http://www.planet-wissen.de/politik_geschichte/nachkriegszeit/jugend_in_50er_jahren/ Jugend in den 50er Jahren Die Jugend in Westdeutschland rockt und auch sonst geht es in der späten Nachkriegszeit im Land endlich wieder aufwärts. Die Löhne steigen, die Arbeitszeit sinkt und eine neue "Lässigkeit" ergreift die Deutschen - zumindest die deutschen Jugendlichen. Zwischen Nierentischen und Spitzendecken entdecken sie ihre Vorliebe für amerikanische Musik, Filme und Verhaltensweisen. Aufhalten kann sie niemand: Mit Nietenjeans und Petticoat bewaffnet, sind sie die Ersten, die eine eigene, deutlich sichtbare Jugendkultur in der Bundesrepublik etablieren. Auf dem Bild sieht man einen Jungen und ein Mädchen hintereinander auf einem Moped sitzen. (Rechte: dpa) Wer jung war, fuhr Moped Halbstarke, "Exis" und Teenager Die Halbstarken. Ihr provokatives Auftreten wurde schnell zum Sinnbild einer ganzen Generation. Mit der Zigarette im Mund, der modischen Lederjacke und dem laut knatternden Moped entsetzten sie ab Mitte der 50er Jahre die braven Bundesbürger. Kein Wunder, denn schließlich berichteten sensationshungrige Journalisten 1956 fast täglich über Halbstarkenkrawalle auf den Straßen. Auf der Schwarzweiß-Fotografie sieht man jubelnde, jugendliche Fans. Jugendliche warten auf Einlass zum Rock'n'Roll-Konzert Wenn man der Presse glaubte, verstand es ein echter Halbstarker eben, gewaltsam auf den Putz zu hauen und nutzlos "herumzugammeln". Wer deutsche Schlager hörte, hatte in einer Halbstarken-Clique nichts verloren, denn Halbstarke begeisterten sich für alles, was aus Amerika kam: Und das war vor allem Rock'n'Roll. Hauptsächlich junge Männer aus der Arbeiterschicht fühlten sich zu der Bewegung hingezogen - auch wenn weit weniger Jugendliche den Halbstarken angehörten, als viele glauben. Nur etwa fünf Prozent der damals 14- bis 19-Jährigen gibt in späteren Jahren an, halbstark gewesen zu sein. Sicherlich waren es aber viel, viel mehr, die mit der rebellischen Haltung ihrer Altersgenossen sympathisierten. Bei den jugendlichen Existenzialisten war dies jedoch kaum der Fall. Viele "Exis" verachteten das aggressive Gehabe der Halbstarken, denn in ihrem eigenen Umfeld ging es um einiges gesitteter zu. Die "Exis" ließen sich vormittags von Oberstufenlehrern belehren und verbrachten die Abende in verrauchten Jazz-Clubs. Die französischen Philosophen Jean-Paul Sartre (1905-1980) und Albert Camus (1913-1960) gehörten zu ihren geistigen Vorbildern. Schwarze Strümpfe, schwarze Hosen und schwarze Rollkragenpullover hoben sie rein äußerlich von den anderen Jugendgruppen ab. Prügeln oder in Jazz-Clubs herumlungern? Die meisten Mädchen fanden dieses Freizeitprogramm wenig attraktiv und so zogen sie nur selten mit Halbstarken und Existenzialisten durch die Straßen. Um so mehr profitierten sie vom Aufkommen einer eigenen Teenagerkultur. Teenager kleideten sich schick und modisch, tanzten körperbetont und nutzten das breite Freizeitangebot der späten 50er Jahre mit gleichaltrigen Freunden. Für sie machte jung sein Spaß - und das ganz ohne politische Aufmüpfigkeit. Die Modebranche und Unterhaltungsindustrie entdeckte die angepassten jungen Menschen schnell als eigene Zielgruppe. Teenager-Kosmetik und Teenager-Mode lagen bald in allen Schaufenstern. Was gerade im Trend war, sprach sich herum, auch weil Jugendliche ab 1956 ein eigenes Sprachrohr hatten: Die Jugendzeitschrift "Bravo" stand schon der heutigen Eltern- und Großelterngeneration bei Styling-Fragen zur Seite. Auf dem Schwarzweiß-Bild sieht man zwei Mädchen an einer Jukebox stehen. Auch die Jukebox spielte Rock'n'Roll Rock'n'Roll, Randale und Liebe Rock'n'Roll gab den Jugendlichen der 50er Jahre ihre eigene Stimme. Und das fast überall in der westlichen Welt. Spätestens seit Bill Haleys "Rock around the clock" hatten sich auch die deutschen Heranwachsenden mit dem neuen musikalischen Virus infiziert. "One, two, three o'clock, four o'clock, rock." Bill Haleys hämmernde und entfesselnde Musik begeisterte das jugendliche Publikum nicht ohne Folgen: Bei der Deutschlandtour von Bill Haley schlug die jugendliche Ekstase in wilde Aggression um. In Berlin, Hamburg, Essen und Stuttgart zerlegten Fans die Inneneinrichtung der Konzertsäle. Der Rock'n'Roll wurde zum Soundtrack eines neuen Lebensgefühls - und zu diesem Lebensgefühl gehörten auch Straßenschlachten mit der Polizei. Allein zwischen 1956 und 1958 kam es zu 350 größeren Ausschreitungen in fast allen westdeutschen Großstädten. Rock'n'Roll begleitete aber nicht nur Massenschlägereien, sondern auch die ersten Annäherungsversuche liebestoller Jugendlicher auf der Tanzfläche. Wer Rock'n'Roll tanzte, hielt sich nicht unbedingt an mühsam einstudierte Schrittkombinationen, sondern ließ lieber lasziv das Becken kreisen – ganz nach dem Vorbild von Elvis Presley, der seit 1957 zum unangefochtenen Star der Rock'n'Roll-Szene emporgestiegen war. Auch bei der Fahrt auf der "Knutschraupe" des Jahrmarkts durften Elvis' Hits nicht fehlen. Schnell hatten die Besitzer der Fahrgestelle herausgefunden, dass sie mit Schildern wie "Schlager aus den USA" oder "Treffpunkt für Rock'n'Roll-Fans" zum unangefochtenen Publikumsmagneten wurden. Freilich hatte der Andrang an der Raupe noch einen weiteren Grund: Die Raupe war die einzige Kirmes-Attraktion, die die Fahrer für einige kostbare Sekunden hinter einer Plane verschwinden ließ. Für verliebte Jugendliche Zeit genug, um heimliche Küsse auszutauschen. Szene aus dem Film 'Die Halbstarken'. Ein Kultfilm mit Horst Buchholz Die Filmindustrie entdeckt die Jugend Die Jugendlichen der 50er Jahre sehnten sich nach neuen Vorbildern - und fanden sie nicht nur in der Musik. Mit dem Film "Denn sie wissen nicht, was sie tun" traf die amerikanische Filmindustrie den Geschmack der Heranwachsenden. Und das war kein Zufall: Der Regisseur des Films, Nicholas Ray, hatte in den Archiven der Jugendbehörde recherchiert, um ein realistisches Bild der Nachkriegsjugend zu zeigen. Das Ergebnis war ein Film über unverstandene, rebellische Jugendliche und lebensgefährliche Mutproben. Die Heranwachsenden erkannten sich in dem Film wieder. Und so war es kein Wunder, dass Hauptdarsteller James Dean zum Idol einer ganzen Generation wurde. So wie er wollten die Jugendlichen sein: Kompromisslos, lässig, mit harter Schale, aber weichem Kern. Als der Film 1956 in die deutschen Kinos kam, fieberten die Fans mit Spannung der entscheidenden Szene entgegen: Zwei Autos lassen nebeneinander die Motoren aufheulen. Eine Mutprobe steht an. Mit Vollgas rast James Dean auf die Klippen zu, denn ein "Feigling" ist er wirklich nicht. In letzter Sekunde stürzt der Leinwandheld sich aus dem fahrenden Auto - und entrinnt so dem sicheren Tod. In der Realität hatte James Dean weniger Glück: Als der Film in die deutschen Kinos kam, war James Dean bereits tot - ein Autounfall hatte ihn das Leben gekostet. Der jung verstorbene Amerikaner stieg bei den westdeutschen Jugendlichen zum Mythos auf. Aber auch einheimische Schauspieler wie der junge Horst Buchholz eroberten die Herzen der Heranwachsenden. Mit dem Film "Die Halbstarken" gelang Horst Buchholz 1956 der Durchbruch. Der Film entsprach ganz dem Geschmack der Jugend, denn er handelt von Konflikten mit den autoritären Eltern, einer Bande von Halbstarken, lässigen Klamotten und einem jugendlichen Helden. Auf der Schwarzweiß-Fotografie sieht man einen jungen Mann vor einem Schild stehen. Das Schild trägt die Aufschrift: 'Eintritt in Lederwesten, Bluejeans oder unordentlicher Kleidung nicht gestattet'. Nicht überall gern gesehen: Jeans und Lederjacke Jugendmode und Frisuren "Zieht euch nur die flachen Schuhe an, weil man damit besser tanzen kann, die Pullis blau und gelb und rot, zum Rock den neuen Petticoat …". 1958 trällerte Teenager-Star Conny Froboess fröhlich diese Textzeilen. Mode und Frisuren wurden für die Jugendlichen in den 50er Jahren immer wichtiger. Halbstarke, "Exis" und Teenager führten mit ihren Eltern erbitterte "Kleidungskämpfe". Erstmals gab es eine eigene Jugendmode und die Heranwachsenden waren fest entschlossen, ihren modischen Stil auch gegen den Willen der Eltern auszuleben. Junge Männer verabschiedeten sich zum Entsetzen ihrer Väter von kurzen militärischen Frisuren und ließen sich stattdessen einen "Entenschwanz" wachsen, also eine Haartolle, die mit möglichst viel Pomade nach oben gebürstet wurde. Die streng geflochtenen Zöpfe der Mädchen wichen wippenden Pferdeschwänzen oder offenen, toupierten Haaren. Nicht nur junge Männer fielen mit Jeans, Lederjacke und spitzen Lederstiefeletten auf. Auch in der Mädchenmode bahnte sich eine Revolution an. Als die ersten jungen Frauen in Hosen die Schule betraten, hagelte es Verweise und Aufschreie. Allerdings umsonst: Schon bald ließ sich die Teenager-Hose bequem im Versandhaus-Katalog bestellen. Die Modeindustrie hatte die Zeichen der Zeit erkannt, und was Mitte der 50er Jahre noch skandalös war, gehörte am Ende des Jahrzehnts bereits zur Normalität. Zumindest den "Kleidungskampf" hat die Jugend gewonnen. Clara Walther, Stand vom 01.06.2009