Dieter Mayer: Brecht Zmegac-GddL Bd. III, S. 115 ff. Die linkssozialistischen Theaterversuche knüpften vor allem an Piscators kurzlebiges ›Proletarisches Theater‹ an, seine Praxis eines von der Regie bestimmten Theaters. Vor allem seine Versuche, massenhaft rezipierte szenische Formen, wie die Revue, und die technischen Medien für ein politisches Theater umzufunktionieren, wiesen in die Richtung eines sozialistischen Experimentiertheaters. Die Darstellung von Wirtschaftsprozessen in einer komödienhaften Spielhandlung, wie dies in Leo Lanias Konjunktur[1] versucht wurde, interessierten Bertolt Brecht (der an der Überarbeitung des Textes mitwirkte) und Friedrich Wolf, die beiden wichtigsten sozialistischen Dramatiker der späteren zwanziger Jahre. Bertolt Brecht hatte in seinen frühen Dramen die Möglichkeit des Pathetischen und der Persiflage, das Spiel mit verschiedenen aktuellen Spielformen erprobt. Die antibürgerliche Geste dabei war unverkennbar. Seinen ersten Versuch, am Theater in Berlin Fuß zu fassen, arbeitete er im Stück über das ›deutsche Chicago‹ Im Dickicht der Städte (1921-1924, gedruckt 1927) auf. Als er dann 1924 endgültig nach Berlin übersiedelte, ins Zentrum des linksbürgerlichen und sozialistischen Kunstbetriebs, beschäftigte er sich intensiv mit dem älteren Galgei- Projekt, das 1927 unter dem Titel Mann ist Mann erschien. Dieses ›Lustspiel‹ nimmt im politischen und dramatischen Weg Brechts während der zwanziger Jahre eine Schlüsselstellung ein. Das Stück stellt eine provokative Kampfansage an das traditionelle bürgerliche, psychologisierende Drama dar, eine Darstellungsform, die Brecht als ungeeignet für die Verarbeitung der aktuellen Wirklichkeit erklärte: »Diese Dinge sind nicht dramatisch in unserem Sinne, und wenn man sie ›umdichtet‹, dann sind sie nicht mehr wahr, und das Drama ist überhaupt keine solche Sache mehr, und wenn man sieht, daß unsere heutige Welt nicht mehr ins Drama paßt, dann paßt das Drama eben nicht mehr in die Welt.« Hier deutete sich ex negativo bereits das Grundmodell des ›epischen Theaters‹ an. Dem Zuschauer wird die Entbürgerlichung der Dramenform in Mann ist Mann durch die Ummontierung eines Individuums (›Individuum‹ im Sinne der idealistischen Begrifflichkeit) in einen Typus, in den austauschbaren Vertreter einer sozialen Gruppe vor Augen geführt (»Herr Bertolt Brecht behauptet: Mann ist Mann./Und das ist etwas, was jeder behaupten kann:/Aber Herr Bertolt Brecht beweist auch dann/Daß man mit einem Menschen beliebig viel machen kann./Hier wird heute abend ein Mensch wie ein Auto ummontiert/Ohne daß er irgendetwas dabei verliert«). Auch die Bezeichnung des Stückes, in dem die Deformierung des Packers Galy Gay in ein verfügbares Objekt und schließlich in eine mörderische ›Kampfmaschine‹ dargestellt wird, als ›Lustspiel‹ mußte befremden. Auf die Formel „Mann ist Mann" bringt Brecht also seine Feststellung, daß der Kapitalismus mit einem Menschen alles macht, wenn er nicht „nein" sagen kann. Drei in Indien stationierte Soldaten verlieren bei einem Einbruch in den Tempel ihren vierten Mann und müssen daraufhin mit ernsten Repressalien rechnen, falls dies bei der Truppenführung ans Tageslicht käme. So schmieden sie den Plan, einen fremden Bürger mit Namen Galy Gay, den sie zufällig treffen, zu ihrem fehlenden vierten Mann „umzubauen", das heißt, sie wollen ihn so einer Gehirnwäsche unterziehen, dass dieser schließlich die Rolle eines Soldaten übernimmt und sich vor der Kompanieführung als der fehlende ausgibt. Als Galy Gay sich weigert, im Heer zu bleiben, verwickeln sie ihn in ein illegales Geschäft mit einem Elefanten und verurteilen ihn später zum Tod. Beim Befehl, zu feuern, fällt der verurteilte Galy Gay in Ohnmacht, doch die Soldaten haben nur Platzpatronen geladen.Als Galy Gay wieder aufwacht, erzählen ihm die Soldaten, daß Galy Gay gerade erschossen worden sei, und daß er, als alter Freund, eine Grabrede auf ihn zu halten habe. Galy Gay hat nun die Identität von Jeraiah Jip angenommen und hält daraufhin auf seine frühere Persönlichkeit Galy Gay eine Grabrede. Brecht hat in seinem Stück die grelle Aggressivität der Soldateska durch chaplineske Szenen in Slapstick-Manier ins Groteske verfremdet. Das soziale Umfeld bildet das Heer und die Soldatenhure Begbick, die vorindustriellen Lebensverhältnisse der malträtierten Eingeborenen werden als Hintergrund des Stückes benutzt. Auch das Publikum wird – wie die Eingangsadresse an die Zuschauer zeigt – zur Aufgabe der traditionellen Rezeptionshaltung im Theater aufgefordert; gegen Ende des Zwischenspiels wird im Stück selbst die Frage diskutiert, ob dies nun gutes oder schlechtes Theater sei. Was an diesem Stück in die Richtung des epischen Lehrtheaters weist, ist weiterhin der Parabelcharakter, die Brechung der Fabel durch ihre Behandlung auf der Spiel- und der Kommentarebene, und der virtuose parodistische Gebrauch verschiedener Sprach- und Stilformen, durch den die klassische Totalitätsforderung auf unterschiedliche Weise durchbrochen wurde. Das parodistische Spiel mit tradierten Formen und ihre Umfunktionierung für seine politischen Absichten, die seit dem Beginn des Marx-Studiums (1926) klarere Umrisse annahmen, setzte Brecht mit seinen ›Opern‹ (Die Dreigroschenoper, 1928; Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, 1929; Happy End, 1929), den Versuchen für neue Medien (Der Flug der Lindberghs, später: Der Ozeanflug, 1929; Das Badener Lehrstück vom Einverständnis, 1929; Die Beule, 1930; Kuhle Wampe, 1932) sowie mit einigen Lehrstücken und Schulopern (Die Maßnahme, 1930; Die Ausnahme und die Regel, 1930; Der Jasager, 1930; Der Neinsager, 1931; Die Spitzköpfe und die Rundköpfe, 1931) fort. Die doppelte Bemühung um zeitgemäße Darstellungs- und Rezeptionsformen für ein Theater, das zugleich didaktische wie unterhaltende Ziele verfolgen sollte, einerseits, und zum anderen um ein den neugewonnenen marxistischen Einsichten gemäßes Theater bildeten nun die Grundlage für Brechts Arbeit ebenso wie seine nun immer intensivere, bis in die späten Berliner Jahre andauernde Auseinandersetzung mit der Kulturpolitik und dem Kunstbegriff der Kommunistischen Partei. Daraus ergaben sich Spannungen, die Brecht auszuhalten und auszudiskutieren versuchte, Spannungen, die ihn den ›bürgerlichen‹ Kunsttheoretikern ebenso verdächtig machten wie der marxistischen Orthodoxie (bis zum Ende der zwanziger Jahre veröffentlichte Brecht seine kunsttheoretischen und -politischen Essays stets in linksbürgerlichen Blättern, nicht etwa in der »Roten Fahne«, seine poetischen Werke vor allem bei Kiepenheuer[2] (Versuche, 1930 ff.) und Ullstein-Propyläen[3]). Parallel zu der Arbeit an seinen Stücken, die, gemäß seinem unfeierlichen Autoren-Begriff, häufig in Zusammenarbeit mit Kollegen entstanden (u. a. arbeiteten Elisabeth Hauptmann, Leo Lania, Hanns Eisler, Slatan Dudow, Caspar Neher, Kurt Weill, Emil Burri, Ernst Ottwalt und Günther Weisenborn an ihnen mit), liefen die Bemühungen um eine theoretische Klärung der neuen Theaterform. Von den zahlreichen, meist kürzeren, tagebuchartigen Texten sind die Anmerkungen zu Mahagonny (1931) und der Dreigroschenoper (1931) besonders bekannt geworden, weil hier die ›epische‹ der ›dramatischen‹ Form des Theaters thesenartig entgegengesetzt wurde und Brecht sich hier auch prononciert zum Wirkungsaspekt äußerte. Eines der Grundthemen bei Brecht, das menschliche Verlangen nach Glück und Liebe unter den Bedingungen des Kapitalismus, wurde in den beiden Opern – Produkt der Zusammenarbeit zwischen Brecht und Weill seit 1927 nach älteren Plänen des Schriftstellers – mit den Mitteln moderner Bühnentechnik und einer Musik, die in kleiner Besetzung zahlreiche parodistisch verwendete Zitate und U-Musik-Anleihen zusammenmontierte, aktualisiert, wobei Brecht die Beliebtheit der amerikanischen Unterhaltungsrevuen geschickt benutzte und zugleich persiflierte. Vor allem die Dreigroschenoper (uraufgeführt im Berliner Theater am Schiffbauerdamm) wurde ein Riesenerfolg; der Schwung der Inszenierung (Regie: Erich Engel) überdeckte freilich weitgehend die kritische Schärfe, die Brecht dem alten Stoff abgewonnen hatte. Brecht versuchte diese im Dreigroschenroman (1933/1934) und im Dreigroschenfilm (Die Beule, 1930) dadurch zurückzugewinnen, daß er die Darstellung der Geschäftspraktiken der Peachum und Macheath sehr viel breiter ausführte und dadurch das ›Kulinarische‹ zugunsten des didaktischen Elements zurücknahm. Der von Brecht gewünschte Aufschrei der liberal-demokratischen Presse gegen die Dreigroschenoper blieb ebenso aus wie ein Publikumsskandal; die »Weltbühne« konstatierte bei der Berliner Ur- aufführung »Stimmung für frisch-fröhliche Wehrpflicht und Kolonien und Panzerkreuzer«. Dagegen erzielte Mahagonny die gewünschte Provokation: das Stück wurde nacheinander in Leipzig, Braunschweig, Kassel und Frankfurt rasch wieder abgesetzt, vor allem auf Proteste der Nationalsozialisten hin, gegen deren faschistische Ideologie sich das Stück ebenso aussprach wie gegen die anarchische Profit- und Konsumwelt, in der Adorno bereits 1930 »die exakte Projektion der gegenwärtigen Verhältnisse auf die unberührt weiße Fläche des Zustandes, der werden soll« erkannte. Brecht wußte wohl, und das erklärt die Wirksamkeit der Dreigroschenoper bis heute, daß auch dieses Stück mit seinen vergnüglich-zynischen Effekten ins Unpolitische transzendiert werden konnte, was auch in der benutzten Opernform angelegt war (»kulinarisch wie es sich für eine Oper schickt«, nannte er das Werk nachträglich in den Anmerkungen zu Mahagonny). Daher experimentierte er seit der Mitte der zwanziger Jahre auch vermehrt mit neuen Darstellungsmöglichkeiten, wie sie Film und Rundfunk bereitgestellt hatten: »Aber es ist eine gute Zeit, in der die reine Produktion, weit entfernt, ein überlebtes, abgenütztes und appetitloses Theater zu beliefern, sich entschließt, dies Theater zu beseitigen«, Junges Drama und Rundfunk, (1927). Dabei ist eine frühe Phase, in der Brecht die innovatorischen Möglichkeiten der technischen Medien, wohl auch unter dem Einfluß des modischen ›Amerikanismus‹, sehr optimistisch beurteilte, von der Zeit zu unterscheiden, als er einsah, daß sowohl die Organisationsstruktur in den privatkapitalistisch geführten Filmgesellschaften wie auch die des Rundfunks, der von seinen Gründern zu einem entpolitisierten Kulturvermittlungsmedium bestimmt worden war, seinen Vorstellungen von einer operativen Kunst, in der das traditionelle Produzenten-Rezipienten-Verhältnis aufgebrochen werden sollte (Der Rundfunk als Kommunikationsapparat, 1932), entgegenstanden. Im Dreigroschenprozeß (1931) reflektierte Brecht, ausgehend von seinen Auseinandersetzungen mit der Nero-Filmgesellschaft, die Situation von Kunst und Künstler in der nichtsozialistischen Gesellschaft, wobei er den Einzelfall paradigmatisch als ein ›soziologisches Experiment‹ begriff. Auch die Bedeutung der neuen Medien für die bisherigen Kunstformen und ihre Übermittlungsmöglichkeiten wurde bedacht: »Um die Lage zu verstehen, muß man sich eben von einer verbreiteten Auffassung freimachen, nach der bei diesen Kämpfen um die modernen Institutionen und Apparate nur ein Teil der Kunst interessiert ist. Nach dieser Auffassung gibt es einen Teil der Kunst, den eigentlichen, der ganz unberührt von den neuen Übermittlungsmöglichkeiten (Radio, Film, Buchgemeinschaft und so weiter) die alten (das gedruckte Buch, das frei auf den Buchmarkt kommt, die Bühne und so weiter) benutzt, also von jeder Einflußnahme der modernen Industrie völlig frei ist. [...] In Wirklichkeit gerät natürlich die ganze Kunst ohne jede Ausnahme in die neue Situation. [...] Die Umgestaltung durch die Zeit läßt nichts unberührt, sondern erfaßt immer das Ganze.« Einen weiteren Versuch Brechts, politisch-ästhetische Erziehung mit den Mitteln der Bühne zu realisieren, stellten seine Lehrstücke und die gleichzeitig mit ihrer Produktion und Realisierung (1929-1932) geschriebenen Texte zur Lehrstücktheorie dar (wobei Brecht ›Theorie‹ nicht im Sinne der analytischen Wissenschaftstheorie verstand). Was Brecht wollte, war ein »Theater der Zukunft« (Steinweg), auf das Tretjakows Vorstellungen einer Kunst der Produzenten[4] von erheblichem Einfluß war, einer Kunst, in der die traditionellen Rollen des Spielenden und des Zuschauenden zusammenfielen. In diesem Spiel- und Lehrtheater sah Brecht »Geschmeidigkeitsübungen für die Art Geistesathleten, wie sie gute Dialektiker sein müssen«, wie der Autor 1956 in einem Gespräch über die Maßnahme erläuterte, und – so die Theorie der Pädagogien – eine Möglichkeit zur Aufhebung der Trennung zwischen Tätigen und Betrachtenden. Der Prolog des Lehrstücks Die Ausnahme und die Regel (entstanden 1930/1931, gedruckt 1937) enthielt bereits in nuce Brechts Verfremdungs-Absicht, mit der er selbstverständlich Scheinendes sinnfällig und dadurch veränderbar machen wollte: Betrachtet genau das Verhalten dieser Leute: Findet es befremdend, wenn auch nicht fremd Unerklärlich, wenn auch gewöhnlich Unverständlich, wenn auch die Regel. Selbst die kleinste Handlung, scheinbar einfach Betrachtet mit Mißtrauen! Untersucht, ob es nötig ist Besonders das Übliche! Wir bitten euch ausdrücklich, findet Das immerfort Vorkommende nicht natürlich! Die Themen der einzelnen Stücke – falsches und richtiges Einverständnis, spontanes und diszipliniertes Verhalten, Toleranz und Gewalt, soziales und asoziales Handeln – wurden in chorischen, zum Teil in Musik gesetzten Szenen (Brecht sprach in diesem Zusammenhang von ›Schulopern‹) verarbeitet. Ihre Durchführung fand nur zum Teil Zustimmung in der KPD; vor allem an der Maßnahme entzündete sich die Parteikritik. Die Zielgruppen dieser Lehrstücke waren Schulen, Arbeiterchöre, Laienspielgruppen, weniger die etablierten Bühnen. Das erklärt Brechts Abrücken von komplizierteren Darstellungsformen, die oft lakonische Schlichtheit der Spielszenen, die reduzierte Spielerzahl, den Verzicht auf sprachliche Raffinesse. Auch seine Gorki-Bearbeitung Die Mutter (1932) arbeitet mit den Reduktionen der Lehrstücke, während sein Stück Die heilige Johanna der Schlachthöfe (1931/1932) den großangelegten, fürs Schau- und Hörtheater bestimmten Versuch darstellte, die Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise am Beispiel der Chicagoer Börsenspekulationen so zu verarbeiten, daß zugleich die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien und Schillers Idealismus entlarvt bzw. parodiert werden konnten, ein deutliches Anzeichen dafür, daß sich Brecht hier wieder, wie in den Opern, an ein gebildetes Publikum wandte. Die Marxschen Zyklen der Industriewirtschaft (Prosperität-Überproduktion- Krise-Stagnation) bestimmen die szenische Abfolge des Stücks; christliche Normen, wie sie von der Heilsarmee in der Person der Johanna Dark vertreten werden, erweisen sich als unbrauchbar zur Veränderung der Gesellschaft, in der Schlußapotheose wird gerade diese Mitleidsmoral ad absurdum geführt (»es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht«). Zu solch eindeutigen Ansichten war Brecht durch das Studium der sozialistischen Klassiker, aber auch durch die zahlreichen Diskussionen mit Soziologen (Fritz Sternberg[5]), materialistischen Philosophen (Karl Korsch, Walter Benjamin) und linksbürgerlichen Schriftstellern (Feuchtwanger, Döblin) gelangt. Seine Erfahrungen mit den Filmgesellschaften, mit der Zensur in der Weimarer Republik (die ihn zu einer Reihe von Änderungen am Film Kuhle Wampe zwang), die Ablehnung seiner Johanna durch verschiedene Theater (das Stück wurde vor 1933 nur in einer gekürzten Radiofassung gesendet), hatten Brecht am Ende der Republik immer mehr davon überzeugt, daß der bisherige Kunstbetrieb und damit auch seine Voraussetzung, die spätkapitalistische Gesellschaftsverfassung, einer gewaltsamen und radikalen Veränderung unterzogen werden müsse. ________________________________ [1] 1928 uraufgeführt auf der Piscator-Bühne im Lessingtheater. Leo Lania (1896-1961) begann 1915 seine Karriere bei der Wiener »Arbeiter-Zeitung«. Nach dem Kriegsdienst 1919 wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs und arbeitete zeitweilig als Redakteur bei der Wiener »Roten Fahne«. Zwei Jahre später übersiedelte er nach Berlin, wo er unter anderem für die »Weltbühne« und das »Tagebuch« schrieb. Lania arbeitete auch als Dramatiker, Übersetzer und Drehbuchautor. 1923 verbrachte er, als italienischer Faschist getarnt, einige Wochen in München, um Hitler zu interviewen und schrieb danach das entlarvende Buch »Die Totengräber Deutschlands«. Anfang der 30er Jahre emigrierte Lania nach Paris. Ein wichtiger polit. Publizist, zunächst Mitarbeiter der »Roten Fahne«, später u.a. der »Weltbühne«, bekämpfte L. schon früh den Nationalsozialismus. Charakteristisch für ihn waren Reportagen, in denen Aktuelles durch Einführung fiktiver Dialoge u. Handlungen spannend aufbereitet wurde. Einen Skandal provozierte sein Buch über großangelegte Waffenschiebereien der Rechten, Gewehre auf Reisen (Wien 1924). Das Buch machte die Namen u. Adressen von 50 Waffenhändlern publik u. führte zur Verhaftung L.s wegen des Verdachts des Landesverrats. Daraufhin verabschiedete der Reichstag eine »Lex Lania«, die die Berufsgeheimnisse der Journalisten schützen sollte. [2] Der Verlag profilierte sich in den 20er Jahren. Erw§hnt haben wir seine Entschuldung von Georg Kaiser; Ludwig Rubiner wird Lektor und Autor, eine der ersten Künstlermonographien galt Oskar Kokoschka. Autoren des Verlages ware Iwan Goll und André Gide (seit 1920), G.B. Shaw, M. Hermann-Neiße und Oskar Loerke (seit 1921). 1922 eröffnet »Baal« die Brecht-Publikationen (bis 1933 zehn Titel), mit Brecht kommen in den Verlag der bildenden KÜnstler Casper Neher und Brecht Bühnenmitarbeiter Carl Zuckmayer und Lion Feuchtwanger. Zum Bestseller wurde im Jahre 1927 Arnold Zweigs Kriegsroman »Der Streit um den Sergeanten Grischa« (Gesamtauflage 300.000) [3] Zu schnell expandierenden jüdischen Verlagen zählt Ullstein. Die Aktivitäten umfassten sowohl die avantgardistische Zft "Querschnitt", für die Brecht, Hasenclever, Horváth und Zuckmayer schreiben und Beckmann, Meidner und Picasso Illustrationen beisteuern, als auch die kommerzielle Zeitschrift Uhu, bei deren entstehung Kurt Tucholsky steht. 1925/26 arbeitet Bertolt Brecht für monatlich 600 Mark für Ullstein - dazu verpflichtet, "seine gesamte schriftstellerische Produktion an dramatischen, erzählenden und lyrischen Werken" zuerst dem Ullstein Verlag vorzulegen.Der größte kommerzielle Erfolg des Verlags war Erich Maria Remarques Roman "Im Westen nichts Neues". Flotte Unterhaltungsroman schreibt die jüdische Autorin Vicki Baum (Menschen im Hotel). [4] eine Kunst, in der die Lesenden oder Zuschauer selbst Schreibende und Auffúhrende werden, in der die Position des Autors nicht festgeschrieben, sondern 'operativ' wird. [5] 1922 zählte sich Sternberg zur zionistisch-sozialistischen Poale Zion. Nach Karl Korsch dürfte Sternberg diejenige Person gewesen sein, welche die Marxismusrezeption Brechts entscheidend prägte. 1929 und 1930 war er zweimal in der Sowjetunion zu Gast, wo er u.a. mit Karl Radek und Nikolai Bucharin diskutierte, seine dortigen Eindrücke verstärkten seine Kritik am Stalinismus. Von 1930 bis zu derem Verbot im März 1933 verfasste Sternberg regelmäßig Artikel für Die Weltbühne, zumeist unter den Pseudonymen Thomas Tarn und K.L. Gerstorff. In dieser Zeit verband ihn eine enge Zusammenarbeit mit Hans Mayer, der Lyriker Peter Huchel wohnte zeitweise in Sternbergs Wohnung.