--- 1 fr-1 Ky - n - c —1 o gl--ff-jsL I---- ------ — c - - ^=- - = p lei son. Ky —1-■ ■^f--—s ri -s «■ c - *> "--' -lei - - 1 9-1 »- 7^° * -« - 1-1-=-' Ky -o-1 a / 1 Rh r» -£-—--- — — --fi-= 1 c__^— L_ü«-^ J "-Ä lei Guillaume Dufay (— 1400-1474), Sopran des vierstimmigen Kyrie II aus der Messe »Se la face ay pale» greifbare Gestalt. Eben dies aber war vornehmste Absicht des Komponisten des 15. Jahrhunderts. »In omni contrapuncto varie-tas accuratissime exquirenda est« schrieb der zeitgenössische Theoretiker Tinctoris. Heinrich Besseler, Herausgeber dieser Messe, erläutert, »daß man unter varietas einen Wechsel der musikalischen Technik in jeder nur denkbaren Form verstand und daß dieser Wechsel als Hauptgebot galt. Verpönt war also die Wiederholung von Notengruppen oder Figuren, die Symmetrie des Gleichen und Ähnlichen, die Wiederkehr eines bestimmten Rhythmus im nächsten Takt. Die Melodik soll jeden Augenblick etwas Neues, Unerwartetes, Überraschendes bringen. Nicht das Regelhafte wird gesucht, sondern Unregelmäßigkeit.« Der mitnotierte Anfang des Tenor zeigt, daß die Stimmen zu dieser Zeit noch nicht im Sinne unserer Taktgliederung einer einheitlichen Ordnung unterworfen waren. (Siehe die Erläuterun- gen zu Ockeghem.) Überprüfen wir die Varietas im Rhythmischen und nehmen wir dabei die Einheit h- als Betrachtungsmaß, so finden wir bei 25 Einheiten 22 verschiedene Gestalten. Hier sind sie zusammengestellt, geordnet nach dem ersten Notenwert jeder Einheit. Nur die drei mit <— bezeichneten Gestalten treten doppelt auf: J o o l J J J o o J J. J J o a o — o o o o J Zwei Generationen nach Dufay wird Varietas ersetzt durch Imitation, Motiv, motivische Arbeit. Erst das 20. Jahrhundert kennt wieder Vergleichbares: eine athematische Musik. Uns ist diese Gestaltungsweise also wenig vertraut, und wir müssen einige Bemühung investieren, um sie zu verstehen. Eine außerordentliche Verfeinerung unseres Gehörs wird sich zur Belohnung einstellen. Aufgabe: Die Dufay-Stimme in einer Tonhöhe »sprechen« auf ta-ta-ta. Nächste Aufgabe: Zuhören ohne die Noten zu verfolgen, wenn einer dasselbe tut, aber dabei einige »Fehler« einbaut. (Würden weitere mögliche aber von Dufay nicht verwandte Gruppen eingebaut, könnte ein solcher Fehler natürlich nicht bemerkt werden, wohl aber die Wiederkehr einer Gruppe nach kurzer Zeit oder gar unmittelbar.) Die Zuhörer sollen dabei sogleich reagieren, wenn sie eine Gruppenwiederkehr bemerken. Herausstellen wird sich dies: Werden auffällige Gestalten wie etwa J. JJJ. J J J mehrfach eingesetzt, wird man dies eher bemerken als etwa die Wiederkehr von ö o . Auch sind natürlich Wiederholungen leich- 32 33 ter zu erkennen, wenn sie dicht hintereinander erfolgen, der Anfang also etwa so variiert würde: Ca o j o o. J j o J J. J J J o a I I o J J-Jj |°' * ^ ^ I usw- Natürlich besteht die effektivste Aufgabe darin, ähnliche rhythmische Stimmverläufe selbst zu erfinden. Die Freiheit dazu sollten wir uns nehmen, auch wenn wir nicht die Möglichkeit haben, uns hier eingehender zuvor mit den Gesetzen der Musik dieser Zeit zu befassen. Es mag für uns genügen, wenn wir folgendes beachten: Verlängerung eines Notenwertes ist nur möglich um denselben Wert: I o J o JJJ J o O oder um die Hälfte des Wertes: J J J J J j. J j jj j j. jJJi Ausgeschlossen waren also Verlängerungen wie diese: j a o |ja o I ») i a oJjJ J J J P I I p o_[^J. J o o I o o i i a o x) Längere Noten an kürzere anzubinden bleibt bis zur Neuen Musik die Ausnahme, legitimiert durch einen anderen Sprachduktus. Slawische Sprachen z. B. kennen kurze betonte und längere unbetonte Silben jJJ . Janáček, >Jenufa< Jses mla - dy (bist ein Kind noch) ja bych bed-nä— (denn bei ihm nur) Sonst finden sich Verstöße nur im Dienste äußerster Expression, die die Grenzübertretung legitimiert und ihre Ungeheuerlichkeit erlebbar macht. Wo fände man hinreißendere Beispiele als bei Monteverdi! Im >Combattimento< verabschiedet sich die sterbende Clorinda von Tancred und der Welt so: do m pa und abgesehen von der Mühelosigkeit der »falschen« Quartvorhaltsauflösung im vorletzten Takt (kein irdisches Gewicht zieht die Quartdissonanz mehr hinab) findet auch ihr Gesangsrhythmus bereits die Erlösung von irdischer Bewegungsenergie. Häufiger setzt Monteverdi derartige Überbindungen allerdings ein im Dienste äußerster Erregung, so im >Orfeo<: 1/ i mai piu non tor - na - re, et io riman - go? No, no- Maßen wir uns also diese Ausdrucksmittel nicht an. Beobachten wollen wir aber noch, wie behutsam bei Dufay Bewegungen eingeführt werden. An den fünf markierten Stellen wird durch eine einzelne halbe Note eine folgende schnellere Bewegung behutsam eingeleitet. Seltener findet man in derselben Messe auf schwerer Zeit beginnende Bewegungssteigerungen: - I j J J J o I J J J J Viertel sind beschränkt auf J... J und J.JJJ, sie stehen also allein oder in Dreiergruppen. Viertel auf schwerer Zeit, also in Zweieroder Vierergruppen finden sich auch, in der ganzen Dufay-Messe aber nur an drei Stellen, und zwar in dieser Form: J- J J J J J J J I o J- J j J J I J J o o J J J J J J I j j j J. J 34 35 Derartige Bildungen sind also äußerst selten und sollten bei unseren Übungen ausscheiden (das heißt, sie sollten eben auch nur auf zehn Seiten einmal vorkommen!). Viertel-an-Viertel-Bindung wie JJ J J JJJ verwendet Dufay nicht, die gleich-an-gleich-Bindung ist also nur bei größeren Notenwerten erlaubt. Man erfinde rhythmische Stimmverläufe, möglichst ohne eine Kontrolliste der bereits verwendeten Gestalten anzulegen. Man singe lieber das bereits Geschriebene immer wieder durch und übertrage dem Ohr die Aufgabe, eventuelle Motivwiederholungen aufzuspüren. Machen wir uns bei der Dufay-Stimme auch die Meisterschaft der Varietas im Melodischen durch eine Stichprobe bewußt. In welcher melodischen Nachbarschaft steht beispielsweise der Ton Al Notieren wir bei jedem Auftritt eines A die nachfolgenden Töne: rö-— _ p n- c—p—f—1 p --—^-—-n—P— $ - ii, coc - 1 i r f r j - Ii et--- u-Ü —e----e--- t j M\ "r — g»- o a " ~ 1» (>—p-p^— -------tcr s g © - r.i, _ f J ri' J M * a ■— ---------tcr - - ra, . CD ra » J * o -c3 Bei 15 Dreitongruppen finden wir 12 verschiedene melodische Gestalten! (Verständlich, daß wiederkehrende rhythmische Gruppe nicht mit wiederkehrender Melodiegestalt zusammentrifft, denn dies würde die Auffälligkeit der Wiederholungen in gefährlichem Maße verstärken.) Johannes Ockeghem (~14.30-iL4.g5), Anfang des Pleni sunt coeli aus der Missa >L'homme arme< Plc W PI« Dieser zweistimmige Satz beweist, daß das Varietas-Prinzip nicht nur die Verhältnisse innerhalb der einzelnen Stimmen regelte. Bei den 23 Takteinheiten dieses zweistimmigen Abschnitts gibt es tatsächlich nur eine wiederkehrende Gruppe (sie steht bei der Wiederkehr in der anderen Stimme), also 22 unterschiedliche Taktrhythmen! Man stelle sie sich zusammen, wie wir es bei Dufay unternahmen. So erst kommt die Meisterschaft der Ausnutzung aller Möglichkeiten ans Licht. Auch hier beginnen fast alle »schwarzen Noten« auf leichter Zeit. Ausnahme: Die ersten Viertel der Unterstimme. Aber eigentlich beginnen sie ja auch nicht eine neue Bewegung, sie setzen vielmehr den Impuls der Oberstimme fort. Man beobachte auch die Varietas im Verhältnis der beiden Stimmen zueinander. Die längste Bewegung beider Stimmen im selben Rhythmus ist das zweimal auftretende J J r r J o r r j j j j j r r r • r Aber sehen wir nun auch die Gegentendenz zur Einheit des Geschehens, zur Zusammenfassung. Dreimaliger Anstieg zu Beginn in der Oberstimme zu den Gipfelpunkten C, D-E, F. Fwird nochmals bestätigt und nach der Pause G, der höchste Ton des 36 37 ganzen Abschnitts, erreicht. Die weiteren Spitzentöne des Abschnitts ergeben die sanftere, insgesamt abfallende Kurve F E D D Es D C. Geschehen auf mehreren Ereignisebenen also: Ständige schnelle Veränderung der Tondauern und Tonhöhen, aber langsames Fortschreiten der Gipfeltonmelodie. Und auch die Tendenz zur motivischen Durchdringung ist schon spürbar; in den ersten drei Takten der Oberstimme scheinen der Wille zum Motiv und das Denken in überkommener Varietas um die Vorherrschaft zu ringen. Das zweistimmige Qui tollis derselben Messe bestätigt diese Tendenz: aus rf -II 1 f3 * a 7 •' 8 qui «4:-1--- \,} r r r f fr J f) r r [ f r = f ' qui tol pcc Das vollständige satztechnische Reglement dieser Zeit ist schwer zu fassen. Abweichend von der späteren voll durchorganisierten und in ihren Mitteln stärker beschränkten Sprache Pale-strinas finden wir im Notenbeispiel auf Seite 37: 1. Wechselnote nach oben, 2. nachklappende Einklangsparallelen, 3. verdeckte Quintenparallele im zweistimmigen Satz, 4. Sprung in gleicher Richtung in den Einklang. - Wenn wir uns auch weder zwei- noch auch nur einstimmige Übungen in der Sprache Ockeghems zutrauen wollen, sollten wir doch wissen, womit wir im Melodischen bei der Analyse von Musik dieser Zeit zu rechnen haben: Septimensprünge fehlen völlig. Aufwärts finden sich wenige Sprünge der großen und kleinen Sexte, abwärts fehlen beide völlig. Oktavsprünge gibt es in großer Zahl; sie führen meist aufwärts, nur selten abwärts. Johannes Ockeghem, Anfang des Credo aus der >Missa Prola-Honunv In diese von heute aus schwer verständliche Musiksprache wollen wir nur so weit eindringen, daß wir eine Ahnung bekommen von der außerordentlichen gedanklichen Artistik solcher Kompositionskunst. In ähnlicher Weise wird auch in späteren Jahrhunderten kontrapunktisches Denken immer wieder einmal dahin tendie- sie ren, die Grenze des gehörsmäßig spontan Erfaßbaren zu überschreiten. (Die Frage, ob dem Gehör das alleinige Urteil über Rang und Sinn des Komponierten zusteht, ist also nicht erst eine Frage des 20. Jahrhunderts.) Die Brevis s der Niederländer bestand aus drei oder zwei«\ die « aus drei oder zwei j, während oberhalb und unterhalb dieser Werte die Zweiteilung die Norm war. Siehe hier Seite 40. Wir haben heute ja auch Zwei- oder Dreiteilung (j = JJ oder JJJ), dies aber ist der Unterschied: Bei uns steht der Wert der Note fest, die geteilt wird, so daß sich die Teilnoten mit Halb- oder Drittelzeit begnügen müssen. Bei den Niederländern war es umgekehrt. Hier hatte die j ihre feste Dauer, so daß die «> und erst recht die ea unterschiedlich lang dauern, je nachdem, aus wievielen bestehen. Wie lange also kann eine = dauern? Q «M_J .MJ J^J (tempus perfectum cum prolatione perfecta) n J_J J J J J (tempus perfectum cum prolatione imperfecta) (tempus imperfectum cum prolatione perfecta) (tempus imperfectum cum prolatione imperfecta) Der Schlag also ändert sich nie, eine Brevis aber ist erfüllt nach 3mal 3, 3mal 2, 2mal 3 oder 2mal 2 Schlägen. Schauen wir uns jetzt den Anfang des Credo aus der wegen ihrer kontrapunktischen Artistik berühmten >Missa Prolationunv von Ockeghem an. Jede Stimme wurde in einer Zeit, die noch keine Partituren kannte, in einem eigenen Stimmbuch notiert. Hier aber genügten Ockeghem zwei notierte Stimmen; eine galt zugleich für Sopran und Alt, die andere für Tenor und Baß. Es handelt sich nämlich um einen Doppelkanon der beiden Ober- und der beiden Unterstimmen. Vor der ersten Note aber standen zwei Schlüssel und zwei Mensurzeichen. Durch die verschiedenen Schlüssel 38 39 o »tcmpus pcrfectum« Mcnsur= bezeichnuna: r r r o »tcmpus pcrfectum cum prolatione perfecta« o G »tcmpus imperfectum« c »tcmpus perfectum »tempus imperfectum »tcmpus imperfectum cum prolatione cum prolatione cum prolatione imperfecta« perfecta« imperfecta« V O c 0 zurück. Die beiden »Ligaturengruppen« i o ts \ a ■ \ erscheinen in der Unterstimme als l oois i , so daß sie in beiden Stimmen, dem Reglement des 15. Jahrhunderts entsprechend, »zwei Takte« erfüllen. Wieder sehen wir, daß der Komponist, wenn der gewünschte zeitliche Abstand der Stimmen erreicht ist, keine Ganztaktnoten mehr einsetzt. Gilles Binchois (~ 1400-1460), Chanson »Adieu, adieu« mm 1.4.7. A 3.Ce. 5. A m dieu, a -se - roit fort _ dieu vous. 2~l dicu mori. que me _ dy, il. _ joi - - eulx puis - - se est temps_ 44 45 w _ tant. - ra— . d'aii - noy de soy, 0 ß \ — V- P3f f m Tf'-27 Anders das zuvor dreistimmig wiedergegebene Chanson: Es singt seine Klage immer wieder fast-gleich. Von den 16 rhythmischen Gruppen J. J" führt nur eine einen Sekundschritt hinauf, dreimal haben wir in den letzten beiden Takten Terzfall, zwölfmal aber das Seufzermotiv der fallenden Sekunde. Binchois scheint Schubert beinahe näher zu stehen als seinem Zeitgenossen Dufay . . . Heinrich Isaac (1460-1517), Christe eleison Nr. 2 aus der >Mis$a Carminum< Von Anfang an steht der Faszination des Komplizierten, der kontrapunktischen Artistik die Tendenz zum Schlichten, zum 48 49 unmittelbar Verständlichen gegenüber. Könnte man einerseits im Gang der Musikgeschichte wie auch im Entwicklungsgang einzelner Komponisten eine abwechselnde Anziehungskraft der beiden Pole sehen, wird man andererseits auch in einzelnen Werken das Problem des Ausgleichs beider Tendenzen zum Gegenstand der Betrachtung machen können. Isaacs Liedermesse, in die zahlreiche Volksliedmelodien eingearbeitet sind, mehr, als man bisher nachweisen konnte (vieles klingt volksliedhaft, aber die Lieder selbst sind nicht mehr bekannt), ist ein deutliches Beispiel der Tendenz zur Einfachheit der Musiksprache. Christe secundum Chri Chri c - ici lei Chri stc I— lei - son, e b Chri - Ici Ici lei Chri TT- -s • lä- -1-~—« — —1—-1-* Chri -ste. lei Chri e-lei lei i son, e _b_ lei lei son, 'S Chri 15 son, e - lei mm son, lei lei -Jason. Ici Die dritte und erste Stimme führen das bekannte Innsbruck-Lied Isaacs im Kanon durch. Dabei wechselt der Einsatzabstand zwischen einem und anderthalb Takten. Dies läßt sich schwer begründen, jedenfalls nicht als satztechnische Notwendigkeit. Die zweite Phrase wäre zum Beispiel auch im Taktabstand möglich gewesen: r11" ff t -8 Es ergibt sich durch den wechselnden Abstand aber, daß sämtliche Phrasen der ersten Stimme auf schwerer Zeit enden, doch hielte ich es für übertrieben zu behaupten, daß Isaac dies beabsichtigt habe. Eher ist anzunehmen, daß ihn die Freiheit von strenger Kanonmechanik gereizt hat. Kleine Abweichungen im Melodieverlauf hingegen lassen sich als satztechrüsche Notwendigkeiten 50 51 erkennen. So mußte die dritte Stimme ihre zweite Phrase, vom Lied abweichend, mit C beginnen. Beim Einsatz der dritten Phrase wurde dagegen die notwendige Abweichung in der ersten Stimme vorgenommen (sonst hätten sich Einklangsparallelen F-G ergeben). Keine der beiden Stimmen ist also die eindeutige Hauptstimme, erst beide zusammen ergeben den Cantus firmus. Isaac hat seine eigene Weise mehrfach gesetzt und dabei unterschiedlich gefaßt. In Forsters Sammlung von 1539 lautet sie so (transponiert in die Tonart unseres Christe): i e 1 —=--i— Hfh—m 1 1—«-6 #F=ff j j \ i i J J-Hf J- Jj .1 1 ) i H UM IJ-J'JJJIT -«>-K--z-„-P— T. u. Vier Takte lang sind beide Melodiehälften gleich. Interessant ist nun, wie Isaac im Christe mit dem Problem der Wiederholung fertig wird. Zu allen Zeiten neigen Komponisten dazu, in polyphonen Werken wörtliche Wiederkehr zu umgehen und fließender Weiterentwicklung den Vorzug zu geben. Isaacs Verwendung einer schlichten Liedmelodie in einem Messesatz führt zur Konfrontation von Liedperiode und Entwicklungspolyphonie. Der letzteren wird hier geringer, aber meisterhaft eingesetzter und dadurch doch sehr effektvoller Tribut gezollt. Die zweite Liedhälfte beginnt mit kurzer Note, auftaktig. Diesen kleinen Unterschied baut Isaac im Christe zu einer großen Steigerung der Bewegung aus, obwohl sich seine Änderungen im vierstimmigen Satz auf die wenigen mit markierten Stellen beschränken. Nur zweimaliger Auftaktenergie nach Pause in den ersten fünf Takten entsprechen aber nun an der Parallelstelle im zweiten Teil sechs Auftakteinsätze nach Pause! 3. l. m l. 4. 2. Jf 1-- 1 _ 1 (jH t>—--- ,— " fi- Wohlgemerkt: Steigerung wird nicht mit Aufwand zelebriert. Der Satz bleibt schlicht und der schlechte Hörer wird an Steigerung kaum etwas bemerken vor dem erst am Ende erreichten Spitzenton und der ihm vorausgehenden großen Viertelbewegung. Dem feinen Ohr aber ist diese Schlußstelle nicht »Steigerung«, sondern Konsequenz, »Ergebnis von Steigerung«, die sich vorher in intensivierter Auftaktenergie manifestierte. Zwischen »volksliedhaft schlicht« (Isaac) und »akrobatisch kompliziert« (Ockeghem) sowie zwischen fließender Varietas (Dufay) und motivisch durchgestalteter »Melodie mit Begleitung« (Binchois) liegt das weite Feld der mehrstimmigen Musik. Es wäre engstirnig, eine der vielen Möglichkeiten als die wahre Polyphonie herausstellen zu wollen. Man würde damit nicht auf die wahre Musik verweisen, sondern auf die kunstferne Enge eines eigenen Standpunkts, an dem Musik nur verkümmern kann. 52 53