Im 10. Jh. schossen die Burganlagen schließlich wie Pilze aus dem Boden, obwohl das Burgenregal, d.h. das Recht, Burgen zu bauen, zu den Hoheitsrechten des Königs zählte, und somit eigentlich nur dieser das Recht zum Bau der Befestigungsanlagen besaß. Die selbstbewußten Herzöge, Markgrafen und Grafen des 10. und 11. Jhs. ließen aber auch ohne königliche Genehmigung in ihren Herrschaftsgebieten fleißig neue Burgen errichten. Schließlich wurde ihnen und den geistlichen Großen im Jahre 1184 das Befestigungsrecht vom staufischen Kaiser Friedrich Barbarossa reichsrechtlich zugestanden. Mit der Entstehung des Reichsfürstenstandes und der Ausbildung der Landesherrschaft im 14. Jh. ging das Befestigungsrecht auch auf die Landesherren über, die nun ihrerseits vergeblich zu verhindern suchten, daß ihre landsässigen Adligen das Burgenregal unerlaubt anwandten. Die Burgen bestanden zu dieser Zeit meist nur aus einem Turm in einem ummauerten Hof. Um diesen Hof befand sich ein Graben, und hinter diesem wurden die Hütten der Burgleute errichtet, die ebenfalls durch einen Wall, einen Graben und/oder einen Palisadenzaun geschützt wurden. Im Hochmittelalter wurden die Burgen zu Kernpunkten von Herrschaften. Herzog Friedrich II. von Schwaben (+ 1147), der Vater Friedrich Barbarossas, überzog das gesamte Oberrheingebiet mit einem Netz von Befestigungsanlagen, um hier seine Landesherrschaft ausbauen zu können. Durch seine zahlreichen Burgengründungen stand er im Ruf, stets am Schwanze seines Rosses eine Burg mitzuführen. Der Erzbischof von Köln, die Zähringer Herzöge in Schwaben, die Landgrafen von Thüringen und viele andere Fürsten des Reiches ahmten ihn nach. Die meisten dieser königlichen und fürstlichen Burgen wurden aber nur selten oder nie von ihren Erbauern bewohnt. Ministeriale wurden mit ihrer Familie zum Burgendienst verpflichtet und hatten den Herrschaftsbereich abzusichern und zu erweitern. Im 11. und 12. Jh. wurden die Namen der Burgen zum Familiennamen der Ministerialen und kleineren Edelherren. Bei anderen adligen Geschlechtern wurde die Stammburg ebenfalls namensgebend für die Familie, z.B. die Stammburg der Staufer. In der Blütezeit der Burgen, im 11. - 13. Jh., dienten sie den Königen zur Festigung der Hausmacht, zur Repräsentation, als Stützpunkte des Königtums und als Verwaltungszentren für das Reichsgut und die Reichsrechte. Errichtet wurden die Burgen am liebsten auf Hügeln, steilen Abhängen oder auf einem schwer zugänglichen Felsen. Schließlich wollte man es den Angreifern so schwer wie möglich machen. So führte im allgemeinen auch nur ein schmaler Burgweg, auf dem gerade genügend Platz für eine Person oder höchstens für einen Karren war, zur Befestigungsanlage. Zudem wurde dieser Weg so angelegt, daß der Ankömmling seine schildentblößte Seite der Burg zuwenden mußte. Das gesamte Gelände sollte jedem Feind das Erreichen der Burg unmöglich machen. Hecken und Gräben wurden am Hang ebenso angelegt wie mit Reisig verdeckte Gruben, in denen gespitzte Pfähle auf die Hineinfallenden warteten. Fußangeln, verstreute, eiserne Tetraeder [*1] mit Widerhaken wurden im Unterholz versteckt, oder der Burghügel wurde zur besseren Überwachung einfach kahl geschoren. Die typischen Bauelemente einer Burg waren die Mauer mit den Wachttürmen und den verschiedenen Toren, der Bergfried, der Palas, die Doppelkapelle und die Wirtschaftsgebäude. Die Burgmauer wies schmale rechteckige Schießscharten auf, hinter denen sich - in Mauernischen versteckt - die Schützen mit Pfeil und Bogen befanden. Besaßen die Scharten seitliche Erweiterungen, wurden sie Schlüsselscharten genannt. Hinter ihnen verbargen sich die Armbrustschützen. Außerdem gab es an der Mauer noch einige Erker, die entweder auf Konsolen ruhten oder unten am Boden Öffnungen aufwiesen, durch die man Steine, Unrat, Exkremente und andere Unannehmlichkeiten auf die Feinde herabwerfen konnte. Zugang wurde dem Besucher durch mehrere Toranlagen gewährt. Oft unterschied man zwischen Außen-, Mittel- und Innentor. Alle drei waren häufig mit Erkern, die Pechnasen genannt wurden, bewehrt und bestanden aus mehreren Bretterschichten, die mit Nägeln und Eisenbändern beschlagen und vorne oft noch mit Eisenblech versehen waren. So konnten sie von den Feinden nicht so schnell in Brand gesteckt werden. Zudem waren die dunklen, tunnelartigen Torhallen an den Seiten zusätzlich mit Schießscharten ausgestattet worden, und oben an der Decke befand sich das berüchtigte Mörderloch, von dem der eindringende Feind ebenfalls beschossen werden konnte. Am Ausgang des Tortunnels gab es schließlich noch das Fallgitter, das in seitlichen Mauerschlitzen verlief. Heinrich von der Aue, ein bedeutender Dichter des Hochmittelalters, berichtete von einer ganz besonderen Fallgittervorrichtung, bei der man - aus Unkenntnis oder auch nur aus Versehen - auf eine ganz bestimmte Stelle der Zugbrücke treten mußte, und schon schoß das Gitter herunter. Damit dem Gegner das Eindringen ins Burginnere noch mehr erschwert wurde, hatte man zudem ein Fallgitter konstruiert, bei dem jede Stange einzeln niederfiel. Sollte in diesem Fall der Feind einen Stein unter das Gitter gelegt haben, versagten höchstens ein oder zwei Stangen ihren Dienst. Somit war es für den Gegner unmöglich, mittels eines einzigen Steines die Abwehrfunktion des Gitters außer Kraft zu setzen. Verriegelt wurden die Tore durch mehrere Balken, die in Mauerschlitzen verliefen. Der Bergfried war der Hauptturm jeder Burg. Er überragte die gesamte Anlage und stellte die letzte Zufluchtsstätte bei einem Angriff dar. Seine Funktion als Wohnturm, den er in England und Frankreich fast das gesamte Mittelalter über besaß, hatte er in Deutschland schon im Hochmittelalter verloren. Hier diente er nur noch als Wacht- und Verteidigungsturm und besaß im unteren Abschnitt eventuell noch ein Verlies für mögliche Gefangene. Das Repräsentations- und Wohngebäude des Burgherrn und seiner Familie stellte der Palas dar, der oft in enger Verbindung zur Doppelkapelle stand. Die Wirtschaftsgebäude, die im Gegensatz zu den bisher genannten Gebäuden nicht aus Stein, sondern aus Holz errichtet wurden, dienten zur Lagerung von Waffen, Öl, Pech, Bauholz und den Abgaben der zinspflichtigen Bauern. Der Küchenbau mit dem Backofen befand sich dabei wegen der hohen Brandgefahr etwas abseits von den anderen Gebäuden. Ebenso verhielt es sich mit der beheizbaren Badestube, auf die selbst kleinere Burgen nicht verzichteten und die besonders im Winter sehr begehrt waren, da nur die Kemenate, das Frauenzimmer, im Palas einen Kamin aufwies. Großer Beliebtheit erfreute sich dabei besonders das Dampfbad, das durch die Kreuzzüge im 12. Jh. vom Morgenland übernommen wurde. Zwischen der Kernburg und der Mauer befand sich noch ein schmaler Geländestreifen, Zwinger genannt. Hier übten sich die Knappen und Ritter in ihren sportlichen Übungen oder wurde der Burggarten mit seinen Obstbäumen, Rosen und Lilien oder Kräutern für medizinische Zwecke angelegt. Zuweilen ließ der Burgherr im Zwinger auch einen kleinen Privatzoo einrichten, indem er seine Löwen, Affen, Bären, Strauße, Kamele, Panther, Leoparden und Geparden unterbrachte, oder er legte hier einen Wildpark für seine Hirsche, Rehe und Wildschweine an. ________________________________ [*1]Tet|ra|e|der, das; -s, - [zu griech. tetra- = vier- u. hédra = Fläche, Basis] (Geom.): von vier gleichseitigen Dreiecken begrenzter Körper; dreiseitige Pyramide;