Heraldik und Sphragistik: Begriff Heraldik: abgeleitet vom Wort Herold, nur etymologisch erschlossen aus „hario-wald“ („der im Heerbann waltet“) – sekundäre Interpretation der Funktion des Herolds; Begriff der Heraldik ab dem späten 14. Jh. in Quellen häufiger belegt (erstmals im Titel „De heraudie“, frz. Traktat angebl. des späten 13. Jh.) Wappen sind nach den Regeln der Heraldik gestaltete Bildzeichen, die für Personen, Personengruppen und Institutionen stehen können und diese repräsentieren. Im engeren Sinn sind Wappen feststehende Zeichen (ein Ritter legt sich also nicht für jeden Kampf oder jedes Turnier ein neues Wappen zu) und innerhalb einer Familie erblich. Ältere Bezüge der Wappenführung zum Lehnswesen werden in der Literatur meist wenig berücksichtigt (Wappen können wie ein Lehen dem König heimfallen und neu vergeben werden). Wissenschaftsgeschichte der Heraldik: ab dem späten 13. Jahrhundert sind Wappen Gegenstand von literarischen Texten, die sich an ein adeliges Publikum wenden; bereits zuvor Ansätze einer Fachterminologie in der mittelhochdeutschen Epik. Die internationale Sprache des Blasonierens, der sachgerechten Beschreibung von Wappen, war von Anfang an französisch, darum finden sich im 14. Jahrhundert vielfach Eindeutschungen französischer Begriffe. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht behandelt Wappen Bartolo da Sassoferrato: tatsächlich gab es aber kein kodifiziertes mittelalterliches Wappenrecht. Versuch einer Systematisierung der Wappenkunde im 17. Jahrhundert: einerseits Autoren wie Le Laboureur und Ménestrier bzw. Silvester a Petra Sancta, andererseits gedruckte Wappensammlungen (Siebmacher). Wappen als Bildzeichen haben starke Berührungspunkte mit ähnlichen Zeichen, die im strengen Sinn nicht heraldisch zu nennen sind (Marken und Meisterzeichen, Pilgerzeichen, Abzeichen, Gesellschaftszeichen usw.). Die ausgeprägte Fachsprachlichkeit der Heraldik hat dafür gesorgt, dass viele Historiker um Heraldik einen Bogen machen. Tatsächlich heraldisch korrekte Blasonierungen außerhalb der Fachkreise der Heraldik sehr selten. Weil Wappen auch der Repräsentation von Personen, Gruppen, Kommunen usw. dienen, werden sie ab der Mitte des 14. Jahrhunderts auch zunehmend vom Kaiser „verliehen“; Empfänger solcher Wappenbriefe sind zunächst offenbar italienische Parteigänger des Kaisers, erst allmählich entsteht auch nördlich der Alpen eine Nachfrage nach solchen illuminierten Wappenbriefen. Im 14. Jahrhundert stellen die vom Kaiser verliehenen Wappen meistens (als politische Symbole) einen offenkundigen Bezug zwischen dem Aussteller und dem Empfänger her. In Frankreich spricht man daher von partages héraldiques. Wappen können aber auch Allegorien und komplexe Sachverhalte (Ikonographie) veranschaulichen; als Fabelwappen stehen sie für fiktive Gestalten (Christus, der Tod, der Teufel). Als häufigstes Siegelbild des Spätmittelalters sind auch Gegenstand der Sphragistik. Redende Wappen nehmen in der bildlichen Darstellung Bezug auf den Namen des Wappenführers. Ein Vollwappen besteht aus dem Schild und dem Oberwappen (Helm und Helmzier). Die bildliche Darstellung des Wappens benötigt Farben („Tinkturen). In der Heraldik unterscheidet man zwischen fünf eigentlichen Farben, den Metallen gold und silber (bzw. gelb und weiß) und den Pelzwerken Feh, Hermelin und Kürsch. Das heute geläufige System der Schraffuren zur Wiedergabe der Farben im Schwarzweiß-Druck stammt erst aus dem 17. Jahrhundert. Die Wappenbilder unterscheidet man grundsätzlich in Heroldsbilder oder Heroldsstücke (alle Unterteilungen der Schildfläche durch geometrische Linien) und in Gemeine Figuren (alle Lebewesen und Objekte der belebten Welt sowie Himmelserscheinungen). Unter den Tieren der Heraldik dominieren Löwe und Adler, doch existieren auch zahlreiche Fabeltiere (Panther, Greif usw.). Die Heraldik als Zeichensystem entwickelt sich gegen Ende des 11. Jh. zunächst in Westeuropa. Ein gutes Indiz für die Bedeutung der Wappendarstellung ist die Veränderung der Reitersiegel um 1100: Ab da ist die Aussenfläche des Schilds mit dem Wappen sichtbar. Wappenzyklen in Wandmalerei oder in Form von Wappenrollen werden im 14. Jahrhundert häufiger. Wappen begegnen auf den unterschiedlichsten Objekten und in diversen Zusammenhängen, weil sie konkret den Wappenführer vertreten; sehr gut können sie genealogische Zusammenhänge verdeutlichen (Verwandtschaftsbeziehungen, Ahnenproben). Sphragistik: Im Deutschen (wie im Tschechischen) „Sphragistik“, nicht „Sigillography“ bzw. „Sigillographie“ Wird meist in Zusammenhang mit Heraldik unterrichtet, weil die Mehrzahl der spätmittelalterlichen Siegel Wappensiegel sind. Gehört aber auch zur Analyse der Beglaubigungsmittel der Diplomatik. Siegelstoff: zunächst in Byzanz und bis heute in der päpstlichen Kanzlei Bleisiegel (daneben selten Goldbullen), vor allem aber ungefärbtes und (vor allem grün und rot) gefärbtes Wachs. Rotwachs wurde im Spätmittelalter als Privileg des Herrenstandes angesehen. Die typischen Siegel der karolingischen Diplome waren Gemmensiegel; der Büstentyp der Darstellung wurde um 1200 nochmals durch eine Reihe von deutschen Bischofsiegeln populär und nachgeahmt. Wachssiegel werden mit einem Typar aus Metall (meistens Silber) hergestellt; die Form kann rund, mehreckig oder spitzoval (vor allem Siegel Geistlicher, besonders der Kardinäle) sein. Meist beschäftigt sich Sphragistik nur mit Siegeln als Beglaubigungsmitteln von Urkunden (Besiegelung). Doch ist klar, dass nicht-urkundliche Briefverschlusssiegel (Versiegelung) auf den Typ des Sekretsiegels großen Einfluss genommen haben. Tatsächlich lassen sich aus archäologischen Befunden viele solcher kleiner Verschlussiegel nachweisen, die nicht zur Besiegelung von Urkunden gedient haben. Spätmittelalterliche Siegel werden nicht mehr auf das Pergament aufgedrückt bzw. durchgedrückt, sondern in Siegelschale an Siegelschnüren oder Pergamentstreifen (Pressel) angehängt. Eine im 13. und frühen 14. Jh. häufige Sonderform ist das abhängende Siegel. Die Terminologie der Sphragistik ist weitgehend unsystematisch, weil sie meist formale und funktionale Elemente vermischt: Beispiel: Majestätssiegel ist meist ein Münzsiegel (Avers und Revers sind mit gleichgroßen Siegelbildern versehen), wobei die Vorderseite meist ein Thronsiegel ist. Stadtsiegel zeigen oft ein Stadttor als Symbol der Stadt selbst. Kleine Siegel oder Sekretsiegel waren zunächst oft Rücksiegel auf großen Siegeln; allmählich werden sie selbstständig anstelle des großen Siegels verwendet. Sekretsiegel heißen sie, weil sie sich offenbar aus den Briefverschlusssiegeln entwickelt haben, die keine beglaubigende Funktion hatten, sondern nur gewährleisten sollten, dass das versiegelte Schriftstück bis zur Öffnung des Siegels unversehrt gewesen war. Die Farbe von seidenen Siegelschnüren kann oft heraldische Symbolik haben (aber keineswegs immer). Bei den päpstlichen litterae dienen Seidenschnüre (cum serico) oder Hanfschnur (cum filo canapis) auch der inhaltlichen Differenzierung der Stücke (erstere haben einen für den Empfänger günstigen Inhalte, etwa in der Sache Privilegien, letztere sind inhaltlich oft Mandate). In der Neuzeit tritt neben Siegelwachs als Siegelstoff auch Siegellack.