Struktur*tum mWSmjoiü bar geblieben ist ... Di« Auswahl der Klassiker und ihre Neudeutung durch eine neue Strömung ist ein wesentliche» Probien sjrochronischer Uterarurwissenschafi«; folglich/ auch für die strukturale Literaturgeschichte, die nichts wsl-ter tut, ab diese aufeinanderfolgenden synchronen Schonte in eine diachronische Perspektive zu bringen. In denf Bild der französischen Klassik haben Homer und Vergif ihren Platz, nicht aber Dante oder Shakespeare. [...) / Zu dieser Geschichte von Aufteilungen innerhalb des literarischen Feldes, die bereits ein reichhaltint Programm beinhaltet (nun bedenke nur, wie eine allgemeine Geschichte der Opposition Prosa/Poesie aussähe, einer Opposition, die grundlegend ist, elementar, Jtoostant, in ihrer Funktion unwandelbar, in ihren MinJn aber stets Neuerungen offen), müßte man noch dicA^eschichte jener viel weiterreichenden Aufteilung in die lüteratur, da Nicht-Literatur hinzunehmen. Das wäreyfeicht mehr Literaturgeschichte, sondern eine Geschiantc der Beziehungen zwischen Literatur und dem gesynten sozialen Leben: die Geschichte der Funktion von UueraXur. [...] Wud die Literatur an dersfTage, da das Buch aufhört, der hauptsächliche Wissensr/igcr zu sein, ihren Sinn nicht wiederum verändert habest? Vielleicht leben wir auch ganz einfach in den letzten Jagen des Buches. Dieses noch unabgeschlossene Geschejren sollte uns vergangenen Episoden gegenüber aufmerksamer werden lassen. Wir können nicht für alle Zeiten vosf Literatur sprechen, als sei ihre Existenz selbstverständlich, als hatte ihr Verhältnis zur Welt und zu den MerucMen sich niemals zuvor geändert. (...) Schenkt nun Augztstin [Conftuiontt, über VL3) Glauben, so hat sein Lckrer Ambrosius als erster Mensch in der Antike mit den ACgcn gelesen, ohne den Ten laut zu sprechen- Wahre GeyAidite besteht aus solchen großen Augenblicken des Scjfweigens. Und der Wert einer Methode beruht vielleicht jruf ihrer Fähigkeit, in jedem Schweigen eine Frage aufzudecken. (85-86) ROLAND SA HTMLS Die strukruralistischc Tätigkeit Was ist der Strukturalismus? Er ist keine Schule, nicht einmal eine Bewegung (zumindest noch nicht), denn die Mehrzahl der Autoren, die gemeinhin mit diesem Won in Zusammenhang gebracht werden, fühlt sich keineswegs durch eine Solidarität der Doktrin oder des Kampfes verbunden. Fr ist kaum eine Terminologie: Struktur, ein alter Begriff aus der Anatomie und der Linguistik, ist heute schon sehr abgegriffen: alle Sozialwissenschaften bedienen sich seiner, und niemand wird durch den Gebrauch dieses Wortes charakterisiert, so sehr auch über den Inhalt, den man ihm gibt, gestritten werden mag. Kaum relevanter sind Funkt ton, Form, Zeichen und Bedeutung, ei sind heute allgemein gebräuchliche Wörter, von denen man alles verlangt und alles erhält, was man nur will, insbesondere die Kaschierung des alten deterministischen Schemas von Ursache und Wirkung. Wahrscheinlich muß man zurückkehren zu Begriffspaaren wie Sjgnifikat-Sirntfikanl und Syntbronje-Diachronie, um sich dem zu nähern, was den Strukturalismus von anderen Denkweisen unterscheidet; zu dem ersten, weil es auf das linguistische, von Saussure stammende Modell verweist, und weil die Linguistik, neben der Ökonomie, gegenwärtig die Wissenschaft von der Struktur ist; und noch entschiedener zu dem zweiten, weil es offenbar eine gewisse Revision des Geschichtsbegriffs impliziert, insofern die Idee der Synchron)* (obschon bei Saussure ein vor allem operativer Begriff) für ein gewisses Stillstehen der Zeit büm, und weil die Idee der Diachronie darauf abzielt, den historischen Prozeß als bloße Aufeinanderfolge von Formen darzustellen; diese beiden Begriffe sind deshalb besonders distinktiv, weil es heute wirklich den Anschein hat, als komme der Hauptwidersland gegen den Strukturalismus aus marxisti- ichcr Richtung und kreise uro den Begriff der Geschichte, nicht um den der Struktur; wie dem auch fei, wahrscheinlich ist es die ernsthafte Hinwendung zur Wortbedeutung (und nicht zum Wort selbst, das paradoxerweise durchaus nicht distinktiv ist), in der man letztlich das Kennzeichen des Strukturalismus zu sehen hat: man achte darauf, wer Signifikat und Signi/Uunt, Synchronu und Diachronie gebraucht, und man wird wissen, ob die strukturalistische Einstellung gegeben ist Dies gilt für die intellektuelle Metasprache, die sich methodologischer Begriffe bedient. Da jedoch der Strukturalismus weder eine Schule noch eine Bewegung ist, gibt es keinen Grund, ihn auf das wissenschaftliche Denken zu beschränken. Man sollte lieber versuchen, ihn auf einem anderen Niveau als dem der reflektierenden Sprache so umfassend wie möglich zu beschreiben (wo nicht zu definieren). Es ist in der Tat anzunehmen, daß es Schriftsteller, Maler und Musiker gibt, in deren Augen das Praktizieren der Struktur (und nicht nur der Gedanke an sie) eine distinktive Erfahrung darstellt, und daß man Analytiker wie Schöpfer unter das gemeinsame Zeichen dessen stellen muß, was man den strnkturdlen Mauden nennen könnte, der nicht durch seine Ideen oder seine Sprache definiert wird, sondern durch seine Imagination oder noch besser durch sein Imsgi-nires, also durch die Art, wie er die Struktur geistig erlebe Der Strukturalismus ist demnach für tue seine Nutznießer im wesentlichen eine Tätigkeit, das heißt die geregelte Aufeinanderfolge einer bestimmten Anzahl geistiger Operationen: man könnte von strukturalistischer Tätigkeit sprechen, wie nun von surrealistischer Tätigkeit gesprochen hat (und vielleicht hat der Surrealismus die erste Erfahrung strukturaler Literatur hervorgebracht; man müßte einmal darauf zurückkommen). Doch bevor wir untersuchen, was dies für Operationen sind, muß ein Wort über ihr Ziel gesagt werden. Das Ziel jeder struktur»!«tischen Tätigkeit, sei sie nun RoU*d Btnhn 217 reflexiv oder poetisch, besteht darin, ein »Objekt« derart zu «konstituieren, daß in dieser Rekonstitution zutage tritt, nach welchen Regeln es funktioniert (welches seine »Funktionen« sind). Die Struktur ist in Wahrheit also nur ein stma-Lcntm des Objekts, aber ein gezieltes, »interessiertes« Simulierung da das imitierte Objekt etwas zum Vorschein bringt, das im natürlichen Objekt unsichtbar oder, wenn man lieber will, unverständlich blieb. Der strukturale Mensch nimmt das Gegebene, zerlegt es, setzt es wieder zusammen; das ist scheinbar wenig (und veranlaßt manche Leute zu der Behauptung, die strukturalistische Arbeit sei »unbedeutend, uninteressant, unnütz« usw.). Und doch ist dieses Wenige, von einem anderen Sundpunkt aus gesehen, entscheidend; denn zwischen den beiden Objekten, oder zwischen den beiden Momenten strukturalistischer Tätigkeit, bildet sich ertMs Neues, und dieses Neue ist nichts Geringeres als das allgemein Intetligible: das Simulacrum, das ist der dem Objekt hinzugefügte Intellekt, und dieser Zusatz hat insofern einen anthropologischen Wert, als er der Mensch selbst ist, seine Geschichte, seine Situation, seine Freiheit und der Widerstand, den die Natur seinem Geist entgegensetzt. Man sieht also, warum von strukturalistischer Tätigkeit gesprochen werden muß: Schöpfung oder Reflexion sind hier nicht originalgetreuer »Abdruck« der Welt, sondern wirkliche Erzeugung einer Welt, die der ersten ähnelt, sie aber nicht kopieren, sondern verständlich machen will. Man kann also sagen, der Strukturalismus sei im wesentlichen eine Tätigkeit der Nachahmung, und insofern gibt es streng genommen keinerlei tedmischen Unterschied zwischen wissenschaftlichem Strukturalismus einerseits und der Kunst andererseits, im besonderen der Literatur beide unterstehen einer Mimesis. die nicht auf der Analogie der Substanzen gründet (wie in der sogenannten realistischen Kunst), sondern auf der der Funktionen (was Levi-Sirauss Homologie nennt). Wenn Trubetzkoj das phonetische Objekt in Gestalt eines Variationssystems rekonstruiert; wenn Georges DumfaJ eine funktionelle Mythologie erarbeitet; wenn Propp ein Volksmärchen konstruiert, das mittels Scruktu-rmtioa tu« sämtlichen slawischen Märchen, die er zuvor zerlegt hat. hervorgeht; wena Claude Levi-Scrauss den homologijchen Prozeß des totemistischen Imaginären, C-G. Gr inj« die formalen Regeln des ökonomischen Denkens oder J.-C Gardin die relevanten Eigenschaften prähistorischer Bronzen entdeckt; wenn J.-P. Richard das Mallannesche Gedicht in seine ditrinkriven Schwingungen zerlege so tun sie nichts anderes, als was Moodrian, BouScz oder Butor tun, wenn sie, durch die geregelte Darstellung bestimmter Einheiten und bestimmter Assoziationen dieser Einheiten, ein bestimmtes Objekt arrangieren, eben jenes, das man Komposition nennt. Ob nun das Objekt, das der suvkturalirtischen Arbeit unterworfen wird, bereits als ein komplexes vorliegt (wie im Fall der strukturalen Analyse eioer Sprache, einer Gesellschaft oder eines konstituieren Werkes) oder noch diffus ist (wie im Fall der strukturalen •Komposition-); ob man dieses Objekt der sozialen Wirklichkeit oder der imaginären Wirklichkeit entnimmt, tut wenig zur Sache: nicht durch die Natur des kopierten Objekts wird eine Kunst definiert (ein hartnäckiges Vorurteil jedes Realismus), sondern durch das, was der Mensch, indem er es rekonstituiert, hinzufüge die Technik ist das Wesen jeder Schöpfung. Sofern also die Ziele der struktu-ralistiscben Tätigkeit untrennbar an eine bestimmte Technik gebunden sind, existiert der Strukturalismus auf eine im Verhältnis zu anderen Arten der Analyse oder der Schöpfung distinktive Weise: das Objekt wird neu zusammengesetzt, um Funktionen in Erscheinung treten zu lassen, und das ist, wenn man so sagen darf, der Weg, der das Werk hervorbringt; aus diesem Grund sollte man nicht von struktu-ralisüschen Werken sprechen, sondern von strukturalitti-scher Tätigkeit. Die strukruralistische Tätigkeit umfaßt zwei typische Operationen: Zerlegung und Arrangement. Indem man das »f erste Objekt zerlegt, findet nun in ihm lose Fragmente, deren winzige Differenzen untereinander eine bestimmte Bedeutung hervorbringen; das Fragment an sich hat keine Bedeutung, ist aber so beschaff en, daS die geringste Veränderung, die man an seiner Lag« und Gestalt vornimmt, eine Änderung des Ganzen bewiiL. ein Vkrttk von Moodrian, eine Reiht von Poosscur, eine Zrüt in Butors JtfoMr. das »Mvthem« bei Levi-Scrsuss, das fhörnern der Phonologen, das »Thema« dieses oder jenes üteraturkritikers: aO diese Einbetten (was immer ihre im rinrrlnrn sehr verschiedene innere Struktur und Ausdehnung sein mag) haben eine signifikative FristrnT einzig durch ihre Grenzen: sowohl durch diejenigen, durch die säe von den anderen shtmrBrm Einheiten getrennt werden (