Messias Friedrich Gottlieb Klopstock Erster Gesang Sing, unsterbliche Seele, der sündigen Menschen Erlösung, Die der Messias auf Erden in seiner Menschheit vollendet Und durch die er Adams Geschlechte die Liebe der Gottheit Mit dem Blute des heiligen Bundes von neuem geschenkt hat. Also geschah des Ewigen Wille. Vergebens erhub sich Satan wider den göttlichen Sohn, umsonst stand Judäa Wider ihn auf; er tat's und vollbrachte die große Versöhnung. Aber, o Werk, das nur Gott allgegenwärtig erkennet, Darf sich die Dichtkunst auch wohl aus dunkler Ferne dir nähern? Weihe sie, Geist Schöpfer, vor dem ich im stillen hier bete, Führe sie mir, als deine Nachahmerin, voller Entzückung, Voll unsterblicher Kraft, in verklärter Schönheit, entgegen. Rüste sie mit jener tiefsinnigen einsamen Weisheit, Mit der du, forschender Geist, die Tiefen Gottes durchschauest; Also werd ich durch sie Licht und Offenbarungen sehen Und die Erlösung des großen Messias würdig besingen. Sterbliche, kennt ihr die Ehre, die euer Geschlechte verherrlicht, Da der Schöpfer der Welt, als Erlöser, auf Erden gekommen; So hört meinen Gesang, ihr besonders, ihr wenigen Edlen, Teure gesellige Freunde des liebenswürdigen Mittlers, Ihr mit der Zukunft des großen Gerichts vertrauliche Seelen, Hört mich und singt den ewigen Sohn durch ein göttliches Leben. Nah an der heiligen Stadt, die sich itzt durch Blindheit entweihte Und die Krone der hohen Erwählung unwissend hinwegwarf, Ehmals die Stadt der Herrlichkeit Gottes, der heiligen Väter Pflegerin, nun ein Altar des Bluts von Mördern vergossen; Hier war's, wo der Messias von einem Volke sich losriß, Das ihn zwar itzo verehrte, doch nicht mit jener Gemütsart, Die vorm schauenden Angesicht Gottes untadelhaft bleibet. Jesus verbarg sich vor diesen Entweihten. Zwar lagen hier Palmen Des ihm begegnenden Volks, zwar klang dort ihr lautes Hosanna; Aber umsonst. Sie kannten den nicht, den sie König nannten, Und den Gesegneten Gottes zu sehn, war ihr Auge zu dunkel. Gott kam selber vom Himmel herab. Die gewaltige Stimme: Er ist verherrlicht und soll von neuem verherrlichet werden, War die Verkündigerin der gegenwärtigen Gottheit. Doch sie waren, dich, Gott, zu verstehn, zu niedrige Sünder. Unterdes nahte sich Jesus dem Vater, der wegen des Volkes, Zu dem die Stimme geschah, voll Zorn zum Himmel hinaufstieg. Vor ihm wollt er noch einmal sein göttlich freies Entschließen, Seine Geliebten, die Menschen, zu heiligen, feierlich kundtun. Gegen die östliche Seite Jerusalems liegt ein Gebirge, Welches schon oft den göttlichen Mittler auf seinen Gipfeln, Wie ins Heilige Gottes, verhüllt, wenn er einsame Nächte Unter dem Anschaun des Vaters in großen Gebeten durchwachte. Nach dem Gebirge begab er sich itzt. Johannes alleine Folgt ihm bis zu den Gräbern der Seher, in heiligen Grotten, Wie sein göttlicher Freund, die Nacht im Gebete zu bleiben. Von da erhub sich der Mittler zur obersten Spitze des Berges. Indem umgab ihn vom hohen Moria ein Schimmer der Opfer, Die den ewigen Vater noch itzt vorbildend versöhnten. Um und um nahm ihn der Ölbaum ins Kühle. Gelindere Lüfte, Gleich dem Säuseln der Gegenwart Gottes, umflossen sein Antlitz. Der dem Messias auf Erden zum Dienste gegebene Seraph, Gabriel ist sein himmlischer Name, stand eben am Eingang Zwoer umdufteten Zedern und dachte dem Heile der Menschen Und dem Triumphe der Ewigkeit nach, als itzt der Erlöser Seinem Vater entgegen vor ihm im stillen vorbeiging. Gabriel wußte, daß nun die Zeit der Erlösung herankam. Diese Betrachtung entzückt ihn, er sprach mit zärtlicher Stimme: Willst du die Nacht, o Göttlicher, hier im Gebete durchwachen, Oder verlangt dein ermüdeter Leib nach seiner Erquickung? Soll ich zu deinem unsterblichen Haupt ein Lager bereiten? Sieh, itzt streckt schon der Sprößling der Zeder den grünenden Arm aus Und die weiche balsamische Staude. Beim Grabmal der Seher Wächst dort unten das ruhige Moos im kühlenden Erdreich. Soll ich hieraus, o Göttlicher, dir ein Lager bereiten? Wie ist dein Leib, o Erlöser, ermüdet! Wie vieles erträgst du Hier auf Erden aus brünstiger Liebe zum Menschengeschlechte! Also sagt er.