Horthy-Ungarn und die Pfeilkreuzlerbewegung Author(s): Margit Szöllösi-Janze Source: Geschichte und Gesellschaft, 12. Jahrg., H. 2, Faschismus in autoritären Systemen (1986), pp. 163-182 Published by: Vandenhoeck & Ruprecht (GmbH & Co. KG) Stable URL: https://www.jstor.org/stable/40185406 Accessed: 28-02-2019 08:35 UTC JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact support@jstor.org. Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at https://about.jstor.org/terms Vandenhoeck & Ruprecht (GmbH & Co. KG) is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Geschichte und Gesellschaft This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Horthy-Ungarn und die Pfeilkreuzlerbewegung von Margit Szöllösi-J anze Ende der 1960er Jahre wurde, angeregt durch die Studentenbewegung, die Diskussion um die Beziehung zwischen Großbourgeoisie und Faschisten zum aktuellen Thema in Politik und Geschichtswissenschaft erhoben. Diejenigen, die einen wesensmäßigen Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus postulierten, wurden jedoch, soweit sie der empirischen, vergleichend orientierten Forschung noch offen gegenüberstanden, mit einer scheinbar verblüffenden Tatsache konfrontiert: in den USA, dem Land mit dem im marxistisch-leninistischen Sinne zweifellos stärksten Finanzkapital, entwickelte sich trotz schärfster Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise keine faschistische Massenbewegung, wohl aber z. B. in Horthy-Ungarn, in dem aufgrund seiner späten, nur partiellen Industrialisierung kapitalistisch-moderne4 und (oftmals dominante) vorindustrielle, ständischfeudale Strukturen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft koexistierten. Dem schließt sich die Frage an, warum es den Pfeilkreuzlern, der faschistischen Bewegung Ungarns, trotz ihrer quantitativen Stärke und systemsprengenden Dynamik nicht gelang, wie ihre Vorbilder in Italien und Deutschland ohne fremde Hilfe von außen an die Macht zu gelangen.1 Das Horthy-Regime2 etablierte sich nach der blutigen Niederschlagung der Räterepublik Bela Kuns und erlebte nach einer turbulenten Frühphase, in der sich die radikale Rechte erstmals als (wenn auch noch sehr diffuse) politische Kraft zur Liquidierung des Bolschewismus' formierte,3 während der Regierungszeit des Ministerpräsidenten Bethlen (1921-1931) seine politische und wirtschaftliche Konsolidierung. Verfassungsrechtlich eine Monarchie mit vakantem Thron, konstituierte sich unter dem Reichsverweser Horthy als Staatsoberhaupt ein konservativ-autoritäres politisches System,4 das sehr viel weniger liberal war als die politische Realität im Vorkriegs-Ungarn, das man zu restaurieren vorgab. Das Parlament genoß zwar aufgrund seiner langen institutionellen Tradition und seiner Rolle in der nationalen Geschichte hohes Ansehen, doch 1 Zu diesem Aufsatz vgl. ausführlich meine Dissertation: Die Pfeilkreuzlerbewegung in Ungarn: historischer Kontext, Bewegungs- u. Herrschaftsphase, Diss. masch. München 1985. 2 Für die gesamte Horthy-Ära immer noch unverzichtbar: C. A. Macartney, October Fifteenth. A History of Modern Hungary 1929-1945, 2 Bde., Edinburgh 1957. Vgl. dazu auch Magyarorszäg törtenete 8, 1918/19-1945 (= MT 8) (,Geschichte Ungarns', 1918/19-1945), Hg. Gy. Ränki, Budapest, 3. verb. Auflage 1984. 3 Vgl. dazu auch L. Niethammer, Faschistische Bewegungen der Zwischenkriegszeit in Europa, in: Politische Bildung 5. 1972, S. 19. 4 Zusammenfassend L. Revesz, Verfassung u. Verfassungswirklichkeit in Horthy-Ungarn, in: Ungarn-Jahrbuch 6. 1974/75, S. 47-58. Geschichte und Gesellschaft 12 (1986) S. 163-182 © Vandenhoeck & Ruprecht 1986 ISSN 0340-613 X This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 164 Margit Szöllösi-Janze stellte es einen relativ machtlosen politischen Kompetenzen wurden durch den kontinuierlic narchischen Rechte des Reichsverwesers und wicht der Exekutive zunehmend beschnitten. D haus, dessen Mitglieder sich in deutlicher Anle ste Herrenhaus durch ihre adelige Herkunft, q durch Ernennung bestimmten, erweiterte 1937 gen Gleichberechtigung im Gesetzgebungsproz geordnetenhaus (Ausnahme: Verabschiedung d rere Wahlrechtsreformen' schlössen u. a. durch of ländlichen Wahlkreisen, einen sich verschärfe zahlreiche, die oppositionellen Kandidaten beh gezielt die unteren Bevölkerungsschichten von der aus und garantierten unter dem mehr oder wenig Verwaltung und Ordnungskräften die überwält rungspartei. Unbestreitbar war jedoch anderers ralen Reststrukturen und Funktionsmechanismen wie z. B. einer relativ freien Presse, dem Streben nach Einhaltung der rechtsstaatlichen Erfordernisse, einem unabhängigen Gerichtswesen, freien (wenn auch in ihrem Spielraum eingeschränkten) Gewerkschaften, regelmäßig abgehaltenen Wahlen und einem formalen Mehrparteiensystem einschließlich der Sozialdemokraten. Da die Oppositionsparteien niemals eine reale Chance hatten, an die Schaltstellen der Macht zu gelangen, kann man mit Batkay von einem ,pluralistischen Einparteiensystem4 unter der Dominanz einer übermächtigen Regierungspartei sprechen.5 Ein autoritäres Regime bedarf zu seiner gesicherten Fortexistenz der Zustimmung der traditionellen Führungseliten. Die Rückwendung zum politischen System der Vorkriegszeit bedeutete deshalb in Horthy-Ungarn zugleich die Restauration der Herrschaft seiner sozialen Träger, eines Machtkartells aus aristokratischem Großgrundbesitz, Hochfinanz und den Mitgliedern der hohen staatlichen Bürokratie in Verwaltung und Armee. An der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie stand der traditionell führende Hochadel: eine schmale Magnatenschicht von ca. 500 Familien6 verfügte über die immensen, die ungarische Agrarstruktur kennzeichnenden Latifundien. Ihre gesellschaftliche Bedeutung erhellt aus der Tatsache, daß 1920 noch 55,8 % (1930: 51,8 %) der Bevölkerung in der Landwirtschaft, dagegen nur 30,1% (1930: 32,3%) in der gewerblichen Wirtschaft erwerbstätig waren.7 Von den knapp 1,64 Millionen Agrarbetrieben 1935 waren 1070 Großgrundbesitze über 1000 Kj (1000 Kataster joch entspre- 5 W. M. Batkay, Authoritarian Politics in a Transitional State. Istvan Bethlen and the Unified Party in Hungary 1919-1926, New York 1982, S. 105. 6 Diese Zahl nach MT 8/2, S. 774. 7 Az 1941. evi nepszämläläs 3: összefoglalö adatok (,Die Volkszählung von 1941, Bd. 3: Zusammenfassende Daten') (= Volkszählung 1941), Budapest 1978, S. 96. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Horthy-Ungarn und die Pfeilkreuzlerbewegung 165 chen ca. 575 ha), die jedoch 30 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche ihr eigen nannten. Dagegen handelte es sich bei 72,7 % um Zwergparzellen unter 5 Kj (= 2,9 ha), deren Besitzer sich mit schmalen 10,2 % der Nutzfläche begnügen mußten8 und zusammen mit den völlig besitzlosen agrarischen Schichten das Heer der gut „drei Millionen Bettler"9 des ländlichen Proletariats bildeten. Der adelige Ehrenkodex gestattete neben dem traditionell anerkannten Engagement in der politischen Führung des Landes nur leitende Verwaltungstätigkeiten im Industrie- und Bankwesen sowie in der Ministerialbürokratie. Die Anlage von Geldvermögen in Industrieunternehmungen stand ebenfalls nicht in Widerspruch zur Magnatenehre, woraus die für Ungarn eigentümliche enge wirtschaftliche und auch familiäre Verflechtung zwischen grundbesitzendem Adel und Hochfinanz resultierte. Mit dem aristokratischen Selbstwertgefühl nicht zu vereinen war jedoch die eigene unternehmerische Initiative.10 Träger der Industrialisierung des Landes wurden, da eine magyarische bürgerliche Schicht im 19. Jahrhundert fehlte, die Juden, deren führende Familien - nur fünfzig werden von der marxistischen Forschung dem , Monopolkapital' zugerechnet11 - sich den auf andere gesellschaftliche Schichten ausstrahlenden Normen der Adelselite anpaßten. Die ,Feudalisierung4 des Bürgertums äußerte sich u. a. in Konversion zum Christentum, Erwerb landwirtschaftlichen Grundbesitzes und dem Streben nach Erhebung in den Adelsstand.12 Für die gesamte Horthy-Ära fällt ein deutliches Übergewicht der politischen Machteliten gegenüber den führenden Industriellenkreisen auf, die auch in den 1920er Jahren, als sie in relativ höchstem Maß in der ungarischen Geschichte auch politischen Einfluß hatten, niemals einen bedeutenden Bestandteil der politischen Elite im engeren Sinne darstellten. Die Unternehmerschaft konnte sich im Gegensatz etwa zum Großgrundbesitz zu keiner Zeit eine quantitativ maßgebende, beständige Interessenvertretung in Parlament und Regierung sichern, übte aber durch ihre engen Verbindungen zur Aristokratie indirekt politischen Einfluß aus, der jedoch in den 30er Jahren durch die Machtverschiebungen innerhalb der Führungseliten kontinuierlich abnahm.13 8 Gy. Borbändi, Der ungarische Populismus, Mainz 1976, S. 45; B. K. Kiräly, Democratic Peasant Movements in Hungary in the Twentieth Century, in: H. Gollwitzer (Hg.), Europäische Bauernparteien im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1977, S. 408, Tab. 4. 9 So der Titel des Erfolgsbuchs von Gy. Oläh, Härom milliö koldus, Miskolc 1928, über das Elend der ländlichen Unterschichten. 10 Vgl. dazu J. Kosa, Hungarian Society in the Time of the Regency ( 1920-1 944), in: Journal of Central European Affairs 16. 1956, S. 253-65, bes. S. 263. 11 MT8/2, S. 775. 12 Vgl. dazu die ausführliche Studie von W. O. McCagg, Jewish Nobels and Geniuses in Modern Hungary, New York 1972; zusammenfassend ders., Hungary's „Feudalized" Bourgeoisie, in: Journal of Modern History 44. 1972, S. 65-78. 1 3 Dazu ausführlich L. Markus, über den Charakter der herrschenden Elite des Horthy-ReThis content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 166 Margit Szöllösi-Janze Der dritte Faktor im Machtkartell des Horthy-Reg der in einem wirtschaftlich und sozial rückständig strialisierungs- und Modernisierungsprozeß von initiiert worden war, eine hohe politische Bede Der moderne Verwaltungsstaat war in Ungarn al dern der Initiator und Lenker ökonomischen Fortschritts.14 Die Bürokratie rekrutierte sich in ihrem Kern aus dem im 19. Jahrhundert wirtschaftlich abgestiegenen, wegen der Unrentabilität seines mittelgroßen agrarischen Grundbesitzes (100-1000 Kj) hoch verschuldeten gemeinen Adel. Diese von hohem Selbstwertgefühl getragene, sich selbst mit Blick auf England als „Gentry" (dzsentri) bezeichnende adelige Schicht war nun keineswegs bereit, sich etwa durch unternehmerische Initiative aus der ökonomischen Misere zu behelfen: man wollte kein neues Leben anfangen, sondern das alte, wenn auch unter neuen Umständen, fortführen, was nur in Politik und Staatsdienst als in der adeligen Gesellschaft normadäquaten Tätigkeiten möglich war. Die Folge war eine im Verhältnis zum sozioökonomischen Entwicklungsgrad Ungarns enorm aufgeblähte Bürokratie, die aus Gründen der Selbsterhaltung, aus etatistischem Eigeninteresse, existentiell auf die Aufrechterhaltung und Stützung des Großgrundbesitzes wie auch auf eine verstärkte Industrialisierung angewiesen war.15 Die Gentry mit ihren adeligen Normen und Verhaltensweisen ging fast vollständig in der politischen Klasse' der Beamtenschaft auf. Die in wachsendem Maße auch in die oberen Ränge der Bürokratie vorstoßenden, akademisch gebildeten Bürgerlichen übernahmen als soziale Aufsteiger die vorgegebenen adeligen Normen, so daß sich ein gemeinsames, sehr ausgeprägtes, maßgeblich am Adel orientiertes Standesbewußtsein der Beamtenschaft herausbildete, das bis in die unteren, materiell sehr schlecht gestellten Besoldungsgruppen reichte.16 Politisch war die Bürokratie in der Horthy-Zeit von ausschlaggebender Bedeutung, da die Rekrutierung der Führungseliten wesentlich über sie verlief: der Hauptzugang zu den politisch wichtigen Positionen in Regierung, Ministerien und Komitaten, aber auch zum Parlament, führte über die Verwaltung; die Rolle der Regierungspartei, die noch ganz dem Typ einer nur in Wahlzeiten aktiven Honoratiorenpartei entsprach, war demgegenüber sekundär. Die Analyse der Biographien von 803 Abgeordneten der gimes, in: Acta Historica (= AH) 18. 1972, S. 1 19-47; M. Stier, Uralkodö elit, kormänyzati hatalom - kormänyzö reteg a Horthy-korszakban (»Herrschende Elite, Regierungsmacht-Regierungsschicht in der Horthy-Ära'), in: Szäzadok (= Sz) 1 17. 1983, S. 434-43. 14 Diese These illustriert für Ungarn A. C. Janos, The Politics of Backwardness in Hungary 1825-1945, Princeton 1982; eine Zusammenfassung vgl. ebd., S. 3 1 3 ff . 15 Ebd., S. 64 ff., 92 ff. 16 Vgl. dazu ebd., S. 1 10, Tab. 8, S. 250 f.; Batkay, S. 69; P. Hanäk, Skizzen über die ungarische Gesellschaft am Anfang des 20. Jahrhunderts, in: AH 10. 1964, S. 1-47; I. Pändi, A magyar közeposztäly kerdesehez (,Zur Frage der ungarischen Mittelklasse'), in: Sz 99. 1965, S. 132-51. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Horthy-Ungarn und die Pfeilkreuzlerbewegung 167 Jahre 1922-1939 ergab, daß 56,5% der Parlamentarier ihre politische Laufbahn im öffentlichen Dienst begonnen hatten.17 Das Funktionieren eines auf einer dominierenden Regierungspartei beruhenden autoritären Systems hängt entscheidend davon ab, ob dieses in der Lage ist, Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen zu aggregieren und zu artikulieren, damit sie als ,inputs' in systemnotwendige politische ,outputs4 umgewandelt werden können.18 Das Horthy-Regime gewann seine Identität und Legitimation einmal aus seinem unbedingten Gegensatz zum revolutionären Veränderungswillen der bürgerlichen Republik und der Rätediktatur 1918/19, zum anderen aus dem in allen Parteien und sozialen Gruppen verwurzelten Revisionismus: die Erhebung aus der nationalen Demütigung des Trianoner Vertrags und die Wiederherstellung des Reichs der Stefanskrone19 waren oberstes Ziel aller ungarischen Regierungen der Horthy-Zeit ungeachtet ihrer personellen und politischen Zusammensetzung. Der von den Führungseliten propagierte sog. „christlichnationale44 Grundkonsens war keine geschlossene, ausschließliche Gültigkeit fordernde Ideologie, sondern diente als gemeinsamer Nenner der Integration der verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Gruppen. Die Interessenartikulation erfolgte informell durch die enge Verflochtenheit von Regierungspartei, Regierung und Verwaltungsapparat sowie durch die soziale Zugehörigkeit und politische Ausrichtung der Mitglieder ihrer Fraktionen. Die Partei integrierte unter dem bezeichnenden Namen „Einheitspartei44 Großgrundbesitzer, Kleinlandwirte, Beamte, liberale Gruppen aus Handel und Industrie, Legitimisten, rechtsradikale sog. „Rassenschützler44 und die christlich-konservative ,Mitte4.20 Horthy-Ungarn stellt, faßt man seine bisher skizzierten Züge zusammen, eine nahezu idealtypische Verkörperung eines autoritären Regimes dar. Ein autoritäres System definiert sich nach Linz durch einen mehr oder weniger ,begrenzten4 Pluralismus, der von einem relativ diffusen, politische Einheit fordernden ideologischen Konsens getragen wird. Es beruht auf der Übereinstimmung durchaus heterogen zusammengesetzter traditioneller Machteliten einerseits und der politischen Apathie bzw. passiven Zustimmung der Bevölkerung andererseits. Während in der Formierungsphase nach einem krisenhaften politischen Zusammenbruch eine gewisse soziale und politische Mobilisierung erforderlich ist, wird die weitgehende , Entpolitisierung4 der Massen zum wesentlichen Charakteristikum konsolidierter autoritärer Regime. Dem entsprechen Stellung und Funktion der Einheitsoder dominanten Regierungspartei: gebildet meist von ,oben4 durch Militär 17 Janos, S. 213; Batkay, S. 53, 58; Hanäk, S. 18. 18 Vgl. dazu S. P. Huntington, Social and Institutional Dynamics of One-Party Systems, in: ders. u. C. H. Moore (Hg.), Authoritarian Politics in Modern Society: The Dynamics of Established One-Party Systems, New York 1970, S. 6. 19 Der ungarische Nationsbegriff war weniger ethnisch als historisch bestimmt. 20 Zum integrativen Charakter der Einheitspartei vgl. insbesondere Batkay, S. 65 ff., 99 f. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 168 Margit Szöllösi-Janze oder Bürokratie erst nach dem Antritt der neuen M begrenzt pluralistisches Gefüge verschiedener Gruppen. Sie stellt dabei keineswegs eine ideolog polorganisation dar, sondern ist ein Faktor (und ste) unter mehreren politischen Entscheidungstr sowohl autoritäre Führerpersönlichkeit als auch ten ihre Legitimation und Machtstellung nicht dieser allenfalls in loser Verbindung.21 Entsprechend seinem pragmatischen, absorptive politische System Horthy-Ungarns auf politisch same Kräfte. Nicht zu integrierende, systemspr Kommunisten unterdrückte man mit Hilfe des Ges strebungen zum Umsturz der rechtmäßigen4 Ord schaft. Die anderen wurden, was viel erfolgvers den adeligen Normen entgegenkam, in Regierun System integriert, ,eingerahmt' und damit politisc z. B. durch einen Geniestreich Bethlens die Klei der Forderung nach einer umfassenden Agrarref Nationalversammlung gewonnen hatte, im Febr mit den „christlich-nationalen" Kräften zur syst partei ,entschärft': die konservativen Großgrund reformfreudigen kleinen Landwirte in einem Au tende politische Kraft ausschieden, und die im schiedete Bodenreform endgültig auf das tote G Neutralisiert und in das politische System, wenn au Regierungspartei, integriert wurde auch der ref zialdemokraten und der Gewerkschaften, dene „Bethlen-Peyer-Pakt" mit der Regierung End garantierte, wenn sie dafür zur loyalen Koopera rung und Unternehmerschaft bereit seien, die K insbesondere im Bergbau nicht gefährdeten sow und der Organisierung der Landarbeiterschaft jede gewerkschaftliche Betätigung im Bereich von chem Dienst verboten.23 Die Sozialdemokrati 21 J. J. Linz, An Authoritarian Regime: Spain, in: E. Allar tics. Studies in Political Sociology, New York 1970, S. 253 264 f., 269 f. 22 Zur Kleinlandwirtepartei ausführlich B. v. Krusenstjern, partei (1909-1922/29), München 1981; überblicksweise A. partei der Kleinen Landwirte und Landarbeiter, in: F. schichte der Parteien in Europa, Stuttgart 1981, S. 743 f. gige Kleinlandwirtepartei als Oppositionspartei neu gegrü gige Partei der Kleinen Landwirte, S. 762 ff. 23 Der Text des Abkommens ist abgedruckt bei L. Reti, A Bethlen-Peyer paktum (,Der Bethlen-Peyer-Pakr), in: Sz 84. 1950, S. 77 ff.; zusammenfassend Macartney, I, S. 43 f. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Horthy-Ungarn und die Pfeilkreuzlerbewegung 169 Frühphase des Horthy-Regimes nicht grundlos die vollständige Zerschlagung der sozialistischen Arbeiterbewegung und ihrer Organisationen befürchtete, akzeptierte diese Bedingungen und wurde damit auf eine für Staat und Regierung ungefährliche Opposition reduziert, die in den 1930er Jahren auch in weiten Kreisen der Arbeiterschaft als Alternative zur Regierungspolitik ausschied. Die Fähigkeit zur Einleitung durchschlagender Veränderungen wurde dann nicht mehr auf der (liquidierten oder neutralisierten) Linken, sondern auf der radikalen Rechten vermutet. In der integrativen, ,pluralistischen' Struktur von Regierungspartei und Horthy-System lag jedoch auch ihre politische Schwäche begründet: die Umsetzung systemrelevanter Interessen-inputs in politische Entscheidungen wurde durch die schmale ultrakonservative Führungselite aus Aristokratie, Hochfinanz und hoher Beamtenschaft und ihr Hauptziel der Bewahrung des politischen und gesellschaftlichen Status quo verhindert.24 Folglich waren Regierungspartei wie politisches System doppelt gefährdet: zum einen von , innen', wenn eine oder mehrere der integrierten Interessengruppen sich nicht länger vom tonangebenden Machtkartell majorisieren lassen wollte(n); zum anderen von , außen', wenn infolge der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung neue Parteien oder Bewegungen entstanden, die systemextern auftraten und aus sozialen, politischen oder strukturellen Gründen nicht integriert werden konnten bzw. dies auch gar nicht wollten. Die interne Krise macht sich bereits in der Frühphase der Horthy-Ära bemerkbar. Das von den Kriegsfolgen wirtschaftlich hart betroffene, durch den Trianoner Vertrag enorm verkleinerte Nachkriegsungarn wurde konfrontiert mit steigenden Zahlen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (1910* auf dem Gebiet Trianon-Ungarns: 111812; 1920: 151613; 1930: 176804; ohne Bahn, Post u. ä.) sowie der Rentner und Pensionäre (1910*: 31 392; 1920: 64669; 1930: 135 372). 25 Aus den Nachfolgestaaten strömten insbesondere die im öffentlichen Sektor tätigen Ungarn ins Kernland (offizielle Zahl der Flüchtlinge: 350 000), 26 das nun vor dem Problem ihrer Aufnahme in den Staatsdienst bzw. ihrer finanziellen Versorgung im Ruhestand stand. Der öffentliche Dienst mußte folglich überproportionale Einkommenseinbußen hinnehmen: das Realeinkommen betrug im Dezember 1 920 im Vergleich zum Vorkriegsstand ( 1 9 1 3 = 1 00) für ungelernte Arbeiter 62,2 %, für Facharbeiter 47,9 %, für Privatangestellte 20,6 %, für Beamte 19,6 % und für Offiziere 19,1 %. In der Folgezeit erhöhten sich die staatlichen Gehälter nur zögernd und geringfügig.27 24 Dazu auch Batkay, S. 68 f., 100 f. 25 Volkszählung 1941, Bd. 3, S. 105, 117. 26 O. Szabolcs, Köztisztviselök az ellenforradalmi rendszer tärsadalmi bäzisäban, 1 920-1926 (, Beamte in der gesellschaftlichen Basis des gegenrevolutionären Systems, 1920-1926'), Budapest 1965, S. 122. 27 Ebd., S. 64 f. Zur Entwicklung der Beamtengehälter bis 1928 vgl. ebd., S. 68, 105, 110; übernommen (leider mit erheblichen Druckfehlern) bei Janos, S. 249, Tab. 32. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 170 Margit Szöllösi-Janze Die Angehörigen des aufgeblähten bürokratisch eine Pauperisierung bisher unerhörten Ausma Widerspruch stand zu ihrem ,,gentroiden" Selb eine politische Radikalisierung insbesondere der m fiziere und Beamten, die die Ablösung des kon forderten. Sie konnten jedoch nach den Wirren durch Bethlens geschickte Konsolidierungspolit und nach der bewährten Methode in Regierun reintegriert und politisch neutralisiert werden. Elite schwelte allerdings weiter und verschärft stellungsloser Akademiker, denen der Zugang zum sperrt war. Das Problem war dabei weniger die ger als die einseitig auf den Staatsdienst ausger cher: 50 % der Universitätsabschlüsse lagen in senschaften sowie den Lehrberufen.29 Mit der Erschütterung durch die Weltwirtschaftskrise brach die interne Krise erneut auf. Die politische Elite spaltete sich in zwei Lager, die traditionelle, ultrakonservative ,,alte Rechte" der Bethlen-Linie und die radikale „neue Rechte", die mit Gömbös (1932-1936) erstmals einen Ministerpräsidenten stellte. Gleichzeitig entstanden jetzt jedoch ,systemexterne\ politisch zunächst bedeutungslose rechtsextreme Splitterparteien, die sich mit Blick auf Deutschland explizit als „nationalsozialistisch" verstanden30 und sich nach Gömbös' Scheitern und plötzlichem Tod zur systemgefährdenden Massenbewegung der Pfeilkreuzler formierten: ein neuartiger, den engen Rahmen des Horthy-Systems sprengender Parteityp betrat die politische Bühne des Landes. Das Scheitern Bethlens vor der Weltwirtschaftskrise, der immer lauter werdende Ruf nach einer durchgreifenden Änderung der politischen Richtlinien, nicht zuletzt auch die Angst der konservativen Machteliten vor einer Mobilisierung der Massen und dem Ausbruch einer Revolution veranlaßten den Reichsverweser, Gömbös, der seit der Frühzeit der Horthy-Ära der prononcierte Vertreter des radikalen rechten Flügels der Regierungspartei war, zum Ministerpräsidenten zu ernennen. In Kabinett und Parlament zur Sicherheit ,eingerahmt' von einer Mehrheit der Konservativen, gelang es ihm jedoch, seine kleine, aber sehr aktive Hausmacht kontinuierlich auszu- bauen. Gömbös, mit dem ein völlig neuer politischer Stil in Ungarn Einzug hielt, erstrebte ein nach dem Führerprinzip diktatorisch regiertes System, in dem durch staatliche Sozialpolitik, Liquidierung der Arbeiterbewegung und der Oppositionsparteien sowie die Errichtung einer korporativen Gesellschaftsordnung die Klassengegensätze zugunsten einer harmonischen 28 Vgl. dazu einige Beispiele ebd., S. 208 f. 29 Volkszählung 1941, Bd. 3, S. 87. 30 Vgl. zusammenlassend loth, Art. Nationalsozialistische Parteien, b. /MJt. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Horthy-Ungarn und die Pfeilkreuzlerbewegung 171 , Volksgemeinschaft4 beseitigt würden. Dieses Ziel glaubte er mit Hilfe einer starken, über einen ausgebauten Funktionärsapparat verfügenden Massenpartei durchsetzen zu können, wobei er sich an den Vorbildern Mussolinis und Hitlers orientierte. Bezeichnenderweise rief er jedoch zur Realisierung seiner Pläne keine eigene politische Bewegung ins Leben, sondern wählte die bereits vorhandenen, politisch und sozial vom konservativen Establishment geprägten Institutionen, Einheitspartei und Verwaltung, als Plattform und Ausgangsbasis. Er versuchte, die in „Partei der Nationalen Einheit44 umbenannte Regierungspartei von einer reinen Honoratioren- in eine moderne Funktionärs- und Massenpartei mit Abteilungen für Propaganda, Organisation, Volkserziehung, Sozialwesen usw. umzuorganisieren; den ausgebauten Parteiapparat besetzte er mit seinen Leuten, um so die ihn behindernden konservativen Bollwerke in Regierung, Parlament und Verwaltung zu umgehen und zu entmachten. Im Gegensatz zu ihrer weitgehend passiven Rolle in der Bethlen-Ära spielte die Regierungspartei in Gömbös' Plänen einen aktiven politischen Part als Instrument seiner Machtausübung und der Systemveränderung. Sie mußte jedoch erst über politische Macht verfügen, um als Entscheidungsträger in Frage zu kommen. Ein erster Schritt in diese Richtung war der Versuch Gömbös' 1935, durch die Betrauung der jeweils höchsten regionalen und lokalen Verwaltungsbeamten mit der Leitung des entsprechenden Parteiamts diese aus der alleinigen Weisungsbefugnis der Zentralregierung herauszulösen und für sich als Führer der straff von oben nach unten umzuorganisierenden Regierungspartei verfügbar zu machen. Diese geplante Politisierung des Verwaltungsapparates und seine Unterordnung unter die , Staatspartei4 scheiterten jedoch am vehementen Widerstand der Konservativen in Regierung und Komitatsbürokratie, die derartige Konzeptionen als kollektivistisch4 ablehnten. Ein neues Parteistatut unter Gömbös' Nachfolger Daränyi (1936-1938) schaffte sogar den zentralen Funktionärsapparat wieder ab und reduzierte die Regierungspartei erneut auf ihre traditionellen Honoratiorenstrukturen.31 Dieser Mißerfolg Gömbös' macht das Dilemma der „neuen Rechten44 ganz deutlich, aus dem sie sich bis zum Ende der Horthy-Ära nicht befreien konnte: sie griff zur Erreichung ihrer Ziele, die ideologisch und politisch Mussolini, später Hitler sehr nahe kamen, auf traditionelle Institutionen und Methoden zurück, versuchte also, eine Art , Faschismus von oben4 durchzusetzen. Gömbös scheiterte nicht nur am Widerstand der konservativen Eliten, sondern auch am inneren Widerspruch der „neuen Rechten44. Eine faschistische Partei beruht auf einer Bewegung politisch mobilisierter Massen und läßt sich nicht von ,oben4, nach typisch autoritärem Muster, auf 3 1 Zu diesem Abschnitt über Gömbös vgl. besonders M. Stier, A kormänypärt fasiszta jellegü ätszervezesenek csödjehez, 1935-1936 (,Zum Scheitern der Umorganisation der Regierungspartei nach faschistischem Modell, 1935-1936'), in: Sz 105. 1971, S. 696-708; auch MT 8/1, S. 688 f., 712 ff.; Janos, S. 288 ff. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 172 Margit Szöllösi-Janze einem vom Adel geprägten, traditionellen Ver ren. Der faschistische Bewegungscharakter ist mi tischen Gefüges nicht vereinbar. Darüber hinau Verwaltung grundlegender Bestandteil eines p stentiell von der Verhinderung einer politischen pation der Massen abhing, während dies für e ihre Ziele gerade konstitutiv ist. Gömbös' im zept führte denn auch nicht zum Erfolg: trotz pagnen hielten sich die Massen von dieser alte fern.32 Auch ihre soziale Herkunft im wesentlichen belegt, daß die radikale „neue Rechte" in Ung traditioneller war als die bewunderten deutschen und italienischen Vorbilder; sie blieb Bestandteil der überkommenen Machtelite und erstrebte unter ihrer Parole der „Wachablösung" eine die Massen letztlich ausgrenzende Einparteiendiktatur im partiell revidierten alten System, in dem die historischen Entscheidungsträger der konservativen „alten Rechten" in Politik und Wirtschaft ersetzt würden von der neuen Generation der Radikalen („exclusionary one-party System").33 In den Folgejahren verschoben sich die Gewichte in Regierung, Parlament und Verwaltung kontinuierlich zugunsten der „neuen Rechten". Die Spaltung der politischen Elite verlief nicht nur horizontal, indem junge Radikale in niederen Dienstgraden alten Konservativen auf den höheren Posten gegenüberstanden, sondern auch vertikal: junge Radikale waren durch Gömbös', später Imredys Protektion auch in Spitzenpositionen gelangt, so daß es konservative' (Innenministerium, politische Polizei) und , radikale4 (Verteidigungsministerium, Gendarmerie) Bastionen gab.34 Der rechte Flügel der Regierungspartei verdrängte im Parlament den konservativen, bis es 1939 nur noch eine quantitativ unbedeutende Zahl von Abgeordneten der alten Bethlen-Linie gab.35 Die politische Machtlosigkeit des Parlaments, die sich mit dem Ausnahmerecht für die Regierung nach Kriegsausbruch noch vergrößerte, die konservativen Bollwerke in Oberhaus und Bürokratie sowie insbesondere die hohe politische Bedeutung informeller gesellschaftlicher Verbindungen und der Kamarilla um den zentralen Reichsver- 32 Zur Unterscheidung zwischen „radikaler Rechten" und „Faschisten" vgl. auch S. G. Payne, Fascism. Comparison and Definition, Madison 1980, S. 16 f., 20 f. N. M. Nagy-Talavera, The Green Shirts and the Others. A History of Fascism in Hungary and Rumania, Stanford 1970, S. 76 f., schreibt in Zusammenhang mit Gömbös von einem ,,thoroughly class-orientated, conservative fascism". 33 S. P. Huntington u. C. H. Moore, Conclusion. Authoritarianism, Democracy and OneParty Politics, in: dies., S. 510. 34 Dazu Janos, S. 294 f. 35 Ausführlich dazu die Studie von P. Sipos u. a., Vältozäsok a kormänypärt parlamenti kepviseletenek összeteteleben, 1931-1939 (, Veränderungen in der Zusammensetzung der Parlamentsvertretung der Regierungspartei, 1931-1939'), in: Sz 101. 1967, S. 602-20. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Horthy-Ungarn und die Pfeilkreuzlerbewegung 173 weser verhinderten jedoch, daß das quantitative Gewicht der „neuen Rechten4' sich unmittelbar in Politik und Verwaltung niederschlug. Im Gegensatz zum sog. Faschismus von oben4, der sich von den traditionellen sozialen, politischen und institutionellen Vorgaben nicht zu lösen vermochte, entsprach die Massenbewegung der Pfeilkreuzler durchaus dem faschistischen Bewegungs- und Parteitypus. Schon die politischen Anfänge ihres bedeutendsten Führers, Ferenc Szälasi, unterschieden ihn von den Männern der „neuen Rechten44: der Generalstabsoffizier Szälasi ließ sich zum 1.3. 1 935 in den Ruhestand versetzen, d. h. er schied freiwillig aus dem sicheren Staatsdienst aus, um eine eigene Partei und Bewegung außerhalb und gegen Regierung und System zu gründen. Ein Angebot des Ministerpräsidenten Gömbös 1934 auf ein garantiertes Parlamentsmandat, eine gut bezahlte Stellung und die Einsetzung als Organisationsleiter der Regierungspartei lehnte er bezeichnenderweise ab:36 die bewährte Taktik der Integration und damit Disziplinierung und Neutralisierung politischer , Abweichler4 schlug in diesem Fall fehl. Szälasi wollte als Führer einer Massenbewegung explizit eine spezifisch ungarische Form des Nationalsozialismus,37 den „Hungarismus44, verwirklichen, die ganze Macht von , unten4 erobern und durch eine konstruktive Revolution4 der mobilisierten Massen ein neues politisches System im Donau-Karpaten-Becken errichten („revolutionary one-party System4438). Es erübrigt sich an dieser Stelle, die von Verboten, Fusionen, Abspaltungen gekennzeichnete Parteigeschichte von Szälasis Pfeilkreuzlern oder „Hungaristen44, wie sie sich selber nannten, wiederzugeben. Aufgrund des lange Zeit hindurch geringen Organisationsgrades - man verstand sich eher als Bewegung denn als Partei -, der illegalen Untergrundarbeit und der zahlreichen Geheimmitgliedschaften beruhen die Angaben über die stark schwankende Zahl der Mitglieder zumeist auf Schätzungen. Auf dem Höhepunkt ihrer Stärke, 1939, darf man relativ sicher um die 250000 organisierte Mitglieder annehmen, für die Verhältnisse Horthy-Ungarns (1939 innerhalb der Trianoner Grenzziehung gut 9 Millionen Einwohner) eine erstaunlich hohe Zahl.39 36 Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, München: Szälasi-Tagebuch, 1918-8. 10. 1936, S. 12 f. 37 Bei Szälasi wie auch den anderen Pfeilkreuzlerführern ist nie die Rede von Faschismus, sondern nur von Nationalsozialismus: nur durch einen sozialistischen Nationalismus' u. nationalen Sozialismus' sei der hungaristische Zukunftsstaat zu erbauen, vgl. z. B. „Ut es ceT\ 1938, in: Szälasi Ferenc alapvetö munkäja es a munkäs-, paraszt- es ertelmisegi nagytanäcson elmondott beszedei (,Das grundlegende Werk von Ferenc Szälasi u. seine Reden vor dem Arbeiter-, Bauern- u. Akademikergroßrat'), Munro/Buenos Aires 1959, S. 42. 38 Huntington u. Moore, S. 510. 39 M. Lackö, Nyilasok, nemzetiszocialistäk 1935-1944 (,Pfeilkreuzler, Nationalsozialisten 1935-1944'), Budapest 1966, S. 126. (Eine gekürzte englische Übersetzung dieser Studie erschien 1969 unter dem Titel „Arrow-Cross Men, National Socialists 1935-1944".) Zwar lag die Einwohnerzahl nach zwei territorialen Revisionen 1938 u. 1939 bei knapp 1 1 This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 174 Margit Szöllösi-Janze Dieser Erfolg war nicht zuletzt darauf zurückzufü und einziger Pfeilkreuzlerführer nach einer D Schwergewicht seiner Propaganda in die Städte terschaft verlegte. „Szälasi organisiert in Bud gung", meldeten die Gendarmerieberichte An Nachdem die älteren Pfeilkreuzlerparteien in de wesen waren, entstand nun auch mitten in der tei, die durch eine bisher unbekannte Sozialrev untere soziale Schichten ansprach. Auch im Horthy-System mit seinem undemokr nicht möglich, die Pfeilkreuzler auf Dauer aus dem Sie erzielten bei den Wahlen 1939 ein erdrutsc Bethlen in einem Zeitungskommentar die Situ bruch" von 1918 verglich.41 Von den insgesamt 26 die verschiedenen Pfeilkreuzlerparteien bzw. p (1935: 2), davon auf Szälasis NYKP (Nyilaskeresz tei4) 31, während die ohnehin schwachen linken verloren: die Mandate der Unabhängigen Kleinl 14, die der nur in den Städten kandidierenden Soz 5.42 Betrachtet man, um die politischen Kräfteverhältnisse hinter der verzerrenden Mandatsverteilung freizulegen, den Prozentsatz an Stimmen, so entfielen auf die Regierungspartei 50 % (aber 70 % der Sitze), auf die Kandidaten der Pfeilkreuzler 25 % (über 900000 Stimmen), auf die Kleinlandwirte 15 % (580000) und auf die Sozialdemokraten 4 % (120000).43 Besonders schockierend waren für letztere ihre Einbußen in Budapest: sie, die 1922 40 %, 1935 immerhin noch 22 % der hauptstädtischen Wähler für sich gewonnen hatten, fielen 1939 auf 1 1,9 % (3 Mandate) zurück, während die NYKP 24,8 % (9 Mandate) erhielt und damit der Regierungspartei mit 32,5 % (10 Mandate) gefährlich nahe kam.44 Eine Analyse des Sozialprofils der Pfeilkreuzler- Wählerschaft belegt, daß diese - mit einziger Ausnahme der Juden - Wähler aus allen sozialen Schichten für sich mobilisieren konnten.45 Dabei lag ein gewisser SchwerMillionen, doch konnten in diesen Gebieten die Pfeilkreuzler aufgrund der kurzen Zeit der Rückgliederung u. der strengen staatlichen Verwaltung 1939 nur in Ansätzen Fuß fassen. 40 Zit nach ebd., S. 68. 4 1 Pesti Naplö, 8.6.1939, zit. nach P. Sipos, Imredy Bela es a Magyar Megü jüläs Part ja (,Bela Imredy u. die Partei der Ungarischen Erneuerung'), Budapest 1970, S. 123. 42 MT 8/1, S. 710f., 8/2, S. 993. Lackö, S. 167f., weist Druckfehler auf. 43 Ebd., S. 169. 44 Ebd., S. 170 f., 177. Das exakte Wahlergebnis für Budapest vgl. Forräsok Budapest törtenetehez 1919-1945 (,Quellen zur Geschichte von Budapest 1919-1945'), Hg. J. Szekeres, Budapest 1972, Nr. 220, S. 472. 45 Vgl. dazu insbesondere die aufschlußreiche Studie von Gy. Ränki, The Fascist Vote in Budapest in 1 939, in: S. Larsen u. a. (Hg.), Who Were the Fascists? Social Roots of European Fascism, Bergen 1980, S. 401-16. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Horthy-Ungarn und die Pfeilkreuzlerbewegung 175 punkt auf den städtischen und ländlichen Unter- und unteren Mittelschichten, denen die existierenden Parteien und Verbände bisher keine Interessenvertretung hatten bieten können, wie z. B. Handwerkern, kleinen Händlern, Land- und Bergarbeitern, Zwergbauern u. ä. Die in den engen Rahmen der „Herrengesellschaft" Horthy-Ungarns nichtintegrierten, jedoch politisch mobilisierten Sozialgruppen suchten und fanden in der NYKP Möglichkeiten der Integration und politischen Partizipation. Nicht zuletzt durch ihren Rückhalt in den Reihen des Industrieproletariats gelang den Pfeilkreuzlern der Durchbruch zur systemgefährdenden Massenbewegung: ihre Wahlerfolge gerade in den proletarisch geprägten Bezirken Budapests und seinen Arbeitervorstädten lagen weit über dem Durchschnitt. Die NYKP sprengte als einzige Massenintegrationspartei modernen Typs in einem politischen System, in dem es sonst entweder nur in Wahlzeiten aktive Honoratiorenparteien (z. B. Regierungspartei) oder gruppengebundene Interessenparteien (z. B. Sozialdemokraten, Kleinlandwirte) gab, alle gruppenspezifischen Fesseln und machte sich zum Auffangbecken und Sprachrohr des Protests zahlreicher, mit den bestehenden Verhältnissen aus den unterschiedlichsten Gründen unzufriedener, zuvor oft politisch passiver Gruppen. Diese Funktion als Protestpartei erklärt sowohl ihren rasanten politischen Aufstieg innerhalb weniger Jahre als auch ihre breite, jedoch instabile, starken Fluktuationen unterworfene Basis. Innerhalb der faschistischen Elite (Beispiel: Abgeordnete 1939) ging der Anteil der unteren sozialen Klassen erheblich zurück, doch rekrutierte sie sich großenteils aus „out-groups", die, im Gegensatz zum „in-group"-Charakter der ,, neuen Rechten", bisher nicht Teil der traditionellen politischen und Verwaltungsmaschinerie gewesen waren:46 Tab. 1: Mandate Pfeilkreuzler Reg.partei Parlament 49 178 295 Berufsgruppen I.Unternehmer - 2 1,1% 3 1,0% Direktoren 1 2,0% 3 1,7% 4 1,4% II. Freie Berufe 17 34,7% 35 19,7% 68 23,1% davon Rechtsanwalt 9 18,4% 21 11,8% 40 13,6% III. Beamte, Militärs, Angestellte: Beamte 1 2,0% 37 20,8% 47 15,9% Offiziere 46 Die Statistik wurde erstellt aus orszäggyülesröl (,Parlamentsalm S. 96 ff., 107 ff. In der Gesamtzahl Vertreter der wiederangeschlossen Pfeilkreuzlerelite vgl. auch Janos, This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 176 Margit Szöllösi-Janze Mandate Pfeilkreuzler Reg.partei Parlament 49 178 295 Geistliche 2 4,1% 4 2,2% 20 6,8% Univ.-Prof., -dozent - 8 4,5 % 8 2,7 % Lehrer 3 6,1% 1 0,6% 6 2,0% Angestellte 8 16,3% 12 6,7% 22 7,5% Gewerkschafter - - 3 1,0% IV. Handwerker 1 2,0% 1 0,6% 4 1,4% Händler - 1 0,6% 1 0,3% V. Landwirtschaft Grundbesitzer 4 8,2% 45 25,3% 59 20,0% Landwirt, Kleinbauer 2 4,1% 11 6,2% 22 7,4% Landw. Interessenvertreter - 5 2,8% 5 1,7% VI. Arbeiter 2 4,1% 1 0,6% 3 1,0% 49 178 295 Während auch in der v partei das soziale Schwer aus Grundbesitzern un lern die freien Berufe, g proportionalen Anteil keit zu einer verfassun Neben der abweichenden Berufsstruktur erweist auch der im Verhältnis zur konservativen (1921-1932) wie radikalen Ära (1932-1944) niedrige Anteil der sog. „historischen Klassen" (Aristokratie, Gentry) an der faschistischen Elite deren „out-group"-Charakter; die in der Gömbös-Ära begonnene Zurückdrängung des Adels aus der politischen Führung des Landes setzte sich unter den Pfeilkreuzlern verstärkt fort:47 Tab. 2: Abg. d. Reg.partei Abg. d. Reg.partei Pfeilkreuzler 1921-1932 1932-1944 1940 Aristokratie 28 8,9% 31 8,9% 2 4% Gentry 138 43,9% 112 32,2% 12 24% Bürgerlicher 135 43,0% 189 54,3% 34 68% unbekannt 314 348 50 Parallel dazu ver Parlamentsmitgl 47 Janos, S. 281, 28 This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Horthy-Ungarn und die Pfeilkreuzlerbewegung 177 den Abgeordneten der Regierungspartei am Ende der konservativen Bethlen-Ära nur 7,9% ausgemacht hatte, stieg sie 1935 unter dem Vordringen der ,, neuen Rechten" auf 27,6 %, um 1939 erneut auf 15,8 % zu sinken. Demgegenüber rekrutierten sich die Abgeordneten der Pfeilkreuzler in vergleichsweise höchstem Maße, nämlich zu 38 %, aus dieser jüngeren Altersgruppe.48 Das nachfolgende Schema erstellt zusammenfassend eine Typologie der ungarischen Rechten und extremen Rechten: konservative radikale „neue Pfeilkreuzler „alte Rechte" Rechte" Vertreter Bethlen Gömbös, Imredy Szälasi soziale Basis adeliger Großgrund- radikalisierte soziale und politische besitz, Hochfinanz, Beamte/Militärs „outgroups"; Massen hohe Beamte/Militärs Parteityp Honoratiorenpartei „Funktionärspartei" Massenpartei von von oben unten Parteiensystem formales Mehrpar- „exclusio teiensystem party System" party System" politische Platt- Regierungspartei, Regierungspartei Neugründung von form Verwaltung (bzw. Abspaltung), Parteien; „Bewegung" Verwaltung Rolle der Massen keine passive Unterstüt- aktive Herbeiführung zung der politi- der nationalsozialischen Elite stischen Revolution Angesichts ihrer systemsprengenden Dynamik stellt sich die Fr es der Pfeilkreuzlerbewegung nicht gelang, aus eigener Kraf erobern; sie wurde erst kurz vor dem militärischen Zusammenb tober 1944 als letzte Karte von den Deutschen ausgespielt. Zunächst kam im zwar krisengeschüttelten, jedoch noch du tionstüchtigen autoritären Horthy-System der quantitative Partei und den parlamentarischen Kräfteverhältnissen bei weite politische Gewicht zu wie in einer Demokratie. Das Wahlrech Regierungspartei eine stabile, kaum zu erschütternde Mehr den , Erdrutschwahlen4 1939 erhielt sie über 180 der 260 Mandate. Das Parlament war zudem nur ein politischer Nebenschauplatz zur Legitimationsbeschaffung: die unbestreitbar populäre politische Zentralfigur war der Reichsverweser Horthy, der die Regierung ernannte und auch jederzeit entlassen konnte und aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Stellung zum entscheidenden Faktor jener Jahre wurde. Die Männer um Horthy, die sein 48 Ebd., S. 280, Tab. 36, 285. Nach ebd., S. 284 f., sei „ethnic marginality" der vierte Indikator für den ,,out-group"-Charakter der Pfeilkreuzler, doch kann man Janos' Argumentation hier weder methodisch noch inhaltlich folgen. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 1 78 Margit Szöllösi-Janze Vertrauen besaßen (z. B. Bethlen), das politische rialbürokratie, Ordnungskräften und Armeefüh Verbindungen, Traditionen usw., also informelle politischen Realität wichtiger als das Parlament. Dies Jahre des Zweiten Weltkriegs, als die Regierung dur weitgehende Ausnahmerechte verfügte (Regieren die ohnehin nur begrenzt gültigen politischen Gru sammlungs-, Vereinigungsfreiheit usw.), damit ab tionsspielraum einer auf die Mobilisierung der Ma noch weiter eingeschränkt bzw. aufgehoben ware group" der informellen politischen Entscheidungst kreuzler niemals oder nur in geringem Ausmaß vo her letztlich eine marginale politische Kraft. Die erfolgreichen Beispiele faschistischer Machter Deutschland belegen die kombinierte Anwendung zur Machteroberung: von , unten4 durch die Mobilisi organisierten Massen, von ,oben' durch eine politi ditionellen Machteliten. Beide Möglichkeiten war versperrt. Eine Machteroberung von unten scheiterte allein daran, daß es Szälasi, selbst eher weltanschaulicher Visionär als integrative Führerfigur und taktierender Machtpolitiker, nicht gelang, eine faschistische Einheitspartei unter seiner ausschließlichen Führung zu organisieren. Mit der Veränderung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit Kriegsausbruch vertieften sich in Szälasis Hungaristenpartei die seit 1938 latenten Konflikte zwischen einem »gemäßigten', etatistischen Parteiflügel aus überwiegend gehobenen sozialen Schichten zugehörigen Mitgliedern, die über Propaganda- und Parlamentsarbeit an die Regierung gelangen wollten, und einem militanten, aktivistischen Flügel zumeist proletarischer oder kleinbürgerlicher Herkunft, der die Macht auf der Straße erkämpfen wollte und dazu neben einer vehementen Sozialrevolutionären Agitation illegale, gewalttätige bis terroristische Mittel einsetzte. Beide Flügel kritisierten die Parteiführung, die den einen zu radikal, den anderen zu passiv war.49 Die , Gemäßigten' wanderten ab 1940/41 zu Imredys „Partei der Ungarischen Erneuerung"50 ab oder schlössen sich erneut der Regierungspartei an, die nach ihren kontinuierlichen Verschiebungen nach rechts wieder eine akzeptable politische Alternative bot. Gleichzeitig verlor die Szälasi-Partei ihre Massenbasis durch einen eigentümlichen Zustand der Lähmung ab Herbst 1 940, so daß sie Ende 1 943 auf ein Drittel ihrer einstigen Stärke, auf unter hunderttausend überwiegend passive Mitglieder51 zusammenge- 49 Dazu Lackö, S. 149 ff., 192 ff., 203 ff. 50 Ausführlich dazu die Monographie von Sipos. 51 Szälasi-Tagebuch, Dezember 1943, S. 104. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Horthy-Ungarn und die Pfeilkreuzlerbewegung 179 schrumpft war. Das einst so rege Parteileben, das gerade den bisher vernachlässigten unteren sozialen Schichten eine Möglichkeit zu politischer Partizipation geboten hatte, stagnierte. Die Gründe liegen zum einen sicher im herrschenden Ausnahmezustand, der ein freies parteipolitisches Engagement verhinderte, und in der Tatsache, daß zahlreiche Parteimitglieder als Soldaten außer Landes waren, zum anderen aber auch in Szälasis abwartender Haltung, die die sich 1938 der Machtübernahme schon ganz nahe glaubenden Hungaristen auf die Ungewisse Zukunft vertröstete: ,, Solange die Waffen das Wort haben, gibt es keinen Platz für Politik'4, hieß Szälasis Devise für die Kriegsjahre.52 Zu den sozialen und politischen Gegensätzen traten schließlich noch ideologische Differenzen hinzu, was die erst Ende September 1940 mit Szälasis Pfeilkreuzlern fusionierte ,, Ungarische Nationalsozialistische Partei"53 bereits ein Jahr später zur Abspaltung und zur Gründung einer Fraktionsgemeinschaft mit Imredys Erneuerungspartei veranlaßte. Streitpunkt war Szälasis hartnäckiges Festhalten am „Hungarismus", der, ausgehend von der geopolitischen Einheit der „Karpaten-Donau-Großheimat", alle dort lebenden Völker mit Ausnahme der Juden und Zigeuner gleichberechtigt im hungaristischen Großstaat zusammenfassen wollte. Dem stand die Führung der Ungarischen Nationalsozialisten entgegen, die in engem Kontakt mit der SS die Ansicht vertrat, „daß es mit dem Hungarismus zu Ende ist", und sich zum Sachwalter der deutschen Herrenvolktheorie in Ungarn und der damit verbundenen politischen Konzeptionen (Schaffung mehrerer, von Berlin abhängiger „völkischer" Kleinstaaten bzw. Provinzen) machte. Szälasi lehnte dies als „neues Trianon" und als mit dem wahren Nationalsozialismus nicht verträglichen „Imperialismus" ab.54 Wie reagierte nun die politische Elite der „alten" wie der „neuen Rechten" auf die bedrohliche Ausmaße annehmende Pfeilkreuzlerbewegung? Die Regierungen gleich welcher Zusammensetzung versuchten immer wieder, die alte Methode der Integration anzuwenden. Sie gingen dabei meist nicht so weit wie Ministerpräsident Daränyi, der 1938 Szälasi und seiner Partei zehn sichere Sitze im Parlament versprach gegen die Zusicherung , in Zukunft auf illegale Methoden zu verzichten und wie die NSDAP (!) legal unter Anerkennung der gesetzlichen Spielregeln um die Macht zu kämpfen. Der Vorschlag war an sich wegen der relativen Bedeutungslosigkeit des Parlaments politisch ungefährlich, scheiterte jedoch am vehementen Widerstand der Konservativen und führte mit zu Daränyis baldiger Entlas- sung.55 52 Magyarsäg, 13. 4. 1941, zit. nach Lackö, S. 278. 53 Zusammenfassend Toth, Art. Nationalsozialistische Parteien, S. 750 f. 54 Szälasi-Tagebuch, 1 940, S. 80 f.; 1941, S. 9. Das Tagebuch zeichnet diese Auseinandersetzungen in Einzelheiten nach. 55 Ebd., 1938, S. 51; Lackö, S. 105 ff. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 180 Margit Szöllösi-Janze Folgenreicher und letztlich verhängnisvoll war schiebung der Regierungspolitik nach rechts. D der politischen Elite drängten die Konservativen i sive, so daß die ,,neue Rechte" tonangebend, wenn entscheidend wurde. Zum zweiten standen alle garns unter dem wirtschaftlichen und außenpo Reichs: Hauptziel jeder Politik war und blieb die Trianon, die nur im Fahrwasser Hitlers und un schen Bedingungen durchsetzbar schien. Der d häufig genannte Grund war der Versuch der M lern das Wasser abzugraben, d. h. ihren Forder kommen und sie zum Regierungsprogramm zu auf diese Weise die Regierungspolitik insbesond an die Pfeilkreuzler verlorenen gehobenen soz traktiv.56 Diese Methode der versuchten Reintegration w mer konsequent, kombiniert mit der gewaltsam wegung durch Ordnungskräfte und Gerichte. G der rechtmäßigen4 Ordnung in Staat und Gesell der extremen Linken verabschiedet worden war treme Rechte eingesetzt und durch weitere, de paßte Gesetze und Verordnungen insbesondere 1938 ergänzt.57 Dazu zählte, um ein Beispiel herauszugreifen, d die den Beamten und Beschäftigten des öffentl schaft in einer Partei verbot, die sie mit der gese flikt bringen könnte. Eine Ausführungsverord zialdemokraten (!) alle relevanten Pfeilkreuzle durchaus Beamte, die geheime, offiziell nicht blieben, doch gelang es der Regierung auf diese wesentlichen aus dem politisch so wichtigen hö fernzuhalten. Trotz aller Krisenerscheinungen, trotz ihrer Spaltung und Schwächung durch die Machtkämpfe zwischen der konservativen ,, alten" und der radikalen „neuen Rechten44 fühlten die traditionellen Machteliten Ungarns, anders als in Italien und Deutschland, ihre Stellung bei weitem nicht in dem 56 Zu dieser zweifelhaften Taktik hatte z. B. sogar Bethlen dem Reichsverweser in einem Memorandum vom 14. 1. 1939 geraten: die Regierung müsse zuerst Judenproblem und Landreformfrage befriedigend lösen, um der rechtsradikalen Agitation den Wind aus den Segeln zu nehmen und dadurch die Restauration der Herrschaft der verfassungsmäßigen' Kräfte einzuleiten, vgl. Horthy Miklös titkos iratai (,Die geheimen Dokumente von Miklös Horthy'), Hg. M. Szinai u. L. Szücs, Budapest 19724, Nr. 43, S. 205 ff. 57 Vgl. Sipos, S. 47 f.; MT 8/2, S. 945; Lackö, S. 110. 58 Magyarorszägi rendeletek tära 72 (, Verordnungssammlung Ungarns4), 1938, Nr. 107, S. 421 f.; Macartney, I, S. 226; Nagy-Talavera, S. 137. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Horthy-Ungarn und die Pfeilkreuzlerbewegung 181 Maße erschüttert, daß sie zur vermeintlichen Restabilisierung ihrer Position eine Allianz mit der plebejischen Pfeilkreuzlerbewegung eingegangen wären, die niemals die ,Salonfähigkeit4 erlangte, sondern immer eine vom Establishment verachtete, wegen ihres militanten Auftretens und ihrer Sozialrevolutionären Agitation gefürchtete „out-group" blieb. Schon gar nicht kooperationsbereit waren Unternehmerschaft und Hochfinanz, die von der vehementen antisemitischen, mit antikapitalistischen Tönen durchsetzten Pfeilkreuzlerpropaganda zum Nationalfeind Nr. 1 deklariert wur- den. Aber auch die ideologisch rechtsradikale „neue Rechte4' war stets bemüht, sich in Stil, Methoden, Auftreten gegen die Pfeilkreuzler abzugrenzen und damit zugleich einen unliebsamen Rivalen loszuwerden. Der ehemalige Ministerpräsident Imredy, der im Oktober 1940 mit einigen sympathisierenden Abgeordneten aus Protest gegen die zu konservative Politik des Ministerpräsidenten Teleki die Regierungspartei verließ und, ausgehend von der Fraktion, von oben (!) die „Partei der Ungarischen Erneuerung" gründete, ohne die Massen je zu erreichen, sprach von den Hungaristen als von unberechenbarem, viel zu radikalem „Gesindel'4 unter einem verrückten Führer.59 Umgekehrt betrachteten diese die Imredy-Anhänger als „Konjunkturritter", die sich dem modischen nationalsozialistischen Zeitgeist angeschlossen hätten, ohne Opfer bringen zu wollen, und mit denen sich überhaupt nichts anfangen lasse, „weil es dort nur Herren mit gebügelten Hosen gibt."60 Die soziale und damit politische Kluft war zu tief, als daß sie durch die immer wieder aufgenommenen, von deutscher Seite befürworteten Verhandlungen zur Schaffung einer faschistischen Einheitspartei ( 1 940/4 1 ; 1 944) hätte überwunden werden können. Der die alleinige Führung beanspruchende Szälasi war trotz vielfältigen Drucks nicht von seiner Auffassung abzubringen, der Hungarismus werde „keinen von liberalen Herren abgelegten Frack anziehen44, und sah den Platz von Imredys „pseudonationalsozialistischer" Möchte-gern-Massenpartei „im höchsten Pan- optikum44.61 Die Vereinigung von „neuer Rechten" und Pfeilkreuzlern im Sinne einer Parteienfusion gelang nicht einmal in den Monaten des Szälasi-Regimes 1944/45. Dieses beruhte zwar auf einer Koalitionsregierung aus rechtem Flügel der Regierungspartei, Partei der Ungarischen Erneuerung, Ungarischen Nationalsozialisten und Pfeilkreuzpartei unter hungaristischer Führung, doch waren zwei Faktoren für das Zustandekommen dieser Allianz entscheidend: erstens stellte Horthys geheimes Waffenstillstandsgesuch in Moskau die „neue Rechte4' vor die Alternative, sich zwischen der Besetzung Ungarns durch die Rote Armee und der Fortsetzung des Krieges an 59 Zit. nach Sipos, S. 230; vgl. dazu auch ebd., S. 188, sowie Nagy-Talavera, S. 166. 60 Zit. nach Lackö, S. 270. 61 Szälasi-Tagebuch, 1941, S. 1,4. This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 182 Margit Szöllösi-Janze deutscher Seite durch eine Koalition unter Szälas Zweitens veränderten sich durch das deutsche Ei sis die innerungarischen Kräfteverhältnisse, so ausschlaggebender Hilfe der SS die Macht übern lasi als „Führer der Nation'4 das Schicksal Unga Kriegsmonate bestimmte. Es schließt sich daher nicht mehr zu untersuchende Frage an, welche Poli seine verschiedenen Machtträger gegenüber ge schen Bewegungen im Ausland verfolgten. Die zeigt, daß die Pfeilkreuzler mit Sicherheit nur , This content downloaded from 147.251.181.30 on Thu, 28 Feb 2019 08:35:44 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms