts finden, was für die lieblose Kastenform auf Abb. 166 spräche. Dasselbe Resultat dürfte sich beim Durchgehn sämtlicher andern Beispiele und Gegenbeispiele ergeben. Ganz unmöglich dürfte es sein, in den Bauformen auf 211 Abb. 166 etwas zu finden, was die Feuersicherheit gegen Abb. 165 erhöhte. Bei beiden sind die Mauern massiv, bei beiden ist die Dachkonstruktion von Holz und mit Dachsteinen feuerfest eingedeckt. Die Tatsache, ob in den Häusern massive Decken liegen oder nicht, spricht für den Ausdruck des Äussern und Innern gar nicht mit. Im übrigen kann ich mich mit dem Sinn der Brandvorschriften, von denen eine ganze Reihe recht sehr am grünen Tisch ausgedacht zu sein scheint, wenig befreunden. Geradezu zerstörend auf die Erscheinung der Dörfer und Vororte wirkt z. B. die Bestimmung, durchaus alle Brandmauern an der Grenze über Dach zu führen. Da nun an allen Orten, auch da, wo gar kein Nachbar daran denkt, anzubauen, dieser Bestimmung genügt werden muss, sehen alle Grenzmauern, die natürlich unverputzt bleiben, wie Gefängnismauern aus. Jahrzehntelang hat man von feuersicheren Treppen gesprochen und darunter, als sei es selbstverständlich, steinerne und eiserne Treppen verstanden. Erst in neuerer Zeit sind nun auch die Fachleute davon zurückgekommen. Lehrreich ist ein kürzlich gemachter Versuch, um zu erfahren, ob denn die hölzernen Treppen wirklich so durchaus ungeeignet seien. In einem lV2stöckigen Holzhause waren gleichmässig mit gleicher Belastung aufgestellt: eine Steintreppe, eine eiserne Treppe, teils mit Holz-, teils mit Xylolithbelag, eine Treppe aus Kiefernholz — die beiden letzten erhielten verputzte Unterschichten — und eine kleine Treppe 14* BEISPIEL 212 Abbildung 151 aus Eichenholz, die nicht verputzt war. Die Sachverständigen stellten fest, dass nach drei Minuten des Brandes der oberste Tritt der Steintreppe sprang und herabstürzte und nach einer weiteren Minute sämtliche Tritte bis auf die zwei untern Steinstufen zerstört waren. Die eiserne Treppe hatte gut ausgehalten, doch war sie etwas stärker hergestellt, als sonst üblich und mit unverbrennbarem Stoff begossen. Die Eichentreppe war ungefähr einen Zentimeter 213 GEGENBEISPIEL Abbildung 152 von der Aussenseite angebrannt. Auch die Kiefernholztreppe hatte nur einen Zentimeter von der Aussenseite geütten; ihr Verputz hatte standgehalten. Wenn auch ein solcher Versuch keine unbedingte Beweiskraft hat, so deckt er sich doch mit den Vermutungen oder Behauptungen gar vieler Fachleute, aber durchaus nicht immer mit den Bauvorschriften. Es ist nur zu wahrscheinlich, dass die hölzernen Treppen, besonders die eichenen oder auch solche aus Kiefernholz, soweit sie BEISPIEL 214 1 \ j - . i ^i 215 GEGENBEISPIEL r 216 Wie schief gedacht eine Anzahl der Feuerpolizeivorschriften ist, dafiar führt Oberbaurat Schmidt in Dresden einige vortreffliche Beispiele an. So sagt er z. B. sehr richtig, dass der massivste Scheunenbau den Inhalt nicht vor einer Feuersbrunst, die im Innern ausbricht, schützen kann. Wenn aber der Inhalt in Brand gerät, so ist er nie mehr zu retten. Ebensowenig sind danach die ausgeglühten Mauern des Massivbaus noch etwas nutze, die eben gerade noch abgerissen werden können. Der Besitzer hat nur eine grössere Summe an dem teureren Bau verloren. Die Vorschriften der Feuerpolizei und die Brandkassenbedingungen aber sind es, die die ländlichen Bauten meist sehr teuer machen. Um nicht zu hohe Versicherungssummen zahlen zu müssen, befolgen nun auch alle Bauherren die Schema F- Vorschriften, und es entstehen immer mehr fast nur noch jene Gebäude, für die in einsichtigen Architektenkreisen längst der Spottname „Brandkassenkisten" entstanden ist. Es kann nicht Aufgabe dieser Bücher sein, die einzelnen Bestimmungen der Reihe nach zu untersuchen, besonders, da jedes Land und jeder Kreis seine besonderen hat. Nur anregen sollen sie, diesen Fragen, die tatsächlich die Krebsschäden unserer ländlichen Architektur bedeuten, endlich allgemeiner nahezutreten. Der beste Feuerschutz wird immer ein liebender, sorgender Sinn der Bewohner sein, wie ihn die Freude am 217 eigenen, schönen Besitz grosszieht. Ein Haus, wie unsere Gegenbeispiele es in zahlreichen Abwandlungen zeigen, züchtet den nicht. Der Besitzer von solchen Häusern verlässt sich auf seine Brandkasse. Bei allen baulichen Fragen begegnen wir der Kostenfrage als Angelpunkt. Gehen wir ohne jene Vorurteile unsere Bilder durch, so werden wir in den meisten Fällen finden, dass die Beispiele, soweit sie den Gegenbeispielen an Umfang usw. genau entsprechen, wesentlich billiger hergestellt werden können. Unsere ländliche Bauerei könnte durch Einschränkung all der Bestimmungen, unter denen Bauherrn wie Architekten gleich seufzen, wesentlich entlastet werden. Eine der Bauvorschriften, die am meisten einem toten Schema entsprangen, ist die Bestimmung aller lichten Höhen der bewohnten Räume durch zu hohe Minimal- masse. Die Wohnungen der alten Häuser hatten fast durchweg verhältnismässig niedrige, aber breite und geräumige Zimmer. Es gehört zu den Bestrebungen unsers heutigen Bauens, ja, der baupolizeilichen Vorschriften, die Zimmer durchweg möglichst hoch zu gestalten. Diese, wie manche andere solcher Vorschriften und Tendenzen entspringen ja ganz sicher den lautersten Bestrebungen. Man will erreichen, dass die Menschen in lichten, luftigen und gesunden Räumen hausen. Wenn man hört, was Staat, Gemeinwesen, Verwaltungen, Bauschulen, Architekten und BEISPIEL 218 Abbildung 155 Maurermeister als Programm aufstellen, könnte man wahrhaftig manchmal auf die Idee kommen, es müsste doch alles gut werden bei so vielem Wollen. Aber es Hegt nun einmal heute über allem das unsagbare Missgeschick des Reissbrettschemas, der erstarrten und toten Paragraphen und der Schutzmannsästhetik. Alles wird verfehlt und scheusslich, was auf Grund dieser Bestrebungen, Paragraphen und Vorschriften entsteht. Es ist, als ob ein Bär mit plumpen Tatzen in das feingeordnete Gewebe 219 GEGENBEISPIEL AbbildurL' 15ü eines Organismus tappte. Früher erledigte jeder seine Angelegenheiten nach eigenem Belieben und nach seinen eigenen Bedürfnissen. Da aber die Bedürfnisse der meisten Menschen gar nicht so sonderlich voneinander abwichen, sondern sich immer nur nach allgemeinen, stets wiederkehrenden Typen richteten, so sah jeder das, was BEISPIEL 220 Abbildung 157 er brauchte, seinem Vorgänger oder Nachbarn ab, was mit andern Worten heisst: er schöpfte aus der Überlieferung, die ihn führte, und die er weiterführte. Das System hat sich heute geändert. Es wird sich nicht ganz ohne Grund geändert haben. Jedenfalls erscheint es mir nicht richtig, ohne weiteres die Möglichkeit, mit einem solchen System weiter zu wirtschaften, zu verneinen. Das aber steht über allem Zweifel fest: die Art, wie man heute 221 GEGENBEISPIEL Abbildung 158 das System gebraucht, ist sehr häufig Missbrauch. Mag sein, das System steckt noch in den Kinderschuhen. Deshalb muss man aber auch die Notwendigkeit überall ins Auge fassen, die Paragraphen und Vorschriften zu verfeinern, indem man sie mehr aus dem Leben als vom grünen Tisch aus erwachsen lässt. Man will gesunde, menschheitbeglückende Stätten schaffen, und man errichtet traurige Kasernen, in denen die Lebensfreude erstirbt. Man hat das Beste gewollt. Aber man hat es sehr ungeschickt gemacht. Doch wo ist der Sehende, der mit dem prüfenden Blick seiner Augen das Richtige erkennt? BEISPIEL 222 Abbildung 159 Bis vor kurzem war auf dem platten Lande noch eine lichte Höhe von 2,50 m vorgeschrieben, in der Stadt von 3 m und mehr. Jetzt fängt man auch in den Kolo- 223 GEGENBEISPIEL Abbildung 160 nien an, diese Minimalmasse von 3 m oder mehr anzu- nehmen. Jeder nur einigermassen Bauverständige wird ohne BEISPIEL 224 Abbildung 161 weiteres wissen, wie sehr diese Vorschrift zunächst das Bauen verteuert, und wie sehr das in Fällen wie den hier behandelten Koloniebauten, bei denen es auf jede Mark ankommt, mitspricht. Rechnet man die Baukosten für den Kubikinhalt rund mit 17 Mark, so spielt es eine Rolle, ob bei einer bebauten Grundfläche von — um irgendein Beispiel anzunehmen — 150 qm, die einem kleineren Einfamilienhause entsprechen dürfte, bei zwei Stockwerken 225 GEGENBEISPIEL Abbildung 162 2 m Höhen gespart werden können, oder nicht. In Zahlen ausgedrückt, könnte das immerhin einige tausend Mark ausmachen. Es müsste deshalb hier die Frage entstehen, ob diese absoluten Höhenmasse der Räume wirklich den grossen Wert haben, den man ihnen heute allgemein zuschreibt. Hohe, feierliche Räume sind ja ganz sicher etwas sehr Schönes. Man wird mit Bewunderung durch grosse Schultze-Naumburg, Kulturarbeiten III 15 226 Prunksäle gehn, die fünf oder mehr Meter Höhe messen. Schon ganz anders gestaltet sich die Frage, ob man immer in solch hohen, saalähnlichen Räumen wohnen möchte, selbst wenn man es könnte, oder ob man nicht wenigstens für gewisse Wohnzwecke gerade behaglich niedrige Zimmer für wünschenswert erachtet. Heute ist die Allgemeinheit der Menschen gar nicht mehr befähigt, überhaupt über diese Fragen mitzureden. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie das Axiom hinnimmt, „Ornamente verschönern", schleppt sie auch dumpf und stumpf das Vorurteil mit „je höher, desto besser". Davon, dass in den Massen eine geheime Gesetzmässigkeit waltet, davon ahnen ja mit wenigen Ausnahmen selbst die „Fachleute" nichts. Es ist bei englischen Landhäusern eine ganz selbstverständliche Massnahme, die Wohnräume nicht höher als 2,65—2,70 m zu machen. Da das überall, auch auf den reichsten und vornehmsten Landsitzen geschieht, kann Sparsamkeit nicht die Ursache sein. Auch in bezug auf Hygiene pflegt uns ja meist der Engländer mit Recht ein Vorbild zu sein. Da die klügsten und besten Architekten Englands diesen Brauch sorgsam hüten und die Tradition nicht durchbrechen, muss das doch wohl seinen guten Grund haben. In der Tat wird man nach einigem Nachdenken sehr bald auf den Grund kommen. Der fein Empfindende und für die Sprache der Formen Empfängliche wird ja rein 227 gefühlsmässig schon die Wahrnehmung machen, dass kleinere Räume von 2,60 —2,80 m Höhe etwas ungemein Behagliches haben. Wächst dann die Höhe, so erhalten wir den Eindruck, dass die Räume ihr Ebenmass verlieren. Handelt es sich um kleine Räume, so wirkt eine lichte Höhe von 3,30—3,60 m und mehr schon höchst ungemütlich, da sie den Reiz des Behaglichen, Trauten, Gemütlichen nimmt, ohne eigentlich schon einen wirklich hohen Raum zu schaffen. Es sieht aus, als ob man wollte und nicht könnte. Bei grossen Räumen fangen die Verhältnisse mit 4 m Höhe an, eine gewisse Grossartigkeit zu gewinnen, die sich nun nicht mehr verliert, so lange mit dem Wachsen der Höhe ein entsprechendes Vergrössern der Grundfläche verbunden ist. Im allgemeinen scheint sich der Erfahrungssatz zu bestätigen, dass die längere Horizontalausmessung des Zimmers die Höhe immer um ein beträchtliches überschreiten muss, während die kleinste Horizontalausmessung zum mindesten etwas grösser sein muss als die Höhe. Nur bei ganz besonderen und eigentümlichen Gestaltungen oder Teilungen des Raums wird dies ungeschriebene Gesetz durchbrochen, während bei einfach rechtwinklig angeordneten Wohnzimmern die Erfahrung immer dasselbe fordert. Kommen wir in alte Wirtsstuben im Gebirge, deren Holzdecken oft nur 2,20 m hoch über dem Fussboden sind, so ergibt das ganz gewiss eine eigenartige Raumstimmung, deren Reizen wir uns nicht entziehn können. Doch wer- 15* BEISPIFL 228 Abbildung 163 den wir nicht in solchen Räumen zu wohnen wünschen, da sie auf die Dauer etwas Drückendes haben müssen. Wenn sich aber die helle Decke einen Meter über dem Kopf eines grossen Menschen befindet, so wird man kaum 229 GEGENBEISPIEL Abbildung 164 -,-*!•' <^l '^J. t noch von drückender Wirkung reden können, zumal wenn breite Fenster den Raum und die Decke licht machen. Wachsen aber die Räume auf 3 und 3,50 m, so müssen BEISPIEL 230 Abbildung 165 auch die Fenster in die Höhe wachsen, wenn die Decke nicht im Dunkel bleiben soll. Lassen wir aber das Fenster des Arbeiterhauses, um ihm eine charaktervolle Gestalt zu geben, auch in die Breite wachsen, so verliert es jedes Verhältnis zu den Räumen und wird viel zu mächtig. In neuerer Zeit hat man im Streben nach Luft und Licht sehr häufig solche grossen Fenster gemacht. Aber auch hier- 231 GEGENBEISPIEL Abbildung 166 bei bewahrheitet sich der Satz, dass nicht jede Steigerung eine Besserung mit sich bringt, sondern dass es auf die Verhältnisse ankommt. Wie es z u kleine gibt, so kann es auch sehr wohl zu grosse Fenster geben. Sehr bald wird das dann von den Bewohnern empfunden, und das Resultat ist, dass man mit Vorhängen und Gardinen die zu grosse Lichtflut und Abkühlungsfläche wieder beseitigt. Diese gesetzmässigen Notwendigkeiten hat man in Zeiten gesunden Bauens stets instinktmässig oder mit 232 kluger Überlegung gefunden, denn in alten Landhäusern und sogar städtischen Wohnhäusern der Gartenstrassen findet man sie sorgfältig beachtet. Es ist selten, dass ihre Räume über 2,80 m hinaufsteigen. Wo aber in einem solchen Haus ein Saal eingegliedert werden soll, da durchbricht er meistens das Stockwerk und steigt zu 4 m und mehr empor. Wenn man heute für eine vernünftige Höhe der Stockwerke in einfachen Häusern spricht, so kann man im voraus ziemHch sicher sein, dass man die Antwort erhält: Ja, aber hygienischer sind doch die hohen Räume. Über die Schönheit wirklich hoher Räume sprach ich schon. Dass sich solche in kleinen Wohnhäusern, wie sie bei unserm Thema gemeint sind, nicht erreichen lassen, ergibt sich aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Dass auch weniger hohe Räume vortreffliche Raumstimmungen ergeben können, hat die Baukunst in zahllosen Beispielen gezeigt. Meiner Überzeugung nach ist auch die bedingungslose grössere Tauglichkeit der höheren Räume in hygienischer Hinsicht nicht zu erweisen. Für die Reinheit der Luft ist allein der Kubikinhalt massgebend, nicht das Verhältnis von Höhe zu Breite. Wenn man für Arbeiterhäuser und dort, wo man einen Missbrauch des Raums durch Überfüllung fürchten kann, den Kubikinhalt pro Person vorschreibt, so hat das einen Sinn. Zu weit geht es aber, wenn einem Privatmann, der sich sein eigenes Wohnhaus baut, die Höhe seiner Zimmer vor- 233 geschrieben wird, und man ihn verhindert, sie so zu gestalten, wie sie ihm am besten proportioniert erscheinen. In Wahrheit lässt sich ja reine Luft auch mit Polizeivorschriften nicht erzwingen, wenn die Besitzer nicht das Bedürfnis nach Lüftung und Reinigung der Räume haben. Bei unkultivierten Bewohnern kann auch ein verhältnismässig hoher Raum zur dumpfen Sticklufthöhle werden, ebenso wie bei Menschen, denen Licht und Luft ein Lebensbedürfnis ist, ein kleiner, verhältnismässig niedriger Raum stets die reinste Luft haben wird. Gewöhnlich folgt auf solche Vorhaltungen ein Beweisgrund, der ebenso bezeichnend wie unzulänglich ist. Man bringt nämlich als letzte Verteidigung der hohen Zimmer an : in niedrigen Zimmern kann man nicht genug rauchen. Ich will in diesem Buch wirklich weder für noch gegen das Rauchen Stellung nehmen. Aber man wird zugeben, dass es an sich schon eine eigentümliche Folgerung ist, nach einem narkotischen Genussmittel die natürlichen Raummasse des ganzen Hauses zu ändern. Es handelt sich nicht um die Höhe eines einzelnen Rauchzimmers oder gar Klub- oder Wirtshauszimmers, die ja ohnehin meist sehr hohe Abmessungen haben, sondern um die allgemeine, polizeilich geregelte Durchschnittshöhe aller menschlichen Wohnungen. Niemand wird behaupten wollen, dass es eine gute Sitte sei, in allen Zimmern des Hauses zu rauchen. Es wäre leicht, in wohlhabenderen BEISPIEL 234 Abbildung 167 Einfamilienhäusern, in denen nicht an sich schon überall hohe Stockwerkhöhen angenommen sind, einen Herrenraum zu schaffen, der die Stockwerkhöhe nach oben oder nach unten durchbricht. Doch gehört dies hier nicht zum Thema. In den bescheidenen Häusern der Arbeiter, wo jeder Platz aufs äusserste ausgenutzt ist und für Luxus kein Raum bleibt, wird jede künstliche Verschlechterung der Luft von Übel sein, mögen die Zimmer höher oder niedriger gehalten werden. 235 GEGENBEISPIEL Abbildung 168 Noch eine andere praktische Erwägung. Der benutzbare Raum des Zimmers ist die Bodenfläche, sei es zum Stellen der Möbel und Ausbreiten der Arbeit, sei es zur Bewegung. Nun ist es an Orten mit teueren Bodenpreisen, aber auch dort, wo der Boden billig ist, eine allgemeine Gepflogenheit, dass die Grundflächen der Räume im Verhältnis zu ihrer Höhe jämmerlich klein bemessen sind. Wenn man durch die neuen Villen oder Heimstättenkolonien geht, von den Mietkasernen ganz zu schweigen. BEISPIEL 236 Abbildung 169 findet man eine Unmasse Zimmer von 2,00, 2,20, 2,50 m Breite, dafür aber eine lichte Höhe von 3,50 m und mehr. Durch die Höhe, die nicht zur Wirkung kommt, erscheint die Grundfläche noch kleiner, der Raum wird zum Schacht, der an Gefängniszellen erinnert. In den Städten sind solche Räume das natürliche Züchtungsergebnis der baupolizeilichen Bestimmungen. Die Bodenpreise sind sehr hoch, Stockwerkhöhe und Stockwerkanzahl ist vorgeschrieben. Dabei muss jenes Produkt sich ganz von selbst ergeben. Wäre es nicht viel richtiger, sich auf die Festsetzung 237 GEGENBEISPIEL Abbildung 170 der absoluten Bauhöhe zu beschränken, die verhindert, dass die Häuser nach amerikanischem System in den Himmel wachsen, im übrigen aber Stockwerksanzahl und Zimmerhöhe dem Bauherrn zu überlassen? 238 Da der Hausherr aus dem teueren Grundstück doch nun einmal seine Zinsen herausbringen muss, könnte er etwa statt zwei Wohnungen auf jedes Stockwerk nur eine Wohnung legen. Das gäbe eine bedeutende Vergrösserung der Grundfläche der Wohnungen. Wenn er nun die Stockwerkhöhe durchweg niedriger machte, könnte er eine Etage mehr in das Haus einbaun. Wenn die Räume, nach dem Kubikinhalt gerechnet, verzinst würden, müsste das dieselbe Schlussumme ergeben, die Mieter könnten sich aber bei genau so benutzbaren Räumen bequem ausbreiten. Und es könnte doch für den, der 14 m hoch über der Erde wohnt, ganz gleich sein, ob drei oder vier Stockwerke unter ihm sind, besonders da die Anzahl der das Haus bewohnenden Menschen die gleiche bliebe, nur die unnötige Höhe sich in begehbaren Flächeninhalt ver- wandelte. Eng im Zusammenhang damit steht es, dass in der Erscheinung fast aller alten Häuser durchweg die Breitenentwicklung betont ist, wodurch ihr feiner und bescheidener Charakter nicht leidet, wohl aber die behagliche Gesamtstimmung erzielt wird, während alle neuen „Villen" und Koloniehäuser etwas unproportioniert turmartiges haben. Nicht Schlankheit ist dieser Bauweise eigen, sondern überall herrscht in ihr der Ausdruck des künstlich in die Höhe geschossenen, das den Halt verliert. Man vergleiche Häuser wie auf Abb. 167 und 168 oder auch 169 und 170. Ganz selbstverständlich spielen für die 239 Lagerung der Häuser die leidigen Bodenpreise eine erhebliche Rolle. Nicht entschuldigt ist aber Üie Gestaltung der Häuser auf Abb. 168 und 170 und all der andern ähnlichen Gegenbeispiele, umsomehr, da es ja sehr leicht ist, mehrere Einfamilienhäuser in einem gestreckten Bau zu vereinigen. Wie sehr hier der an manchen Stellen vorgeschriebene Bauwich einer wirklich gesunden Bauentwicklung entgegentritt, davon soll noch beim Thema Städtebau die Rede sein. Die unselige Idee, die Häusern wie auf Abb. 168, 170,. 172 usw. zugrunde liegt, ist natürlich die hier hundertfach verdünnte, aber immer noch erkennbare und mit den widersprechendsten Zutaten verquickte Stilarchitektur, die seit soundso viel Jahrzehnten auf sämtlichen Bauschulen als das einzig des Erlernens Würdige hingestellt worden ist. Die dort ausgegebenen Lehren lauten ziemlich unumwunden : wenn du Architektur treiben willst, so musst du Paläste und Dome bauen. Die Gestaltung der bei weitem häufigsten und — unter einem gewissen Gesichtswinkel betrachtet — auch wichtigsten Aufgabe, die Errichtung von Wohnhäusern, wird als Nebensächliches betrachtet. Von der für kleine, bescheidene Häuser so natürlichen Bauform, die Dächer bewohnbar auszubauen, ist man ganz abgekommen, und erst eine kleine Anzahf Architekten fängt an, sie auf dem Umweg über den Luxusbau wieder einzuführen, obgleich auch hier unsere heimischen Überlieferungen von je den Weg gezeigt hatten. BEISPIEL 240 Abbildung 171 Es ist leicht zu sehen, dass eine Dachform wie auf Abb. 173 und 175 selbst bei gleicher Firsthöhe dem Hause seine fatale Spargeltriebform nimmt und ihm eine feste, sichere Massenlagerung verleiht. Wenn man dabei be- 241 GEGENBEISPIEL Abbildung 172 denkt, wieviel benutzbaren Raum solche Dachformen bergen ; wenn man ferner berücksichtigt, wie gut unsere heutigen technischen Mittel, wie Isolierungen usw., geeignet sind, solche Räume warm und bewohnbar zu machen, dann muss es geradezu rätselhaft erscheinen, dass man sie bei Schultze-Naumburg, Kulturarbeiten III 16 BEISPIEL 242 Abbildung 173 unserer allgemeinen Nutzbauerei nicht mehr zu kennen scheint. Es wäre bei keinem Arbeiterhaus innen oder aussen von Übel, wenn seine Dachkonstruktion nach der auf Abb. 173 oder 175 ausgesprochenen Idee gerichtet wäre. Aber die Arbeiter würden wieder das Gefühl gewinnen, eine Heimat zu haben, wenn sie heimkehrten und durch die Strassen wanderten. Es ist zu beobachten, dass man seit Anfang des 19. Jahrhunderts der kräftigen Gestaltung des Daches 243 GEGENBEISPIEL Abbildung 174 und seiner Ausbildung zu Wohnzwecken immer mehr aus dem Wege ging. Man kam immer mehr dazu, das Dach lediglich als den letzten obersten Abschluss des durch senkrechte Wände gebildeten Hauskörpers anzusehen. Wenn dies auch für gar viele Baugedanken das Gemässe ist, so widerspricht es doch durchaus gerade denen der nordischen Bauart im allgemeinen und des Bauernhauses im besondern. 16* 244 Selbst nach diesen kurzen Betrachtungen, die ja nur ganz allgemein gehalten sein können, wird der Vorurteilslose erkennen, dass sich nirgends die Behauptung bewahrheitet, dass das Verlassen bewährter und uns vertrauter heimischer Formen nach der Richtung der Hygiene, Feuersicherheit oder Billigkeit förderlich gewesen wäre. Die mächtige wissenschaftliche Erkenntnis und die aus ihr entstehenden hygienischen Fortschritte liegen auf einem ganz andern Gebiet und berühren in keiner Weise die besprochenen Bauformen. Es liegt nicht der geringste Grund vor, nicht wieder an diese guten Formen anzuknüpfen. Nur die vollkommene Ratlosigkeit der Generation von Architekten und Meistern, die auf den Bauschulen nach bisherigem System erzogen worden waren, macht es noch unmöglich. Deshalb muss es das Streben von allen Sehenden sein, auf die grundsätzliche Reformation dieser Schulen hinzuarbeiten. Lassen wir es laufen, wie es laufen mag, so ist der fernere Schaden an Vermögen und Kultur der Nation nicht zu berechnen. Ein ganz allgemein gültiges und überall zu beobachtendes Gesetz ist das von der Notwendigkeit der Harmonie der Kräfte in allen Entwicklungen. Sobald diese Harmonie aufhört, wird die Bewegung von der richtigen Bahn abgelenkt. Fast lässt es sich graphisch wie im Parallelogramm der Kräfte darstellen. Es gibt nun unzählige Fälle, in denen unsere Kultur diese Harmonie verloren hat, und die Entwicklung gänzHch 245 schief geworden ist. Dabei lässt sich nicht sagen, dass die Kräfte, die die schiefe Richtung herbeiführen, an sich schlechte Prinzipien darstellten. Nur ihre Alleinherrschaft, das Fehlen des Gegenzugs führt das Missresultat herbei. Solch ein Bild sehn wir jetzt bei unserer niederen Architektur. Die Rücksichten auf Hygiene, Verkehr, Feuersicherheit usw. sind zu einer wahren Monomanie geworden und nehmen Formen an, die lächerlich wären, wenn nicht so traurige Folgen daraus hervorgingen. Die an sich richtige Vorstellung von den Forderungen des Verkehrs, der Hygiene, der Feuersicherheit ist längst ein Wahn, ja ein Moloch geworden, dem ein mit Blindheit geschlagenes Volk ungeheure Opfer bringt. Auf solche Dinge muss man beim Bauen zwar Rücksicht nehmen, sie sind aber zum Tyrannen der Architektur geworden. Dass diese den Hauptzweck hat. Formen für das Leben glücklicher Menschen zu schaffen, hat man aus lauter Bazillenfurcht ganz vergessen und hält die Kreisbauvorschriften für den Inbegriff des Glücks der Menschheit. Zur fixen Idee wächst sich allmählich auch das Streben nach „Billig"keit" aus. Ich brauche mich hier nicht mehr gegen den Verdacht zu verwahren, ich wünschte grösseren Luxus, grössere Pracht in unsern ländlichen und bürgerlichen Bauten entfaltet zu sehen, als bei einer vernünftigen Einteilung der vorhandenen Mittel möglich ist. Mein Vorgehen war ein Kampf gegen das Protzentum auf allen diesen Gebieten. 246 Abbildung 175 Aber die Billigkeit darf ebensowenig der einzige Gesichtspunkt werden, wenn die ganze Entwicklung nicht schief werden, und die Menschheit zum Schluss nicht an einem ganz anderen Ort ankommen soll, als wohin sie gestrebt hat. Es wäre gut, den Begriff „Billigkeit" einmal nicht nur im engen Horizont eigener wirtschaftlicher Bedrängnis, sondern nach allgemein menschlichen Gesichtspunkten zu betrachten. Man ist allgemach dazu gekommen, den Begriff „Billigkeit" mit der Strahlenglorie einer hohen Tugend zu um- 247 geben. Billig ist heute zu einer ethischen Qualität geworden, etwa wie „gut" oder wie „wahrhaftig". Wäre es nicht Zeit, sich endlich einmal daran zu erinnern, dass billig im Grunde weiter nichts bedeutet, als „geringe Gegenleistung"? Geringe Gegenleistung kann unmöglich etwas besonders Tugendhaftes oder auch nur einen Vorzug bedeuten. Die Menschheit arbeitet an der Umgestaltung der Erde durch Menschenhand. Sie arbeitet mit ihrem Gehirn, ihren Händen und ihren erweiterten Händen, den Werkzeugen und Maschinen. Das Geld ist an sich keine arbeitleistende Kraft, sondern es ist nur das Symbol, durch dessen Vermittlung die wahrhaften Kräfte ausgetauscht werden. Nur die Arbeitskräfte haben realen Wert; mit gemünztem Metall könnte die Menschheit verzweifelt wenig anfangen. Zum Essen taugte es nicht und selbst als Schmuck wäre sein Wert gering. So betrachtet, erkennen wir in dem Getriebe der Welt einfach Menschenkräfte am Werk, jede an ihrem Platz. Eine Geldsumme ist nichts als ein Vergleich, wie viele Menschenkräfte, Maschinen und Materialien zur Herstellung von Ziegeln oder sonst etwas zur Verfügung sind. Geldverluste gibt es im Grund für die Menschheit nicht, nur Materialverluste. Die wahren Verluste der Menschheit aber heissen Arbeitslosigkeit. Irgend jemand hat einmal, ich weiss nicht, ob richtig, ausgerechnet, dass auf den Kopf jeden Tag zwei Stunden BEISPIEL r """ 248 Abbildung 176 Arbeit kämen, wenn jeder Lebende an seinem Platz arbeitete. Es wäre aber kaum gut, wenn die Menschheit sich mit diesem Minimum an Arbeit begnügen würde. Der ganze Haushalt der Natur ist nicht auf das äusserste Minimum gestellt, sondern auf Überfluss. Genug ist nicht genug! Wir brauchen die starke Arbeit, jeder für sich in seinem eigenen Leben, um nicht die innere Harmonie zu verlieren, seitdem wir erwachte Kulturmenschen ge- 249 GEGENBEISPIEL Abbildung 177 worden sind. Im Kindesalter ruhte und spielte die Menschheit. Wir aber nähern uns dem Mannesalter. Man überlege sich einmal, wohin ein Volk käme, das den Grundsatz der „möglichst geringen Leistung und der möglichst geringen Gegenleistung" zum Prinzip erhöbe. Vergessen wir jetzt einmal den Vermittlungsbegriff „Geld" und stellen wir uns nur das tatsächlich von einem Volk Geschaffene vor. Denken wir als an ein uns allen ge- 250 läufiges Beispiel, an die Hellenen. Wir fragen heute nicht mehr, was die Kultur der Griechen „gekostet" hat. Wir fragen nur noch allein danach : was hat dies Volk geschaffen? Wir wissen, dass es emsig an der allseitigen Ausbildung seiner Fähigkeiten tätig gewesen ist und dass jeder Einzelne das Beste und Höchste geleistet hat, zu dem er fähig war. So gut wie möglich. Aber nicht: so billig wie möglich. Der Mensch soll an seiner Erde mit möglichst viel Kraft- und Müheaufwand arbeiten, soll die Materialien der Erde, die in seine Hand gelegt sind, in den Dienst der gesamten Menschheit bringen. So aufgefasst, wird „Billigkeit" zur „Faulheit" der Menschheit. Mit ihr, zum absoluten Prinzip erhoben, kommt diese aber nicht weiter. Ganz sicher kommt man hier auf ein Gebiet der allerschwierigsten nationalökonomischen und sozialen Fragen, und bei tieferem Eindringen erscheint die Sache nicht mehr so einfach, sondern zerfällt in ein Heer von Einzelfragen, auf die noch keine endgültige Antwort gefunden ist. Aber so viel wird man an praktischer Erkenntnis für den Einzelfall ohne weiteres erlangen können, um einzusehen, dass es für die Entwicklung eines Volkes nicht die Hauptfrage sein kann : möglichst billig zu bauen, sondern möglichst gut zu bauen. Und zwar allseitig gut, mit Befriedigung aller Forderungen, nicht nur einiger weniger, die augenblicklich im Brennpunkt des Tagesinteresses stehen. 251 Man darf unserer heutigen Zeit gewiss nicht nachsagen, dass sie faul sei, und dass das Prinzip der mögHchst geringen Gegenleistung durchaus herrsche. Nur müssen wir endlich erkennen, dass unser Streben völlig die Harmonie verloren hat, und dass unsere Menschheitsarbeit nicht dauernd so einseitig bleiben darf. Die heutige Menschheit ist nicht so arm an Kräften, dass es an ihnen zur Ausbildung eines harmonischen Kulturbilds gebräche. Wenn wir immer wieder die Klage hören, dass die Mittel zur Erreichung erstrebenswerter Gestaltungen fehlen, so dürfen wir sicher sein, dass dies nicht am Nicht-Vorhandensein der Kräfte, sondern daran liegt, dass sie zur Betätigung nicht an den rechten Fleck gestellt sind. Jeder Blick ins Leben bestätigt es uns. Hier reicht es bei dem Häuschen nicht mehr zu einem Ziegeldach, sondern man belegt es aus kurzsichtiger Sparsamkeit mit Dachpappe, daneben aber wird eine verfügbare Summe von Menschenkräften und Material, die wir nach unseren Massen mit Millionen ausdrücken, dazu verwendet, die Schönheit irgendeines herrlichen alten Bauwerks durch eine „Restaurierung" fraglich zu machen oder einen alten Dom „freizulegen" und ihn dadurch jeglicher Harmonie zu berauben. Dasselbe Schauspiel wiederholt sich auf Schritt und Tritt. Und es ist meine felsenfeste Überzeugung, dass selbst die Armut ganzer Klassen eine verschwindend geringe 252 Rolle bei dieser Tragödie spielt, sondern dass es allein genügen wiarde, wenn die Menschheit wieder in den Besitz einer harmonischen Wertschätzung der Dinge gelangte. Dass geringe Mittel nicht die Notwendigkeit trauriger und gemeiner Gestaltung in sich tragen, davon handelt mein ganzes Buch; wo und wie aber Kräfte verwendet werden müssen, und wo gespart werden darf, darüber entscheidet der Gestaltungswille des Volkes. In seiner Erziehung zu wahrer Menschlichkeit liegt auch auf künstlerischem Gebiet die Zukunft. ENDE DES DRITTEN BANDES Die Abbildungen sind, mit Ausnahme der nachstehend genannten, Originalaufnahmen des Verfassers. Abb. 141, 142, 143 und 144 stammen von H, Muthesius, Abb, 78, 101 und 102 von Otto Bartning. Abb. 36, 47 und 112 sind nach Photographien gemacht, die im Buchhandel erschienen sind. Kunstwartverlag Georg D. W. Callwey, München Schultze-Naumburg Kulturarbeiten Band I Hausbau. 3. Auflage Mit 118 Abbildungen. Preis Mk. 3.50, gebunden Mk. 4.50 „Dieses Buch wünsche ich in einer Million von Exemplaren verbreitet" — so schrieb Fritz Stahl im Berliner Tageblatt beim Erscheinen des ersten Bandes —. „Das Buch ist bescheiden und schlicht geschrieben. Der Text dient den Bildern, die der wichtigste Teil sind. In diesen Bildern sind schlechte und gute Häuser, Treppen und Türen nebeneinander gestellt, immer ein Paar, ein Musterbeispiel und ein abschreckendes. Ich halte dieses Buch für das Beste und Wirkungsvollste, was bisher für die Erziehung zu einem gesunden Geschmack getan worden ist, für eine kulturelle Tat." Band II Gärten. 2. Auflage Mit 171 Abbildungen. Preis Mk. 4.— , gebunden Mk. 5. — Die Neue preussische (Kreuz-) Zeitung schrieb zum zweiten Bande u. a.: „Wir können den Besitzern alter Grundbesitze, für deren schöne Parks und Umgebungen Schultze-Naumburg ein besonders scharfes Auge besitzt, sowie allen Freunden von Gärten selbst kleinster Ausdehnung nur raten, sich an den erfrischenden Darlegungen und dem reichen Schmuck von Garten -Aus- und Einblicken zu laben und dieses ganz eigenartige Buch gründlich zu studieren." Kunstwartverlag Georg D. W. Callwey, München Schultze-Naumburg Kulturarbeiten Ergänzende Bilder zu Bd, II Gärten 100 Abbildungen mit einführendem kurzen Texte. Preis Mk. 3. —, gebunden Mk. 4. — „Wir haben bei Besprechung früherer Bände dieses so ausserordentlich verdienstvollen Werkes den Wunsch geäussert, die mit dem Verfahren der Nebeneinanderstellung von gutem Beispiel und schlechtem Gegenbeispiel wirkungsvoll gebotene Lehre ergänzt zu sehen durch weitere Sammlungen nur des Schönen . . . Die Anregung sieht sich durch diese heute angezeigte erste Ergänzungskollektion in schönster Art erfüllt .... Dass doch der Geist, der in diesen „Kulturarbeiten" um Schätzung wirbt, noch zur bestimmenden Macht werden möchte, bevor das Unverständnis das alles noch beseitigt hat, wofür er zu liebender Erhaltung mahnt, weil es um köstliches Erbe innerlich-sicherer Geschlechter sich handelt 1" St. Galler Blätter Band III Dörfer u^Kolonien, 2. Auflage Mit 177 Abbildungen. Preis Mk. 4.—, gebunden Mk. 5.— Ueber den dritten Band schrieb die „Deutsche Kunst u. Dekoration": „Dieses Werk verdient überall in deutschen Landen eingehende Beachtung, Es gibt über das Wesen deutscher Ansiedelungs- und Bau-Weisen Aufschlüsse, wie sie in ähnlicher Fülle und Trefflichkeit noch nie beisammen zu finden waren. Wir wünschen das Buch namentlich in den Händen aller hohen Baubehörden, dann aber der Baumeister, -Unternehmer und Künstler. Es ist durchaus gemeinverständlich und frisch geschrieben." Kunstwartverlag Georg D. W. Callwey, München Schultze-Naumburg Kulturarbeiten Band IV Städtebau Mit 288 Abbildungen. Preis Mk. 5.50, gebunden Mk. 6.50 Professor Schultze-Naumburg will mit diesem Bande nicht das Lehrbuch einer Theorie des Städtebaus geben, sondern durch Anschauung eine Reihe von Fragen vor denen erörtern, die heute Städte anlegen lassen: vor Laien. Der Verfasser beschäftigt sich insbesondere mit ganz einfachen praktischen Fragen des täglichen Lebens, die dem Bürger heute beständijz nahetreten, die er aber meist nur vom Standpunkte verbrauchter Vorurteile aus ansieht. Sodann wird auf die Schäden hingewiesen, die unsere üblichen Bauordnungen anrichten, die Gesichtspunkte, die bei Stadterweiterungen den aufgestellten Bebauungsplänen zugrunde liegen müssten, werden kritisch erörtert, endlich will Schultze-Naumburg etwas zur Schätzung des Wertes der Städte beitragen, die sich noch nicht stolz Grosstädte nennen können. Band V Kleinbürgerhäuser Mit 130 Abbildungen. Preis Mk. 3.50, gebunden Mk. 4.50 Der Stand des Kleinbürgers ist in einer so überwältigenden Zahl da, dass auf hundert Häuser, die heute gebaut werden, sicher neunzig kleinbürgerliche kommen. Diese Bauten sind aber bis heute das Jämmerlichste, was überhaupt gebaut wird. Und da sie in unendlich grosser Zahl aufschiessen, so sind sie in hohem Grade mitschuldig, wenn sich das Bild unseres Landes in immer hässlichere Züge hüllt. Die älteren Kleinbürgerhäuser sind ihnen himmelweit überlegen. So lag hier die im Rahmen der „Kulturarbeiten" gegebene Aufgabe, eine Reihe von natürlichen und nicht veralteten Traditionsformen zu sammeln, die dem Bauenden manche Anregung geben können. Denn der Zweck des Buches ist wiederum, dass die Bilder zum Nachdenken und Beobachten anregen sollen. Eugen Diederichs Verlag, Jena Paul Schultze-Naumburg Die Kultur des weiblichen Körpers als Grundlage der Frauenkleidung. 10. bis 12. Tausend. Mit 133 Illustrationen. Preis Mk. 4. —, gebunden Mk. 5.— Häusliche Kunstpflege. 12. Tausend. Mit Buchschmuck von J. V. Cissarz. Preis Mk. 3. —, gebunden Mk. 4.— Das Studium und die Ziele der Malerei. 3. Auflage. Mit 16 Illustrationen. Preis Mk. 3.50, gebunden Mk. 4.50 Kunst und Kunstpflege. 2. Tausend. Mit Buchschmuck von Walter Hessling. Preis Mk. 2. — , gebunden Mk. 3. — Verlag von E. Haberland, Leipzig Paul Schultze-Naumburg Die Technik der Malerei Ein Handbuch für Künstler und Dilettanten, mit Buchschmuck von J. V. Cissarz und einfarbigen und bunten Abbildungen im Texte. Preis Mk. 4.—, gebunden Mk. 5.— Vi lii tli iL ^ iL iti iL X ki; il^ ff m w I. I 1 i. .1 T i i i m\mm of Toronto LIBMRY Acme Library Card Pocket Under Pat. " Ref. Index File." Made Ij LIBRAEY BUREAU .1. .1 ,1. ,(. f