Arno Geiger, geb. 1968 in Bregenz geboren, aufgewachsen in Wolfurt / Vorarlberg http://material.hanserspecials.de/Geiger/Audio/Geiger_Koenig_128.mp3 Der alte König in seinem Exil (Hanser: 2011) 2011 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Arno Geiger überfordert seine Leser nicht, bietet etwas Tröstliches in der trostlosen Welt. Gibt es in seinem Gesamtwerk eine Verharmlosung von Problemen? lNach der ersten Trennung fühlt man Hilflosigkeit, Verlorenheit, von der man sich später bei der nächsten Trennung schneller erholt. l Arno Geiger: "Selbstporträt mit Flusspferd" (2015) Der alte König in seinem Exil hat den Nerv der Zeit getroffen 30% Erwachsene mit Eltern über 65 Jahren werden einen demenzkranken Elternteil mal betreuen (müssen). Reimer Gronemeyer: Das 4. Lebensalter: Demenz ist keine Krankheit. München 2013. https://www.youtube.com/watch?v=paquj8hSdpc Absterben von Neuronen sowie Bildung von neurofibrillären Tangles und beta-Amyloid-Plaques. Bei den 85-Jährigen zeigen etwa 20 Prozent Symptome der Krankheit. In Deutschland leiden aktuell mehr als 1,3 Millionen Menschen unter einer Demenzerkrankung, bis 2050 wird ein Anstieg auf 2,6 Millionen prognostiziert. Martin Suters Erstling Small World, (1997, mit Gérard Depardieu und Alexandra Maria Lara 2010 unter dem Titel Je n’ai rien oublié von Bruno Chiche verfilmt) Amour – Liebe des Regisseurs Michael Haneke, der 2012 dafür bei den Filmfestspielen in Cannes die Goldene Palme verliehen bekam. Still Alice / Pořád jsem to já / Mein Leben ohne Gestern Regie: Richard Glatzer, Wash Westmoreland Amyotrophe Lateralsklerose von Glatzer Vorlage : Lisa Genova dt.: Lübbe. 2009 (40 Wochen unter den Top 10 der US-Bestseller-Liste.) der Oscar für Julianne Moor, Linguistin, nicht Professorin für kognitive Psychologie an der Harvard Universität, wie im Buch „Den Augenblick leben.“ "We become ridiculous, incapable, comic. But this is not who we are. This is our disease." Lisa Genova, Still Alice “Even then, more than a year earlier, there were neurons in her head, not far from her ears, that were being strangled to death, too quietly for her to hear them. Some would argue that things were going so insiduously wrong that the neurons themselves initiated events that would lead to their own destruction. Whether it was molecular murder or cellular suicide, they were unable to warn her of what was happening before they died.” “Neurons unable to connect effectively with other neurons atrophy. Useless, an abandoned neuron will die. ” MED. (heim)tückisch, schleichend (Krankheit) These are people who have been diagnosed with Alzheimer's at the beginning stages of the disease. And while they have suffered losses and could continue to as the disease progresses, there is still a lot of life to live. While their cognitive capabilities are diminished, they're not incompetent every minute of the day. Many of these people have gained a wisdom and peace with life that I think everybody strives for. Perspektivwechsel Oliver Saks: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1985 zwanzig Geschichten „Eine winzige Hirnverletzung, ein kleiner Tumult in der cerebralen Chemie – und wir geraten in eine andere Welt“ In examining the person with disease, we gain wisdom about life. vgl. Thomas Bernhards Motte zu Der Atem: Da die Menschen unfähig waren, Tod, Elend, Unwissenheit zu überwinden, sind sie, um glücklich zu sein, übereingekommen nicht daran zu denken. (Blaise Pascal) "Worüber man nicht schweigen kann, darüber muß man reden", Paul Wittgenstein, das Fragment von "Gott ist gleich 13" Wie soll man solche Themen enttabuisieren? Wo liegt die Grenze des literarisch Beschreibbaren, wenn es um körperliche Entleerung oder andere nicht salonfähige Beschreibungen geht ? Margaret Forster: Have the Men Had Enough? (1989) dt. Ich glaube, ich fahre in die Highlands, (1990) Die Familie sitzt am Sonntagmittagstisch, Grandma nimmt ihre Zahnprothese aus dem Mund und "benutzt sie als Schaufel, zieht sie durch die Untiefen der Sauce, um eine Kartoffel herauszufischen". unzimperlich auch bei undelikaten Details (Rolf Becker) Am Ende, als Charlie McKay seine Mutter schließlich doch ins King's Wood "weggibt", heißt es von ihm: "Er hatte genug." Die 17jährige Hannah, die mit ihrer Mutter und ihrer Tante die Hauptpflegelast trägt und sich bis zuletzt gegen die Unterbringung der Großmutter in einem Heim sträubt: "Wenn es bei mir so weit ist, werde ich es nicht zulassen ... werde ich sagen, ich hätte genug, und werde abtreten. Das heißt, wenn es bei mir so weit ist wie bei Grandma, wenn es dann genauso ist wie bei ihr. Aber dann würde ich nicht dazu imstande sein, oder?" Péter Farkas "Versuch, mittels der Sprache in ein Gebiet der Sprachlosigkeit einzudringen." Nyolc Perc, Budapest: Magvetö, 2007 dt. Acht Minuten, München: Luchterhand, 2011. Dann hörte das Mampfen plötzlich auf. Die alte Frau wandte den Blick von ihm ab und starrte leer in die Ferne. Der alte Mann fuhr zusammen, aber nur innerlich, unsichtbar, und er hoffte, dass sie sich nicht jetzt, am Tisch, beim Frühstück, während des Essens einkotete. das Einnässen Statt des Bewusstseins erinnerten sich ihre Nase, der Gaumen, die Zungenspitze, Ohren und Augen, und vor allem die Haut. Gewisse Berührungen drangen bis in ihre tiefsten Bewusstseinsschichten, die früher unerreichbar für Worte oder Gedanken gewesen waren. Arno Geiger nimmt Traditionen auf, die man ihm nach der ersten Lektüre nicht zumuten würde. Der schmale Grat (2005) ... über den Unterschied zwischen dem, was mein Vater in diesem Haus sieht, und dem, was er gerne sehen würde, zwischen dem, wo er ist, und dem, wo er lieber wäre. Carl Einstein: Die materielle Welt und unsere Vorstellung decken sich nie. "Bebuquin oder die Dilettanten des Wunders", 1912 http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/hoerspiel-und-medienkunst/hoerspiel-bebuquin-dilettanten-c arl-einstein100.html Er wandte sich ab von der Bude der verzerrenden Spiegel ... Peinlich ging ihm das Talglicht eines Verstehens auf, daß er, wo er ein Schauspiel sehen wollte, einem anderen zum Theater gedient habe. „Der schmale Grat“ (2005) als Erläuterung der Autorenpoetik ... all die kleinen Unstimmigkeiten und Befremdlichkeiten, die Verschiebungen, Irritationen, Schreckmomente, kleinen Niederlagen und seltsamen Freuden, die mich von kindauf begleiten und mich beinahe täglich denken lassen: Seltsam, die Dinge machen den Eindruck, als wären sie normal, harmlos und einfach zu durchschauen, und doch, etwas stimmt nicht mit ihnen. Der schmale Grat Die Erkenntnis, daß mein Erzählen eine Reaktion auf Unordnung ist, daß Schreiben eine besondere Art ist, Angst zu haben, sich zurückzuziehen und mit dem, womit man fertigwerden muß, umzugehen, ... daß ich gegen jenes Nichts anschreibe, das sich unter anderem auch in der Schrecken einjagenden Kluft zeigt, die meinen Vater von den Gegenständen in seinem Haus trennt. Der schmale Grat Er beruft sich auf Leopold Kohr: Aber vielleicht hat man auch die Gesellschaft verstanden, wenn man das Wirtshaus verstanden hat – oder auch nur die eigene Familie, was mir schon schwer genug fällt. Er schöpft Hoffnung davon, wie sein Vater mit der Alzheimer Krankheit, mit dem Verlust seiner Erinnerungen umgeht. Wäre ich an seiner Stelle, würde ich mir extrem schwertun; davon gehe ich aus. Er hingegen kränkt sich nicht sonderlich. Was unverändert bleibt inmitten der galoppierenden Veränderungen, die sich an ihm vollziehen, ist seine ausgeglichene, gute Stimmung. Er sagt Sätze wie: Mir ist jedes Wetter recht, um zufrieden zu sein. Und: Mir rennt nichts mehr davon. Der schmale Grat Grillparzer: Wenn der Mensch über Bord geht, schmeiß ich die Kunst hinterher. recte: Soviel ist gewiß. Ist einmal der Dichter über Bord, send ich ihm den Menschen auch nach. Ketzerische Fragen Profitiert Geiger nur von dem Konjunkturthema, ohne es schriftstellerisch einfallsreich umszusetzen? Früher schrieb er ja über die österreichische Geschichte als Familiengeschichte oder einen Eheroman. Lebt Geigers Buch über die Alzheimerkrankheit seines Vaters nicht mehr vom Mitleid bzw. von der Empathie des erschrockenen Lesers als von einer erzählerischen Leistung des Autors? Ist der name-dropping (Kafka, Kundera, Carl Einstein u. a. m.) nicht nur ein Tarnmanöver, um die einfache Erzählform zu verbrämen? Leonie Süwolto, Universität Paderborn Forschungschwerpunkt: Alter(n) und Demenz in der Gegenwartsliteratur Ereignis oder Kontinuum? Zur zeitlichen Codierung des Alter(n)s bei Wilhelm Genazino und Arno Geiger. Altern als ein Effekt von Diskursen, der historischen Transformationsprozessen unterliegt. in: Claudia Öhlschläger/Lucia Perrone Capano (Hg.): Figurationen des Temporalen. Poetische, philosophische und mediale Reflexionen über Zeit. Göttingen Göttingen: V&R Unipress, 2013.S. 191ff. Literarische Erkundungen eines früher tabuisierten Themas Hans Georg Pott: Eigensinn des Alters : literarische Erkundungen München [u.a.] | Verlag: Fink, 2008. http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00080657_00004.html?zoom=1.00&leftTab =mlt Henriette Herwig: Merkwürdige Alte: Zu einer literarischen und bildlichen Kultur des Alter(n)s. Bielfeld: transcript Verlag, 2014. Fragen zum Text. Wer waren Daniela und Eva, die beide mit dem Vater des Ich-Erzählers umgehen konnten? Womit gewann Daniela seine Zuneigung? Wo und wann spielt sich die Geschichte des Alzheimerkranken ab? Gibt es im Text Momente, in denen der Kranke aggressiv wurde? Was heißt „schubsen“? Manchmal, wenn er sich bedrängt fühlte, schubste er sie weg. (132) Welche Auswirkungen auf Familienebeziehungen hatte die Erkrankung des Vaters? Fragen zum Text, 129. 1. S. 129: Kafkas Tagebucheintrag über einen Traum aus der Zeit seines Urlaubs in Marienbad mit Felice: „Einer lag schwerkrank im Bett...“ Der Arzt kommt. „Keine Hilfe“, sagte der Kranke, nicht als frage, sondern als antworte er. Der Arzt schaut kurz in ein auf dem Nachttisch liegendes „großes medizinisches Werk“ und sagt dann: „Hilfe kommt aus Bregenz.“ – „Das ist weit“, sagte der Kranke. Der Vater fragt nach möglichen Behandlungsmöglichkeiten seiner Krankheit, welche einen Seufzer des literarisch gebildeten Sohnes zur Folge hat. Beschreiben Sie die Kommunikationsstrategie des Sohnes. Welches Genre wählte Arno Geiger für diese intime Aussage über den Vater? Fragen zum Text, 130: Ändert sich die Kommunikationsstrategie des Sohnes? 2. Surreales (130) Daniela setzte ihm den Hut auf und sagte: »Hier hast du deinen Hut.« »Das ist recht und gut. Aber wo ist mein Gehirn?« »Dein Gehirn ist unter dem Hut«, sagte ich von der Küche aus. Der Vater nahm den Hut ab, schaute hinein und erwiderte: »Das wäre aber ein Wunder.« Er zögerte, dachte nach, und indem er den Hut wieder aufsetzte, fragte er schüchtern: »Ist es wirklich unter dem Hut?« »Ja, es ist dort, wo es hingehört«, sagte ich. Er zog die Brauen hoch und ging verdattert hinter Daniela zur Tür. Fragen zu Kafka-Parallelen, 131 »Glaub bloß nicht, dass ich auf eine so schwindlige Figur wie dich hereinfalle. Ich kenne deine unsauberen Spielchen.« Natürlich war mir bewusst, dass hier die Krankheit redete. Was besagt die Anthropomorphisierung der Krankheit über das Vater-Sohn-Verhältnis? ... ich bin nicht mehr kräftig genug, mein Gedächtnis läßt nach, ich habe nicht mehr den Blick für alle die vielen Sachen. Das ist erstens der Ablauf der Natur, und zweitens hat mich der Tod unseres Mütterchens viel mehr niedergeschlagen als dich. – Aber weil wir gerade bei dieser Sache halten, bei diesem Brief, so bitte ich dich, Georg, täusche mich nicht. Es ist eine Kleinigkeit, es ist nicht des Atems wert, also täusche mich nicht. Aus welchem Text Kafkas stammen die Textproben rechts? Schwingt da etwas von der Personenkonstellation Kafkas bei Geiger mit? Vgl. Während mein jüngerer Bruder und ich lachen, blickt unser Vater verwundert abwechselnd von einem zum andern, erstaunt, daß zwei seiner Söhne sich mehr oder weniger grundlos auf die Schenkel klopfen. Er lächelt anteilnehmend. (Der schmale Grat) »Bin ich gut zugedeckt?« fragte der Vater noch einmal und schien auf die Antwort besonders aufzupassen. »Sei nur ruhig, du bist gut zugedeckt.« »Nein!« rief der Vater, daß die Antwort an die Frage stieß, warf die Decke zurück mit einer Kraft, daß sie einen Augenblick im Fluge sich ganz entfaltete, und stand aufrecht im Bett. Nur eine Hand hielt er leicht an den Plafond. »Du wolltest mich zudecken, das weiß ich, mein Früchtchen, aber zugedeckt bin ich noch nicht. Und ist es auch die letzte Kraft, genug für dich, zuviel für dich. Wohl kenne ich deinen Freund. Er wäre ein Sohn nach meinem Herzen. Fragen zum Text, 133 Wie hat die Familie die Betreuung des Vaters bewältigt? Folgende Textprobe weicht von dem vorher Erzählten etwas ab. Spüren Sie in dem Textkontinuum einen Knick? Wie ist er motiviert? Die Konvention verlangt, dass man ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn man beschließt, ein enges Familienmitglied ins Heim zu geben. Und natürlich verunsichert eine solche Entscheidung. Gleichzeitig schadet es nicht, Konventionen in Frage zu stellen. Fragen zum Text, 134 und 136 Welche medizinischen Euphemismen fielen Ihnen im Text auf? 134, medikamentös neu eingestellt Welche Bedetung hat das Armdrücken in der Beziehung zwischen Vater und Sohn? Wie wandelt er die Redewendung Das ist kein Pappenstiel! ab? 136: Was ist Vergeltung am Tod ? Philip Roth, Das sterbende Tier. Liebe, Vergeltung am Tod. Fragen zum Text, 177 bzw. 179/180 Mit welcher Figur aus der Weltliteratur des 19. Jh. vergleicht Arno Geiger seinen Vater und warum? Er wählt harmlose Parallelen zwischen dem Vater und dem Gutsbesitzer. Eine Sinnkrise würde ich August Geiger kaum zumuten. Wer behauptet in Geigers Buch, man wünsche jemandem, der im Sterben liegt, nicht gute Besserung, das sei lächerlich ? Vergleichen Sie die Aussage von Geiger mit der von Lisa Genova: a wisdom and peace with life that I think everybody strives for. Der Tod ist einer der Gründe, weshalb mir das Leben so anziehend erscheint. Er bewirkt, dass ich die Welt klarer sehe. Das letzte Kapitel unterdrückt die Handlung und räumt der Reflexion mehr Raum ein. Bilanz ziehen versuchen die letzten Fragen des Sohnes an den immer schwächeren Vater: Wozu bekennt sich der Vater als Lieblingstätigekeit? »Was hast du gerne gemocht?« »...............................« Bei der Entrümpelung des Hauses werden Notizen des Vaters entdeckt. Worüber? Welche fiktionale Figur wird herangezogen, um die Kluft zwischen der Gegenwart und dem Jahr 1945 hervorzuheben? Wer ist hier abgebildet? Washington Irving (1783–1859): Rip Van Winkle (1819) Als er in sein Dorf zurückkehrt, erkennt er es kaum wieder – überall sind neue Häuser entstanden, sein eigenes Haus ist verfallen und verlassen, und auch alle Bewohner (und Hunde) scheinen ihm unbekannt und begegnen ihm mit Misstrauen. Sein geliebtes Wirtshaus ist dem Union Hotel gewichen, und dort hängt zwar – so scheint es ihm – immer noch das vertraute Porträt des englischen Königs, doch ist es nun mit dem Schriftzug General Washington versehen. Davor eifert ein Redner über „Wahlen“, „Bürger“, den „Kongress“, die „Helden von ’76“ und ähnliche, für ihn völlig unverständliche Dinge. Als er von der neugierigen Menge zur Rede gestellt wird, erklärt der in Bedrängnis geratene, er sei ein „armer, ruhiger Mann, ein Einwohner des Dorfes und ein treuer Untertan des Königs, Gott segne ihn!“ und wird daraufhin beschuldigt, ein Verräter und Spion zu sein. Die karthatische Funktion des Erzählens Von wem stammt das zweite Zitat? Meine Befürchtungen, dass der gute Teil vorbei sei, hatten sich oft genug als ungerechtfertigt erwiesen, meine Vorhersagen waren selten eingetroffen. Da täuschest du dich sehr, hätte der Vater wiederholt sagen müssen, in seiner besonnenen Art. Deshalb schaue ich jetzt nicht mehr so ängstlich in die Zukunft wie am Anfang. Wie der Zwist der Liebenden, sind die Dissonanzen der Welt. Versöhnung ist mitten im Streit und alles Getrennte findet sich wieder. Es scheiden und kehren im Herzen die Adern und einiges, ewiges, glühendes Leben ist Alles.« Vergeltung am Tod üben (136) Und wenn es einmal so ist, dass der Vater seinen Kindern sonst nichts mehr beibringen kann, dann zumindest noch, was es heißt, alt und krank zu sein. Auch dies kann Vaterschaft und Kindschaft bedeuten, unter guten Voraussetzungen. Denn Vergeltung am Tod kann man nur zu Lebzeiten üben. Es heißt, jede Erzählung sei eine Generalprobe für den Tod, denn jede Erzählung muss an ein Ende gelangen. Gleichzeitig bringt das Erzählen dadurch, dass es sich dem Verschwinden widmet, die verschwundenen Dinge zurück. Ins Atemporale ausgewichen Wer lange genug warten kann, dem wird endlich alles wohl gethan. Böhm.: Kdo čeká, vyčeka. (Čelakovsky, 111.) Wer lange genug wartet, kann König werden. Bei Tunnicius (416): De so lange kunde beiden, de worde wol konnink. (Rex orbis fiet qui vivit Nestoris aevum.) Die älteste niederdeutsche Sprichwörtersammlung von Antonius Tunnicius gesammelt und in lateinische Verse übersetzt ... Genre Franz Haas: Familiengeschichte, Kindheitserinnerung und Autobiografie, Dorfchronik und Weltbetrachtung sowie nicht zuletzt – wie jedes Erzählen – «eine Generalprobe für den Tod». Es ist auch ein Beschwörungsritual gegen den eigenen Zerfall, der in den Genen eingraviert sein könnte: Motto: Hokusai: Man muss auch das Allgemeinste persönlich darstellen. Welche krassen Töne mischen sich in das stille Buch ein? 165, vier Wochen bettlägerig zwischen Sterbenden und Toten ... für je zwei Mann eine Decke 50 cm tiefe Holzstellagen für die Kranken gebaut. Auf mehreren Lagen wurden je zwei Kranke auf eines der schmalen Bretter gepfercht, sie lagen auf der Seite, eng aneinder geschmiegt, in Anbetracht der anstecklenden Krankheiten und schlecht versorgten Wunden eine fatale Situation. ein Schuttabladeplatz (in Pressburg). Dort war beireits ein ausgeschaufeltes Loch, in welches nun die Toten geworfen wurden. 168 Vielleicht hatte Vater deshalb viele Jahre lang an Allerseelen für das Schwarze Kreuz gesammelt. Er traf sich sonst nie mit Veteranen. sein Rat: Daheimbleiben und nicht fortgehen!