Brecht, Bert(olt), eigentl.: Eugen Berthold Friedrich B., auch: Berthold Eugen, Kin-jeh, * 10. 2. 1898 Augsburg, † 14. 8. 1956 Berlin/DDR; Grabstätte: ebd., Dorotheenstädtischer Friedhof. »Ich, Bertolt Brecht, bin aus den schwarzen Wäl- dern«, betont B. in dem Gedicht Vom armen B.B. seine Herkunft. Ich, Bertolt Brecht, bin aus den schwarzen Wäldern. Meine Mutter trug mich in die Städte hinein Als ich in ihrem Leibe lag. Und die Kälte der Wälder Wird in mir bis zu meinem Absterben sein. In der Asphaltstadt[1] bin ich daheim. Von allem Anfang Versehen mit jedem Sterbsakrament: Mit Zeitung. Und Tabak. Und Branntwein. Misstrauisch und faul und zufrieden am End. Ich bin zu den Leuten freundlich. Ich setze Einen steifen Hut auf nach ihrem Brauch. Ich sage: Es sind ganz besonders riechende Tiere Und ich sage: Es macht nichts, ich bin es auch. In meine leeren Schaukelstühle vormittags Setze ich mir mitunter ein paar Frauen Und ich betrachte sie sorglos und sage ihnen: In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen. Gegen Abend versammle ich um mich Männer Wir reden uns da mit "Gentlemen" an. Sie haben ihre Füße auf meinen Tischen Und sagen: Es wird besser mit uns. Und ich rage nicht: Wann? Gegen Morgen in der grauen Frühe pissen die Tannen Und ihr Ungeziefer, die Vögel, fängt an zu schrein. Um die Stunde trink ich mein Glas in der Stadt aus und schmeiße Den Tabakstummel weg und schlafe beunruhigt ein. Wir sind gesessen, ein leichtes Geschlechte In Häusern, die für unzerstörbare galten (So haben wir gebaut die langen Gehäuse des Eilands Manhattan Und die dünnen Antennen, die das Atlantische Meer unterhalten). Von diesen Städten wird bleiben: der durch sie hindurchging, der Wind! Fröhlich machet das Haus den Esser: er leert es. Wir wissen, daß wir Vorläufige sind Und nach uns wird kommen: nichts Nennenswertes. Bei den Erdbeben, die kommen werden, werde ich hoffentlich Meine Virginia nicht ausgehen lassen durch Bitterkeit Ich, Bertolt Brecht, in die Asphaltstädte verschlagen Aus den schwarzen Wäldern in meiner Mutter in früher Zeit. Der Vater Berthold Brecht stammte aus Achern/Schwarzwald, war kaufmänn. Angestellter in Augsburg u. stieg 1914 zum Direktor einer Papier- fabrik auf. Die Mutter Sophie, geb. Brezing, kam aus Schwaben. B.s Geburtsort, der seinen Glanz als früh- bürgerl. Handelsmetropole verloren hatte u. gegen- über München u. Nürnberg provinziell geworden war, galt als Hauptstadt des schwäb. Landesteils von Bayern. Die schwäbische Mundart setzte B. in seinem poet. Werk zeitlebens produktiv um. Das Kind wuchs in gutbürgerl. Verhältnissen auf, erhielt aber vom Elternhaus, in dem es nur wenige Bücher gab, kaum literar. Anregungen. Die übliche Schulausbildung absolvierte B. als durchschnittl. Schüler. 1922 schrieb er rückblickend: »Die Volksschule langweilte mich vier Jahre. Während meines neunjährigen Eingewecktseins an einem Augsburger Realgymnasium gelang es mir nicht, meine Lehrer wesentlich zu fördern. Mein Sinn für Muße[2] und Unabhängigkeit wurde von ihnen unermüdlich hervorgehoben.« Die enge Bindung des Unterrichts an die christl. Erziehung machte B. früh mit der Lutherbibel vertraut, deren Lektüre nachhaltigen Eindruck hinterließ u. das literar. Interesse in ihm weckte. Der La- teinunterricht konfrontierte ihn mit dem antiken Rom, das in seinem Werk als römische Tradition lebendig bleiben sollte. Die lat. Syntax, später von B. bewußt angewendet (Partizipialkonstruktionen, v. a. das Partizip Präsens), prägte den Duktus seiner Sprache nachhaltig. Nach dem Abitur 1917 schrieb sich B. in München als Student der Medizin u. der Naturwissenschaften ein, ohne jedoch das Studium ernsthaft aufzunehmen (1921 exmatrikuliert). Er war fest entschlossen, seine dichterischen Neigungen beruflich zu verfolgen, ver- faßte Theaterkritiken u. besuchte das Theaterseminar von Artur Kutscher, das ihn zu seinem ersten Drama Baal anregte. Es gelang ihm, mit verschiedenen Ver- lagen Verträge abzuschließen. Die Abenteuer-Erzählung Bargan läßt es sein (Mchn. 1921) machte B. erstmals überregional bekannt. Sein Drama Trommeln in der Nacht, 1922 in München uraufgeführt, brachte ihm im selben Jahr den Kleist-Preis ein. Der Kritiker Herbert Ihering[3] schrieb in seiner Laudatio: »Der vierundzwanzigjährige Dichter Bert Brecht hat über Nacht das dichterische Antlitz Deutschlands verändert.« Ein Dramaturgenvertrag an den Münchner Kammerspielen folgte (bis 1924). BRECHT, dem München zu konservativ u. nationalistisch wurde (SA-Aufmärsche, Hitlerputsch), zog es in die Metropole Berlin. Seit 1921 suchte er Kontakte zu Berliner Theatern, 1924 übersiedelte er endgültig in die Hauptstadt. Dort erhielt er am Deutschen Theater (Leitung: Max Reinhardt) die Stelle eines Dramaturgen u. konnte auch eigene Stücke inszenieren (1924-1926). Die Erfahrung der Großstadt, ihrer Anonymität u. ihrer versachlicht-veräußerlichten Lebensweise bestimmte von da an sein poetisches Werk. Freund- schaften mit linksgerichteten Künstlern u. Publizisten (Arnolt Bronnen, George Grosz, Fritz Sternberg, Sergej Tretjakow[4] u.a.) brachten ihn zunehmend in Oppo- sition zur Weimarer Republik. Bei der Bemühung, die ökonom. Zusammenhänge u. Hintergründe der polit. u. gesellschaftl. Entwicklung zu verstehen, stieß er auf Karl Marx' Kapital. Seine Lektüre machte ihn mit dem Marxismus vertraut, u. er fand Anschluß an die kommunistische Bewegung, ohne sich jedoch mit dem Parteikommunismus zu identifizieren. Kundera eröffnet sein Buch gerade mit dem Gedicht Der Zweigler aus dem Jahre 1932: Der Zweifler Immer wenn uns Die Antwort auf eine Frage gefunden schien Löste einer von uns an der Wand die Schnur der alten Aufgerollten chinesischen Leinwand, so daß sie herabfiele und Sichtbar wurde der Mann auf der Bank, der So sehr zweifelte. Ich, sagte er uns Bin der Zweifler, ich zweifle, ob Die Arbeit gelungen ist, die eure Tage verschlungen hat. Ob, was ihr gesagt, auch schlechter gesagt, noch für einige Wert hätte. Ob ihr es aber gut gesagt und euch nicht etwa Auf die Wahrheit verlassen habt dessen, was ihr gesagt habt. Ob es nicht vieldeutig ist, für jeden möglichen Irrtum Tragt ihr die Schuld. Es kann auch eindeutig sein Und den Widerspruch aus den Dingen entfernen; ist es zu eindeutig? Dann ist es unbrauchbar, was ihr sagt. Euer Ding ist dann leblos Seid ihr wirklich im Fluß des Geschehens? Einverstanden mit Allem, was wird? Werdet ihr noch? Wer seid ihr? Zu wem Sprecht ihr? Wem nützt es, was ihr da sagt? Und nebenbei: Läßt es auch nüchtern? Ist es am Morgen zu lesen? Ist es auch angeknüpft an vorhandenes? Sind die Sätze, die Vor euch gesagt sind, benutzt, wenigstens widerlegt? Ist alles belegbar? Durch Erfahrung? Durch welche? Aber vor allem Immer wieder vor allem anderen: Wie handelt man Wenn man euch glaubt, was ihr sagt? Vor allem: Wie handelt man? Nachdenklich betrachteten wir mit Neugier den zweifelnden Blauen Mann auf der Leinwand, sahen uns an und Begannen von vorne. 1924 hatte B. drei Kinder mit drei Frauen: den Sohn Frank (1919) mit der Jugendliebe Paula Banholzer, deren Eltern sich einer Heirat widersetzten; die Tochter Hanne (1923) mit der Sängerin Marianne Zoff, die er 1922 geheiratet hatte (1927 geschieden), u. den Sohn Stefan (1924) mit der Schauspielerin Helene Weigel, mit der er 1929 die Ehe einging; das vierte Kind B.s, die Tochter Barbara, brachte Helene Weigel 1930 zur Welt. Die Beziehung zu Frauen, mit deren Liebe Brecht stets ein intensives, z. T. auch ausbeuterisches Arbeitsverhältnis verband, spielte für seine Produktivität eine entscheidende Rolle. Neben vielen weiteren (wechselnden) Mitarbeitern benötigte er sie als Anregerinnen, Materialsammlerinnen sowie für seine Arbeitsweise im Kollektiv: Indem er die Poesie als »Ausdrucksmittel« eines bürgerl. Individuums ablehnte, versuchte er - nach dem Vorbild der Theaterarbeit - die dichterische Produktion vom einzelnen abzulösen u. zum »Bau gemeinsamer Werke« zu gelangen. Seine wichtigsten Mitarbeiterinnen wurden Elisabeth Hauptmann (ab 1925), Margarete Steffin (1931-1941) sowie Ruth Berlau (ab 1933). 1928 brachte ihm die Uraufführung der Dreigroschenoper den durchschlagenden Erfolg in Berlin, ein Erfolg, der zur Legende wurde u. B. als »Stücke- schreiber«, wie er sich gern nannte, durchsetzte. Die Spielstätte der Uraufführung, das Theater am Schiffbauerdamm, stand ihm von da an (bis 1933) für seine Experimente zur Verfügung. Daneben machte B. kon- krete Erfahrungen in der - kommunistisch orientier- ten - Arbeiterbewegung, u. zwar über seine »Lehrstücke«, die die Trennung von Darstellern u. Publikum aufheben u. zu einem neuen künstlerischen Gemeinschaftserlebnis führen sollten. Die freund- schaftl. Verbindung zu Hanns Eisler, der wesentlich an den Lehrstücken beteiligt war, zu seinem »marxistischen Lehrer« Karl Korsch[5], zu dem er aber stets Distanz wahrte, u. die Zuspitzung gesellschaftl. Gegensätze in Deutschland bestimmten ab 1929 B.s gesellschaftskrit. Haltung immer mehr u. führten zur Politisierung seines Werks. Am Tag nach dem Reichstagsbrand (27. 2. 1933) ging B. mit seiner Familie in die Emigration. Nach verschiedenen Stationen (Prag, die Schweiz, Paris) bezog er im Dez. 1933 ein Haus bei Svendborg auf der dänischen Insel Fünen. Hier lebte er mit Unterbrechungen bis 1939. 1935 wurde ihm die dt. Staatsbürgerschaft aberkannt. Vom Publikum u. von der prakt. Theaterarbeit abgeschnitten, begann die reichste Phase seiner poetischen Produktion. Sie stand fast ausschließlich im Dienst des antifaschistischen Kampfes, dem er sich zusammen mit Walter Benjamin, Karl Korsch, Hanns Eisler u.a. widmete. An der Öffentlichkeitsarbeit beteiligte sich B. z.B. als Mitherausgeber der Moskauer Exilzeitschrift »Das Wort«, in der er auch einen Teil seiner Arbeiten pu- blizierte. Über Schweden (1939) u. Finnland (1940/ 41) flüchtete er vor dem sich ausbreitenden Krieg in die USA (Santa Monica, 1941-1947). Die finnische Schriftstellerin Hella Wuolijoki beschaffte der Familie Brecht Einreise- und Aufenthaltserlaubnis. Brecht fand mit seiner Familie Unterkunft in einem Hafenvirtel in Helsinki, vom Juli bis zum Oktober 1940 war er Gast von Hella Wuolijoki auf ihrem gut in Marlebäck. Nach Erzählungen von Hella Wuolijoki und nach einem Stückentwurf "Die Sägemehlprinzessin" von ihr, schrieb Brecht das Volksstück "Herr Puntila und sein Knecht Matti". Obwohl ihn sein Fluchtweg über die Sowjetunion führte - er ließ dort seine kranke Mitarbeiterin Steffin zurück -, ver- mied er es, anders als z.B. der kommunistisch orien- tierte Schriftsteller Johannes R. Becher, sie zum Land seines Exils zu wählen. Seine Haltung zu Stalin u. der Eskalation dessen Terrors war widersprüchlich u. her- ausfordernd: Einerseits verurteilte er zwar Stalins Po- litik gegenüber Freunden (Walter Benjamin), anderer- seits rechtfertigte er dessen »Säuberungsaktionen« an- gesichts des zunehmenden Hitlerterrors sowie der Er- wartung, daß Hitler die Sowjetunion überfallen werde u. nur Stalin der Garant für eine wirksame Verteidi- gung sei. Obwohl er auch rechtfertigende Erklärungen zur Liquidierung seines Freundes Tretjakow (1938) u. zu den Moskauer Prozessen abgab, fühlte er sich in der Sowjetunion persönlich gefährdet. Hinzu kam, daß er durch die - bereits 1934 auf dem »Allunions- kongreß« formulierte - Kunstdoktrin des »Sozialisti- schen Realismus« keine Möglichkeit sah, dort seine Anschauungen durchzusetzen u. frei zu arbeiten. Die kapitalistischen USA, auf die er mit zunehmender Verachtung reagierte, waren für ihn das kleinere Übel. B.s Versuche, sich den amerikan. Verhältnissen an- zupassen u. in Hollywood als Drehbuchautor tätig zu werden, schlugen allerdings fehl. Als Autor u. Stücke- schreiber konnte u. wollte er sich dann auch nicht mehr etablieren. Die erfolgreiche Theaterarbeit mit Charles Laughton am Leben des Galilei (1945-1947) blieb Episode. Statt dessen setzte er seine schriftstel- lerische Arbeit - u.a. mit Lion Feuchtwanger, Hein- rich Mann, Eric Bentley, Hanns Eisler, Paul Dessau - im Hinblick auf das Kriegsende u. die Rückkehr nach Deutschland fort. Die Rückkehr erfolgte 1947 über Zürich u. Prag in den Ostsektor von Berlin (1949). wo Brecht bis zu seinem Tod lebte u. arbeitete. Seine 1950 erworbene österr. Staatsbürgerschaft sollte ihn - trotz seiner Entscheidung für den sozialistischen Staat der DDR - für das gesamte Deutschland, an dessen Zustande- kommen er bis zuletzt geglaubt hatte, offenhalten. B. setzte sich für den Aufbau des Sozialismus in der DDR ein u. widmete ihm auch einen Großteil seiner künstlerischen Arbeit. Allerdings vertrat er - entge- gen der tatsächl. Politik - prinzipiell eine Revolutio- nierung »von unten« (z.B. mit Die Tage der Kommu- ne. 1949. Urauff. Bln./DDR 1956), kritisierte die Etablierung des Funktionärsstaats, der nicht auf »die Weisheit des Volkes« baute, u. versuchte - z.T. unter erhebl. Schwierigkeiten -, seine Kunstauffassung gegen die des offiziell vertretenen » Sozialistischen Realismus« durchzusetzen. Obwohl B. außergewöhnl, Arbeitsbedingungen erhielt u. offiziell geehrt wurde, blieben seine Arbeiten in der DDR während seiner Lebenszeit umstritten u. zum Teil auch mißverstanden. 1949 gründete Helene Weigel das » Berliner En- semble«, das ab 1954 unter ihrer Leitung im Theater am Schiffbauerdamm arbeitete. Damit bot sich für B. die Möglichkeit, durch Modellinszenierungen seiner u. fremder Stücke seine Vorstellungen von einem neuen »epischen Theater« zu realisieren. 1950 wurde er Mitgl. der Deutschen Akademie der Künste in Ber- lin/DDR, 1951 erhielt er den Nationalpreis der DDR, 1954 den Stalin-Friedenspreis. Obwohl B.s Bedeutung u. Wirkung im wesentli- chen auf den Dramen beruhen, umfaßt sein Werk auch alle anderen Gattungen der Literatur: Lyrik, Erzäh- lung, Roman, Epos (Versifizierung des Kommunisti- schen Manifests von Marx u. Engels), Tagebuch (in Form des Arbeitsjournals), literatur-, dramentheoreti- sche u. philosophisch-gesellschaftl. Schriften sowie die Medien Hörfunk (Flug der Lindberghs. Radio- lehrstück. Erstsendung Baden-Baden 1929) u. Film (Kuhle Wampe. 1931). Das poetische Werk präsen- tiert sich als Zeitdichtung. Viele seiner Dichtungen stellen Gegenentwürfe zu bereits Vorhandenem (Tra- dition) u. zgl. Auseinandersetzungen mit Ereignissen der Zeit dar. Ihre Gültigkeit u. damit ihre prinzipielle Abgeschlossenheit als autonome Kunstwerke bestritt B. dadurch, daß er sie als Versuche (Name der Publi- kationsreihe der Werke seit 1930) deklarierte. Er bearbeitete, veränderte u. aktualisierte bei allen sich bietenden Gelegenheiten. Viele seiner Stücke liegen in mehreren - z. T. radikal veränderten - Fassungen vor. Andere Arbeiten blieben im Entwurf stecken (Buch der Wendungen. Der Tui-Roman. Der Mes- singkauf. 1937-55. Ffm. 1963) u. gewinnen gerade als Fragmente ihre eigentl. Bedeutung. Auch die Lyrik arbeitete B. für Ausgaben oder Drucke um u. faßte sie teilweise neu. Veränderung u. Veränderbarkeit sind die grundlegenden Kategorien für B.s Werk u. seine Inhalte. Literarisch beeinflußt wurde er schon früh durch Knut Hamsun, Gerhart Hauptmann, Frank Wedekind u. vor allem durch François Villon u. die poètes mau- dits Arthur Rimbaud u. Paul Verlaine. Wedekind, der im Ruf eines unsittl. Dichters stand, war für ihn als Dramatiker u. Lyriker Vorbild für sein antibürgerl. u. provozierendes Auftreten, das er von Beginn an pfleg- te u. später politisierte. Mit den Franzosen, v. a. mit dem Vaganten Villon, mit dessen Leben in Freiheit u. Unmoral, identifizierte B. seine anarchistische u. nihi- listische Haltung, die zunächst die Loslösung von sei- ner bürgerl. Herkunft förderte u. von ihm dann gesell- schaftskritisch gewendet wurde. Ihre nachhaltige Wir- kung bleibt auch in seinen späten Werken spürbar. Durch den Komiker Karl Valentin, in dessen Kabarett B. auftrat, lernte er die Durchschlagskraft volkstümlich-populärer Kunst sowie Parodie u. Satire kennen. Noch der späte B. kennzeichnete sich mit Vorliebe als »satirischen Schriftsteller«. Bereits im dramat. Erstling Baal (1. Fassung 1918. Urauff. Lpz. 1923), ein Gegenentwurf zu Hanns Johsts Grabbe-Drama Der Einsame (Mchn. 1917), gelang B. in der Figur des Bohemiens u. Vagabunden die Gestaltung eines Menschentypus: Baal ist der »Lebensverbraucher«, der sich u. andere Menschen rigoros »auslebt«. Als Nihilist weist er alle metaphys. Beruhigung von sich, als zynischer Lebensbejaher ko- stet er sein Leben u. das der ihm begegnenden Men- schen in vollen Zügen aus u. vernichtet es: »Laßt euch nicht verführen! Zu Fron und Ausgezehr! Was kann euch Angst noch rühren? Ihr sterbt mit allen Tieren Und es kommt nichts nachher.« Auch das zweite Stück Trommeln in der Nacht (1919) stellt eine Herausforderung an die bürgerl. Gesellschaft sei- ner Zeit dar. In der Form des expressionistischen Heimkehrerdramas entwirft B. ein krit. Bild des Bür- gertums, das das Kriegsende u. die (verratene proleta- rische) Revolution von 1918/19 dazu benutzt, seine Pfründe erneut zu sichern. Theatralisch endet das Drama mit der erstmals angewendeten Technik der Desillusionierung: »Es ist gewöhnliches Theater. Es sind Bretter und ein Papiermond und dahinter die Fleischbank, die allein ist leibhaftig.« In Mann ist Mann (1924-26. Urauff. 1926) kon- frontierte B. seine Zeit mit dem von ihr geschaffenen Typus des auswechselbaren Individuums, dem »Gum- mimenschen«. Angesiedelt im scheinbar fernen Indi- en, zeigt das Stück den Verlust der Persönlichkeit, wie ihn die kapitalistische Industriegesellschaft durch Anonymität, Arbeitsteilung u. Kulturindustrie hervor- gebracht hat. Die »Verwandlung« des Packers Galy Gay in die »menschliche Kampfmaschine« Jeraiah Jip beurteilte B. zunächst (1. Fassung 1926) positiv. Indem der Mensch seine Individualität aufgibt u. den gesellschaftl. »Tod« stirbt, geht er in der Anonymität der Masse auf u. gewinnt sich »in seiner kleinsten Größe« neu zurück. Als Massenmensch meistert er die menschenverachtenden Realitäten dadurch, daß er sie auf sie selbst anwendet. Später konfrontiert mit den brutalen Schlägertrupps der Nationalsozialisten, veränderte B. die Figur ins Negative, indem er die Schlußszenen des Stücks 1931 neu bearbeitete. Jerai- ah Jip wird das willenlose, unmenschl. Werkzeug der neuen Barbarei. Als Gegenentwurf zu John Gays Beggar's Opera (1728) entstand 1928 das satir. Spektakel Die Drei- groschenoper mit der Musik von Kurt Weill. Sie zeigt die bürgerl. Gesellschaft als ausbeuterisches Raubsystem, das sich hinter der Maske der Wohlan- ständigkeit versteckt. Umgekehrt entwickelt der Protagonist, der Räuber u. Mörder Macheath, Mackie Messer genannt, den Hang, sein verbrecherisches Treiben durch bürgerl. Verhalten zu veredeln. Die Handlung ist als Nummernoper mit eingestreuten Liedeinlagen realisiert. Die Einsicht in die Auswech- selbarkeit von Bürger u. Räuber veranlaßt Macheath am Ende, ins Bankfach zu wechseln: »Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?« Der Erfolg der Oper hängt wesentlich mit Kurt Weills Vertonungen zusammen. Die Moritat von Mackie Messer oder das Lied der Seeräuberjen- ny wurden Schlager. Die Absicht des satirisch-krit. Stücks kehrt die Rezeption in ihr Gegenteil um: Am Ende der »Goldenen Zwanziger« feiert das Weimarer Bürgertum das Huren- u. Gangstermilieu der Oper als laszives Gesellschaftsspiel. Gegen B.s Versuche nach dem Zweiten Weltkrieg, durch Neufassungen der Songs das Stück auch auf die NS-Zeit zu beziehen, setzte sich der Unterhaltungswert der Oper erneut durch u. leitete B.s Nachkriegswirkung bruchlos ein. Ende der 20er Jahre entwickelte B. eine neue Dra- menform, die er - auch angesichts des Erfolgs der Dreigroschenoper - dem kulinar. Schautheater der Zeit entgegensetzte: das sog. Lehrstück. Es handelt sich um eine (fast) geschlossene Stückfolge: Flug der Lindberghs. Radiolehrstück (später Ozeanflug be- nannt), das Badener Lehrstück vom Einverständnis (Urauff. Baden-Baden 1929), Der Jasager (Urauff. Bln. 1930), Der Jasager und der Neinsager (Urauff. Bln. 1930), Die Maßnahme (Urauff. 1930), Die Aus- nahme und die Regel (1930. Urauff. Givat Chaim/ Palästina 1938); später kam noch Die Horatier und die Kuriatier (1934. Urauff. Halle/DDR 1958) hinzu. B. wollte mit den Stücken die gewohnte Konsumen- tenhaltung des Zuschauers aufbrechen, zunächst im Hinblick auf die Distributionsfunktion der neuen Me- dien (Rundfunk), die er wieder in Kommunikations- apparate verwandeln wollte, dann im Hinblick auf den Zuschauer selbst, der in einen Mitspieler verwan- delt werden sollte - mit der Konsequenz, daß das Lehrstück in seiner extremsten Ausprägung ohne Pu- blikum bleibt. Verbunden ist damit die Theorie einer politisch-ästhetischen Erziehung, mit der die Darstel- lenden angehalten werden, indem sie in gezielt einfa- cher Handlung realisierte Experimentalsituationen durchspielen (meist Grenzsituationen), Lehren für ihr eigenes Verhalten in der Realität ziehen. Die Lehr- stücke blieben Episode, weil die polit. Zustände am Ende der Weimarer Republik eine angemessene prakt. Umsetzung der Stücke verhinderten. Als erstes marxistisches Stück gilt Die heilige Jo- hanna der Schlachthöfe (1929-31). Es basiert auf alten Plänen, die Hintergründe der kapitalistischen Ökonomie u. der Vorgänge an der Börse dramatisch zu veranschaulichen. B. verband eine der üblichen Börsenspekulationen der Zeit mit der Geschichte des Heilsarmee-Mädchens Johanna Dark innerhalb einer komplexen Handlungsstruktur. Johanna will die Ursa- chen für das Elend der Arbeitermassen in Chicago er- gründen u. stößt dabei auf die ausbeuterischen Ver- hältnisse ihrer Gesellschaft. Ihr Entschluß, sich den streikenden Arbeitern anzuschließen, scheitert an ihrer Schwäche. Sie verrät den Streik u. kann dadurch von den Ausbeutern als Retterin glorifiziert u. heiligge- sprochen werden. Ihre Einsicht, daß nur Gewalt hilft, wo Gewalt herrscht, kommt zu spät. Die heilige Jo- hanna wurde am Ende der Weimarer Republik nicht mehr aufgeführt. Die späte Uraufführung durch Gu- staf Gründgens 1959 in Hamburg jedoch setzte das Werk postum als »klassisches« Stück B.s durch. Gleichzeitig entwickelte B. mit der Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1929/30) seine Theorie vom »epischen Theater«. Er stellte dem »Handelnden« der dramat. Form das »Erzählende« der epischen Form des Theaters gegenüber. Gegen die Verwicklung des Zuschauers in die Aktion setzte er dessen betrachtend distanzierte Haltung. Die Vermitt- lung des bloßen Erlebnisses ersetzte er durch die des reflektierten Weltbilds, das Gefühl durch die Ratio. Im marxistischen Stück Die Mutter (1931. Urauff. Bln. 1932), einer Dramatisierung des Romans von Maxim Gorki (1907), realisierte B. seine Theorie erstmals konsequent. Die theoretische, alternativ for- mulierte Auswechslung des sog. aristotel. Theaters durch das neue »dialektische Theater« erfolgt künstle- risch durch das Prinzip der »Aufhebung« im doppel- ten Wortsinn. Die »Einfühlung« des Zuschauers in die dramat. Figur wird nicht ausgeschlossen, sondern durch Illusionsbrüche sowie erzählend-distanzierte Darstellungsweise zu Kritik u. Reflexion geführt. An- gestrebt ist nicht Gefühllosigkeit oder bloß rationale Haltung, sondern ein neues Gefühl, das die dargestell- ten Figuren u. Vorgänge nicht mehr bewußtlos hin- nimmt, das vielmehr aus reflektierter Einsicht u. be- wußtem Verständnis zu Engagement u. Parteinahme herausfordert. Ab 1936 benutzte B. für die Beschreibung seines »epischen Theaters« den Begriff der »Verfremdung« bzw. (für die darstellerischen Mittel) den des »Ver- fremdungs-Effekts« (auch »V-Effekt« genannt). B.s Definition lautet: »Einen Vorgang oder einen Charak- ter verfremden, heißt zunächst einfach, dem Vorgang oder dem Charakter das Selbstverständliche, Bekann- te, Einleuchtende zu nehmen und über ihn Staunen und Neugierde zu erzeugen« (Über experimentelles Theater. 1939). Gemeint ist eine Absage an alle »Widerspiegelung«, die bloß abbildet, was ohnehin sichtbar ist. Durch bewußt eingesetzte ästhetische Mittel sollen vielmehr die »Vorgänge hinter den Vor- gängen« veranschaulicht u. so als die eigentl. Wir- kungskräfte von Realität ins künstlerische Bild ge- bracht werden (Sichtbarmachung des gesellschaftlich Unsichtbaren). Da die »Verfremdung« zgl. den Kunstcharakter der Darstellung betont, konkret im Drama: das Spiel auf der Bühne als eingeübtes u. künstlerisch gestaltetes Spiel regelrecht ausstellt, haben die Verfremdungs-Effekte zgl. die Tendenz zum Komischen. Freilich meint Komik hier nicht tra- ditionell das auf einem Mißverhältnis von Sein u. Schein basierende Lachen, sondern die Darstellung von gegenwärtigen, noch wirksamen Verhältnissen vom Standpunkt einer »zukünftigen Epoche« aus, u. zwar so, daß ihr »Ernst«, den sie (noch) beanspru- chen, als bereits vergangen u. deshalb als überholt bzw. als bloße Anmaßung denunziert wird. Was hi- storisch überlebt ist, wirkt - erhebt es den Anspruch, noch gültig zu sein - zum Lachen bzw. lächerlich. B. prägt nach dem Krieg (1948) dafür den Begriff des »Gesellschaftlich-Komischen«. Die Theorie des »epischen Theaters« ist verbunden mit der Ausarbeitung eines eigenen Realismus-Kon- zepts, das B. vor allem während der Exilzeit u. in Auseinandersetzung mit der Position von Georg Lukács (sog. »Expressionismusdebatte« 1938) ent- wickelte. Sein Leitsatz »Über literarische Formen muß man die Realität befragen, nicht die Ästhetik, auch nicht die des Realismus« wendet sich gegen die Propagierung innerliterar. Vorbilder u. fordert die Ausbildung von künstlerischen Formen nach den je- weiligen realen Gegebenheiten u. Möglichkeiten der Zeit (auch der Technik u. der Massenmedien). Dabei lehnte B. jede (bloße) »Widerspiegelung« als natura- listisch ab u. propagierte statt dessen die bildnerische Aufdeckung der verborgenen gesellschaftl. Realitäten u. ihrer Widersprüche. »Dazu ist aber Kunst nötig.« Kunst bildet nicht Realität ab, sondern zeigt - selbst autonom u. sich als Kunst bewußt bleibend - mit ihren Mitteln u. Formen auf sie hin. B.s große Stücke entstanden während des Exils, weitgehend ohne Kontakt zum Theater. Mit Leben des Galilei (1. Fassung 1938/39. Urauff. Zürich 1943) kehrte B. mit der Form der dramat. Biographie teilweise zur aristotel. Dramatik zurück. Die histor. Größe der Titelfigur steht spannungsvoll gegen die Verurteilung ihres Verrats an der Wissenschaft durch das Stück. B. deutete Galileis Widerruf vor der Inqui- sition in der ersten Fassung als Selbstauslöschung des Wissenschaftlers. Galileis Erkenntnisse werden »ent- eignet«, die Wissenschaft muß sich ohne ihn durch- setzen. B.s Annahme, daß sich die wissenschaftl. Wahrheit unabhängig von der Person, die sie ent- deckt, verbreitet, wurde desillusioniert, als die neue Wissenschaft der Physik in Gestalt der Atombombe Weltgeschichte machte. Der Galilei der ersten Fas- sung wurde in der Neubearbeitung des Stücks mit Charles Laughton als Verbrecher u. Verräter seiner Wissenschaft gebrandmarkt. Er Figuriert im histor. Fall den prinzipiellen »Sündenfall« der Physik: die Wissenschaft verkauft sich an die Politik u. überläßt ihr die Anwendung. »Ihr mögt mit der Zeit alles ent- decken, was es zu entdecken gibt, und euer Fortschritt wird doch nur ein Fortschritt von der Menschheit weg sein. Die Kluft zwischen euch und ihr kann eines Tages so groß werden, daß euer Jubelschrei über ir- gendeine neue Errungenschaft von einem universalen Entsetzensschrei beantwortet werden könnte.« Mit Mutter Courage und ihre Kinder schrieb B. 1939 sein zum »Klassiker« gewordenes Antikriegs- stück (Urauff. Zürich 1941). In der Übernahme einer Figur von Grimmelshausen zeichnet er den Weg der Marketenderin Anna Fierling durch den Dreißigjähri- gen Krieg nach u. mit ihm den Krieg als »Fortsetzung der Geschäfte mit anderen Mitteln«. Die Versuche der Courage, am Krieg »ihren Schnitt« zu machen, be- zahlt sie mit dem Verlust ihrer drei Kinder u. ihrer Habe. Ohne Einsicht, daß sie mit ihrem Verhalten den Krieg unterstützt u. am »Leben« erhält, zieht sie am Ende allein weiter, Täterin u. Opfer zugleich. Das Stück wendet als »Chronik« die epische Technik kon- sequent an. Im Couragemodell 1949, der ersten Ar- beit des »Berliner Ensembles«, hielt B. seine Vorstel- lung vom Stück musterhaft fest, jedoch ohne daß die Aufführung mit Helene Weigel in der Rolle der Anna Fierling entsprechende Wirkung gezeitigt hätte. Wei- gels Spiel wurde als »Niobetragödie« aufgenommen, ihre Verkörperung als »erschütternde Lebenskraft des Muttertiers« angesehen. Die Modellinszenierung bil- dete dennoch B.s legendären Nachkriegserfolg. Das Schlußbild - die Courage spannt sich allein vor ihren Wagen u. zieht ihn mit schwerem Schritt im Kreis der Drehbühne - erlangte den Ruhm einer archetyp. Dar- stellung menschl. Leidens u. menschl. Ausweglosig- keit. Mit der Inszenierung begann B.s internationaler Durchbruch u. Weltruhm (u.a. Gastspiel 1954 in Paris). Der gute Mensch von Sezuan (1939-41. Urauff. Zürich 1943) bildet ein weiteres Musterstück epischer Dramatik, u. zwar in der Form der Parabel. B. gestal- tete die Handlung als gesellschaftswissenschaftl. Ex- periment, angesiedelt in einem scheinbar fernen, poe- tischen China. Drei Götter kommen auf die Erde u. wollen ihre Welt als gute Einrichtung gerechtfertigt sehen, wenn auf ihr ein guter Mensch leben kann. Sie finden zwar in der Prostituierten Shen Te ihren guten Menschen, sie kann jedoch die Güte nur durch ihre Verwandlung in den bösen Vetter Shui Ta gesell- schaftlich durchsetzen. Im Verlauf der Handlung do- miniert die Maskierung des Shui Ta immer mehr, bis Shen Te hinter ihr ganz verschwindet. In einer ab- schließenden Gerichtsverhandlung entdecken die Göt- ter in Shui Ta ihren guten Menschen, verschwinden in ihr Jenseits u. überlassen Shen Te sich selbst. Der Epilog überantwortet den »offenen Schluß« den Zu- schauern u. hält sie an, selbst das gute Ende zu fin- den: in ihrer eigenen sozialen Wirklichkeit. Theatra- lisch greift B. auf das Muster der Renaissance-Komö- die u. der Hosenrolle zurück. Die Doppelrolle der Shen Te soll die Gespaltenheit des Menschen in der kapitalist. Gesellschaft anschaulich werden lassen. Güte kann unter den gesellschaftl. Verhältnissen nur durch gleichzeitige Ausbeutung durchgesetzt werden. Die Entrückung des Geschehens in die chinesische Fremde sowie die Maskierung der Hauptfigur stellen die theatralisch anschaulichste Form der B.schen »Verfremdungs-Theorie« dar. Eine weitere archetypische Figur schuf B. in seiner Komödie Herr Puntila und sein Knecht Matti (1940. Urauff. Zürich 1948), die im finnischen Exil entstand u. auf einen volkstüml. Stoff seiner Gastgeberin Hella Wuolijoki zurückgeht. Puntila, Besitzer eines Guts- hofs, pflegt sich in betrunkenem Zustand mit seinem Gesinde »gemein« zu machen, um dann in den »An- fällen von Nüchternheit« seine bewußtlosen Ent- schlüsse wieder zurückzunehmen. Gegenspieler ist der - in feudalen Verhältnissen Finnlands - als Prole- tarier gezeichnete Knecht Matti, der Puntila durch- schaut u. ihn am Ende verläßt. Obwohl B. Puntilas trunkene Kumpanei als das nur scheinbar menschl. Antlitz rücksichtsloser Willkürherrschaft entlarven wollte, hat sie im Gegenteil gerade als Ausdruck sei- ner eigentl. Freundlichkeit u. Menschlichkeit gewirkt. Als Gestaltung urwüchsiger volkstüml. Lebenskraft nahmen Kritik u. Publikum das Stück ab 1949 auf, das B. zu einem seiner nachhaltigsten Theatererfolge verhalf. Als Parabel einer mögl. Erneuerung der gesell- schaftl. Verhältnisse im Nachkriegsdeutschland ver- faßte B. am Kriegsende den Kaukasischen Kreide- kreis (1944. Urauff. Northfield/Minnesota 1948). In der Leidensgeschichte der Magd Grusche, die das Kind ihrer Herrschaft rettet u. als eigenes aufzieht, thematisiert das Stück das Besitzrecht der Arbeiter am »Produkt« ihrer Arbeit. In der Kreidekreisprobe nach dem bibl. Muster Salomos erhält am Ende nicht die leibl. Mutter das Kind zugesprochen, sondern Grusche, die es aufgezogen u. damit zu » ihrem« Kind gemacht hat: »Daß da gehören soll, was da ist, denen, die für es gut sind, also / Die Kinder den Mütterlichen, damit sie gedeihen / Die Wagen den guten Fahrern, damit gut gefahren wird / Und das Tal den Bewässerern, damit es Frucht bringt.« Die dramat. Tätigkeit B.s nach dem Krieg war hauptsächlich von prakt. Theaterarbeit bestimmt, die sich in vielfältigen Bearbeitungen u. Modellinszenie- rungen fremder Stücke niederschlug: Die Antigone des Sophokles (1948. Urauff. Chur 1948), Der Hof- meister nach Lenz (1949. Urauff. Bln./DDR 1950), Coriolan nach Shakespeare (1950/51. Urauff. 1962), Don Juan nach Molière (1952-54. Urauff. Rostock 1950) u.a. Die Arbeit galt in erster Linie der Wieder- herstellung eines »Standards« in der Schauspielkunst. Diese sah B. in der »Ästhetisierung der Politik« durch das »Einfühlungs- und Suggestions-Theater«, das die Nationalsozialisten in der alltägl. Wirklichkeit mit aller Rücksichtslosigkeit gespielt hatten, als grund- sätzlich korrumpiert an. Der Ästhetisierung der Natio- nalsozialisten stellte B. seine »Politisierung der Äs- thetik« entgegen, die das Ziel haben sollte, nach der Erfahrung der Barbarei zu einem menschlicheren Zu- sammenleben zu kommen. Mit ungefähr 2500 Gedichten war B. einer der pro- duktivsten Lyriker seiner Zeit. Obwohl er auch in der Lyrik den »Ausdruck« von Persönlichkeit mied, die übliche lyr. Gefühlshaftigkeit u. Stimmung mißachte- te u. keinen einheitlich gestimmten subjektiven Ton entwickelte, gewinnen seine Gedichte durch Vielfalt in Motiven, Bildern, Sprache u. durch themat. Reich- tum ihre unverwechselbare Eigenart, ohne den lyr. Ton zu verlassen. So schrieb er Gedichte über Alltäg- liches, Frivoles, Obszönes u. Politisch-Brisantes, nahm aber auch traditionelle Themen der Lyrik auf u. brachte sie in neue, überraschende u. provozierende Zusammenhänge. Satire u. Parodie gehören ebenso zum Erscheinungsbild von B.s Lyrik wie polit. u. hu- manes Engagement sowie die B. eigene Freundlich- keit. Das Besondere seiner Lyrik, v. a. der frühen, ist durch ihre Sprechbarkeit bzw. Singbarkeit markiert; sie entsteht vorwiegend zur Klampfe, als spontane Er- findung oder häufig auch als Parodie. Selbst das be- rühmte »sentimentale« Gedicht Erinnerung an die Marie A.[6] (in: Hauspostille. Bln. 1927) greift in Text u. Melodie auf einen populären Schlager der Zeit zu- rück u. parodiert ihn. B. wünschte sich seine Lyrik in den Köpfen, nicht auf dem Papier, u. förderte ihre produktive Weiterentwicklung, so als ob es sich um volkstüml. Liedgut handelte. B. verfügte über alle wesentl. Formen der Lyrik: Er übernahm mit Hexametern u. Odenstrophen antike Metren (Das Manifest. 1945-55. Beim Lesen des Horaz. In: Buckower Elegien. Bln./DDR 1953), dichtete mit Kinderreimen, Knittelversen in volks- tüml. Liedformen (Kinderlieder. 1934 u. 1937. Ftm. 1964. Kriegsfibel. Bln./DDR 1955), schuf mit Sonet- ten, Balladen klass. Gedichtformen (Augsburger So- nette. 1925-27. Ffm. 1960), schrieb »reimlose Lyrik mit unregelmäßigen Rhythmen« (Deutsche Satiren. In: Svendborger Gedichte. London 1939), epigram- mat. Gedichte (Deutsche Kriegsfibel. 1937), Erzähl- gedichte (Legende von der Entstehung des Buches Taoteking. In: Svendborger Gedichte) bis hin zu Pro- sagedichten (Psalmen. In: Hauspostille), zu Gedich- ten in Zwei-Wort-Versen (Vergnügungen. Um 1954) u. Wandinschriften (Theater. Um 1955). Die Texte wurden in der Regel distanziert u. ver- sachlicht präsentiert, indem B. die Strophen durch- zählte u. im Vortrag die Strophenkennziffer als Ordi- nalzahl mitsprach. Viele seiner Gedichte publizierte B. als Lieder mit Noten. Wenn er sie nicht selbst ver- tonte, schrieb er sie häufig zur Vertonung oder sie wurden unabhängig von ihm mit Kompositionen ver- sehen. Seine wichtigsten Komponisten waren Franz S. Bruinier (Erinnerung an die Marie A.), Kurt Weill (Das Lied vom Surabaya-Johnny), Hanns Eisler (Die Ballade vom Wasserrad), Paul Dessau (Der Mann- ist-Mann-Song) u. Rudolf Wagner-Régeny (Lied der Melinda). B.s polit. Lyrik, insbes. die der Exilzeit, hat die dt. Lyrik einschneidend verändert u. zgl. ihre Ausdrucks- möglichkeiten um neue Dimensionen erweitert. B. integrierte in ihr persönl. Betroffenheit, Zeitthematik, gesellschaftskrit. Engagement u. humane Anteilnahme (An die Nachgeborenen. In: Svendborger Gedichte). Diese Gedichte wurden Vorbild für die Politisierung der Lyrik in den 60er Jahren, die unter dem Schlag- wort »Veränderung der Lyrik« stand. B. publizierte drei große Gedichtsammlungen: 1927 Bert Brechts Hauspostille, 1934, zusammen mit Hanns Eisler, Lieder Gedichte Chöre (Paris) u. 1939 die Svendborger Gedichte. Die erste Sammlung parodiert das lutherische Vorbild in Anordnung (Ein- teilung in »Lektionen« mit den Gedichten als »Kapi- teln«) u. Thematik (nihilistisch-vitalist. Grundhal- tung). Mit ihr zog B. die Summe seines lyr. Früh- werks. Sie enthält – abgesehen von der späten Lyrik – seine lyrischsten Gedichte. Als antifaschisti- sches Liederbuch machte die zweite Anthologie (auch) polit. Geschichte. Ihre Lieder, die z. T. bereits während der Weimarer Republik in der Arbeiterbewe- gung verbreitet waren, setzten sich als Massenlieder durch. Sie wurden u.a. im Spanischen Bürgerkrieg im alltägl. Kampf gesungen oder von Exilsendern gegen die Nationalsozialisten ausgestrahlt (z.B. Das Ein- heitsfrontlied). Die letzte Sammlung vereinigt die polit. Lyrik des skandinav. Exils. Der Wechsel der Formen (vom Epigramm bis zum Erzählgedicht), der themat. Reichtum (vom antiken Mythos bis zur polit. Zeitsatire) u. die Vielfalt des lyr. Gestus (von der en- gagiert-bissigen Tonlage bis zum persönlich ge- stimmten Ton) bestimmen ihr Bild u. zeichnen sie als eine der wichtigsten Gedichtsammlungen des 20. Jh. aus. Obwohl der Prosaist B. hinter den Stückeschreiber u. Lyriker zurücktritt, liegt auch mit seinem Prosa- werk ein wesentl. Beitrag zur Literatur des 20. Jh. vor. Ein charakterist. Merkmal ist die eigenartige Di- stanz des Erzählers zum Erzählten u. die stete Be- wußtheit, daß erzählt wird (»vermittelndes Erzäh- len«). Die Prosasatire Dreigroschenroman (1933/34. Amsterd. 1934) verknüpft traditionelle Erzählmuster (Kriminalroman) mit »technifizierter« Prosa nach dem Vorbild des Films. Der Tui-Roman (1930-42. Ffm. 1967) stellt eine Auseinandersetzung mit der Haltung der Intellektuellen (von B. »Tuis« genannt) in der Weimarer Republik u. während des Faschismus dar u. knüpft mit seiner satir. Darstellungsweise an Swift an. Als großangelegtes Projekt sollte er die Gattungen Roman, Epos, Erzählung, Lyrik, Drama u. Aufsatz miteinander vereinen, blieb jedoch Fragment. Die Ka- lendergeschichten (Halle/Saale 1948) gehören zu den bekanntesten Geschichten der Nachkriegszeit u. sind in den Lesestoff der Schulen eingegangen. In ihnen verband B. volkstüml. Tradition (Johann Peter Hebel) u. gesellschaftskrit. Zeitthematik. In den Geschichten dominiert die Darstellung menschl. Freundlichkeit in schwierigen Zeiten. Wie sein gesamtes Werk doku- mentieren sie B.s Überzeugung, daß die Kunst nur einer Instanz zu dienen habe: der Lebenskunst. B. hat überdies ein umfangreiches theoret. Werk hinterlassen: Auseinandersetzungen mit Literatur u. Kunst, Schriften zur Philosophie u. Ästhetik sowie v. a. die Schriften zum Theater, die in ihren häufig apo- diktischen Formulierungen das poetische Werk über- deckt haben u. in seinem spezifisch ästhetischen Cha- rakter verkennen ließen. Die theoret. Hauptschrift stellt das Kleine Organon für das Theater (1948. Erstdr. Bln./DDR. 1949) dar, eine an Francis Bacons Novum Organon (1621) orientierte Aphorismen- sammlung, die B.s »episches Theater« als »Theater des wissenschaftlichen Zeitalters« neu bestimmt u. gegen die bürgerl. Unterhaltungsindustrie abgrenzt (»Zweig des bourgeoisen Rauschgifthandels«). Frag- ment geblieben ist das großangelegte Projekt des Messingkaufs, ein Streitgespräch auf dem Theater über das Theater mit eingestreuten Übungsszenen, Gedichten u. theoret. Aufsätzen. Intensive Auseinan- dersetzungen mit den modernen Medien (Rundfunk/ Film) führte B. im Dreigroschenprozeß (Bln. 1931) sowie mit seiner Radiotheorie, die allerdings nicht zu Lebzeiten publiziert wurde. Wie er mit seinem Thea- ter eine neue, dem wissenschaftl. Standard der Zeit entsprechende Ästhetik einführen wollte, die in erster Linie den Zuschauer aus seiner passiven Konsumen- tenhaltung befreien sollte, so prangerte er mit seinen medientheoret. Schriften den Einsatz der modernen Apparate zugunsten seichter Unterhaltung u. Ablen- kung an; Ziel war es, die Distribution (Zerstreuung) wieder durch Kommunikation zu ersetzen u. zgl. die - noch im Beginn liegende - Funktion der Medien, Le- bensersatz zu produzieren, aufzudecken. Die Schriften zur Ästhetik, die erst 1967 durch die Ausgabe der Ge- sammelten Werke bekannt wurden, wirkten im Kon- text der Studentenrevolte (1968) in der BR Deutsch- land als Ersatzphilosophie für eine - weitgehend feh- lende - marxistische Theorie; die wichtigsten Schrif- ten, geschrieben um 1938 in der Auseinandersetzung mit Georg Lukács, beeinflußten wesentlich den Rea- lismusbegriff in der Kunst u. Literatur der damaligen Zeit u. führten dazu, B. in erster Linie als Theoretiker zu rezipieren, dessen Werk den eigenen Überzeugun- gen weitgehend nicht standzuhalten schien. Die Kam- pagne »Brecht ist tot«, die 1978 einsetzte u. B. der Vereinfachung sowie eines oberflächl. Verständnisses von Kunst (als Vehikel von Propaganda u. »Lehre« im Dienst einer zweifelhaften Ideologie) zu überfüh- ren meinte, basiert auf der dominanten Rezeption der Theorie sowie der aus ihr abgeleiteten Überzeugung, mit Kunst u. Literatur zur Veränderung der (realen) Verhältnisse beitragen zu können: Die Enttäuschun- gen, die die gesellschaftl. Entwicklung mit sich brach- te, wurden dem (ehemaligen) Lehrmeister als »Feh- ler« angelastet. Es war u. ist das Verdienst des Thea- ters, die Spielfreude der B.schen Stücke stets neu ent- deckt u. damit auch für ein heutiges Publikum be- wahrt zu haben. B. zählt zu den »modernen Klassikern« der dt. Li- teratur, stellt aber insofern einen Sonderfall dar, als er mit seiner Entscheidung, in der DDR zu leben, zu ar- beiten u. am Aufbau des Sozialismus mitzuwirken, für eine Weile zum Streitfall der Politik geworden war. In der BR Deutschland galt er offiziell lange Zeit als kommunistischer Dichter, der Propaganda für die Unmenschlichkeit des Sozialismus machte. 1953, nach dem 17. Juni, sowie 1961 nach dem Mauerbau gab es regelrechte Anti-Brecht-Kampagnen. Dennoch setzten v. a. die Theater u. das Publikum das Werk B.s durch u. sorgten dafür, daß B. mit seinen großen Dramen (Galilei, Der gute Mensch von Sezuan, Mut- ter Courage) sowie mit seinen Geschichten (v. a. den Geschichten vom Herrn Keuner) auch zum Schul- buchautor wurde u. seitdem nicht mehr aus dem Lite- ratur-Kanon von Schule u. Hochschule wegzudenken ist. Sein Werk wurde jedoch nicht in seinem Sinn als Zeitdichtung, sondern als Ausdruck allgemein- menschl. Problematik interpretiert. Die DDR dagegen beanspruchte B. nach seinem Tod als »Nationaldich- ter«, kanonisierte sein Werk, v. a. die polit. engagier- ten Stücke (insbes. Die Mutter u. Die Gewehre der Frau Carrar. Urauff. Paris 1937) sowie seine Kampflieder, u. sorgte mit der Fortführung der Mo- dellinszenierungen am Berliner Ensemble für eine bis heute fast ungebrochene, inzwischen aber umstrittene Kontinuität von B.s Theaterarbeit. Einrichtungen wie das »Brecht-Zentrum der DDR«, dem in der BR Deutschland trotz der ungebrochenen Popularität B.s nichts Vergleichbares entgegensteht, sehen sich im Dienst einer weltweiten Verbreitung eines dichteri- schen Werks, das in der Verbindung von hoher poeti- scher Bedeutung u. politisch-sozialistischen »Anlie- gen« in der dt. Literatur als einzigartig gilt. & WEITERE WERKE: Sammelausgaben: Ges. Werke. 2 Bde., London 1938 (= Malik-Ausg.). - Ges. Werke. Hg. Suhrkamp Verlag in Zusammen- arbeit mit Elisabeth Hauptmann. 20 Bde., 4 Suppl. -Bde., 1967-82 (= Werkausg. Ed. Suhr- kamp). Bde. 1-20, Ffm. 1967. Suppl. -Bde. hg. v. Herta Ramthun. Bde. 1-2, Ffm. 1969. Bde. 3-4, Ffm. 1982. - Ges. Werke. Hg. Suhrkamp Verlag in Zusammenarbeit mit Elisabeth Hauptmann. 8 Bde., 2 Suppl. -Bde., Ffm. 1967-82 (= Suhrkamp- Dünndruckausg.). Bde. 1-8, Ffm. 1967. Bd. 9, Ffm. 1969. Bd. 10, Ffm. 1982. Suppl. -Bde. hg. v. Herta Ramthun. - Werke. Hg. Werner Mittenzwei. 5. Bde., Bln./DDR u. Weimar 1973. - Werke. Hg. Werner Hecht u.a. 30 Bde. Ersch. 1988 ff (= Große kommentierte Berliner u. Frankfurter Ausg.). Bde. 1-5, Bde. 11-12, Ffm. u. Bln./DDR 1988. - Teil- ausgaben: Hundert Gedichte. 1918-50. Hg. Wie- land Herzfelde. Bln./Weimar 1951. - Erste Stücke. 2 Bde., Bln./Weimar 1953. - Stücke. 14 Bde., Bln./Weimar 1955. - B. B.s Gedichte u. Lieder. Hg. Peter Suhrkamp. Ffm. 1956. - Gedichte. 10 Bde., Ffm. 1960-76. - Prosa. 5 Bde., Ffm. bzw. Bln./DDR u. Weimar 1965. - Schr.en zum Thea- ter. 7 Bde., Ffm. bzw. Bln./DDR u. Weimar 1963/ 64. - Schr.en zur Lit. u. Kunst. 3 Bde., Ffm. 1967. - Schr.en zur Politik u. Gesellsch. Ffm. 1968. - Briefe: Briefe. Hg. Günter Glaeser. 2 Bde., Ffm. 1981. - Tagebücher: Arbeitsjournal. Hg. Werner Hecht. 3 Bde., Ffm. 1973. - Tagebü- cher 1920-22. Autobiogr. Aufzeichnungen 1920- 54. Hg. Herta Ramthun. Ffm. 1975. - Gespräche: B. im Gespräch. Hg. Werner Hecht. Ffm. 1975. & LITERATUR: Bibliographien: Klaus Diet- rich Petersen: B. -B. -Bibliogr. Bad Homburg/ Bln./Zürich 1968. - Gerhard Seidel: Bibliogr. B. B. Bd. 1: Titelverz. Deutschsprachige Veröffentlichungen aus den Jahren 1913-72. Bln./ Weimar 1975. - Gesamtdarstellungen: Reinhold Grimm: B. B. Stgt. 1961. 31971. - Jan Knopf: B. -Hdb. Eine Ästhetik der Widersprüche. Bd. 1: Theater. Stgt. 1980. Bd. 2: Lyrik, Prosa, Schr.en. Mit einem Anhang: Film. Stgt. 1984. 21986. - Jörg-Wilhelm Joost, Klaus-Detlef Müller u. Mi- chael Voges: B. B. Epoche, Werk, Wirkung. Mchn. 1985. - Biographien: Klaus Völker: B. B. Eine Biogr. Mchn./Wien 1976. - Werner Hecht (Hg.): B. B. Sein Leben in Bildern u. Texten. Ffm. 1978. - Ernst Schumacher: Leben B.s in Wort u. Bild. Bln. 1979. - Werner Mittenzwei: Das Leben des B. B. oder Der Umgang mit den Welträtseln. 2 Bde., Bln./DDR 1986. - Einflüsse: Hans Mayer: B. B. u. die Tradition. Pfullingen 1961. - Werner Mittenzwei: B.s Verhältnis zur Tradition. Bln./ DDR 1973. - James K. Lyon: B. B. u. Rudyard Kipling. Ffm. 1976. - Antony Tatlow: The Mask of Evil. B.s Response to the Poetry, Theatre and Thought of China and Japan. Bern/Ffm./Las Vegas 1977. - Eberhard Rohse: Der frühe B. u. die Bibel. Gött. 1983. - Wirkungen: André Müller: Kreuz- zug gegen B. Bln. 1962. - Monika Wyss (Hg.): B. in der Kritik. Rez.en aller B. -Urauff.en. Mchn. 1977. - Beziehungen: Hanns Otto Münsterer: B. B. Erinnerungen aus den Jahren 1917-22. Zürich 1963. - Arnolt Bronnen: Tage mit B. B. Wien/ Mchn./Basel 1960. - Hans Bunge: Fragen Sie mehr über B. Hanns Eisler im Gespräch. Mchn. 1970. - Werner Frisch u. K. W. Obermeier: B. in Augsburg. Bln./Weimar 1975. - Hans Bunge (Hg.): B.s Lai-Tu. Erinnerungen u. Notate v. Ruth Berlau. Darmst. 1985. - Einzelne Gattungen: Klaus Schuhmann: Der Lyriker B. B. 1913-33. Bln. 1964. 21971. - Klaus Birkenhauer: Die eigenrhythm. Lyrik B.s. Tüb. 1971. - Reiner Stein- weg: Das Lehrstück. Stgt. 1972. - Edgar Marsch: B. -Kommentar zum lyr. Werk. Mchn. 1974. - Wolfgang Gersch: Film bei B. Mchn. 1975. - Klaus-Detlef Müller: B. -Kommentar zur erzählen- den Prosa. Mchn. 1980. - Christiane Bohnert: B.s Lyrik im Kontext. Königstein/Taunus. 1982. - Walter Hinderer (Hg.): B.s Dramen. Neue Interpre- tationen. Stgt. 1984. - Wolfgang Jeske. B. B.s Poetik des Romans. Ffm. 1984. - Große Themen: Ästhetik: Heinz Brüggemann: Literar. Technik u. soziale Revolution. Versuche über das Verhältnis von Kunstproduktion, Marxismus u. literar. Tradi- tion in den theoret. Schr.en B.s. Reinb. 1973. - Herbert Claas: Die polit. Ästhetik B. B.s vom Baal zum Caesar. Ffm. 1977. - Amerika: Helfried W. Seliger: Das Amerikabild B. B.s. Bonn 1974. - James K. Lyon: B. B. in Amerika. Ffm. 1984. - Arbeitsweise: Gerhard Seidel: B. B. Arbeitsweise u. Edition. Bln. 1970. 21977. - Exil: B. auf Fünen. Exil in Dänemark 1933-39. Wuppertal 1974. - Frauen: Ute Wedel: Die Rolle der Frau bei B. Ffm./Bern/New York 1983. - Geschichte: Hans Mayer: B. in der Gesch. Ffm. 1971. - Klaus- Detlef Müller: Die Funktion der Gesch. im Werk B. B.s. Tüb. 1972. - Komik: Peter Christian Giese: Das ›Gesellschaftlich-Komische‹. Stgt. 1974. - Musik: Fritz Hennenberg: Dessau. B. Mu- sikal. Arbeiten. Bln. 1963. - Gottfried Wagner: B. u. Weill. Mchn. 1977. - Albrecht Dümling: Laßt euch nicht verführen. B. u. die Musik. Mchn. 1985. - Naturwissenschaften: Jan Knopf: B. B. u. die Naturwissenschaften. In: B. -Jb. 1978, S. 13- 39. - Theater: Käthe Rülicke-Weiler: Die Drama- turgie B.s. Bln. 1966. - Manfred Wekwerth: Schr.en. Arbeit mit B. Bln. 1973. 21975. - Man- fred Voigts: B.s Theaterkonzeptionen. Entstehung u. Entfaltung bis 1931. Mchn. 1977. Jan Knopf ________________________________ [1] Auszusondern waren nach 1933 1. alle „gegen den nationalsozialistischen Staat und gegen die Volksgemeinschaft“ eingestellten Schriften 2. Bücher die „das Christentum betreffen“ 3. Die sogenannte „Asphaltliteratur“ sollte verschwinden. Zu dieser „Literatur der Standpunktlosigkeit“ gehörten Werke zahlreicher bekannter Schriftsteller: Hausmann, Kästner, H. Mann, Remarque, Ringelnatz, Roth u.a. _ [2] freie Zeit u. [innere] Ruhe, um etwas zu tun, was den eigenen Interessen entspricht [3] 1918 wurde er freier Mitarbeiter des Berliner Börsen-Couriers, 1919 wurde er Nachfolger von Alfred Kerr als Theaterkritiker der im Scherl Verlag erscheinenden Tageszeitung Der Tag. 1922-1933 war er Theaterkritiker des von Emil Faktor geleiteten Berliner Börsen-Couriers.. [4] Sergei Michailowitsch, russ. Schriftsteller, *ÿGoldingen (heute Kuldiga, Lettland) 20.ÿ6. 1892, �ÿ(in Haft) 9.ÿ8. 1939; Futurist, vertrat eine agitatorisch angelegte »Literatur der Fakten«, z.ÿB. Drama »Brülle China!« (1926); 1937 verhaftet, 1957 rehabilitiert. [5] Korsch wechselte 1919 parteipolitisch von der SPD zur USPD und 1920 zur KPD, die ihn sechs Jahre später ausschloss. 1924 wurde ihm seine Professur für Zivilrecht in Jena aus politischen Gründen aberkannt. Zu seinen Hörern zählte Bertolt Brecht, mit dem er befreundet blieb. 1933 floh er ins Exil nach England und weiter nach Dänemark, 1936 ging er in die USA, wo er kurzzeitig in New Orleans eine Professur vertrat und sonst als unabhängiger Gelehrter wirkte. ,,Industrielle Demokratie" war das Stichwort, das der Jurist, Nationalökonom und Sozialphilosoph Karl Korsch (1886-1961) 1919 in die öffentliche Debatte über Sozialisierungskonzepte nach der Novemberrevolution einbrachte. Eine ,,Kontrolle von unten" sollte den ,,sozialen Rechtsstaat" herbeiführen und zu einer Gesellschaft wirklicher Gemeinwirtschaft führen. Mit seinen Thesen stand er quer zum bürgerlichen Staat sowie zu sozialistischen Parteien und wurde zum Außenseiter. Dennoch war in jener Zeit seine Studie Marxismus und Philosophie von 1923 eine der am meisten diskutierten Arbeiten zum Marxismus. [6] Drei Strophen, von denen die zweite recht zynisch wirken kann: Seit jenem Tag sind viele, viele Monde Geschwommen still hinunter und vorbei Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen Und fragst du mich, was mit der Liebe sei? So sag ich dir: Ich kann mich nicht erinnern. Und doch, gewiß, ich weiß schon, was du meinst Doch ihr Gesicht, das weiß ich wirklich nimmer Ich weiß nur mehr: Ich küsste es dereinst.