In dieser Nacht blieb der Taxichauffeur lange bei mir sitzen. Da ich seinetwegen ohnehin nicht Schlafengehen konnte, fragte ich ihn verschiedenes, fragte nach seinem Dienst, nach seiner Frau und seinen Kindern. Oft gab er mir kurze, aber sehr höfliche Antworten. Manchmal schien er freilich meine Fragen überhört zu haben, so sehr war er in die Lektüre vertieft. Zwei Tage später kam er wieder, und jetzt kommt er regelmäßig. Er kommt, nimmt seinen Band und setzt sich an den Schreibtisch. Manchmal, wenn ich nach einem anstrengenden Tag todmüde nach Hause komme, geschieht es sogar, daß ich ihn schon in meinem Zimmer vorfinde. Für gewöhnlich sitzt er lautlos, aber trotzdem ist es mit der Ruhe, die mir so nötig ist, vorbei. Ich weiß gar nicht, wie er hereingekommen ist, denn abgesehen von mir hält sich niemand in meiner Wohnung auf. Wenn ich zu Hause bin, dann läutet er ganz kurz - ich erkenne es schon immer, dieses kurze Läuten -, ich öffne und er tritt herein. Zumeist beschäftigt er sich mit den Büchern. Manchmal bringt er aber ein Reißzeug mit, breitet Papier auf meinem Schreibtisch aus und beginnt zu zeichnen. Ich fragte ihn beim ersten Mal, was das bedeuten solle. »Trigonometrische Loga-rithmik,« meinte er und sagte es in seinem eigenen, ein wenig erschreckenden Kauderwelsch. Mitunter tritt er ans Klavier und spielt mit der rechten Hand eine kleine Melodie. Er spielt, ohne das Klavier zu berühren, indem er einfach die Hand über den Tasten schweben läßt, die sich dann dennoch in Bewegung setzen. Es soll wohl eine lustige Melodie sein, aber es klingt immer sehr traurig. Es kommen Töne heraus, die zwischen dem Zirpen eines alten Instruments und dem Winseln einer Geige liegen. Oft spielt er falsch, dann verbessert er sich, oder er fängt von neuem an. Es klingt merkwürdig, fast herzzerreißend. Ich möchte ihn dann streicheln, aber indem ich auf ihn zugehe, bemerke ich, daß sein Haar sehr schütter in schwarzen gekräuselten Büscheln auf seinem Kopfe steht, und daß dazwischen viele, winzig kleine Würmer nisten. Er kommt, auch wenn ich gerade zu Hause eine berufliche Besprechung abhalte, setzt sich unbekümmert in die andere Ecke und hört zu. Wenn er eine Schwäche meines Gesprächspartners bemerkt, dann fängt er an zu lachen, oder er blinzelt mir zu, was mir dann immer äußerst peinlich ist. Es ist klar, daß mir der Taxichauffeur vieles in meinem Beruf und fast alle meine kostbaren Mußestunden verdirbt. Ein 186