Intertextualität Eine weit gefaßte Intertextualität: die Offenheit und der prozessuale Charakter der Literatur (vgl. Julia Kristeva). Gerard Genettes Systematisierung von fünf traditionellen Formen der Beziehungen unter dem Oberbegriff der ´Transtextualität´. Genette: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe. Funktionen von Intertextualität 1. konservative, vorgegebene Codes und Systeme affirmativ, Vereinheitlichung, Autoren: Tolstoi, Góngora, „Literature of Exhaustion“, z.B. Klassizismus: 2. subversiv, innovativ, destabilisierend, z.B. Modernismus, „critical deconstruction“, Differenzierung, Autoren: Dostojevskij, Cervantes, fünf Formen ´Transtextualität´ 1. Intertextualität = Kopräsenz von zwei oder mehr Texten (Zitat, Anspielung, Plagiat...) 2. Paratextualität: Bezüge zwischen Text und Titel/Vorwort/Nachwort/Motto 3. Metatextualität: Kommentierender, oft kritischer Verweis auf Prätext 4. Hypertextualität: ein Text macht einen anderen zur Folie (hypertextuelle Gattungen: Parodie, Travestie, Pastiche, Imitation) 5. Architextualität: Gattungsbezüge eines Textes 1. Zitat, Anspielung, Plagiat das Zitat: in Anführungszeichen, mit oder ohne genaue Quellenangabe die Anspielung / Allusion: fragmentarische, nicht deklarierte Entlehnung, die der Leser nur erkennt und versteht, wenn ihm der Bezugstext bekannt ist; ansonsten wird die Anspielung überlesen oder kann nur vermutet werden das Plagiat: nicht deklarierte, aber wörtliche Übernahme. Funktion des Zitats "Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage: Ob's edler im Gemüt, die Pfeil' und Schleudern Des wütenden Geschicks erdulden, oder...oder?... Scheusslich! Der grosse Thienwiebel hielt wieder inne. "Nicht zum Aushalten das! Nicht zum Aushalten!!" Die fünf kleinen gelben Lappen hinter dem Ofen die dort an einer Waschleine zum Trocknen aufgehängt waren, hatten ihn wieder total aus dem Konzept gebracht, "Ekelhaft!" (Arno Holz/Johannes Schlaf: PAPA HAMLET, 1889) Funktion der Anspielung Minnas Othello-Anspielung Minna: Sie sind so schwarz und häßlich nicht; auch so eifersüchtig werden Sie nicht sein. Aber Tellheim, Tellheim, Sie haben doch noch viel Ähnliches mit ihm! O, über die wilden, unbiegsamen Männer, die nur immer ihr stieres Auge auf das Gespenst der Ehre heften! für alles andere Gefühl sich verhärten! – Hierher Ihr Auge! auf mich, Tellheim! Tellheim: »Wie kam der Mohr in venezianische Dienste? Hatte der Mohr kein Vaterland? Warum vermietete er seinen Arm und sein Blut einem fremden Staate?« lDie Situation Tellheims, der, wiewohl Kurländer, in preußische Dienste getreten ist! Daß er dieses ›Vermieten‹ im Grunde als fragwürdig empfindet, zeigt seine Mahnung an seinen Wachtmeister Werner: »Man muß Soldat sein für sein Land oder aus Liebe zu der Sache, für die gefochten wird.« Funktion der Anspielung das »Wespennest« (Wien), das in Anspielung auf Brecht »Zeitschrift für brauchbare Texte« genannt wird. Die Begründer Peter Henisch und Helmut Zenker haben sie als (in Österreich mittlerweile wichtigstes) Forum für »kritisch-realistische Literatur« konzipiert, ein Programm, dem die Zeitschrift bis heute treu geblieben ist. Eine "brauchbare" Literatur sollte die Menschen erziehen und aufklären, ja besser machen. 2. Paratextualität: Titel/Vorwort/Nachwort/Motto Waschzettel: als separater Zettel od. als Klappentext einem Buch vom Verlag beigegebene kurze, Werbezwecken dienende Ausführung zum Inhalt eines Buches. Motto: Annette Retsch in Paratext und Textanfang Wahlspruch, Welche Lesart legt folgendes Motto des Romans Die Verwirrungen des Zöglings Törleß nahe? Motto »Sobald wir etwas aussprechen, entwerten wir es seltsam. Wir glauben in die Tiefe der Abgründe hinabgetaucht zu sein, und wenn wir wieder an die Oberfläche kommen, gleicht der Wassertropfen an unseren bleichen Fingerspitzen nicht mehr dem Meere, dem er entstammt. Wir wähnen eine Schatzgrube wunderbarer Schätze entdeckt zu haben, und wenn wir wieder ans Tageslicht kommen, haben wir nur falsche Steine und Glasscherben mitgebracht; und trotzdem schimmert der Schatz im Finstern unverändert.« Maeterlinck Metatextualität Die Beziehungen zwischen einem Basistext, auf den Bezug genommen wird, und einem weiteren Text, der sich auf einer übergeordneten Ebene mit dem Basistext auseinandersetzt. Der Basistext wird auf diese Weise Gegenstand einer kritischen, reflektierenden Auseinandersetzung. Dies kann sowohl inhaltlich als auch formal geschehen. Metatextuelle Texttypen sind dabei aber nicht auf faktuale Textsorten beschränkt. Auch Passagen eines literarischen Textes, in denen z.B. die eigene Gattungstypologie thematisiert und in kritisch-reflektierender Weise kommentiert werden, sind metatextuell.