Ionenfallen und Quantengatter Richard Bartholdt Hauptseminar WS 2010/2011 Zusammenfassung Im folgenden möchte ich den Inhalt meines Vortrags „Ionenfallen und Quantengatter" zusammenfassen, den ich am 8. Februar 2011 im Ramen des Haupseminars „Experimentelle Quantenoptik" bei Prof. Dr. H. Ott und Prof. Dr. A. Widera gehalten habe. Dieser setzte sich zusammen aus einem Uberblick zu den Grundlagen für Quantencomputer, theoretischen Betrachtungen zur Physik einer Ionenfalle und einer Beschreibung eines Quantengatters auf Grundlage gefangener Ionen. Grundlagen Quantenmechanische Theorien haben viele Teilgebiete der Physik revolutioniert und haben auch mit der Entwicklung von Quantencomputern die Informatik erreicht. Quantencomputer haben das Potential, auf Grundlage der Gesetzte der Quantenmechanik, mathematische Probleme deutlich effizienter zu lösen als klassische Rechner. So zum Beispiel mit dem Shor-Algorithmus1 zur Faktori-sierung großer Zahlen. Qubits und Gatter Die Grundlagen für jeden Computer sind erstens die Möglichkeit Informationen zu speichern: in Form von Bits, die genau zwei Werte 0 bzw. 1 annehmen können; und zweitens diese miteinander logisch zu verknüpfen: mit einem Satz an logischen Schaltungen z.B: AND- und NOT-Gatter oder das NAND-Gatter. Für einen Quantencomputer ist die Speichergrundlage das Qubit: ein quantenmechanisches Zwei-Zustandssystem, das zusätzlich zu Grund- und angeretem Zustand, |0) und |1), auch noch jede mögliche Superposition: a |0) + ß \1) dieser beiden annehmen kann, wobei die Koeffizienten a und ß komplexe Zahlen mit der Normierung \a\2 + \ß\2 — 1 sein können. Aus dem Superpositions-Prinzip ergibt sich folgende Konsequenz: In einem Quantenregister aus N Qubits ist die Anzahl der möglichen Basiszustände 2^ mit den komplexen Koeffizienten a^. a0 |00 ... 00) + ai |00 ... 01) + a2 |00 ... 10) + ... . Es könnten also theoretisch 2^ komplexe Zahlen ai gespeichert werden. Ein universeller Satz an logischen Operationen auf Qubits besteht mindestens aus einem Ein-Qubit- und einem Zwei-Qubit-Gatter. Ein solches Zwei-Qubit-Gatter ist immer als unitäre Matrix darstellbar, z.B. das CNOT-Gatter (für eng. „controlled NOT") mit den Basis-Zuständen |00), |01), |10), |11): /l 0 0 0\ oioo m 0 0 0 1' ^ ' \0 0 1 0/ wodurch das zweite (Ziel-) Qubit invertiert wird, wenn das erste (Kontroll-) Qubit im Zustand |1) ist. DiVincenzo Kriterien Welche Kriterien ein physikalisches System als Quantencomputer außerdem noch erfüllen muss, wurde im Jahr 2000 von David P. DiVincenzo2 diskutiert: 1. Das System muss auf eine beliebige Anzahl eindeutiger Qubits skalierbar sein. 2. Es muss möglich sein alle Qubits in einem Ausgangszustand zu initialisieren, z.B: 100 ... 00). 3. Die Kohärenz-Zeit muss lang sein gegenüber der Zeit für Gatteroperationen. 4. Ein universeller Satz an Quantengattern muss umsetzbar sein. 5. Der Zustand der Qubits muss messbar sein. Ein System, das fast alle diese Kriterien erfüllt, wurde bereits 1995 von J. I. Cirac und P. Zoller3 vorgestellt. Als Qubits sollten in einer linearen Paulfalle gefangene Ionen dienen, die mit Hilfe von Lasern gesteuert werden. Als Quantenbus zur Übertragung von Informationen zwischen den Qubits sollte der quantisierte Bewegungszustand dienen. Hiermit war es vor allem möglich das oben genannte CNOT-Gatter experimentell zu realisieren. Die lineare Paulfalle Abbildung 1: Schematische Darstellung der linearen Paulfalle: vier Ionen gefangen in der Mitte des Fallenpotentials der vier Elektroden (aus jeweils drei Segmenten) [4, Fig.7.7] 1 Fallenpotential Die nach Wolfgang Paul (Nobelpreis 1989) benannte Paul-Falle ist eine elektrische Quadrupolfalle, die Ionen in einem harmonischen Potential einschließt. Das Fallenpotential setzt sich aus einer Uberlagerung von zeitlich konstanten elektrischen Feldern und einem elektrischen Wechselfeld zusammen. An zwei der vier Elektroden wird eine Wechselspannung Vq angelegt, die in radialer Richtung (als senkrecht zur Fallen-Achse) ein harmonisches Potential r/ erzeugt, das die Ionen auf die Fallen-Achse drängt4 r/ — i (Vb cos + Ur) 1 In axialer Richtung wird der Einschluss für die Ionen dadurch erzeugt, dass zwischen den äußeren Segmenten der Elektroden und den Inneren eine Potential-Differenz ^C anliegt. Im zeitlichen Mittel kann die Bewegung der Ionen in der Falle zusammen und deren gegenseitiger Coulomb-Abstoßung mit dem Hamilton-Operator n \ ^ Ml 2 2 i 2 2 i 2 2 i i=l n M2 2—1 J>2 4irea Irl - rl beschrieben werden.4 Hierbei ist die Falle so konstruiert ist, dass gilt: ujx,ujy ujz, wodurch sich die Ionen in einer „Kette" anordnen. Eine Herleitung der klassischen und quantenmechanischen Bewegungsgleichungen geladener Teilchen in radiofrequenz-Fallen sowie der Stabilitätsbedingungen für rf-Fallen findet man in [7, Kap. II]. Quantisierung der Bewegung Um die Bewegung der Ionen in der Falle als quantenmechanischen harmonischen Oszillator beschreiben zu können, müssen die Ionen sehr kalt sein - es muss also gelten: kßT 1.2) |U> |1,4> Ein Laser der Frequenz uj, der gegenüber dem internen Ubergang des Ions mit der Ubergangsfrequenz cjq um A — uj — ijjQ — ijjz ( => rotes Seitenband ) verstimmt ist, wird auf die Ionen eingestrahlt. Dadurch finden Übergänge der Form \g,n) \e,n— 1) statt. Wobei die erste Quantenzahl den inneren Zustand und die zweite die Vibrationsquantenzahl des Ions beschreibt. Es wird also gleichzeitig das Ion in einen angeregten Zustand |e) gebracht und geht dabei in einen niedrigeren Schwingungszustand \n — 1) über. Die Ionen zerfallen dann statistisch in die Zustände \g, n — 1), \g, n — 1 ± 1) .. . mit Tendenz zu niedrigeren Schwingungsquantenzahlen n. Der Grundzustand |0,0) kann von einem rot verstimmten Laser nicht mehr angeregt werden.4 Lamb-Dicke-Regime Um zu vermeiden, dass sich der Bewegungszustand während Gatteroperationen oder bei spontaner Emission (also immer wenn Photonen an den Ionen gestreut werden) ändert, muss das Lamb-Dicke-Kriterium erfüllt sein: rj z gefangen und soll mit Laserlicht der Frequenz lj Wechsel wirken. Eine ausführliche Herleitung hierzu ist zu finden in [4,6]; die theoretische Beschreibung der Wechselwirkung von Ionen in einer Falle mit Licht in [7, Kap. III]. |0,0) |0.1> |0,2> |0,3> |0,4) Abbildung 2: schematisches Seitenband-Kühlung [4, Fig.7.8] Niveau-System für Abbildung 3: Modell für die Ionen in einer Falle zur Herleitung des Hamilton-Operators [4, Fig. 7.9] 2 Die Wechselwirkung der gefangenen Ionen mit Licht wird durch folgenden Halmilton-Operator beschrieben H = httcr+e-'1^-^ exp {iv [ae^* + aV"**] } , wobei 51 die Rabi-Frequenz für den Ubergang zwischen den internen Zuständen des Ions, c+ der dazugehörige Erzeuger-Operator, 77 der Lamb-Dicke-Parameter und a, a) der Erzeuger- bzw. Vernichter-Operator für die Schwingungszustände der Ionen in der Falle. Für die Verstimmung A des Laserlichts mit der Frequenz ijj gegenüber der Ubergangsfrequenz ujq zwischen den Zuständen \g) und |e) des Ions sind die folgenden drei Fälle entscheidend: • A — 0: der „Träger-Ubergang" Hcar = HÜ (cr+e^ + CT-e-1*) \g, n) |e, n) • A — +ujz: das „rote Seitenband" ( => Seitenband-Kühlung ) H+ = Mir) («r+aV* + (T-ae-1*) 0) 4^ |e, 1) • und A — —■ D5/2 und D5/2 =^ P3/2 benutzt um die Ionen in den Grundzustand S'i/2,mj=-i/2 zu pumpen.6 (eine ausführliche Beschreibung des Niveau-Schemas in 9 ). Abbildung 5: Niveau-Schema 40Ca+ [6, Fig. 4] 3. Kohärenz-Zeit: Die Kohärenz-Zeit in Ionenfallen-Quantencomputern wird limitiert durch: • die Lebensdauer der Qubit-Zustände. Bei 40Ca+ ist diese mit t « 1,2s also lang gegenüber der Zeit für Gatter-Operationen, die typischerweise einige ms dauern. • die Stabilität der Bewegungs-Zustände, also Anregung der Bewegung durch äußere Störungen während Gatter-Operationen, wie z.B: Schwankungen der Fallenfrequenz oder Magnetfeld-Fluktuationen6 und • die Stabilität der kohärenten Superposition. 4. Universeller Satz an Quantengattern: (a) Ein-Qubit-Operationen: Ein-Qubit-Operationen finden auf dem „Träger-Übergang": \g) — |0) 4=> |e) — |1) statt und können mathematisch als Rotationen auf einer Bloch-Kugel dargestellt werden: c / cos 0/2 «^sin0/2\ 1 'W ~ ^«j-1* sin 0/2 cos 0/2 ) 3 Je nach Länge r des eingestrahlten Laserpulses ergeben sich verschiedene Rotationswinkel 6 — 51t und damit jede mögliche Operation auf einem Qubit. (b) Zwei-Qubit-Gatter: Die Cirac-Zoller CNOT-Gatter Operation zwischen zwei Qubits (auf zwei verschiedenen Ionen) setzt sich zusammen aus: i. Übertragung des Zustands von Ion 1 auf den Bus (Schwingung): z.B. mit einem 7r-Puls auf dem roten Seitenband, wodurch der Zustand |ei,0) in den Zustand \gi, 1) übergeht und der Zustand |<7i,0) unbeeinflusst bleibt. ( wobei hier: \Qubit, Bus) ) ii. Logische Operation zwischen dem Ion 2 und dem Bus: Mit einer weiteren Puls-Sequenz auf das zweite Ion, kann dessen Zustand geändert werden, z.B. falls der Bus im Zustand |1) ist, das so genannte "Single-ion-controlled-NOT"-Gatter.8 iii. Rückgängig machen von Schritt i. : Mit der selben Operation wie in i. wird der Zustand von Ion 1 und der Schwingungszustand wieder zurück in den Ausgangszustand gebracht. Geht man nun von einem allgemeinen Uberlage-rungszustand für Ion 1 aus (Ion 2 und Bus im Grundzustand): (a|ffi> + /3|ei»®|52>® |0B> und wendet auf diesen das CNOT-Gatter an, so erhält man damit den folgenden verschränkten Zustand für die beiden Ionen: (a|ffi>lff2> + /3|ei>|e2>)® |0B) und der Bus-Zustand ist mit keinem der beiden Ionen-Zustände verschränkt. 5. Messbarkeit: Sind alle zu einem Quantenalgorithmus gehörigen Gatter-Operationen abgeschlossen, muss der Endzustand der Qubits ausgelesen werden und in ein klassisches „Ergebnis" übersetzt werden. Allgemein wird dazu ein Ubergang: \g) •<=> \r) benutzt, der fluoresziert, wenn das Ion im Grundzustand \g) ist, bzw. nich fluoresziert, wenn es sich im angereten Zustand |e) befindet. Am Beispiel 40Ca+ werden dazu Laser auf den Ubergängen von Si/2 => P1/2 und P>3/2 =^ P\/2 eingestrahlt, sodass ein Ion nicht fluo-reziert, wenn es im Zustand D$/2 ist. Wenn es in einem der Zustände: S±/2, P1/2 oder -D3/2 ist, findet Fluorezenz statt.6'9 Das Ergebnis der Messungen zur experimentellen Realisierung des Cirac-Zoller CNOT-Gatters ist im folgenden Bild (Abb. 6) dagestellt. Idealerweise sollte sich das Abbild der Matrix aus Gleichung 1 ergeben. Experimentell wurden Genauigkeiten von 70 — 80% erreicht.8 0.8 Input Abbildung 6: Ergebnis der experimentellen Untersuchung der Cirac-Zoller CNOT Operation zwischen zwei Ionen, wobei \SS) = |00), \SD) = |01) etc. die Zustände der beiden Ionen vor bzw. nach der CNOT-Operation sind. [8, Fig. 3] Literatur [1] Peter W. Shor - Polynomial-Time Algorithms for Prime Factorization and Discrete Logarithms on a Quantum Computer - SIAM J.Sci.Statist.Comput. 26 (1997) 1484 [2] D. P. DiVincenzo - The Physical Implementation on Quantum Computation - Fortschr. Phys. 48, 771-783 (2000) [3] J.I.Cirac and P.Zoller - Quantum Computations with Cold Trapped Ions - Phys. Rev. Lett. 74, 4091-4094 (1995) [4] M. A. Nielsen and I. L. Chuang - Quantum Computation and Quantum Information, (Cambridge University Press, Cambridge, 2000) [5] G. Morigi, J. Eschner, J.I. Cirac and P. Zoller - Laser cooling of two trapped ions: Sideband cooling beyond the Lamb-Dicke limit - Phys. Rev. Lett. A 59, 3797 (1999) [6] H. Haifher, C.F. Roos and R. Blatt - Quantum computation with trappet ions - Physics Reports 469, 155 (2008) [7] D. Leibfried, R. Blatt, C. Monroe, D. Wineland -Quantum dynamics of single trapped ions - Rev. Mod. Phys. 75, 281 (2003) [8] R. Blatt - Realization Of the Cirac-Zoller controlled-NOT quantum gate - Nature Vol. 422, p.408 (2003) [9] J. Benhelm, G. Kirchmair, C. F. Roos, and R. Blatt -Experimental quantum-information processing with 43Ca+ ions - Phys. Rev. Lett. A 77, 062306 (2008) 4