Katedra germanistiky Filozofická fakulta Univerzita Palackého v Olomouci Bc. Markéta Machačová Lehrerfigur in der deutschböhmischen Literatur Prof. Dr. Jörg Krappmann, Ph.D. Olomouc 2011 Mein besonderer Dank gilt prof. Jörg Krappmann, Mgr. Pavel Liebich und PhDr. Marie Zdobnická für ihre Ratschläge und Hinweise. Prohlašuji, že jsem diplomovou práci vypracovala samostatně a uvedla v ní předepsaným způsobem všechny použité prameny a literaturu. V Olomouci dne 17. 5. 2011 1 Inhaltsverzeichnis: Inhaltsverzeichnis: ...............................................................................................1 1. Einführung...................................................................................................3 1.1 Forschungsgegenstand ...........................................................................3 1.1.1 Unbekannte Autoren der deutschböhmischen Literatur ...................3 1.1.2 Der Lehrer und die Schule in der Literatur......................................5 1.2 Vorgangsbeschreibung, Kategorien, Methode............................................7 1.3 Veränderungen der Schule um die Jahrhundertwende ............................9 1.3.1 Vereinigung Deutschlands...................................................................9 1.3.2 Der erste Weltkrieg und die Nachkriegsjahre.....................................10 1.3.3 Nationalsozialistische Diktatur ..........................................................11 2 Unterbrochene Schulstunde........................................................................12 2.1 Tyrannen..................................................................................................13 2.1.1 Arno Holz: Der erste Schultag ...........................................................13 2.1.2. Rainer Maria Rilke: Die Turnstunde .................................................16 2.2. Die armen Teufel.....................................................................................19 2.2.1. Stefan Zweig: Die Schule im vorigen Jahrhundert ............................19 2.2.2. Bertold Brecht: Geringe Forderungen der Schule..............................21 2.2.3. Thomas Mann: Ein Vormittag ..........................................................23 2.2.4. Ödön von Horváth: Der Neger..........................................................29 2.3 Ideale Lehrer............................................................................................32 2.3.1 Alfred Döblin: Sein letzter Unterricht................................................32 2.4 Robert Walser: Tagebuch eines Schülers..................................................35 3. Lehrerfigur in den Texten der deutschböhmischen Autoren............................38 3.1. Robert Saudek: Eine Gymnasiasten Tragödie ..........................................38 3.1.1. Einführung .......................................................................................38 3.1.2. Erster Aufzug ...................................................................................38 3.1.3. Zweiter Aufzug ................................................................................39 3.1.4. Dritter und vierter Aufzug ................................................................39 3.1.5. Lehrerfiguren....................................................................................40 3.1.6. Dr. Hopp versus Direktor Böhn ........................................................42 3.1.6.1 Direktor Böhn.................................................................................42 2 3.1.6.2 Dr. Hopp ........................................................................................45 3.1.7 Pick, Braune und Krausneck..............................................................47 3.1.9 Gödicke.............................................................................................50 3.1.10. Das Lehrer-Panoptikum..................................................................50 3.2. Emil Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. Eine stille Geschichte...........52 3.2.1. Einführung .......................................................................................52 3.2.2. Charakterisierung .............................................................................52 3.2.3. Die Lehrerfiguren.............................................................................55 3.2.3.1 Der Oberlehrer................................................................................55 3.2.5. Erwin, der junge Lehrer ................................................................58 3.2.5.1 Erwin, der ideale Lehrer .................................................................62 3.3. Johann Peter: Der Poet im Dorfschulhause ..............................................64 3.3.1. Würde des Lehrerstandes..................................................................64 3.4. Alois Fietz: Tote Scholle. Eines deutschen Dorfes Kreuzweg ..................69 3.4.1 Tote Scholle – ein Beispiel der Blut- und Boden-Literatur.................69 3.4.2 Der alte Schulleiter............................................................................72 3.4.3 Lehrer Renk versus der alte Schulleiter..............................................74 3.4.5 Lehrer Groth......................................................................................77 3.5 Alfred Schmidtmeyer: Der alte Oberlehrer ...............................................79 4. Schlussfolgerungen........................................................................................82 5. Resumé in tschechischer Sprache...................................................................86 3 1. Einführung 1.1 Forschungsgegenstand Das Ziel dieser Arbeit ist die Lehrerfiguren in den Werken weniger bekannten deutschböhmischen Autoren zu analysieren und möglicherweise auch eine Kategorisierung solcher Figuren vorzuschlagen. Die Lehrerfiguren erscheinen in allen literarischen Gattungen: Prosa, Drama und Poesie. Diese Texte werden mit den Lehrerfiguren deutscher und österreichischer Autoren, die im Band Unterbrochene Schulstunde gesammelt wurden, konfrontiert. Es soll klar sein, wie weit sich die Lehrerfiguren voneinander unterscheiden und wo sie Ähnlichkeiten ausweisen, so dass man sie zu bestimmten Lehrertypen zuordnen kann. 1.1.1 Unbekannte Autoren der deutschböhmischen Literatur Die deutsche Literatur hat in Tschechien, also in Böhmen, Mähren und Schlesien, eine lange Tradition. Ihre Geschichte fasst unter anderem kurz Jiří Veselý in Slovník spisovatelů německého jazyka a spisovatelů lužicko-srbských kurz zusammen. Der Ruf vieler deutschschreibenden Autoren aus Tschechien hat nicht nur die Grenzen Tschechiens, sondern auch die Grenzen der deutschprachigen Länder, überschritten. So wurden zum Beispiel Franz Kafka, Franz Werfel, Rainer Maria Rilke oder Robert Musil weltbekannt. Auch in Werken dieser Autoren kann man Lehrerfiguren finden. Robert Musil und Rainer Maria Rilke sind mit ihren Texten im Band Unterbrochene Schulstunde vertreten. Die ausgewählten Texte, die zu unserem Untersuchungsgegenstand wurden, haben weniger bekannte deutschböhmische Autoren verfasst, die in den heutigen Lexika der Autoren der deutschen Sprache nicht mehr erscheinen. Ihre Bedeutung bezieht sich entweder auf ihre Lebzeiten oder auf ihre Region. Deshalb findet man einen Eintrag zu ihren Namen in der zeitgenössischen Lexika oder in regionalen Publikationen. Die Namen Emil Merker und Johann Peter sind kurz in 4 der Geschichte der deutschen Literatur in Böhmen 1900-1939 von Josef Mühlberger erwähnt. Johann Peter wurde 1858 in Bučina (Buchwald, das höchstgelegene Dorf in Böhmerwald) geboren, studierte Lehramt in České Budějovice (Budweis) und unterrichtete in Niederösterreich, später in Prachatice (Prachatitz) und Česká Lípa (Böhmische Leipa), später in Österreich in Graz. Er galt als Böhmerwald-Dichter, weil zu seinem Hauptthema das Leben in Böhmerwald wurde. Er redigierte die Zeitung Der Böhmerwald, sein erstes Böhmerwaldbuch hieß Charakter- und Sittenbilder aus dem Böhmerwalde (1886). Außer faktographischer Bücher schrieb er sowohl Poesie als auch Prosa. Er veröffentlichte mehrere Gedichtbänder: Frühling, Wald und Liebe (1881), Der sprossende Wald (1929). In seinem Gedichtband Der Poet im Dorfschulhause (1894), widmet er dem Thema Lehrer das erste Gedicht Würde des Lehrerstandes. Prosaischen Werke werden vor allem von seinen Erinnerungsbüchern vertreten: Der Richterbub (1914), Der Richterstudent und Der Richterlehrer (1918). Johann Peter bleibt aber nicht ganz vergessen. Noch im Jahre 1997 erschien in München die Auswahl seiner Erzählungen unter dem Titel Geschichten aus dem Böhmerwald. Auch im Aufstaz über Emil Merker konstatiert M. Krappmann, dass an der Nichtbeachtung „die enge Verbundenheit seiner Werke mit dem Sudetenland“1 schuld ist. Deshalb gehört Emil Meker auch zu regional bedeutenden Autoren. Er wurde im Jahre 1888 in Mory u Podbořan (Mohr bei Podersam) geboren, studierte Naturwissenschaften in Prag und unterrichtete an der Forstschule in Zákupy (Reichstadt). Das Thema „Schule“ spiegelt sich auch in seinen Werken. Im Vordegrund seines ersten Romans Der junge Lehrer Erwin Moser steht ein junger Lehrer, wie sein Titel andeutet. Auch in seiner Autobiographie Unterwegs. Ein Lebensbericht behandelt er die Schwierigkeiten des Lehrerberufes. Robert Saudek ist mehr für seine graphologische als litararische Betätigung bekannt. Er wurde 1880 in Kolín (Köln) geboren, studierte an der Universität in Prag, in Leipzig und Paris. Er lebte bis zu seinem Tod in England, wo er zuerst als Diplomat in tschechischen Diensten arbeitete. Später hatte er eine eigene Praxis als Graphologe und arbeitete als Korrespodent für die Prager Zeitung. Er starb in London im Jahre 1935. Sein Drama Eine Gymnasiasten 1 Krappmann Marie: Emil Merker = Erwin Moser? Eine Literaturgeschichtliche Spurensuche. 5 Tragödie ist keinesfalls sein einziges Werk im Bereich Literatur. Zwischen den Jahren 1903 – 1908 schrieb er Dramen und andere Romane. Seine späteren Publikationen betreffen vor allem Graphologie. Der Schriftsteller Alois Fietz wurde 1874 in Nová Ves u Podbořan (Neuwallisdorf bei Podersam) geboren und starb in Zdeslav 1938. Alfred Schmidtmeyer wurde 1882 in Plzeň (Pilsen) geboren. Er studierte an der Universität in Prag, in Wien und an der Höheren Forstlehranstalt in MährischWeißkirchen. Seit dem Jahre 1910 lebte er in Bremen, wo er als Lehrer und Historiker tätig war. Zu seinen historischen Arbeiten gehört Geschichte der Sudetendeutschen. Er starb 1937 in Bremen. Zusammen mit Johann Peter und Emil Merker ist Alfred Schmidtmeyer der dritte Autor, der zugleich als Lehrer tätig war. Es sollte auch das Problem angesprochen werden, ob es eine gewisse Tendenz in der Abbildung der Lehrefigur vorkommt, in der Abhängigkeit davon, ob der Autor selbst als Lehrer tätig war. 1.1.2 Der Lehrer und die Schule in der Literatur „Obwohl Schule ein Thema ist, das uns alle angeht und zu dem wir alle etwas sagen zu können meinen, gibt es erstaunlich wenige Untersuchungen, die sich auf das Wagnis einer literaturgeschichtlichen Perspektive einlassen. Das mag daran liegen, dass nach wie vor keine genaue Darstellung darüber herrscht, wieviele Schultexte im weitesten Sinn im 19. und 20. Jahrhundert erschienen sind.“2 Das stellt Matthias Luserke in seinem Werk Schule erzählt fest. Er beschäftigt sich mit der Entwicklung der Darstellung der Schule in ausgewählten Werken vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute. Ein Kapitel beschäftigt sich auch mit der Schule um Jahrhundertwende, wo die Texte Der Erste Schultag von Arno Holz und Die Turnstunde von Rainer Marie Rilke analysiert werden. Da ich diese Texte auch in meine Arbeit einbeziehe, kann ich Luserkes Ansichten berücksichtigen. Es gibt wirklich kaum Sekundärliteratur zum Thema Schule. Außer dem schon erwähnten Werk von Mathias Luserke, gibt es noch das Werk Lehrer in der 2 Luserke, Matthias: Schule erzählt. Literarische Spiegelbilder im 19. und 20. Jahrhundert. Vandenhoeck&Ruprecht. Göttingen, 1999. S. 5 6 Literatur. Beiträge zur Geschichte des Lehrerstandes von Rektor Dr. Wohlraabe aus dem Jahre 1905. Rektor Dr. Wohlraabe konstatiert schon am Anfang des 20. Jahrhunderts, dass es wenig Literatur über Lehrer in der schönen Literatur gibt. Deshalb legt er „ein pädagogisches Lesebuch“3 vor. „Über fünfzig Dichter und Schriftsteller mit nahezu ein hundert Geistesprodukte stellt die nachfolgende Bogenreihe in den Dienst der Standesgeschichte der Pädagogen, vom eigentlichen Anfange eben dieser Geschichte, d.i. der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis zur Gegenwart…“4 In seinem umfassenden Werk behandelt er eine große Anzahl von Lehrerfiguren. Er beschreibt sie zwar ausführlich, verzichtet aber auf Vergleiche oder eine Typologisierung. Die einzige Differenzierung der Werke, die vorhanden ist, sind die drei Buchteile: Biografisches, Romanliteratur und Verwandtes, Dramatisches. Zu diesen Teilen werden die Werke von G. Keller, J. Paul, J. W. von Goethe. W. Raabe, J. M. R. Lenz und vielen anderen zugeordnet. Außer dieser zwei komplexeren Werken zum Thema Schule und Lehrer, gibt es nur noch verstreute Studien, die sich auf einzelne Werke beziehen. Z. B. der Aufsatz von York-Gothart Mix: Der Auftakt zur Fibel des Erschreckens. Rilkes Erzählung „Die Turnstunde“ und die pädagogische Reformbewegung der Jahrhundertwende oder ein Kapitelteil Kindheit und Dekadenz in Thomas Mann »Buddenbrooks« von Jochen Vogt. Meine Diplomarbeit soll also einen Beitrag zu dem bis heute wenig untersuchten Feld Schule und die Lehrer in der Literatur leisten. 3 Wolraabe: Der Lehrer in der Literatur.Beiträge zur Geschichte des Lehrerstandes. Verlag von A.W.Sickfeld 1905 Oterwieß/Harz. S.12 4 Wolraabe: Der Lehrer in der Literatur. 1905. S. 12 7 1.2 Vorgangsbeschreibung, Kategorien, Methode Ich sollte in meiner Arbeit eine mögliche Typologisierung für eine Lehrefigur vorschlagen. Ich möchte da klar machen, welche Aspekte des Textes berücksichtigt werden und warum. Erstens ist die funktionale Einbindung der Figur in den Text interessant. In den meisten Texten nimmt die Lehrerfigur zentrale Stelle ein. Schon die Texte selbst tragen oft im Titel das Wort Lehrer: Der junge Lehrer Erwin Moser, Der alte Oberlehrer, Würde des Lehrerstandes. Zweitens beschäftige ich mich mit der Erzählperspektive. Wer ist der Erzähler? Den Begriff Erzähler verstehe ich in meiner Arbeit als „fiktive Gestalt, nicht identisch mit dem Autor, die ein ep. Werk erzählt, es aus ihrer Perspektive heraus darstelllt und dem Leser vermittelt.“5 Ist es der Lehrer selbst, erzählt ein Schüler oder gibt es einen neutralen Erzähler, der an dem Geschehen nicht teilnimmt? Und wie beeinflusst die Erzählperspektive die Darstellung der Lehrerfigur? Drittens gibt es in den Texten viele Charakteristiken der Lehrer-Figuren. „Charakterisierung, die Wesenbeschreibung von Figuren dichterischer Texte, insbes. Dramen, kann auf zweierlei Art erfolgen: I. direkt, d.h. durch Angaben anderer Figuren desselben Stückes, aus denen der Zuschauer Einsicht in die beschriebene Figur gewinnt, 2. indirekt, d.h. der Zuschauer muss aus dem Benehmen der Gestalt selbst Schlüsse über ihren Charakter ziehen; seltener auch e. Selbst-Ch.“6 Ich glaube, die Charakterisierung kann man auch in prosaischen und lyrischen Texten finden. Die indirekte Charakterisierung erscheint in den Texten häufiger, da der Lehrer oft in der Interaktion mit seinen Schülern in der Schule dargestellt wird. Deshalb wird vor allem seine Beziehung zu den Schülern in Bezug genommen und da die Lehrerfigur meistens bei ihrer Arbeit dargestellt wird, dient auch der von ihm gehaltene Unterricht, der eigentlich ein Produkt seiner Tätigkeit und Persönlichkeit ist, zu seiner Charakterisierung. Unter diesen und weiteren Aspekten werden Parallelen und 5 Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur, Alfred Kröner Verlag Stuttgart, 1989. S. 264 6 Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur, 1989. S.143 8 Unterschiede gesucht. Es kommen auch direkte Charakterisierungen vor. Das ist typisch für die Texte, in denen von der Perspektive eines Schülers erzählt wird. Vor allem dieser dritte Aspekt der Charakterisierung bestimmt meine Typologie und ich unterschiede die Lehrerfiguren je nach ihrem dargestellten Charakter in Bezug auf Schüler und Unterricht. Um sich eine Basis der Lehrer-Figuren zu bilden, analysiere ich zuerst die Lehrer-Figuren, die in Texten in der Unterbrochenen Schulstunde auftreten. Mich interessiert, wie weit sich die Typologie der Lehrerfiguren aus dieser Anthologie, in der vor allem Texte renommierter Autoren gesammelt sind, mit der Lehrerfiguren der weniger bekannten deutschböhmischen Autoren deckt. Gibt es hier anhand der Beispiele eine Tendenz? Wird die Lehrerfigur anders dargestellt? Deshalb schlage ich eine mögliche Typologie der Lehrerfigur für Unterbrochene Schulstunde vor, dann konfrontiere ich diese Lehrer-Typen mit der Lehrerfiguren der weniger bekannten Autoren. Zuletzt fasse ich meine Ergebnisse in übersichtlichen Tabellen zusammen. 9 1.3 Veränderungen der Schule um die Jahrhundertwende Die meisten Texte, die Gegenstand meiner Analyse bilden, sind von den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bis zu den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden. In dieser Zeit kam es auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands, Österreichs und der Tschechischen Republik zur zahlreichen politischen Veränderungen. Einzelne Texte reflektieren diese Veränderungen mehr oder weniger konkret, in mancher Fällen stellt diese Veränderung der Ideologie in der Schule einen Konflikt dar, andere Texte sind von den politischen Umständen weniger abhängig. 1.3.1 Vereinigung Deutschlands Seit dem Zerfall des Heiligen Römischen Reiches im Jahre 1815, wurde Deutschland in viele kleinere Einzelstaaten zerstreut. Den entscheidenden Einfluss unter diesen Einzelstaaten übte Preußen unter der Regierung der Dynastie Hohenzollern und Otto von Bismarck aus. Die Proklamation des Deutschen Reiches verlief 1871 in Versailles und zum Kaiser des Zweiten Deutschen Reiches wurde Wilhelm I. gekrönt. Das Reich bildete die Föderation von 25 Staaten und Alsass-Lothringen, ein Gebiet, das immer wieder Streitigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich hervorrief. Die dominieredne Rolle besaß weiterhin Preußen unter Führung von Otto von Bismarck. Diese Tatsache hat auch das ganze Schulwesen im Deutschen Reich beeinflusst. Nach der Vereinigung verlief die Schulreform, in der der Kaiser Wilhelm II. die Schule als eine Art politischer Erziehung zur staatsbürgerlichen Disziplinierung gesehen hat. „1877 wurde für diese Schulreform der Lehrplan des Realgymnasiums eingeführt. Der Unterricht der Schüler glich einer Ausbildung für jungen Soldaten.“7 Es gab übringens in Preußen und in Österreich Erziehungsanstalten für Soldaten – Militärschulen. Die Atmosphäre an solchen Schulen beschrieben in ihren Werken R. M. Rilke oder Robert Musil. Beide haben eine Erfahrung in der Militärschule in Hranice (Mährisch-Weißkirchen) gemacht. Im Prozess der 7 Luserke: Schule erzählt. 1999. S. 21 10 Ausbildungsveränderungen, sollten aus den Schülern gehorsame Bürger erzogen werden, dabei wurde auch die Rolle des Lehrers neu bestimmt. Seine pädagogische Rolle ist zum Vorteil der staatsbürgerlichen Disziplinierung des Schülers unterdrückt.8 Jeder Verstoß gegen Disziplin musste dann mitleidlos bestraft werden. Deshalb entstanden zu dieser Rollenveränderung des Lehrers mehrere literarische Texte, die Grausamkeit dieser Erziehung entschleierten. Am deutlichsten beschäftigte sich mit der Veränderung von der humanistischen Erziehung zu dem neuen preußischen Muster Thomas Mann im Roman Buddenbrooks. Aber auch oben erwähnte R. M. Rilke thematisiert das Millieu einer Militärschule mit großer Grausamkeit. 1.3.2 Der erste Weltkrieg und die Nachkriegsjahre Die Situation nach der Jahrhundertwende war gespannt. Das vereinigte Deutsche Reich entwickelte sich schnell und im Flottenwettlauf stärkte es seine Rüstungsindustrie. Eine noch schnellere Entwicklung und Fähigkeit eines erfolgreichen Wettbewerbs mit anderen europäischen Staaten verhinderte jedoch die Tatsache, dass Deutschland im Vergleich mit Spanien oder England fast keine Kolonien besaß. Die Unstabilität von Österreich-Ungarn wurde wieder durch Spannung zwischen Österreichern und anderen nationalen Minderheiten verursacht, die zum Ausbruch des ersten Weltkrieges im Jahre 1914 durch das Atentat von Sarajevo führte. Die Mittelmächte (das Deutsche Reich, ÖsterreichUngarn, das Osmanische Reich und Bulgarien) kämpften gegen die EntentenMächten (England, Frankreich und Russland). Nach der Niederlage der Mittelmächte im Jahre 1918 musste Deutschland als Verlierer hohe Raparationen zahlen, es wurde entmilitarisierte Zone am Rhein geschaffen und deutsche Armee wurde wesentlich beschränkt. So wurde Deutschland von einem wichtigen Industriegebiet getrennt und musste ein bedeutendes Teil seines Gebiets abtreten. Österreich-Ungarn zerfiel in mehrere kleinere Staaten - die Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien und Österreich. Damit wurde die Macht Österreichs wesentlich geschwächt. Die Nachkriegsjahre in Deutschland sind von der Unzufriedenheit und dem Ungerechtigkeitsgefühl geprägt. Nach der Revolution im November 1918 8 Vgl. Luserke: Schule erzählt. 1999. S. 20 11 wurde die Weimarer Republik proklamiert. Hyperinflation, Kämpfe zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten, Weltwirtschaftkrise, damit verbundene Arbeitslosigkeit und allgemeine Unzufriedenheit des Volkes führten dazu, dass Adolf Hitler entscheidenden Einfluss gewann und nationalsozialistische Diktatur in Deutschland errichtete. Die Zeit nach dem Krieg schildert Alfred Döblin in seinem Roman November 1918. Die zentrale Figur ist ein Lehrer, der mit den politischen Veränderungen Deutschlands, die das Schulwesen beeinflussen, konfrontiert ist. Döblins Lehrer scheitert an der Tatsache, dass er nicht unterrichten, sondern in der ersten Reihe den Gehorsam gegenüber dem Staat in seinen Schülern stärken soll. 1.3.3 Nationalsozialistische Diktatur Adolf Hiltler wurde im Jahre 1933 zum Kanzler und kurz dannach errichtete er die Nationalsozialistische Diktatur. Offizielle Ideologie beeinflusste noch stärker deutsches Schulwesen, denn für Hitlers Kriegspläne waren die Schüler wichtig, die später Soldaten werden sollten oder anders den Krieg unterstützen sollten. Auf diese radikale Veränderung des Schulwesens, die jetzt absolut in Diensten der staatlichen Ideologie und des sich nähernden Krieges stand reflektiert Ödon von Horváth in seinem Roman Jugend ohne Gott, wo eine Lehrerfigur vor der Entscheidung steht, die staatliche Ideologie zu folgen oder eigene Moral zu bevorzugen. 12 2 Unterbrochene Schulstunde Eine Übersicht über literarische Texte, die sich zur Schule um 1900 beziehen, bietet die Anthologie Unterbrochene Schulstunde. Schriftsteller und Schule. In diesem Band sind vor allem deutsche bzw. österreichische Autoren vertreten, zwei Ausnahmen stellen Bernard Shaw und James Joyce dar. In den Kurzgeschichten und Auszügen ist meistens das Thema der Schulunterricht selbst, er wird aus unterschiedlichen Erzähperspektiven dargestellt. Die Lehrerfiguren kann man insgesamt in drei Gruppen verteilen, die in den einzelnen Kapiteln behandelt werden. Die erste Gruppe heißt Tyrannen, für ein Paradebeispiel greife ich zu einem Text, der nicht in der Anthologie vorhanden ist: Der erste Schultag von Arno Holz. Jedoch gehören auch manche Lehrerfiguren aus dem Band Unterbrochene Schulstunde in diese Kategorie. Die zweite Gruppe wird wir nach einer Charakteristik Stefan Zweigs: die armen Teufel benannt. Eine Erklärung dieses Begriffes erfolgt im entsprechenden Kapitel. Die dritte Gruppe der idealen Lehrer ist zwar nicht groß, trotzdem wichtig für den weiteren Vergleich mit den Lehrerfiguren aus der deutschböhmischen Literatur. Als ein eigenes Kapitel muss ich die Kurzgeschichte von Robert Walser Tagebuch eines Schülers behandeln. Diese Geschichte bietet eine ganze Galerie von Lehrerfiguren und damit ein reiches Material, das selbständig untersucht werden soll, und erst dann zu den anderen Kapiteln in Bezug genommen werden kann. 13 2.1 Tyrannen 2.1.1 Arno Holz: Der erste Schultag Wie schon oben erwähnt wurde, finde ich einen beispielhaften Tyrannen in der naturalistischen Novelle von Arno Holz Der erste Schultag. Die Erzählung behandelt den ersten Schultag des kleinen Jungen Jonathan. Die Novelle wird nicht mit Jonathan, sondern mit der Schilderung des Lehrers eröffnet. Rektor Borchert sitzt in seinem Zimmer und liest mit Wonne seine Briefe, in denen sich die Eltern über sein Verhalten gegenüber ihren Kindern beschweren. „…da sie mein 6 Jähriges Mendchen so gebrigelhaben das nach drei Tage noch braun un blau aus sa…“9 Zwei weitere Briefe enthalten ähnliche Beschwerden und der Rektor liest sie mit sichtlichem Vergnügen, nummeriert und versteckt sie. Er kommt zur Nummer zweihundertvier. Rektor Borchert ist stolz auf solche Briefe, er gewinnt durch seine Brutalität seinen Respekt und Autorität. „Die Klasse hat zwar Respekt vor dem Lehrer, doch was nach außen hin als Anerkennungvon Autorität erscheint, erweist sich in der Wirklichkeit der Schüler als unendliche Angst vor der uneingeschränkten Macht des Lehres.“10 Die Stunde beginnt, aber über Unterricht kann man gar nicht sprechen. Die Erzählperspektiven wechseln. Die Perspektive der Schüler beschreibt die absolute Starrheit und Stille in dem Raum. Niemand wagt sich zu bewegen. Die Perspektive des Lehrers betont wieder jedes kleinste Geräusch, die Aufmerksamkeit des Lehrers richtet sich gleich auf den Täter und es droht, dass er bestraft wird. „Die strenge Absatzparataxe erlaubt- Kennzeichen dieser naturalistischen Prosa erlaubt den Autoren einen ständigen, gleichsam fliegenden Wechsel der Erzählperspektive. Mal wird aus der Sicht des Rektors, mal aus derjenigen des 9 Holz, Arno: Der erste Schultag. Reclam Verlag. Stuttgart, 1980. S.65 10 Luserke: Schule erzählt. 1999. S. 35 14 kleinen Jonathan und schließlich wieder im Sinne einer personalen Erzählhaltung berichtet.“11 In der Klasse herrscht eine unmenschliche Atmosphäre. Die Kinder dürfen nicht einmal zwinckern oder husten. Sie sollen ganz still sitzen und auf ihre Tintenfässe starren. Die Angst und Schreck vor dem Rektor führt zum spontanen Ausbruch des Weinens bei Jonathan, der seinen ersten Tag in der Schule verbringt, und allmählich weint die Hälfte der Klasse. Borchert schlägt die Weinenden mit seinem Fuchsschwanz. Der Fuchsschwanz dient nur als ein Schreckmittel, zur wirklichen Strafe benutzt er seinen Siegelring. Der Siegelring verursacht die blauen Flecken in Kindergesichten, denn er schlägt sie mit seiner Faust. Innerhalb der Stunde wird das ganze Repertoire Rektors physischer Strafen dargestellt. Der Unterricht endet mit einer blutigen Szene: der kleine Lewin wird von dem Oberlehrer über das Katheder brutal geschliffen. Die Schulglocke heißt Erlösung für alle Schüler. Die Sprache des Lehrers dient als eine der zuverlässigsten Arten der indirekten Charakterisierung. „Entlarvend verwenden Sprachgewohnheiten und Sprachregulierungen des Lehrers um daran den gleitenden Übergang von sprachlicher zu körperlicher Gewalt zu veranschaulichen. Dies reicht bis hin zum präfaschistischen Ideologemen.“12 Rektor Borchert nennt die Schulkinder Sauzucht, Canaille, Knubells oder Schweinzeug. Durch den Vegleich mit Tieren demonstriert der Lehrer ihre Minderwertigkeit. Der Rektor Borchert quält seine Schüler nicht nur physisch, sondern auch psychisch, weil sie ganzen Stunden vor Angst zittern müssen und Borchert wartet nur darauf, wann es jemand nicht aushält und er eine Gelegenheit dazu bekommt, sie zu prügeln. Aus der Perspektive des Schülers wird Borchert folgendermaßen beschrieben: „Der Herr Rektor Borchert, der vorn vor der goßen, schwarzen Tafel hinter den grauenhaften, gelben Holzgestel wie ein alter, hungriger Rabe dasaß, der auf ein Stück Fleisch lauerte, beobachtete sie zu scharf.“13 11 Luserke: Schule erzählt. 1999. S.36 12 Luserke: Schule erzählt. 1999. S.35 13 Holz, Arno: Der erste Schultag. 1980. S.68 15 Rektor Borchert ist auf jeden Fall ein Tyrann. Sein Sadismus stellt ihn in meiner Skala ganz am Rande. Er stellt die brutalste Lehrerfigur in den ausgewählten Texten dar. 16 2.1.2. Rainer Maria Rilke: Die Turnstunde Zu den Tyrannen oder gleichgültigen Lehrern, die Prügeln lieben oder wenigstens kein Mitleid kennen, gehören die Lehrerfiguren in Rainer Maria Rilkes Erzählung Die Turnstunde. Die Geschichte spielt sich in einer Militärschule ab, wo die Lehrer zugleich Offiziere sind. Die Ansprüche an die Disziplin sind objektiv höher als in der Grundschule, in der Rektor Borchert eine unmenschliche Atmosphäre schuf und brutal die kleinste Unanständigkeit bestrafte, trotzdem wird auch das Millieu der Militärschule mit größter Grausamkeit dargestellt. „Wie schon in Pierre Dumont steht die Militärschule für Brutalität und Gefühllosigkeit. Die Kadettenanstalt – eine um Jahrhundertwende sehr verbreitete Form der Erziehungsanstalt – wird jedoch nicht wie etwa in Robert Musils Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906) als faschistoid gekennzeichnet; sie steht vor allem für die Negierung der Kindheitssphäre und der damit einhergehenden Entmenschlichung.“14 Als schon oben erwähnt besuchte Rilke selbst zuerst die MilitärUnterrealschule in Sankt Pölten, später die Militär-Oberrealschule MährischWeißkirchen. In Rilkes Chronik kann man einen Brief finden, in dem sein Freund ein Vorfall schildert, der Rilke wirklich passierte: „Gestern entließ ihn der Herr Regimentsarzt aus dem Spitale, und als er heute früh auf einen Sprung heraufkam, sah er schlecht aus, klagte über furchtbaren Kopfschmerzen und zitterte am ganzen Körper. Kurz, man sah es ihm an, daß ihm schwer ankomme, sich auf den Füßen zu halten…“15 Dieser Vorfall ist sehr ähnlich dem Geschehen in der Novelle Die Turnstunde. Rilke als ein kränklicher Junge hat ein Jahr später die Militärschule aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Die Geschichte in der Erzählung Die Turnstunde ist nicht kompliziert. Ein Zögling klettert in der Turnstunde die Stange hinauf. Diese Leistung überreicht seine Kräfte und er stirbt kurz danach noch während der Turnstunde. Wie weit 14 Engel, Manfred: Rilke Handbuch. Leben-Werk-Wirkung. Verlag J.B. Metzler. Stuttgart, 2004. S. 245 15 Schnack, Ingeborg: Rainer Maria Rilke. Chronik seines Lebens und seines Werkes 1875 – 1926. Insel Verlag. Frankfurt am Main und Leipzig, 2009. S. 27 17 sind die Lehrer und die blind bewahrte Disziplin an seinem Tod schuld? Luserke vergleicht die Disziplin an den Militärschulen in Preußen und in ÖsterreichUngarn und stellt fest, das es keine Unterschiede gab, dass die übertriebene Disziplin sowie in Preußen als auch in Österreich –Ungarn herrschte. „Das allein seligmachende Preußentum ist in der Wirklichkeit der Schüler eine Forma der Enthumanisierung. Erfüllung des Gehorsams gegenüber dem Lehrer endet mit Tod oder zumindest in der menschlichen und seelischen Deformation.“16 Die Lehrer selbst verstehen die Disziplin als ein absolut unverletzliches Gesetz, das sie sogar höher als Leben des Schülers stellen. Einerseits sind also an dem Vorfall die von oben eingelegten Beziehungen zwischen Schülern und Lehrern schuld, andererseits sind das aber die Lehrer, die diese Anordnung kritiklos und ohne Verweigerung ausüben. Der Lehrer, ein junger Unteroffizier, wirkt unsympatisch und brutal. Er ist blond, hat ein braunes Gesicht, höhnische Augen und eine boshafte Stimme. Der polnische Unteroffizier Jastersky ärgert sich, weil Karl Gruber seine Riege verlassen hat. Er befiehlt Gruber, an eine Stange nach oben zu klettern, obwohl Gruber nie höher als bis zum ersten Drittel geklettert ist. Und jetzt klettert er zur Überraschung seiner Mitschüler und des Unteroffizeirs Jastersky bis zur Decke. Diese Leistung ist aber über seine Kräfte. Wenn Gruber zurück nach unten kommt, scheint er außer sich zu sein: „…als er schon längst schwindelnd und heiß, unten steht und mit seltsam glanzlosen Augen in seine glühenden Handflächen schaut.“17 Der Unteroffizier beachtet das gar nicht, brüllt und schreit Gruber an, der aber nicht mehr im Stande ist, zu reagieren. Auch wenn ihn vier Zöglinge in eine Kammer neben dem Turnasaal tragen, interessiert ihn nur die Disziplin, die gestört wird. „Dann sagt jemand »Ohnmächtig«. Und der Zugführer Jastersky läuft mit rotem Kopfhinter dem Oberlieutnant her und schreit mit seiner boshaften Stimme, zitternd vor Wut: »Ein Simulant, Herr Oberlieutnat, ein Simulant!«“18 Kurz dannach stirbt Karl Gruber an Herzschlag in der Kammer neben dem Turnsaal. Seine Mitschüler sind erschüttert, die Lehrer bzw. Offiziere wahren die Disziplin weiter, als wäre gar nichts passiert. Endlich wird Grubers Tod gemeldet: 16 Luserke: Schule erzählt, 1999, S.70. 17 Rilke, Rainer Marie: Die Turnstunde. In: Unterbrochene Schulstunde. Suhrkampf Verlag. Frankfurt am Main, 1972. S.172 18 Rilke, Rainer Marie: Die Turnstunde. In: Unterbrochene Schulstunde. 1972, S.174 18 „Und da geht schon die Kammertür auf; eine Weile nichts; dann tritt Oberlieutenant Wehl heraus und seine Augen sind groß und zornig und seine Schritte fest. Er marschiert wie beim Defilieren und sagt heiser: »Antreten!«Mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit findet sich alles in Reihe und Glied. Keiner rührt sich. Als wenn ein Feldzeugmeister da wäre. Und jetzt das Komando: »Achtung!« Pause und dann, trocken und hart: »Euer Kamarad Gruber ist soeben gestorben. Herzschlag. Abmarsch!« Pause.“19 „Die lakonisch-brutale Meldung hat denn auch eine verhältnismäßig geringe Wirkung auf die Schüler.“20 So war also die Atmosphäre der Militärschule. Ein vergeblicher Tod eines jungen Menschen wegen unsinniger Übung berührt niemanden. Alles läuft wie nach dem Protokole, auch die Todmeldung. Die Lehrer haben keinen menschlichen Zug. Sie verhalten sich als Roboter, die gefühllos ihre Aufgaben erfüllen und dazu erziehen sie auch ihre Schüler, die von der Disziplin völlig abgestumpft und unempfindsam werden und nicht mehr im Stande sind an den Vorfall menschlich zu reagieren. Der Kommandant Jastersky und Oberlieutenant Wehl gehören also in die Kategorie der Lehrerfiguren, die ihre Zöglinge gefühllos behandeln. Sie folgen blind den Regeln und wer gegen die Regel verstößt, verdient sich von ihnen kein Mitleid. Ein blutender Schüler oder sterbender Zögling verhindert den Tyrannen nicht, weiter die Gehorsamkeit ohne Umsichten zu verlangen. Die Tyrannen sind also mitleidlose Lehrer, die ihre Schüler quälen. Egal ob sie es aus Vergnügen tun wie der Rektor in Dem Ersten Schultag oder nur aus völliger Abgestumpftheit gegenüber dem Leiden der Schüler und Verlust jeder Menschlichkeit. Ihre Schüler leiden darunter physisch und psychisch und Tod ist eine der Folgen solcher Behandlung. 19 Rilke, Rainer Marie: Die Turnstunde. In:Unterbrochene Schulstunde. 1972. S. 176 20 Engel, Manfred: Rilke Handbuch. 2004. S. 245 19 2.2. Die armen Teufel 2.2.1. Stefan Zweig: Die Schule im vorigen Jahrhundert Die Bezeichnung für dieses Kapitel stammt aus dem Erinnerungsbuch von Stefan Zweig Die Welt von Gestern. Im Band Unterbrochene Schulstunde ist ein Auszug aus diesem Text unter dem Namen Die Schule im vorigen Jahrhundert vertreten. Zweigs Charakteristik von Lehrern damaliger Zeit beschreibt vortrefflich die Lehrer so mehr, je häufiger man solche Figuren in den von uns analysierten Texten findet. „Sie waren weder gut noch böse, keine Tyranen und anderseits keine hilfreichen Kameraden, sondern arme Teufel, die, sklavisch an das Schema, an den behördlich vorgeschriebenen Lehrplan gebunden, ihr »Pensum« zu erledigen hatten wie wir das unsere und – das fühlten wir deutlich – ebenso glücklich waren wie wir selbst, wenn mittags die Schulglocke scholl, die ihnen und uns die Freiheit gab. Sie liebten uns nicht, sie hassten uns nicht, und warum auch, denn sie wussten von uns nichts… Sie saßen oben auf dem Katheder und wir unten, sie fragten, und wir mußten antworten, sonst gab es zwischen uns keinen Zusammenhang. Denn zwischen Lehrer und Schüler, zwischen Katheder und Schulbank, dem sichbaren Oben und sichtbaren Unten stand die unsichtbare Barriere der »Autorität«, die jeden Kontakt verhinderte. Daß ein Lehrer den Schüler als ein Individuum zu betrachten hatte, das besondere Eingehen auf seine besondere Eigenschaften forderte, oder daß gar, wie es heute selbstverständlich ist, er »reports«, also beobachtende Beschreibungen über ihn zu verfassen hatte, würde damals seine Befugnisse wie seine Befähigung weit überschritten, anderseits ein privates Gespräch wieder seine Autorität gemindert haben, weil dies uns als »Schüler« zu sehr auf eine Ebene mit ihm, dem »Vorgesetzten«, gestellt hätte.“21 Von dieser kurzen Charakteristik der Lehrer am Ende des 19. Jahrhunderts, wie sie Stefan Zweig selbst erlebt hatte, kann man sich eine Vorstellung von den Lehrern der Zeit machen. Solche oder ähnliche Erfahrungen mochten auch andere 21 Zweig, Stefan: Die Schule im vorigen Jahrhundert. In: Unterbrochene Schulstunde. 1972, S.35- 36 20 Autoren der von uns analysierten Werken gemacht haben. Dieser Auszug charakterisiert vortrefflich auch die Kategorie der Lehrerfiguren, die wir in den Texten am häufigsten zu finden sind. Der Grund dafür kann sein, dass diese Lehrerfiguren am nächsten der Realität stehen. Solche Lehrer haben die Autoren unserer Texten in der Schule wirklich getroffen. In diese Kategorie gehören die Lehrerfiguren, die keine Tyrannen, aber auch keine idealen Lehrer sind. Sie stehen irgendwo in der Mitte zwischen diesen zwei Polen. Sie sind durch ihr verhalten im Unterricht charakterisiert. Sie verhalten sich als Vorgesetzte und glauben, Autorität zu besitzen und durchsetzen zu müssen. Sie halten sich an ihrem Lehrplan fest und verlangen von ihren Schülern das Pensum zu memorieren. Sie betrachten die Schüler als eine Masse, der man das Pensum beibringen soll. Es gibt keinen individuellen Zutritt zu den Schülern. Es gibt keine Beziehung zwischen dem Lehrer und seinem Schüler oft deswegen, weil der Schüler dem Lehrer zum Feind wird, der seinen Unterricht stört oder den man gezwungen ist zu unterrichten, weil er Geld verdienen muss. Viele andere Charakteristiken finden wir noch in den weiteren Texten, die uns also dann eine Mosaik erstellen. Davor beschäftige ich mich noch mit einem Text, der da auch nicht als ein fiktiver Text, sondern als ein Erinnerungsbuch vorliegt. 21 2.2.2. Bertold Brecht: Geringe Forderungen der Schule Ähnliche Beobachtungen zur Schule und den Lehrern wie diejenigen von Stefan Zweig legt uns auch Bertold Brecht in seinen Flüchtlingsgesprächen vor. Da es sich wieder um Memoiren handelt, kann ich die Bewertung der Lehrer als näher zur realen Lehrerfigur betrachten. „Groß tritt dem jungen Menschen in der Schule in unvergeßlichen Gestaltungen der Unmensch gegenüber. Dieser besitzt eine fast schrankenlose Gewalt. Ausgestattet mit pädagogischen Kentnissen und langjähriger Erfahrung erzieht er den Schüler zu seinem Ebenbild.“22 „Der Staat sicherte die Lebendigkeit des Unterrichts auf eine sehr einfache Weise. Dadurch, daß jeder Lehrer nur ein ganz bestimmtes Quantum Wissen vorzutragen hatte, und dies jahraus, jahrein, wurde er gegen den Stoff selber völlig abgestumpft und durch ihn nicht vom Hauptziel abgelenkt: dem sich Ausleben vor den Schülern. Alle seine private Enttäuschungen, finanziellen Sorgen, familiären Mißgeschicke erledigte er im Unterricht, seine Schüler so daran beteiligend. Von keinerlei stofflichem Interesse fortgerissen, vermochte er sich darauf zu konzentrieren, die Seelen der jungen Leute asuzubilden und ihnen alle Formen des Unterschleifs beizubringen. So bereitete er sie auf den Eintritt in eine Welt vor, wo ihnen gerade solche Leute wie er entgegentreten, verkrüppelte, beschädigte, mit allen Wassern gewaschene.“23 Weniger schonend als Stefan Zweig schildert Bertold Brecht die Lehrer seiner Kindheit in seinen Erinnerungen. Die Lehrer nennt er Unmenschen. Sie verfügen über große Macht über ihre Schüler. Trotzdem ist das von Brecht dargestellte Bild des Lehrers kein Tyrannen-Prototyp. Der Unterschied zwischen dem armen Teufel und dem Tyrannen besteht darin, dass der Tyrann nur durch seine Brutalität im Unterricht definiert ist. Es gibt keine menschliche Seite seiner Persönlichkeit, keine Schwäche, durch die man sein Vehalten erklären könnte. Demgegenüber sind die armen Teufel ganz normale Leute, mit ihren Schwächen, mit einer Hintergrundgeschichte. Nach Brecht sind sie verkrüppelte, beschädigte, 22 Brecht, Bertold: Geringe Forderungen der Schule. In: Unterbrochene Schulstunde. 1972. S.42 23 Brecht, Bertold: Geringe Forderungen der Schule. In: Unterbrochene Schulstunde. 1972. S.44 22 mit allen Wassern gewaschene Leute, die sich nicht von anderen Menschen unterscheiden. Sie unterrichten kaum ihren Stoff, sondern sie bereiten ihre Schüler auf das reale Leben vor. Nur kommt dazu noch die Macht und die Autorität. Keine natürliche Autorität, sondern eine Autorität, die man durch eine Strafe in Form des Prügelns durchsetzen muss. Der Lehrer dieser Kategorie straft, weil er muss, weil er sich keinen anderen Rat weiß, weil er seine Autorität dadurch demonstriert. Ein typischer Zug eines armen Teufels ist, dass er sich für den Stoff, den er zu unterrichten hat, nicht mehr interessiert. Diesen Charakterzug können wir auch bei anderen literarischen Lehrerfiguren feststellen. Viele andere Züge der fiktiven Lehrerfiguren stimmen mit den Lehrerfiguren in den Erinnerungsbüchern überein. Ich kann dank diesen Lehrer-Beschreibungen, die aus den Erinnerungsbüchern von Stefan Zweig und Bertold Brecht stammen, feststellen, dass wahrscheinlich fast alle Autoren, die eine Lehrerfigur in ihren fiktiven Texten darstellen, aus eigenen Erfahrungen aus den Schuljahren schöpften. Deshalb zeigen sie uns mosaikartig das Bild des Lehrers um 1900, für deren Darstellung reale Lehrer zum Vorbild dienten. 23 2.2.3. Thomas Mann: Ein Vormittag Ein Vormittag ist ein Kapitel aus dem Roman Buddenbrooks. Verfall einer Familie, erschien 1901 im S. Fischer Verlag Berlin. In diesem Werk schildert Thomas Mann Aufstieg und Verfall einer Patrizierfamilie innerhalb vier Generationen.24 Vom Anfang an gewinnt die Familie Buddenbrook an Reichtum und Wichtigkeit, die mit dem Titel Senator für Thomas Buddenbrook gipfelt. Ihre Familienfirma ist Grund für Stolz und Wohlhaben der Familie. Die Firma erleidet aber im Laufe der Zeit Schaden, sie verliert ihre Position und kommt zum Bankrott. Nach Thomas Buddenbrook gibt es in der Familie sowieso keinen Nachfolger mehr, weil sein Sohn Hanno ein überempfindlicher Junge ist. Thomas hat zwar eine reiche Braut und begabte Musikerin geheiratet, derer Sohn vor allem ihre musikalische Begabung geerbt hat, aber das praktische Leben ist über seine Kräfte. „Gerda und Hanno Buddenbrook, die für Musik am empfänglichsten Vertreter der Familie, haben ihren Platz im Grenzraum vom Leben und Tod. Gab es vielleicht bei den anderen Buddenbrooks noch eine kleine Chance, das Leben zu meistern, so ist dies nun völlig ausgeschlossen. Gerda und Hanno nehmen die kaufmännische Überlieferung nicht an und brechen aus der normativen Vorstellungen der Firma aus. Beide scheinen einer anderen Welt zuzugehören; sie sind Künstlernaturen und somit Fremdlinge in der Lübecker Bürgerwelt; sie werden es auch in dem Famielienkreis.“25 Diesen künstlerisch begabten Jungen stellt Thomas Mann in den Kontrast mit der an die Disziplin orientierten Schule. Nur in diesem Kontrast kann die absichtliche Kritik der Schule deutlich werden. Thomas Mann selbst gibt in seinen Selbstkomentaren zu, dass es ihm vor allem um Kritik des zeitlichen Schulwesens geht. „Die Schulepisoden, so bestätigt er noch 1949 seien geschrieben worden, „als die ihnen zugrunde liegenden Erfahrungen (ihm) noch in frischer, bitterkomischer Erfahrung waren“; schon in der „Betrachtungen“ rühmt Thomas Mann sich, daß „die einzige politische Kritik“, die innerhalb seiner 24 Vgl. Hansen, Volkmar: Interpretationen. Thomas Mann. Romane und Erzählungen. Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1993. S. 11 25 Hansen, Volkmar: Interpretationen, 1993. S.36 24 schriftellerischen Produktion geübt habe, der prussifizierten Mittelschule galt.“26 In dem Kapitel Ein Vormittag ist das Ziel der Kritik die prussifizierte Schule, die wird mit solcher Grausamkeit und Mitleidlosigkeit dargestellt, dass ihr die Schuld an Hannos Tod und damit am Ende der ganzen Familie zugeschrieben wird. So schreibt Rilke in seinem Kommentar zu Buddenbrooks der Schule eine bedeutende Rolle am Tod des Jungen zu: „Der kränkliche Knabe geht an der Banalität und Rücksichtslosigkeit der Schule zu Grunde und stirbt am Typhus.“27 Auch Gertrud Bäumer sieht die Schule als den Hauptgrund Hannos Todes: „Und der kleine Hanno hat schon Anforderungen seiner Schulknabenexistenz keine Widerstandsfähigkeit mehr entgegenzusetzen. Er zerbricht unter ihren Ansprüchen.“28 Die Schule belästigte den jüngsten Mitglied mit Pflichten in solcher Maßen, dass er stirbt. Eine ähnliche Situation – Überspannung der Kräfte eines Schülers in der Schule, infolgedessen der Schüler stirbt, schildert auch Rainer Maria Rilke, obwohl der Tod gerade im Unterricht noch grausamer auswirkt. Hanno ist ein empfindsamer und musikalisch begabter Junge, der sich aber in der Realität nicht wohl fühlt: „So entschieden sich der äußeren Realität versagt, so genau vermag er si durchzuschauen, vor allem wo sie falsch und scheinhaft ist: Die Masken- und Schauspilekünste seines Vaters, die hohle Autorität des gymnasialen „Körpers“.“29 Diese hohle Autorität der Lehrer, die nur noch auf blinder Disziplin und Gehorsam beruht, ist die Folge der politischen Veränderungen und der Schulreform, die die Prussifizierung der Ausbildung durchsetzte, mit dem Ziel einen disziplinierten Bürger zu erziehen. Zum Träger dieser Schulreform wurde der neue Direktor Wulicke. Er ist als ein furchtbarer Mensch, ein ehemaliger Professor an einem preußischen Gymnasium geschildert. Im Unterricht wirkt er auf seine Schüler abschreckend und unberechenbar. Wenn in den Stunden von anderen Lehrern Schläfrigkeit und Frieden herrschen, herrscht bei Direktor Wulicke nur Angst. 26 Vogt, Jochen: Thomas Mann: »Buddenbrooks«. Wilhelm Fink Verlag. München, 1995. S. 10 27 Rilke, Rainer Maria: Thomas Mann´s „Buddenbrooks“. In: Vogt, Jochen: Thomas Mann »Buddenbrooks«, 1995. S.142 28 Bäumer, Gertrud: Thomas Mann, der Dichter der Buddenbrooks. In: Vogt, Jochen: Thomas Mann »Buddenbrooks«, 1995. S. 146 29 Vogt, Jochen: Thomas Mann »Buddenbrooks«, 1995. S. 96 25 „Wo ehemals die klassische Bildung als ein heiterer Selbstzweck gegolten hatte, den man mit Ruhe, Muße und Idealismus verfolgte, waren nun die Begriffe Autorität, Pflicht, Macht, Dienst, Karriere zu höchster Würde gelangt, und der »kategorische Imperativ unseres Philosophen Kant« war das Banner, das Direktor Wulicke in jeder Festrede bedrohlich entfaltete.“30 Das Wirken am Gymnasium Direktor Wulickes wird seinem Vorfahren gegenüber gestellt. Das Ideal der Humanität wurde an der Schule durch geistlose Disziplin ersetzt. Die Begriffe, die es charakterisieren – Autorität, Pflicht, Macht, Dienst, Karriere bestimmen neue Orientierung der Schule. Diesen neuen Ansprüchen können aber die weniger praktische Schüler, wie Hanno nicht Genüge leisten. Die neue Disziplin lässt keine Ausnahmen zu und Hannos Leben wird zum Martyrium, das er nicht aushalten kann. Durch große Anspannung, die er für das normale Leben ausgeben muss, wird er so geschwächt, dass er an Typhus stirbt. So ist Direktor Wulicke schuld an seinem Tod, der aus der Schule eine Drillanstalt gemacht hat. Ihm ist die selbe Schuld an Hannos Tod zuzuschreiben, wie die Schuld der Unteroffiziere an Grubers Tod. Wullicke ist ein Tyrann, weil seine Schüler unter harten Bedingungen in der Schule leiden. Direktor Wulicke ist nicht der einzige Mitglied des Lehrerkollegiums. Auch in anderen Lehrerfiguren werden alle möglichen Untugenden und Schwächen einer Lehrerfigur dargestellt. Damit niedrigt Thomas Mann die großen Ideen Wulickes, der zwar absoluten Gehorsam von den Schülern verlangt, abere die Lehrer selbst sind keine Beispiele für einen idealen preußischen Lehrer. Mit Brechts Worten ausgedrückt sind sie verkrüppelte, beschädigte, mit allen Wassern gewaschene Leute. In jeder Lehrerfigur bringt Thomas Mann aufs Licht immer wieder neue Schwächen der preußischen Schule. Die Macht, die solchen Leuten ihre Lehrerrolle zuschreibt, ist im Vergleich mit ihren persönlichen Qualitäten unangemessen. Nicht zuletzt wirkt komisch die Tatsache, dass die von Wulicke durchgesetzte Orientierung an strenge Disziplin vielen Lehrerfiguren gar nicht eigen ist. Oberlehrer Ballerstedt ist von den Lehrerfiguren am heuchlerischten. Sein Interesse am Unterricht ist mangelhaft und seine Stunden verlaufen langweilig, aber immer nach dem Lehrplan. „Kam eine Stelle, die Herr Ballerstedt der 30 Mann, Thomas: Ein Vormittag. In: Unterbrochene Schulstunde, 1972. S.69 26 Erläuterung bedürftig erschien, so schwoll er an, sagte »Nun…« und und hielt nach den üblichen Vorbereitungen mit allgemeinen moralischen Betrachtungen untermischten Vortrag über den fraglichen Punkt. Kein Mensch hörte ihm zu. Frieden und Schläfrigkeit herrschte im Zimmer.“31 Ballerstedt selbst verbringt seine Freizeit in Klubs und Bars mit Hannos Onkel, der übringens schwarzes Schaf der Familie ist. Das ist eine nicht gerade beispielhafte Freizeitsaktivität eines Religionslehrers, der dann moralische Vorträge vor der Klasse hält. Dieser Paradox verlächerlicht die Institution der Schule und alle ihren Regeln, die in diesem Licht als reine Heuchelei erscheinen. Die Atmosphäre der Schulstunden charakterisiert auch gut die Lehrerfigur, die diese Stunde führt. Herr Ballerstedt interessiert sich für seine Schüler genauso wenig, wie wenig sich seine Schüler für die Stunden interessieren. Er legt seinen Schülern das Pensum vor. Damit erfüllt er seine Pflicht und seine Lehrerrolle ist zu Ende. Er gehört also in die Kategorie eines mittelmäßigen Lehrers, der kein Interesse am Unterricht hat und nur seinen Brotberuf ausübt. Oberlehrer Doktor Mantelsack, nächste satyrisch gestalltete Lehrerfigur zeichnet sich durch ihre Ungerechtigkeit und Launenhaftigkeit gegenüber ihren Schülern aus. „Er war guter Laune, es war offenbar. Eine Bewegung der Erleichterung ging durch den Saal. Es kam so viel, es kam alles darauf an, ob Doktor Mantelsack guter Laune war oder nicht, denn man wußte, daß er sich seinen Stimmungen unbewusst und ohne die geringste Selbstkritik überließ. Er war von einer ganz ausnehmenden, grenzenlos naiven Ungerechtigkeit, und seine Gunst war hold und flatterhaft wie das Glück, Stets hatte er ein paar Lieblinge, zwei oder drei, die er »Du« und mit Vornamen nannte, und die es gut hatten, wie im Paradiese. Sie konnten beinahe sagen, was sie wollten, und es war dennoch richtig; und nach der Stunde plauderte Doktor Mantelsack aufs Menschlichste mit ihnen. Eines Tages jedoch, vielleicht nach den Ferien, Gott allein wußte, warum, war man gestürzt, vernichtet, abgeschafft, verworfen, und ein anderer wurde mit Vornamen genannt… Diesen Glückseligen pflegte er die Fehler in den Extemporalien ganz leicht und zierlich anzustreichen, so daß ihre Arbeiten auch bei großer Mangelhaftigkeit einen reinlichen Aspekt behielten. In anderen 31 Mann, Thomas: Ein Vormittag. In:Unterbrochene Schulstunde, 1972. S.62 27 Hefte aber fuhr er mit breiter und zorniger Feder umher und überschwemmte sie mit Rot, so daß sie einen abschreckenden und verwahlosten Eindruck machten. Und da er die Fehler nicht zählte, sondern die Zensuren je nach der Menge von roter Tinte erteilte, die er an einer Arbeit verausgabt hatte, so gingen seine Günstlinge mit großem Vorteil aus der Sache heraus.“32 Mantelsack ist Ordinarius, vor dem man gewöhnlich Respekt hat. Der Respekt ist aber rein formal und kommt aus der unangemessenen Macht, über die er verfügt. Einen natürlichen Respekt könnte er nie gewinnen. Seine Unberechenbarkeit stellt gar kein festes System dar. Die Schule verlangt zwar von ihren Schülern Pflichten, aber der Lehrer selbst ist das schlechteste Beispiel für sie. Sogar der Unterricht scheint nicht fruchtbar zu sein. Die Schüler passen nur auf, wenn Mantelsack prüft, weil sie davor Angst haben. „Und als es mit den Produktionen der Schüler zu Ende war, hatte die Stunde auch jedes Interesse verloren. Doktor Mantelsack ließ einen Hochbegabten auf eigene Faust übersetzen und hörte ebenso wenig zu, wie die anderen vierundzwanzig, die anfingen, sich für die nächste Stunde zu präparieren.“33 Es ist natürlich unmöglich, Interesse der Schüler für ein Fach anzuregen, wenn der Lehrer selbst an dem Fach nicht interessiert ist. Das mangelnde Interesse am eigenen Unterricht ist ein verlässiger Zug eines armen Teufels. Kandidat Modersohn ist in diesem Textauszug die unglücklichste der Lehrerfiguren. Eine unzureichend selbstbewusste, unsichere und ungeschickte Persönlichkeit, die dadurch auf die Schüler lächerlich wirkt. In diesem Fall nutzen die Schüler die Schwäche des Lehrers aus und tyrannisieren sie ihn ohne Grund. Das ist das Ergebnis der geschilderten Erziehung in der Anstalt, die auch mitleidlos ohne Grund straft. Die Kinder können unter solchen Vorbildern kaum besser werden. Im Modersohns Unterricht wird bewiesen, dass sich die Schüler, die in solchem System erzogen wurden, genauso mitleidlos verhalten wie ihre Lehrer. Zu ihrem Opfer wurde schwacher Modersohn, der völlig hilflos gegen ihre Ausfälle ist, weil er niemanden von ihnen mit Namen kennt. Den einzigen Namen, den er kennt, ist der Hannos, deshalb bestraft er immer jeden seiner Verstöße. Hanno, der als einziger Modersohn nicht provoziert und aus der 32 Mann, Thomas: Ein Vormittag. In:Unterbrochene Schulstunde, 1972. S.72-73 33 Mann, Thomas: Ein Vormittag. In:Unterbrochene Schulstunde, 1972. S.82 28 Solidarität seine Situation nicht verschlechtern will, empfindet es natürlich als ein unverständliches Unrecht. Direktor Wulicke kommt zur Kontrolle des Unterrichts, wodurch Modersohn seine Hoffnung, Oberlehrer zu werden, verliert. Angesichts der elenden Figur, die der Lehrer im Unterricht abgibt, keine ungerechte Entwicklung. „Die Funktion der Lehrer, die da in ´unvergeßlichen Gestaltungen´ Revue passieren, ist reduziert auf Überwachen und Strafen; und ihr durchweg komisches, ja lächerliches Erscheinungsbild macht sie kaum weniger bedrohlich. Die harmlosen unter ihnen sind ihrerseits nur Versager, untüchtige Exemplare vom Typus des autoritären Charakters, der hier zur Stützung und Erneuerung des Autoritären Charakters berufen ist.“34 Thomas Mann hat in diesem Textauszug mehrere Lehrerfiguren kritisch geschildert. Die Lehrer sind mitleidlos, ungerecht, heuchlerisch und nicht fähig Interesse am Stoff zu wecken. Die ideologische Seite vertritt Direktor Wulicke, der den Schülern genauso schrecklich vorkommt wie Rektor in dem Ersten Schultag von Arno Holz. Er gehört in die Kategorie der Tyrannen. Die anderen Lehrerfiguren, Ballerstedt, Mantelsack und Modersohn gehören in die Kategorie arme Teufel, weil jeder von ihnen eine Schwäche hat. Der Unterricht und ihre Schüler interessieren sie ganz wenig. Der Schüler wird in ihren Augen auf seine richtigen oder falschen Antworten, also auf seine Leistung, reduziert. Sie entsprechen in allen Punkten Zweigs Erinnerungen. Die Grenze zwischen dem Lehrer und den Schülern wird nie überschritten, es besteht kein persönlicher, menschlicher Kontakt zwischen beiden Seiten. Auch das Verhalten der Schüler verrät, was für Charaktere solches Millieu schaft. Genauso mitleidlos, wie ihre Lehrer sie behandeln, verbittern die Schüler auch Modersohns Unterricht. Im Falle der autoritativen Lehrerfiguren beschränken sie sich nur auf ihr Ziel, die Stunde zu überleben. 34 Vogt, Jochen: Thomas Mann »Buddenbrooks«, 1995. S. 98 29 2.2.4. Ödön von Horváth: Der Neger „Der Roman «Jugend ohne Gott» schildert, wie Schüler zu Menschenverachtung und Haß erzogen werden. In der Schule lernen Sie «Zucht», «Gehorsam» und Rassenhaß; bei Geländeübungen und Lagerfeuerromantik lernen sie das Kriegshandwerk. Die seichten Kollektiverlebnisse lassen sie verrohen und machen zu willfährigen Mitläufern des faschistisches Staates. Der humanistisch gesinnte Lehrer bemerkt die wachsende Gefühllosigkeit seiner Schüler, doch er tut zunächts nichts dagegen, sondern folgt den Anordnungen der vorgesetzten Dienstbehörde.“35 Ödön von Horváth schrieb seinen Roman Jugend ohne Gott im Jahre 1937 und thematisierte hier die Ausbildung unter der herrschenden faschistischen Ideologie und das Moralproblem eines gymnasialen Lehrers, der zwar humanistisch denkt, aber er ist jetzt von den politischen Umständen gezwungen, seine Moral zu verletzen und die Schüler zum Menschenhaß und Krieg zu erziehen. Die Geschichte wird aus der Perspektive eines Lehrers erzählt, sein Name wurde aber nicht genannt. Das kann daran liegen, dass es nicht um den Fall eines Einzelnen handelt, sondern eine Figur vertritt die ganze Lehrergruppe, die sich mit diesem Problem unter der nationalsozialistichen Regierung auseinandersetzen musste. Der Lehrer korrigiert Aufsätze seiner Schüler zum Thema: Warum brauchen wir Kolonien? Die Schüler wiederholen Phrasen, die zu diesem Thema in den Medien zu hören sind. Der Lehrer kann sie nicht wirklich durchstreichen, obwohl er eine andere Meinung hat, als offizielle Instanzen. Der Bäckermeisters Sohn schreibt in seinem Aufsatz: „Alle Neger sind hinterlistig, feig und faul.“36 Das ist auch ein Satz, der oft im Radio zu hören ist, trotzdem kann sich der Lehrer dem nicht erwehren, den Schüler in der Stunde auf seine falsche Meinung aufmerksam zu machen. Der Vater beschwert sich bald bei dem Lehrer über diese Bemerkung. Er fordert ihn, nicht die allgemeinherrschende Ideologie vor der Klasse zu kritisieren. Die Schüler verlangen in einem Brief an den Direktor, einen 35 Tworek, Elisabeth: Horváth: Einem Schriftsteller auf der Spur. Residenz. Salzburg, 2001. S.146 36 Horváth, Ödön von: Der Neger. In:Unterbrochene Schulstunde, 1972. S.181 30 anderen Lehrer für Geographie zu bekommen. Der Lehrer unterrichtet jedoch weiter, äußert aber seine Meinungen in der Klasse nicht mehr. Das Geld und die Pension sind ihm wichtiger als ein vergeblicher Kampf gegen ofizielle Ideologie. In diesem Textaufzug geht es um die Beziehung Lehrer – Schüler in außerordentlicher Situation. Der Lehrer steht vor der Entscheidung entweder aus seinen Schülern gegen seinen Willen fanatische dumme Masse zu erziehen oder seine Moral nicht zu verraten und dadurch seine Stelle beziehungsweise auch sein Leben zu bedrohen. In dem Kapitel Der Neger entscheidet er sich dafür, seine Stelle zu sichern, obwohl seine Stellungsnahme innerhalb des Romans „von einer mit Opportunismus und Angst gemischten Skepsis zum offenen moralischen Protest wandelt.“37 Trotzdem trägt diese Lehrerfigur im ausgewählten Auszug typische Merkmale eines armen Teufels. Der Lehrer ist ein pragmatischer Mensch, er liebt seinen Beruf nicht, er erfüllt ihn aus dem Pflichtgefühl. Es werden übrigens seine anderen Interessen erwähnt – Kino und Fußball. Der Lehrerberuf ist ein Brotberuf, der seine Stellung und im Alter auch die Pension sichert. Diese Aspekte seines Berufs sind dem Lehrer im Moment wichtiger als seine Zweifel an die Richtigkeit von seiner Entscheidung. Deshalb bleibt er auch im Unterricht loyal zum Staat und der Gesellschaft. „…was einer im Radio redet, darf kein Lehrer im Schulheft streichen.“38 Er sieht die Rolle des Lehrers in einem Dienst eines Staatsbeamten. Deshalb übt er, soweit er kann, keine Kritik aus. Er erfüllt auch das Kriterium einer festen Grenze zwischen sich und den Schülern. Er sieht keine Individualitäten in den Schülern. Der Lehrer und seine Schüler stellen einen Anstoß von zwei ganz anderen Gedankenwelten. Die Schüler stehen für die fanatische Masse gegen einen humanistisch denkenden Einzelnen dar. „Seine Schüler nimmt er unterschiedslos als indoktriniert von der herrschenden Ideologie und anonym (daher auch nur mit Initialen bezeichnet) wahr.“39 Wenn er die Aufsätze zurückgibt, äußert er keine Meinungen zum Inhalt der Arbeiten. Er beschränkt sich auf neutrale Bemerkungen zur Orthographie. Seine Schwäche ist also, dass er versucht sich in der moralisch verrzerter Relität normal zu verhalten. Das geht aber nicht, weil der 37 Fritz, Axel: Ödön von Horváth als Kritiker seiner Zeit. Studien zum Werk in seinem Verhältnis zum politischen, soziallen und kulturellen Zeitgeschehen. List Verlag. München, 1973. S.87 38 Horváth, Ödön von: Der Neger. In:Unterbrochene Schulstunde, 1972. S.181 39 Bartsch, Kurt: Ödön von Horváth. Metzler. Stuttgart. 2000. S. 158 31 Lehrer in dieser Zeit eine bedeutende Rolle bei neuer Orientierung der Erziehung spielt. Der Staat stützt sich an die heranwachsenden Schüler, die zum Kämpfer der herrschenden Ideologie erziehen werden sollen. Deshalb kann ein Lehrer kaum neutral bleiben und das führt zu seiner Heuchelei. Direktor des Gymnasiums hat die selbe Entscheidung wie der Lehrer früher getroffen. Er vertritt auch die Idee des Pazifismus, aber den staatlichen Verordnungen nach soll er jetzt seine Schüler in den Krieg hetzen. Diesem Befehl will er aber nicht widerstehen, er will zu keinem Opfer des Regimes werden. Für seine sichere Stelle und seine Pension macht er alles, was die Gesellschaft von ihm verlangt. Eine hummanistische Erziehung ist jetzt nicht erlaubt. Auch der Lehrer übernimmt seine Ansichten und unterrichtet weiter und achtet darauf, dass er nicht gegen die Ideologie des Staates spricht. Die Pläyade der armen Teufel, der mittelmäßigen Lehrer, die nicht gut und nicht schlecht sind beenden der Direktor und der Lehrer in Horváths Jugend ohne Gott. Beide sind schon durch sich selbst und seine Schwächen limitiert. Sie halten den Unterrichten für ihren Brotberuf, in dem man seine Pflicht erfüllen muss. Ihr Engagement in der Ausbildung ihrer Schüler überschreitet nicht die ämtlich vorgeschriebene Grenze. Ich möchte noch weitere Züge der armen Teufel zusammenzufassen, die aus den vorgelegten Texten folgern. Für den Lehrer dieser Kategorie ist charakteristisch, dass sie nur die Leistung des Schülers, wenn er geprüft wird, interesseiert. Er ist ungerecht, bestrafen ihre Schüler, um ihre Autorität nicht zu verlieren. Die Stunden selbst sind langweilig, die Lehrerfiguren tragen ihren Stoff vor, ohne das Interesse anzuregen. Es gibt keine andere Beziehung zwischen dem Lehrer und seinem Schüler. Die beiden stellen da zwei getrennte Welten dar, wo keiner der Welten versucht, sich an die Andere anzunähern. 32 2.3 Ideale Lehrer In diese Kategorie gehören nicht viele Lehrerfiguren aus dem Band Unterbrochene Schulstunde. Die ideale Lehrer interessieren sich nicht nur für den Lehrstoff, den sie unterrichten, sondern auch für die Schüler und ihre Ansichten. Die Beziehung zwischen dem Lehrer und seinen Schülern ist persönlich. Angst und Langweile sind keine Charakteristiken des Unterrichts. Die Lehrer können Interesse der Schüler für ihr Fach gewinnen. Diese kurze Charakteristik wird an Beispielfällen der idealen Lehrerfigur veranschaulicht und ausführlicher analysiert. 2.3.1 Alfred Döblin: Sein letzter Unterricht Sein letzter Unterricht ist Bestandteil Döblins Exilroman in vier Bänden November 1918. Eine deutsche Revolution. Das ausgewählte Kapitel kommt aus dem dritten Band Karl und Rosa, in dem einer der Romanhelden ein Gymnasiallehrer Becker ist. „Der Leser begegnet der Hauptfigur, dessen Geschichte den gesamten Roman wie ein roter Faden durchzieht, zunächst als Patient in einem elsässischen Lazarett. Er erfährt, dass Oberleutnant Dr. Becker vor dem Krieg als Altphilologe an einem humanistischen Gymnasium in Berlin unterrichtet hat und nun seit einem Jahr eine schwere Rückenverletzung auskuriert.“40 In einer Hinsicht ist diese Erzählung ein Pendant zur Erzählung Der Neger von Ödön von Horváth. Der zurückkehrende Lehrer kämpft mit demselben Problem wie Horváths Lehrerfigur. Becker vertritt eine unterschiedliche Ansicht an das Problem des Gehorsams einen Einzelnen gegenüber dem Staat als offiziel gilt. Die Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Schüler und dem Unterricht des Lehrers wird anders gelöst. Becker tritt wieder nach seiner Heilung seine Stelle am Gymnasium an. Die Erwartungen der Schüler an ihn sind sehr groß. Sie erwarten von ihm, einem Krigshelden, „daß er die "Ordnung", die Idee des Staates bzw. der 40 Sander, Gabriele: Alfred Döblin. Reclam. Stuttgart, 2001. S. 203 33 Staatsraison, vertritt.“41 Zu ihrer Enttäuschung will er aber keine solche und keine anderen absoluten Erklärungen vorlegen. Innerhalb ein paar Stunden diskutiert er mit seinen Schülern über Antigone von Sophokles. Die Schüler wollen eine eindeutige und unbestreitbare Auslegung der Problematik des Gehorsams gegenüber dem Staat bekommen. Sie sind es gewöhnt, eindeutige Informationen zu bekommen, aber Becker versucht den Unterricht anders zu gestalten. Er legt keine Interpretation vor, er will, dass seine Schüler selbst über das Problem nachdenken und auf seine Argumente reagieren. Jeder der Schüler versteht das Stück von Sophokles auf eigene Weise. es kommt darauf an, welche politische Einstellung jeder vertritt. Je mehr es klar ist, dass der Lehrer keine der offiziellen Ansichten an das Problem der Gehorsamkeit gegenüber dem Staat und Gesetz vertritt, desto heftiger werden die Ausfälle der Schüler gegen ihren Lehrer. Endlich konstatiert einer seiner Schüler: „Wir erwarten, Herr Dr. Becker, von ihnen klare Parolen und Gesichtspunkte, besonders bei einem so prekären Thema wie »Antigone gegen den Staat«.“42 Becker steht offensichtlich auf der Seite der Revolution. Er darf es aber nicht laut sagen, weil es gegenstaatlich wäre, deshalb versucht er die Ansichten von seinen Schülern zu problematisieren. Er legt neue Argumente vor, die auf seinen Erfahrungen aus dem Krieg basieren. Die Schüler können sich aber damit nicht zu Recht finden und verlangen vom Direktor einen anderen Lehrer zu bekommen. Dr. Becker unterrichtet diese Klasse nicht mehr. Diese Szene hat mehr einen politischen Charakter, es geht nicht um eine zeitgenössische Kritik des Schulwesens wie bei Thomas Mann, sondern um einen richtigen Generationskonflikt, der sich auf das Vehältnis zwischen dem Lehrer und seinen Schülern bezieht. „Die politisch-symbolische Bedeutung dieser Szene ist klar erkennbar: Die Revolution ist schon von Beginn an gescheitert; innerhalb der Revolution aber stehen sich – als Teil eines allgemeineren Erfahrungs- und Generationenkonflikts – Revolution und Konterrevolution unvereinbar gegenüber. Eine Gemeinsamkeit gibt es nicht: Auch die Konfrontation mit den Toten des Krieges führt nicht zu einer gemeinsamen Besinnung, zur Revision des Glaubens an ein absolutes 41 http://www1.uni- hamburg.de/exillit/neueversion/vorlesungen/vorlesungenarchiv/exilvorlesung03/1-doeblin.pdf 42 Döblin, Alfred: Sein letzter Unterricht. In: Unterbrochene Schulstunde, 1972. S.120 34 Sanktionsrecht des Staates bzw. der Obrigkeit, sondern im Gegenteil zu einer Glorifizierung derer, die für die vermeintlich "richtige" Partei gefallen sind – und zur Verurteilung der anderen Gruppevon Toten, die für die "falsche" Seite: hier für die Revolution oder für die Revolutionierung der Gesellschaft, ihr Leben gelassen haben.“43 Viele Gemeinsamkeiten mit der Erzählung Der Neger tauchen hier auf. Der Lehrer erfüllt nicht die Erwartungen der Schüler, woraufhin sie protestieren. Bei Ödön von Horváth werden solche Proteste vom Direktor streng abgewiesen, bei Alfred Döblin muss der Lehrer in einer anderen Klasse unterrichten. Warum kann also Becker in die Gruppe von den idealen Lehrern eingeordent werden? Zur Beantwortung dieser Frage ist der Unterrichtsverlauf wichtig. Das Unterrichtsschema ist anders als bei den Lehrefiguren, die bis jetzt analysiert wurden. Es gibt die Lektüre und dann eine Diskussion über die Bedeutung des Textes. Dr. Becker will, dass seine Schüler selbst über den Text nachdenken und selbst die Erkenntnisse erwerben. Das ist eine sehr moderne Methode, an der Becker gerade scheitert. Der Unterschied zwischen ihm und den anderen Lehrer-Figuren besteht darin, dass diese Lehrer-Figur während der ganzen Stunde aktiv bleibt und die Grenze zwischen der Katheder und den Bänken verringert oder sogar abschafft. Paradoxerweise wird es ihm übel genommen. Die Konfrontation, der er sich unterzieht, obwohl er aus seiner Autorität klare Interpretationen durchsetzen könnte, ohne Berücksichtigung einzelner Meinungen der Schüler, ist genau die Vorgehensweise, die ihn von den armen Teufeln unterscheidet. 43 http://www1.uni- hamburg.de/exillit/neueversion/vorlesungen/vorlesungenarchiv/exilvorlesung03/1-doeblin.pdf 35 2.4 Robert Walser: Tagebuch eines Schülers In einem fiktiven Tagebuch eines Schülers legt Robert Walser eine wunderbare Pläyade der Lehrerfiguren vor. Den Inhalt des Tagebuches stellen ausschließlich Beschreibungen der einzelnen Lehrer dar, die der Erzähler in seinem Schulalltag trifft. Die Charakterisierung der Lehrerfiguren kommt also von einem Schüler. Weil es da viele Figuren gibt, die alle immer in denselben Kategorien charakterisiert werden, wird aus Gründen der Übersichtlichkeit zwei Tabellen erstellt, in denen die wichtigsten Charakterzüge der einzelnen LehrerFiguren eingetragen sind. In der Tabelle Nr. 1 ist die direkte Charakterisierung, in der Tabelle Nr. 2 findet man indirekte Charakterisierung, die vor allem auf Reaktionen der Lehrer beruht. Die meisten der Lehrerfiguren im Tagebuch des Schülers kann man den armen Teufeln zuordnen, denn sie erfüllen eine definierte Charakteristik. Das heißt erstens: sie alle haben eine Schwäche, Herr Wächli gibt z. B. schlechte Ohrfeigen, Herr Neumann sieht komisch aus, hat keinen Respekt und keine Würde usw. Keiner von ihnen straft ohne Grund oder ist sadistisch. Den meisten Schrecken ruft Rektor Wyß hervor, trotzdem wird sein Prügeln nicht als willkürlich, sondern als gerecht, empfunden. Es treten zwei Lehrerfiguren vor, die nicht ganz zu den mittelmäßigen Lehrern gehören, Herr Jakob und Herr Bur. Der Geographielehrer und der Mathelehrer unterscheiden sich von ihren Kollegen dadurch, dass sie die Aufmerksamkeit von den Schülern für ihr Fach gewinnen können. Dem Mathelehrer wird noch der Vorteil zugeschrieben, dass er mit seinen Schülern lacht, also ihren Humor teil oder ihn zumindest verstehen kann. Das ist wichtig, denn es zeigt die Verbindung zwischen ihm und seinen Schülern. Die unüberschreitbare Grenze wird vin ihm durchgebrochen, das ordnet ihn in die Kategorie des idealen Lehrers. 36 Lehrer- Figur Fach Aussehen Charakteristik Wächli groß, dick, purpurrot im Gesicht komisch, gutmütig, drollig Blok Französisch dicke Lippen, aufgeblasen Augen, als Wachsfigur gleichgültig, kalt Neumann Turnen, Schönschreiben rotes Haar, spitze Gesichtszüge unglücklich, kein Respekt, keine Würde Rektor Wyß baumlang, soldatisch langweilig Herr Jakob Geographie alt, mit langem Bart und großen Augen alter, erfahrener Mensch Lanz Zeichnen zuversichtlich und eitel, grob, kein Humor, ein Dresseur Herr Bur Rechnen klug, aufrichtig, charakterstark, lebhaft, fröhlich, munter, heiter; kann Aufmerksamkeit gewinnen, erklärt gut, nett zu den Schwächeren Herr von Berger Turnen hochelegant Doktor Merz Deutsch, Geschichte klein, hohe Stiefeln der gebildetste von den Lehrern 37 Lehrer- Figur Reaktion auf Witze der Schüler Strafe Empfindungen der Schüler Wächli Zorn schlechte Ohrfeigen, die nicht richtig wehtun sie lachen ihn aus, sie machen Scherzen über ihn, verderben immer seine Laune Blok lässt sich nicht verärgern Lob oder Tadel haben keinen Effekt nicht beliebt, verleidet dem Erzähler das Lernen Neumann ärgert sich wahnsinnig, beherrscht sich gar nicht sie fühlen sich ihm überlegen, sie können ihn beherrschen. Rektor Wyß Prügeln ordnungsgemäß, Gefühl von gerechtiger Strafe sie achten ihn und fürchten ihn Herr Jakob Zorn (die Schüler schämen sich aber dannach) versteht die Aufmerksamkeit durch die abendteuerlichen Geschichten zu gewinnen Lanz Hauen mit Vergnügen sie verachten ihn Herr Bur nie ärgerlich, lacht mit Achtung und Vorliebe, Dankbarkeit für sein Verhalten Herr von Berger Tatzen, Meerohrhiebe er war nicht schlecht, Quäler Doktor Merz verliert den Verstand, schimpft, dass sie ihm sein Leben verderben schlechte Noten lächerlich, schlechte Noten sind kein Schreck 38 3. Lehrerfigur in den Texten der deutschböhmischen Autoren 3.1. Robert Saudek: Eine Gymnasiasten Tragödie 3.1.1. Einführung Eine Gymnasiasten Tragödie von Robert Saudek wurde in Concordia, der Deutschen Verlags-Anstalt von Hermann Ehbock, in Berlin im Jahre 1904 zum erstenmal veröffentlicht. Unter dem Register der Figuren stehen folgende Auskünfte: „Ort der Handlung: Provinzstadt in Böhmen. Zeit der Handlung: Gegenwart. Die Handlung spielt in 24 Stunden.“44 Das Spiel besteht aus vier Aufzügen und behandelt die Geschichte der Schüler des Gymnasiums, die ein Spottgedicht auf den Direktor in ihrer Zeitung „Freie Schule“ veröffentlichten, und ihres Klassenlehrers Dr. Hopp. 3.1.2. Erster Aufzug Im ersten Aufzug herrscht allgemeine Aufregung. Das Spottgedicht auf den Direktor, das die Obersekundaner in der Schülerzeitung veröffentlichten, ist ein Skandal. Die Tat wird auf zweifache Weise interpretiert. Nach der Ansicht des Direktors, der sich auch persönlich betroffen fühlt, als reine Barbarei und Respektlosigkeit. Auf der anderen Seite steht Klassenlehrer Dr. Hopp. Er versteht das Gedicht eher als Unzufriedenheit der Schüler und als Ruf nach Veränderung. Beim Verhör gibt Otto Seemann an, das Gedicht geschrieben zu haben. Der Direktor ist zufrieden und will glauben, dass es sich nur um einen Einzelfall handelt. Es zeigt sich aber, dass die Gymnasiasten nicht schweigen wollen und dass sie dem Direktor den Gehorsam verweigern. Beim nächsten Verhör enstehet das Problem, dass Otto nicht die Frage beantworten will, wer die Enstehung der Zeitschrift angeregt hat. Dr. Hopp gibt zu, dass es seine Idee war. Da die Schüler, die an der Zeitung mitarbeiteten, ihre Ansichten nicht aufgeben wollen, entscheidet der Direktor, dass sie relegiert werden sollen. Es handelt sich um sieben Schüler – Otto Seemann, Zimmermann, Schellner, Lienhardt, Hochbaum, 44 Saudek, Robert: Eine Gymnasiasten Tragödie. Concordia Deutsche Verlags-Anstalt, Berlin. 39 Herpich, Trenck und Wiechert. Nach der Verkündung der Strafe bitten Zimmermann und Schellner um Verzeihung, sie geben ihre Ansichten auf. Der Direktor willigt ein. Die anderen werden relegiert. Ein weiteres Studium ist für sie nicht möglich. Die meisten von ihnen haben Angst vor der Zukunft, nur Otto Seemann ist mit der Situation völlig zufrieden. Er möchte sowieso lieber seine Ideale verwirklichen, statt sich den veralteten Regeln des Gymnasiums unterzuziehen. 3.1.3. Zweiter Aufzug Im zweiten Aufzug besucht Dr. Hopp Ottos Großvater und erklärt die Angelegenheit. Er will den Großvater trösten, weil er an den reinen Charakter seines Enkelsohnes glaubt. Das ist aber nicht nötig, denn der Großvater ist ein anständiger Mensch, der Hopps pädagogische Teorien lobt. Später sucht Herpich Otto zu Hause und bringt die Nachricht, dass sich Liendhart erschossen hat. Es zeigt sich aber, dass der Grund nicht die Relegierung war, sondern seine unheilbare Krankheit. 3.1.4. Dritter und vierter Aufzug Im dritten Aufzug geht es vor allem um die Schüler, die über ihre Zukunft und ihre Ideale diskutieren. Im vierten Aufzug erreicht Trencks Vater eine Aufhebung der Relegierung für seinen Sohn und auch für die anderen Schüler, unter der Bedingung, dass Dr. Hopp die ganze Schuld auf sich nimmt und niemand erfährt, dass die Schüler relegiert werden sollten. Hopp ist verzweifelt über die Ergebnisse seiner experimentellen Pädagogik und nimmt die ganze Schuld auf sich. Die meisten Schüler sind damit mehr oder weniger einverstanden, dass sie wieder in die Schule gehen, nur Otto Seemann nicht. Er will seine Ideale nicht aufgeben und fühlt sich davon besonders enttäuscht, dass seine Mitschüler ihre Ideen verraten haben und dass sie alles beim Alten lassen wollen. Er stürzt sich aus Verzweiflung aus dem Fenster. Dr. Hopp ist verzweifelt, aber er gibt seine Ansichten nicht auf. 40 3.1.5. Lehrerfiguren In diesem Drama treten mehrere Lehrer-Figuren auf. Man kann hier unterschiedliche Lehrer-Typen beobachten. Die einzelnen Lehrer profilieren sich durch ihre Stellung zu dem Problem. Im Konflikt wenden sich die Lehrer auf eine der beiden Seiten. Auf der einen Seite steht der Direktor und seine Allwissenheit und absolute unangreifbare Wahrheit, die er bewährt. Er kämpft rücksichtslos gegen jede Abweichung von der Norm, von der ruhigen Pflichterfüllung. Er bewacht diese höchste Norm, dazu gehört natürlich auch bedingungsloser Respekt zu den unterrichtenden Autoritäten. Auf der anderen Seite steht der Klassenlehrer Hopp mit seinen neuen pädagogischen Theorien, die zur Enstehung der Zeitschrift „Freie Schule“ führten. Anhand einiger Beispiele lässt sich zeigen, wie sich die einzelnen Lehrer durch ihre Aussagen und Stellungen zu diesem Konflikt profilieren. Saudek bringt auf die Bühne eine Menge Lehrerfiguren, die sich durch ihre Einstellung zu der Angelegenheit und zu dem Problem der Individualität des Schülers profilieren. Schon im ersten Aufzug in der ersten Szene stellt Saudek zwei pädagogische Ansichten gegeneinander. Diese Ansichten werden von den Figuren von Professoren des Gymnasiums Dr. Braune und Dr. Krausneck klargemacht. Die beiden Figuren führen den Leser oder Zuschauer ins Problem ein. Sie äußern sich zum Gedicht und überhaupt zu der Existenz der Schülerzeitung. Dr. Krausneck scheint amüsiert zu sein. „Famose Kerle, unsere Sekundaner, ganz schneidig, alle Achtung.“45 Er nimmt den Vorfall auch nicht so ernst und will der Sache keine große Bedeutung zuschreiben. „Was haben die Jungen denn gemacht? Ein Spottlied auf den Alten.“46 Er interpretiert das Gedicht nicht direkt als ein Auflehnen gegen die Autorität. Dr. Braune dagegen nimmt die Sache ernst und erwartet große Probleme. Er verurteilt die literarischen Versuche der Schüler als „hektographische Albernheiten“47 und die Zeitung als Unsinn. Dr. Krausneck widerspricht mit der Idee, dass „man bei Kenntnis der Charaktere und bei liebvoller Lektüre mit einigen guten Willen mehr pädagogische Weisheit gewinnen könnte, als unser Herr Direktor ahnen kann.“48 „Das heißt, dass 45 Saudek, Robert: Eine Gymnasiasten Tragödie. S. 6 46 Ebd. S. 7 47 Ebd. S. 7 48 Ebd. S. 7 41 jeder einzelne Junge ein Stück eigener Gedankenwelt und Gefühlswelt hat, und daß jedes Temperament zu anderer Betätigung durch seine natürliche Veranlagung geführt wird…“49 Darauf reagiert Dr. Braune: „Alte bekannte Phrasen!“50 In dieser ersten Szene skizziert also Saudek zwei Pole der Lehrerschaft. Auf der einen Seite stehen die Lehrer, die die Schüler mit Respekt behandeln. Sie betonen nicht ihre Macht und wollen die Funktion des Lehrers eher als eine hilfende ansehen. Sie wollen die Schüler als individuelle Persönlichkeiten behandeln, nicht als eine undiferenzierte Masse, von der man in erster Reihe Disziplin verlangt und der man den Stoff vortragen soll. Sie wollen, dass sie selbst ihre Meinungen formulieren und sich mit ihnen wieder kritisch auseinander zu setzen. Außerdem verstehen sie dass, die Art und Weise des Lernens nicht bei allen gleich ist. Die andere Seite vertreten die Professoren, die alle diese pädagogischen Theorien zwar kennen, aber für rein theoretische Angelegenheiten halten, die man in der Praxis nicht verwirklichen kann. Sie halten Veränderungen im Unterricht für schädlich. Dr. Krausneck und Dr. Hopp vertreten die Pädagogen, die auf die Verwirklichung der Ideale nicht verzichten wollen, die im Unterschied zu ihren älteren Kollegen mit der Routine, unzufrieden sind, die die Persönlichkeit der Schüler nicht weiterentwickelt, sondern unterdrückt. So polarisiert ist auch die Einstellung zur Angelegenheit mit dem Spottgedicht. Die Meinung, dass neue Erziehungsmethoden nur Theorien sind, die die jungen Lehrer verwirren, spricht Prof. Stolz aus, der auch zu diesen alten konservativen Lehrern gehört. „Glauben Sie mir, meine Herren, das ist die Verderbnis unserer Zeit. Wir älteren Lehrer lassen uns von all den neuen Erziehungsmethoden nicht beeinflussen, dass sind Theoretiker, die die vielen neuen Ideen aufbringen, die verstehen nicht viel davon und haben nie jahrelang eine Klasse vor sich gehabt…und betören einzelne junge Idealisten. Unser charaktervolle Kollege Hopp ist einer dieser Betörten, der es gut meint, der es aber nicht versteht, die ihm anvertrauten Schüler in Ordnung zu halten.“51 Die anderen Professoren Döring, Sedler und Stolz stimmen ihm zu. Dr. 49 Saudek: Eine Gymnasiasten Tragödie. S. 8 50 Ebd. S. 8 51 Ebd. S. 9-10 42 Krausneck versucht wieder andere Meinung zu äußern. Dr. Krausneck gehört also teilweise auch zu diesen Idealisten. Eine andere Lehrer Figur, die nicht ganz in den veralteten Konventionen der Erziehung steckt, ist Dr. Pick. Er profiliert sich in einem Streit um Logik. Er greift ironisch Professor Harnischs Meinungen an. Er will aber nur darauf hinweisen, dass man nicht alles aufgrund logischer Argumente lösen kann. Er sagt: „Es lag mir nichts ferner als das, Herr Direktor, nur bin ich der ganz bescheidenen Ansicht, dass man mit logischen Formlen nicht Menschenherzen erschließt.“52 Also steht auch Dr. Pick auf der Seite, die in den Schülern nicht nur ein Material, sondern auch Individualitäten mit Emotionen sieht. 3.1.6. Dr. Hopp versus Direktor Böhn In der vierten Szene des ersten Aufzuges erscheinen endlich die Hauptakteure aus der Reihe der Lehrerschaft – Direktor Böhn und Dr. Hopp. Der Direktor spricht seine Ansicht klar aus. Es kommt zu einem heftigen Meinungsaustausch zwischen ihm und Dr. Hopp. 3.1.6.1 Direktor Böhn Direktor Böhn und sein Lehrer-Typus wird deutlich in seinen Aussagen entfaltet. „…damit hier der schuldige Rädelsführer ermittelt werde, dessen exemplarische Bestrafung, wie wir hoffen, ein genügend abschreckendes und warnendes Bild des moralischen Verfalles für unsere ganze Anstalt bilden wird… und es liegt auch im Interesse unserer Anstalt, nicht lange und umständlich Untersuchungen hierüber zu führen. Denn nach meiner Ansicht ist die Verderbtheit der ganzen Klasse auf die gehässige und alberne Agitation eines einzelnen Schülers zurückzuführen.“53 Folgende Audrücke: exemplarische Bestrafung, abschreckendes Bild, moralischer Verfall, Verderbtheit, die seine ersten Worte im Drama sind, bestimmen auch 52 Saudek: Eine Gymnasiasten Tragödie.S. 19 53 Ebd. S. 13 43 seinen Charakter. Er benutzt eindeutig abwertende Worte, die keinen Zweifel zulassen. Wobei er aber erwähnt, dass die Angelegenheit gar nicht richtig untersucht wurde und dass er sogar keine gründliche Untersuchung vornehmen will. Im Namen der Ordnung und Disziplin, die hier so sehr ähnlich dem preußischen Gymnasium zu sein scheint, muss der Schuldige ohne Umständen exemplarisch bestraft werden. Das Spottgedicht auf den Direktor, das Dr. Krausneck sogar als schneidig benennt, heißt Auflehnen gegenüber der allmächtigen Autorität des Hauptes des Lehrkörpers, das augenblicklich unterdrückt werden muss. Nur so kann man seine Autorität bestätigen und Disziplin halten. Der Autor dieses Gedichtes ist ein schwarzes Schaf, das beseitigt werden muss, um nicht die anderen mit Revolte anzustecken. Der Direktor verhält sich genau nach den Regeln. Dr. Hopp möchte diese Behandlung der Schüler problematisieren, die Motivation zu solchen Taten untersuchen und daraus die Konsequenzen nicht nur für den Täter, sondern auch für sich selbst ziehen. Er sucht andere Wege, wie er die Aufmerksamkeit und Gehorsam gewinnen könnte. Ihm ist es klar, dass der Direktor nur seine formale Autorität durchsetzen kann. Er schätzt aber informelle Autorität, die man nicht durch Strafen, sondern durch Respekt gegenüber den Schülern und seinen Ansichten gewinnen kann. Die harte Disziplin gilt übringens nicht nur für die Schüler, sondern auch im Lehrkörper selbst. Hier herrscht feste Hierarchie, ganz oben ist der Direktor, der seine Kollegen höflich behandelt, soweit sie seine Ansichten mitteilen. Wenn sie aber seine Meinung nicht unterstützen, nimmt er ihre Aufwendungen nicht in Acht. Parallel zu der Machtkonstellation in der Klasse ist er zugleich der Übergeordnete, der das Wort zuteilt und entzieht. Plötzlich werden die Lehrkräfte Schüler und der Direktor der Lehrer, der entscheiden kann. Der Direktor nimmt an, dass alle Kollegen die gemeinsame Ansicht haben. Zu seiner Überraschung verlangen Dr. Braune, Krausneck und andere Kollegen gründliche Untersunchung der Angelegenheit. In der vierten Szene kommt nun auch Dr. Hopp zu Wort. Er sieht das Problem anders, er sieht den Ausweg nicht darin, dass man den Schuldigen bestraft. „Ob ein Missetäter hier bestraft wird oder nicht, scheint mir im ganzen recht belanglos. Wenn wir unsere Aufgabe ernst nehmen, so müssen wir uns fragen: Liegt hier ein Einzelfall, d.h. ein in der Anlage und Erziehung mißratener Schüler, dann hat der Vorfall keine allgemeine Bedeutung; oder 44 haben Sie es mit einer einer symptomatischen Erscheinung zu tun, und dies scheint mir der Fall zu sein, dann müssen wir uns über ganz andere Fragen einig sein, als diejenigen es sind, die bisher erörtet wurden.“54 Diesem Versuch, andere Fragen zu eröffnen, macht aber der Direktor gleich ein Ende. „…ich empfinde es als Beleidigung der gesamten Lehrerschaft, ihre ruhige und fachgemäße Debatte für trocken und wertlos zu erklären und muss Ihnen daher gegen meine Gewohnheit einfach das Wort entziehen.“ 55 Der Konflikt zwischen den Seiten, verkörpert durch die Figuren des Direktors und Dr. Hopps, verschärft sich und wird sogar vor den Schülern diskutiert. Beim Verhör der Schüler gibt Hopp zu, dass er geahnt hat, dass Seemann Autor des Gedichtes war. Die Tatsache macht Hopp einen Mitschuldigen an dem Fall, denn er hat Seemann nicht angezeigt. In Direktors Augen wird Hopp zum unverlässigen Glied des Lehrkörpers, der gegen die Regeln verstößt hat. Der Direktor tadelt ihn vor allen gesammelten Schülern. Hopp lässt es sich nicht gefallen, aber der Direktor demonstriert seine Überordnung: „Noch weniger haben Sie mir irgenwelche Belehrungen zu geben.“56 Direktors unkollegiales Verhalten auch vor den Schülern verweist auf die strenge Hierarchie im Lehrkörper. Die Mitglieder des Lehrkörpers sind mit ihrem Unterricht und der Behandlung der Schüler dem Direktor untergeordnet, auch ihre Verstöße gegen die Disziplin müssen bestraft werden. Doktor Hopp hat sich gegen diese Regeln aufgelehnt, er wollte seine eigene pädagogische Theorien verwirklichen, aber dabei hat er die alte Ordnung und Disziplin gestört. Seine Missbilligung mit der herrschenden Unterrichtspraxis muss deshalb bestraft werden, ohne Untersuchung seiner Motive und möglicher positiven Auswirkungen seiner Theorien. Im Gespräch mit den Schülern drückt sich der Direktor noch härter aus: „Es gehört eine kolossale Unverschämtheit dazu, hier noch derartige Vorträge zu halten.“57 Frechheit, Verschwörung, exemplarische Strafe – diese und andere Ausdrücke in der Rede des Direktors zeigen seine schwarzweiße Art und Weise seines Denkens und seiner Handlung. Er überlegt keinen Moment, dass der Fall vielleicht nicht so eindeutig ist. Deshalb ist auch das einzige Mittel, zu dem er 54 Saudek: Eine Gymnasiasten Tragödie. S. 16 55 Ebd. S.16 56 Ebd. S.16 57 Ebd. S.24 45 greift, die Androhung der Relegierung. Die benutzt er übrigens nur als ein Schreckmittel, um die Jungen zu zwingen, ihre Stellung aufzugeben. Nachdem zwei von den Jungen ihre Stellung ohne weiteres aufgaben und um Verzeihung und Mitleid baten, dürfen sie ohne Weiteres auf dem Gymnasium bleiben. Und nach dem Eingriff der Eltern, die die Aufhebung der Relegierung durchsetzen und ihre Söhne zur Vernunft bringen, bleibt nur noch Dr. Hopp der Schuldige, der das alles organisiert hat und der auf seine Meinungen nicht verzichtet. Der Schuldige wird also exemplarisch bestraft und damit ist Böhn zufrieden. Er will nur Gehorsam und Disziplin, seine Lösungen der Probleme sind aber auf Strafen beschränkt. Er ist lieber bereit die Zukunft der Schüler zu ruinieren, als ein Kompromiss oder eine andere Lösung zu suchen, um seine Entscheidung durchzusetzen. Er stellt sich auch keine weitere Fragen, ob er auch etwas zugunsten der Schüler verändern konnte. Mit Strafe und Buße ist der Fall erledigt. Das macht ihn zu einer Lehrerfigur, die sich nicht für die Schüler interessiert, sondern sich nur um ihre Autorität kümmert. Diese Figur steht am Rande des Spektrum der Lehrerfiguren aus der deutschböhmischen Literatur, die ich hier allmählich vorstelle. 3.1.6.2 Dr. Hopp Als sein Gegenpol tritt Dr. Hopp auf. Hopp ist der Klassenlehrer der Obersekunda und seine Idee war, die Schülerzeitung „Freie Schule“ zu gründen. Eine kulturelle Tätigkeit bei seinen Schülern zu entwickeln entspricht nämlich theoretischen pädagogischen Ansichten, die er im Gegenteil zu Dr. Braune nach dem Eintritt in die Praxis nicht aufgegeben hat. Er versucht seine Thesen aus der Zeit des Studiums zu realisieren. Über seine Theorie erfährt man nicht von Hopp selbst, sondern von Ottos Großvater in der ersten Szene des zweiten Aufzuges, in einem Gespräch über den Sinn der Entstehung der Zeitschrift, die bereits zur Katastrophe führt. Hopp ist verzweifelt, es scheint, dass er den Jungen ihre Laufbahn zerstört hat. Ottos Großvater erinnert ihn an seine gute Absichten. „Ich habe Ihre experimentelle Pädagogik gelesen, Sie wollen die Jungen erziehen, in dem Sie die Stadien ihrer geistigen Entwicklung in ihrer literarischen Betätigung festhalten lassen. Sie wollen den Jungen ihren eigenen Spiegel 46 vorhalten und ihnen sagen: seht, so habt ihr vor einem Jahr gedacht und geschrieben, seht, so habt ihr vor zwei Jahren gedacht. Sie wollen ihnen sagen: seht, so entwickelt ihr euch, und doch dachtet ihr vor zwei Jahren und vor einem Jahr, dass eure damalige Auffassung die letzte Stufe war, die eine Weltanschauung erklimmen kann. Sie wollen ihre Schüler dahin bringen, dass sie niemals an eine vollendete Weltanschauung glauben und dass nicht mit dreißig Jahren ihre geistige Entwicklung mit irgendeiner Kleinen-LeuteWeisheit stehen bleibt, dass sie im Leben nicht durch praktische Betätigung abgehalten werden können, an der Erweiterung ihres geistigen Gesichtsreifes weiterzubauen; Sie wollen es dahin bringen, dass den Menschen die geistige Rastlosigkeit zum Instikte wird.“58 Der Großvater muss ihm in seiner Verzweiflung seine guten Absichten verdeutlichen. Es zeigt sich, dass Hopps Handlung mehr unbewusst und instinktiv ist, denn er reagiert darauf: „Ich hab´es mir ja selbst nie so klar vor Augen geführt, wie Sie es tun.“59 Hopp ist also ein Lehrer-Typus, der instinktiv seine Schüler dazu führen will, dass sie ihr Denken kritisch beurteilen und dass sie nie etwas für eine absolute Wahrheit halten, so wie das der Direktor tut. Sie sollen offen zu neuen Anregungen sein und bereit sein, ihre Meinung zu ändern, wenn es nötig ist. Er versucht sie also zu besseren Menschen zu erziehen. Der Direktor und manche seine konservative Kollegen stellen eine rigide Stellungnahme dar, sie hängen fest auf alten Regeln an, deshalb beachtet Böhn ihre Hopps Ansichten gar nicht. Hopp will solche Leute nicht erziehen, er versteht Veränderungen als Motor des Fortschritts. Er will den Fortschritt in der Schule und in der Ausbildung fördern, denn besonders um die Jahrhundertwende ändert sich alles sehr schnell. Neue Ideen, neue Technik, neue Vorgänge, darauf muss der neue Mensch reagieren und die Fähigkeit besitzen, die Neuigkeiten kritisch zu beurteilen. Hopps Ziel ist seine Schüler auf wirkliches Leben vorzubereiten. Darin besteht der Unterschied zwischen Hopp und Böhn und zugleich zwischen beiden LehrerTypen. Böhns Ziel ist seine Pflichterfüllung, Memorieren des Stoffes ist das einzige, was er von seinen Schülern erwartet, das ist die Bedingung fürs Abitur. Hopp liegt es an der geistlichen Entwicklung seiner Schüler, dahinter steht persönliche Interesse des Lehrers und darin zeigt sich immer, was den guten, 58 Saudek: Eine Gymnasiasten Tragödie. S. 54 59 Ebd. S. 54 47 idealen Lehrer macht – sein persönliches Angagement außerhalb der bezahlten Zeit in der Schule. Dieses persönliche Angagement einer idealen Lehrerfigur spiegelt sich in der Beziehung zu ihren Schülern. Was hält Dr. Hopp von seinen Schülern? Dem Großvater sagt er: „Ihr Otto ist nicht ein Junge, der in falsche Bahnen gelenkt werden kann, es liegt noch eine gärende Masse in ihm, die sich jugendlich austobt, aber sein Charakter ist rein, des bin gewiß. Solche Sturmjahre sind nötig, die Jugend muß etwas erleben, um sich zu vertiefen. Wir brauchen eine Jugend mit viel Leidenschaft.“60 Die Beziehung zu den Kindern wird damit ausgedrückt, wie man über sie redet. Dr. Hopp hat auf jeden Fall viel Verständnis. Er will seine Schüler nicht anders verändern, sondern er will ihre natürlichen Kräfte für das Gute ausnutzen. Die typischen Merkmale eines idealen Lehrers sind in Hopp vekörpert: an erster Stelle stehen Interresse an den Schülern, sie werden als Individualitäten behandelt und der Lehrer engagiert sich auch persönlich in der Erziehung seiner Schüler . 3.1.7 Pick, Braune und Krausneck Dr. Hopp und Direktor Böhn sind die zentralen Lehrerfiguren des Dramas, die mit ihren unterschiedlichen pädagogischen Ansichten gegeneinander stehen. In die Auseinandersetzung greifen auch andere Lehrerfiguren des gymnasialen Lehrkörpers, unter deren Pick, Braune und Krause abweisende Ansichten von der offiziellen Meinung des Direktors vertreten. In der siebten Szene des ersten Aufzuges kommt es zu einem offenem Streit unter den Lehrern sogar vor Augen der Schüler. Der Direktor sieht keine andere Möglichkeit der Auslegung des Falles als seine eigene und zweifelt nicht daran, dass ihm sein Lehrkörper bedingungslos zustimmt. Bevor er seinen Urteil offiziell über die Schüler ausspricht, will er Dr. Hopp sprechen lassen, der problematisiert aber ihre Schuld. Direktor lässt ihn nicht weiter sprechen und beruft sich auf die Meinung seiner Kollegen, überraschenderweise auch Dr. Pick opponiert. Direktor wird nervös und fordert andere Professoren, seine Meinung zu unterstützen. „Acht Lehrer erheben die Hand, Pick, Braune, Krausneck nicht.“61 60 Saudek: Eine Gymnasiasten Tragödie. S. 52 61 Ebd. S. 35 48 An dieser Stelle werden noch diese drei Lehrerfiguren näher behandelt. Gehören Sie zu der einen, oder der anderen Seite, oder stehen sie vielleicht irgendwo in der Mitte? Dr. Krausnecks und Brauns Ansichten wurden schon teilweise in der ersten Szene des ersten Aufzuges klargemacht. Die zwei standen sich gegenüber. Während Krausneck das Spottgedicht als Spaß angesehen hat und die Zeitschrift „Freie Schule“ als einen guten pädagogischen Vorgang beurteilte, war Braun der Meinung, dass die literarische Betätigungen der Schüler albern und nutzlos sind. Wieso stehen diese zwei Lehrerfiguren in der siebten Szene gegen die Autorität des Direktors? Krausneck profiliert sich schon im ersten Aufzug, in dem er Hopp und die Existenz der Zeitschrift verteidigt. Er hält seinen Versuch für einen Fortschritt und versucht, davon auch andere Kollegen zu überzeugen. Er sagt sogar, dass den anderen die Fähigkeiten fehlen, eine Veränderung des Unterrichtes zu verwirklichen. Er ist dagegen, dass Hopp ein betörter Idealist ist, der keine Ordnung halten kann und seinen Respekt verliert. Hopp soll als warnendes Beispiel auch für Krausneck dienen. Krausneck ist ein Nachfolger Hopps. Auch wenn Hopp das Gymnasium verlässt, lebt der Gedanke des Fortschrittes in seinem Nachfolger Krausneck weiter. In der dritten Szene kommt Pick Hopp besuchen. „Braune und ich haben bis zum letzten Augenblick gehofft, dass die Sache noch ins rechte Gleise zu bringen ist… Wir dachten, es wird noch zu machen sein. Furchtbar dumm.“62 Pick deutet an, dass er und Braune nicht mit dem Vorgang des Direktors einverstanden sind und dass ihn für zu streng halten. Er interessiert sich auch für Hopps Schicksal. Auf Hopps Geständnis, dass er seine Ansichten nicht aufgibt, und bevor er weggeht, Disziplinarverfahren fordern will, reagiert Pick bitter und neidisch: „Du kannst es tun. Unsereiner müßte an deiner Stelle nachgeben. Aber du hast Geld. Nimm mir´s nicht übel, Hopp, aber das nenne ich keine Leistung, sich so auf sein Geld zu verlassen. Da könnte man doch alles tun, weil man Geld hat.“63 Hier wird man wieder mit der finanziellen Sitution der Lehrerfigur konfrontiert. So wie Horváths Lehrerfigur lieber auf seine Ansichten verzichtet, um seine Stelle und Pension zu sichern, behauptet auch Pick seine pädagogischen Theorien nicht aus existenziellen Gründen verwirklichen zu 62 Saudek: Eine Gymnasiasten Tragödie. S. 125 63 Ebd. S. 125 49 können. Er nimmt es Hopp übel, dass er aus seiner Position eines Lehrers, der nicht für Geld unterrichtet, mit seinen pädagogischen Experimenten die Zukunft seiner Schüler bedroht: „Fühlst du keine Verantwortung den Schülern gegenüber? Wenn ein anderer der Klassenvorstand der Obersekunda gewesen wäre, so hätte er es nie soweit kommen lassen… Heute wirst du noch die Eltern von allen deinen Schülern bei dir sehen. Aufrichtig gesagt, sie haben doch recht, sich an dich zu wenden, du hast doch die Karriere der Schüler verdorben.“64 Pick glaubt, dass Hopp leichtsinnig die Karriere seiner Schüler zugunsten seinen pädagogischen Experimenten riskiert hat. Er beschuldigt ihn von Leichtsinnigkeit. Das heißt aber, dass Pick auch, wenn er Geld hätte, nicht solcher Durchbruch gegen die Regeln gefördert hätte, deshalb findet er, dass Hopp Verantwortung für das Schicksal der bestraften Schüler übernehmen sollte. Pick bleibt in dem System der Schule verankert und zweifelt nicht an seine Richtigkeit. Dr. Hopp selbst bewertet ihn folgend: „Doktor Pick ist einer der bedeutesten, vielleicht der bedeutendste unter ihnen. Aber keine der großen Fragen beschäftigt ihn, nur die kleinen Interessen seines Standes füllen ihn aus. Glauben Sie mir, ein Lehrerkollegium ist die schlechteste Umgebung für einen Erzieher, der es ehrlich meint.“65 Als Problem aller Lehrer spricht Hopp die Tatsache an, dass sie sich nicht von ihren eigenen Problemen distanzieren können, und an den Gewinn der Schüler denken. In dieser Hinsicht ist Pick auch keine Ausnahme. In der achten Szene des vierten Aufzuges kommt Braune zu Hopp und bringt die Nachricht, dass die Relegierung aufgehoben wird, wenn Hopp seine Stelle am Gymnasium verlässt. Braune glaubt, dass Hopp selbst auf seine Stelle verzichtet, weil er sich für den Fall schuldig fühlt. „Du wolltest zurücktreten, weil du dich vor der Verantwortung fürchtest. Ich kann es dir nachfühlen. Ich kann dir sagen, wir haben alle aufgeatmet, dass die Sache wenigstens so weit in Ordnung ist.“66 Das ganze Lehrkörper hat also seinen Versuch als einen Fehler beurteilt. Sie betrachteten die Schüler als Opfer Hopps pädagogischer missgefallenen Experimente. Deshalb verlangte Braune gründlichere Untersuchung des Falles gegen den Willen des Direktors, er hoffte, dass der 64 Saudek: Eine Gymnasiasten Tragödie. S.126 65 Ebd. S. 128 66 Ebd. S. 139 50 Vorfall als Hopps Fehler interpretiert wird und so verhindert man der Relegierung der Schüler. In dieser Kategorie stehen also die anderen Professoren, die nicht ganz Direktors Ansichten mitteilen, nur weil es die Hierarchie fordert. Sie zeigen mehr Verständis für ihre Schüler, sie denken kritischer als der Direktor und wollen auch nicht alles absolut verurteilen. Hopps Ansichten halten sie jedoch für Fehler seiner Jugend und der einzige, der nicht nur die Schüler, sondern auch Hopps Ideen verteidigt, bleibt Krausneck. 3.1.9 Gödicke Eine außergewöhnliche Lehrerfigur stellt Gödicke dar. Denn in den Szenen, in denen die Lehrer engagiert über den Fall und Hopps Idealismus diskutieren, tritt hier eine Lehrerfigur auf, die sich zu dem Problem gar nicht äußert, obwohl sie dazu aufgefordert wurde. Pick fordert ihn seine Meinung zu sagen, denn alle anderen Lehrer haben schon ihre Meinung klar gemacht. Darauf reagiert Gödicke schüchtern: „Lassen Sie mich aus dem Spiel.“67 Das ist ein Lehrer-Typ, der gar keine Meinung vertritt, um mit keinen Problemen zu tun zu haben. Er ist aber zugleich nicht gegenüber dem Direktor loyal und unterstütz ihn nicht. So ein Typ will sich keine Probleme mit anderen verursachen, deshalb bleibt er unangagiert und außer der ganzen Handlung. 3.1.10. Das Lehrer-Panoptikum Das Lehrer-Panoptikum beginnt mit dem Direktor auf einer Seite, der als absoluter Herrscher handelt, der andere Meinung als seine außer Acht lässt und der eine absolute Gehorsamkeit verlangt, keine Freiheiten sind in seiner Klasse und in seinem Lehrkörper gestattet. In seiner Umgebung sind andere Professoren, die meistens seine Meinung vertreten, jedenfalls äußern sie keine Proteste. Krausneck, Pick und Braune treten kritisch gegenüber dem Direktor auf, sie wollen ihre eigenen Ansichten durchsetzen. Ideologisch am nächsten Hopp stehen Krausnecks Ideen, der auch den Prozess der Erziehung und Ausbildung nicht ganz getrennt von den Persönlichkeiten und Gefühlen der Schüler versteht. Am Ende 67 Saudek: Eine Gymnasiasten Tragödie. S. 20 51 des Spektrums befindet sich Dr. Hopp, der die Ausbildung als Selbstbeobachtung und Belehrung aus eigenen Fehlern sieht, der nicht nur bei theoretischen Ideen bleibt, sondern versucht sie zu verwirklichen. Sein Versuch scheitert, weil sich Hopp eben am Ende des Spektrums befindet: auf seiner Seite steht nur noch Krausneck. Die meisten Mitglieder unterstützen den Direktor, der alles wieder ins alte Gleis bringt und Experimente unterdrückt. 52 3.2. Emil Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. Eine stille Geschichte. 3.2.1. Einführung Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein junger Lehrer, Erwin Moser. Er beginnt seine Karriere an einer Schule auf dem Dorf, wohin er aus seiner Geburtsstadt kommt. Der Roman berichtet über Erwins zweijährige Wirkung an der Schule. Erwin ist nicht die einzige Lehrerfigur, an der Schule unterrichtet bereits ein Oberlehrer. Diese zwei stehen fast nicht im Kontakt zueinander und man kann sie teilweise auch so in ihrer pädagogischen Auffassung gegenübergestellt sehen, wie den Direktor und Hopp in Einer Gymnasiasten Tragödie von Robert Saudek, obwohl Polarität der Meinungen nicht so zugespitzt wird. Der Roman verfolgt die ganze Zeit die Hauptfigur des jungen Lehrers. Es gibt eigentlich keine Handlung, sondern es geht eher um die Schilderung seines Lebens als Lehrer auf dem Lande. Der Erzähler beschreibt ausführlich vor allem Szenen aus seinem Schulleben. Den Grund dafür erklärt M. Krappmann, die auch auf die eigentliche Qualität des Textes aufmerksam macht: „Die schlichte, nach billigem Taschenroman anmutende Inhaltswiedergabe verdeckt natürlich volkommen die Tatsache, dass in diesem Roman ein äußerst komplexes pädagogisches und gesellschaftliches Konzept literarisch dargestellt wird.“68 Die einzelnen Aspekte des pädagogischen Komplexes behandeln werden innerhalb der Analyse der Lehrer-Figur behandelt. 3.2.2. Charakterisierung Die Charakterisierung der Lehrerfigur ist mit der Erzählweise im Roman verbunden. Die Erzählweise, d.h. wie die Geschichte dargestellt wird, kann die Ursache für die Spannung im Roman sein, weil die Geschichte selbst nicht besonders spannend ist: ein junger Lehrer kommt in ein fremdes Dorf, unterrichtet eine Klasse an der hießigen Schule und verliebt sich heimlich in ein Schulmädchen. Das Mädchen ist aber ein Bettelkind, ihr Vater war ein 68 Krappmannová, Marie: Emil Merker = Erwin Moser? 53 Alkoholiker und deshalb ist für sie mit Erwin als Lehrer keine Verbindung möglich. Erwin verfügt über den Sinn für Demokratie und sieht keine Unterschiede zwischen Reichen und Armen, er kämpft auch gegen diese Ungerechtigkeit und hofft, dass er doch das Mädchen – Agnes - heiraten kann. Das spielt sich übringens nur in Erwins Kopf ab. Agnes fällt so was überhaupt nicht ein. Sie ist und denkt viel pragmatischer und realistischer. Wenn das Erwin ansieht, verlässt er enttäuscht Altendorf und sucht eine andere Stelle. Im Text kommt Erwin nicht nur von einer Erzählperspektive vor, sondern es wechseln sich zwei Perspektiven. Die eine ist die subjektive Perspektive des jungen Lehrers, die andere charakterisieren die Bemerkungen eines neutralen Erzählers. Die Handlung wird also entweder mit Erwins Augen, d.h. von innen, oder mit dem Blick von außen dargestellt. Die innere Erzählperspektive vermittelt im Text Erwins Gedanken, Gefühle und Hoffnungen, die äußere konfrontiert die innere mit realistischer Beschreibung der Wirklichkeit und eigener Bewertung. Seit dem ersten Kapitel wird über Erwins Gefühle, Hoffnungen und Ängste berichtet: „Wenn nur erst einmal alles in ruhigen Gang gekommen war! Vor den Jungen war ihm ja nicht bange, mit denen würde er schon fertig werden. Aber die Mädel, bei denen kannte man sich manchmal nicht recht aus! Ach was, es würde schon gehen!“69 Gegen diese Rede des Erzählers, die genau Erwins Gefühle und Empfindungen ausdrückt, stehen die objektiven Passagen, die Erwins Gedanken mit der Realität konfrontieren. Der objektive Erzähler erfährt, für Erwin, unbekannten Tatsachen. Er beschreibt das, was die Leute im Dorf von Erwin halten, und er selbst distanziert sich von der Figur des jungen Lehrers dadurch, dass er Erwins Handlung und Denken kommentiert und bewertet. „Da überwältigte es ihn, er warf sich nieder, wühlte das Gesicht ins Gras und weinte wild darauflos. So ein Kindskopf war er. So heiß und ungeschickt faßte er das Leben an. Heulte, weil die Welt nicht so war, wie er sich sie in seinem törichten Herzen aufbaute.“70 Im Gegensatz zum vorigen Zitat ist diese Erzählperspektive distanziert. Es werden viele bewertenden Wörter verwendet: Kindskopf, ungeschickt, törichtes Herz. Ähnliche Aussagen wiederholen sich im 69 Merker, Emil: Der junge Lehrer Erwin Moser. Adam Kraft Verlag. Karlsbad, 1931. S. 6 70 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S. 99 54 ganzen Text: „Er war eben jung und heiß.“71 „Er war schon ein komischer Kauz.“72 Solche Charakteristik ist für eine Lehrerfigur nicht gerade typisch: heiß, Kindskopf, törrichtes Herz usw. Doch ähnlich drückten sich über Hopp seine älteren, erfahrenen Kollegen in Einer Gymnasiasten Tragödie aus. Dort wurde Hopp als ein betörter Idealist bezeichnet. Solche Bewertungen kommen also von älteren Kollegen. Wer ist der ältere Kollege, der über Erwin so spricht? Eine Erklärung für diese zwei Erzählperspektiven bringt das letzte Kapitel des Romans, in dem Erwin zufällig nach vielen Jahren mit seiner Ehefrau nach Altendorf zurückkommt. Die distanzierte Erzähperspektive eines älteren Kollegen, ist vielleicht die Perspektive des älteren Erwins, der sich nach vielen Jahren mit Abstand an seine Jahre in Altendorf erinnert und seiner Frau sagt: „—ja, weil ich damals noch nichts verstand.“73 Das ganze Bild des Lehrers ist also hauptsächlich von oben beschriebenen Erzählperspektiven geprägt. Die subjektive Erzählperspektive ruft in dem Leser eine Vorstellung hervor und die objektive Perspektive konfrontiert Erwins Wahrnehmung mit der Realität. Diese zwei Erzählperspektiven ergänzen die Passagen, in denen die direkte Rede verwendet wird. Viele Dialoge im Dialekt kommen im Text vor. Sie stehen oft als Ausdruck der Meinung der anderen über Erwin: „Owa in d´ Kerch geht er net!“74 Die direkte Rede vermittelt die Meinung der anderen Bewohner des Dorfes über Erwin. Wenn die richtige Spannung im Roman beginnt, gelten diese Dialoge als Gegenpol zu Erwins Perspektive. Erwin verliebt sich in ein Schulmädchen und kämpft zuerst mit sich selbst, denn ihre soziale Rollen sind unterschiedlich und ihre Beziehung ist als Lehrer und Schülerin, bzw. Dienstmädchen, unmöglich. Seine Naivität und Träumerei führen ihn dazu, dass er an die Möglichkeit ihrer Verbindung glaubt. Die Konfrontation der zwei Ebenen Erwins Gedanken und Hoffnungen auf einer Seite und Gespräche mit Agnes in direkter Rede auf der anderer Seite, verdeutlichen die Schlucht zwischen Realität und Erwins Wahrnehmungen. 71 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S.94 72 Ebd. S. 33 73 Ebd. S. 53 74 Ebd. S. 23 55 3.2.3. Die Lehrerfiguren Im Roman wie schon oben erwähnt treten zwei Lehrer Figuren auf. Die zentrale Figur ist der junge Lehrer Erwin. Die andere Lehrerfigur ist der Oberlehrer, der auf Erwins neuen Schule bereits länger unterrichtet. Diese Figur stellt einen ordinären Lehrer, der als Prototyp seines Berufes dienen kann. In meiner Typologie kann ich ihn zur Kategorie arme Teufel zuordnen. Obwohl der Oberlehrer am Rande des Geschehens im Roman steht, verdeutlicht der Kontrast dieser Lehrerfiguren ihre Angehörigkeit zu anderen Lehrer-Typen. 3.2.3.1 Der Oberlehrer Erwin kommt in die neue Schule, wo schon ein alter Oberlehrer unterrichtet. Erwins Erwartungen sind groß. Er ist ein junger, unerfahrener Lehrer und dazu kennt er im Dorf niemanden, deshalb hofft er einen Freund im Oberlehrer oder in seinem Sohn zu finden. „Was wohl der Oberlehrer für einer war! Davon hing viel ab. Wie die Frau sein mochte. Ob man bei denen ab und zu ein wenig sitzen konnte! Ob sie Kinder hatten! Vielleicht einen großen Jungen. Eine Röte ging über seine Wangen. Er hatte sich auf dem Wunsch ertappt, es möchte so sein, damit man sich vielleicht ein bissel an ihn halten konnte. Aber das ging wahrscheinlich nicht, weil er ja doch jetzt Lehrer war. Seine Würde war ihm noch etwas unbehaglich und machte ihn verlegen. Ach Unsinn! Er wollte nicht mehr an solche Albernheiten denken.“75 Erwin sucht eine verwandte Seele, die ihm sein Leben in der neuen, ungewöhnten Rolle erleichtern würde. Er muss sich selbst daran gewöhnen, dass er jetzt Lehrer ist, obwohl seine Jugend mehr als einen alten ernsten Mann, einen älteren Jungen als Freund haben möchte. Über den Kontakt wird nur kurz berichtet. Derselbe Beruf verbindet zwei unterschiedliche Persönlichkeiten mit unterschiedlichen pädagogischen Ansichten. Die Unterschiedlichkeit beider Persönlichkeiten wird gleich beim ersten Treffen angedeutet. Erwins Unbehagen beim ersten Besuch im Wohnzimmer des Oberlehrers macht die Unterschiede klar. Erwin beobachtet die Einrichtung des 75 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S. 6 56 Zimmers. Das Zimmer, das Millieu einer Figur ist, ist sehr wichtig für ihre Charakteristik. Die Voraussetzung, dass das Milieu einer Figur oft als Illustrierung ihres Charakters dient, ist eine literartheoretische These: „Das Haus eines Menschen ist eine Erweiterung seiner selbst“76 Das heißt also, dass das Milieu Ausdruck des Charakters ist, in diesem Fall des Charakters des alten Oberlehrers. Die Tatsache, dass das Wohnzimmer kein objektiver Erzähler beschreibt, sondern es wird aus Erwins Perspektive gesehen, bringt nicht nur Informationen über den Oberlehrer, sondern auch über Erwin selbst. In diesem Fall heißt es, die explizite Charakteristik einer Figur ist zugleich implizite Charakteristik der anderer Figur. „So eine patzige Ernsthaftigkeit und Wichtigtuerei schienen ihm alle diese Dinge zur Schau zu tragen.“77 Erwin fühlt Abneigung zu dem Haus und zugleich Unbehagen. „Es war ein sehr nobles Zimmer… Unter dem Tisch lag ein großblumiger Plüschteppich, auf dessen Rosen sich Erwins Füße in den großen, schmutzigen Wanderschuhen recht unpassend ausnahmen.“78 Das Bild der schmutzigen Wanderschuhe auf einem großblumigen Plüschteppich steht metaphorisch für die zwei weit entfernten Welten, in denen diese zwei Lehrerfiguren leben. Die Unmöglichkeit einer Freundschaft oder nur engerer Mitarbeit ist also von Anfang an durch diese Metapher definiert. Das noble Zimmer, der Plüschteppich mit Rosen stehen auch im Kontrast zu Erwins Zimmer. Sein Zimmer ist sehr einfach eingerichtet, keine Zierlichkeit, das Licht ist wichtig, über das Fenster nach Süden freut sich Erwin sehr. Wie er sein Zimmer schmückt, ist auch von großer Bedeutung und bietet Vergleich mit der Haushalt des Oberlehrers. Er hängt statt Kaisersbild und Papstbild seine Käfer- und Schmetterlingssammlung an die Wand. Sein größter Schatz sind seine Bücher – Anatomie und Physiologie des Menschen. Das Kruzifix verwechselt er für ein Bild von Käthe Kolwitz. Das kontrastiert mit dem Zimmer des Oberlehrers, wo Lohengrins Abschied von Elsa und Siegfrieds Tod hängen. Die Bilder symbolisieren wieder, wie sehr die zwei Persönlichkeiten der zwei Lehrerfiguren unterschiedlich sind und auch die Tatsache, dass nicht alle Lehrer gleich sind. Durch diese Nuancen sondert sich Erwin von der klassischen 76 Wellek-Warren: Theorie der Literatur. Ullstein. Frankfurt am Main, 1963. S. 148 77 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S.8 78 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S.9 57 Vorstellung des Lehrers ab. Oberlehrers Bilder Lohengrins Abschied von Elsa und Siegfrieds Tod erinnern beide an die altgermanische Mythologie. Lohengrin war der Sohn von Parzival, über den vor allem Wolfram von Eschenbach erzählt. Siegfried ist wieder der Held des Nibelungenliedes. Daraus lässt sich ein patriotistischer und ein traditionell orientierter Mensch folgern. Dagegen Erwins Bild von Käthe Kolwitz symbolisiert seine sozialistische Orientierung. Die Käferund Schmetterlingssammlung deuten wieder auf einen naturliebenden Menschen. Diese Bilder charakterisieren ebenso die Opposition der zwei Lehrerfiguren. Der Oberlehrer, der arme Teufel, bleibt traditionell, während sich Erwin für die aktuellen Probleme interessiert. Zu welchem Lehrer-Typ gehört der Oberlehrer und warum? Nach der Szene im Wohnzimmer wird der Oberlehrer nur noch zweimal im ganzen Roman erwähnt. Im vierten Kapitel sind die zwei Lehrerfiguren wieder zusammen konfrontiert: „Der alte Herr hatte immer, ob er es nur wollte oder nicht, den lehrhaften Ton des Vorgesetzten, dass man sich nicht wohlfühlen und nicht frei werden konnte.“79 Später kommen in Frage Erwins Probleme im Unterricht: „Es war ihm, sehr zum Mißfallen des Herrn Oberlehrer, unmöglich sich an einen Stundenplan zu halten.“80 Wenn man jetzt zurück zu Stefan Zweig greift und seine kurze Beschreibung von der damaligen Lehrerschaft liest, findet man anschauliche Ähnlichkeit zwischen Zweigs Beschreibung und dem Oberlehrer, denn in diesen zwei relativ kurzen Bemerkungen findet man sogar die gleichen Wörter und ganze Ideen, die die armen Teufel charakterisieren: die Rolle des Lehrers als eines Vorgesetzten, die Gebundenheit an den Stundenplan und nicht zuletzt auch die Skepsis gegenüber dem jungen Kollegen mit anderen Methoden, genauso wie in der Gymnasiasten Tragödie. Im Gegensatz zu Hopps Kollegen greift er nicht in den Verlauf des Unterrichts ein. Das liegt auch daran, dass in Merkers Roman Erwins pädagogische Praxis reibungslos verläuft. Der Oberlehrer ist keine zentrale Figur, sondern sie dient nur zur Absonderung und Charakterisierung Erwins, als sein Gegenpol. Nach dem Vergleich dieser zwei Figuren stellt der Oberlehrer einen Prototyp des Lehrers der damaligen Zeit dar. 79 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S.27 80 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S.31 58 3.2.5. Erwin, der junge Lehrer Erwin ist ein junger, naiver, unerfahrener Lehrer mit großen Idealen, die seine Handlung bestimmen. Obwohl ihn der neutrale Erzähler oft als komisch beschreibt, erfüllt er seine pädagogische Ideale volkommen. Seine zweijährige Wirkung in der Dorfschule wird gründlich in allen Aspekten beschrieben. Die Auffassung der Figur des Lehrers, die Erwin darstellt, ist anders als die Figur des Oberlehrers. Die Lehrerfigur bestimmt aber nicht nur der Vergleich mit einem anderen Lehrer, sondern auch weitere Aspekte, die auch behandelt werden sollen. In erster Reihe ist das die reziproke Beziehung der Kinder und des Lehrers und der Unterricht selbst, berücksichtigt wird aber auch Erwins soziale Rolle im Dorf, seine Moral und innerliche Überzeugung. Erwins Unterricht ist das interressanteste Teil. An dieser Stelle bieten sich Vergleiche sowie mit dem Oberlehrer als auch mit Dr. Hopp an. Die Rolle des Lehrers ist für Erwin ganz neu und die damit gebundene Ernsthaftigkeit und Würde sind ihm fremd. Deshalb fühlt er Unbehagen in der Gesellschaft des Oberlehrers, der die Autorität verkörpert. Er bildet sich absichtlich keine Autorität. Mit Zweigs Worten verwischt er Grenze zwischen der Katheder und Schulbank. Er verhält sich mehr als Freund zu seinen Schülern. „Er war nicht Lehrer, er war einer von ihnen, er unterrichtete nicht, er lebte mit ihnen und führte sie an mit einer Art von stürmischem, begeistertem Hallo, wie ein älterer Junge die andern beim Spiele anführt.“81 Das erinnert an Erwins Hoffnungen, dass der Oberlehrer einen älteren Sohn haben möge, mit dem er vielleicht Zeit verbringen konnte. Er sucht und findet in seinen Schülern Freunde. Das ist eine völlig neue Einstellung des Lehrers und das unterscheidet Erwin als Lehrer von dem Oberlehrer am meisten. Der Unterricht ist für Erwin keine Arbeit, mit der man Geld verdienen möchte, sondern Teil seines Lebens. „Er gab sich den Kindern ganz. Und als er spürte, wie ihre Augen allmählich immer brennender an ihm hingen, ließ er sie rückhaltslos an allem teilnehmen, was ihn erfüllte. „Ihr dürft gar nicht lügen,“ sagte er eines Tages mit sehr ernsten Augen, daß es ihnen schwer in die Seele fiel. „Ihr dürft mich nicht anlügen und niemanden. Und auch ich werde euch immer nur die Wahrheit sagen.“82 Er 81 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S. 30 82 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S. 31 59 lehrt also nicht nur seinen Stoff, sondern auch die Moral und wird zugleich selbst ein Beispiel für seine Moral. Der Effekt solcher Handlung besteht darin, dass sich die Kinder viel besser mit der Moral eines Freundes identifizieren können als mit der Moral eines autoritären Lehrers. Sie übernehmen allmählich wirklich Erwins Werte und Weltansichten. Schon in diesen wenigen Sätzen ist klar, wie weit Erwin als Lehrer von den Lehrern, die Zweig beschreibt, und von dem Oberlehrer entfernt ist. Ein nächster Aspekt, dank dem Erwin völlig aus der Reihe der ordinären Lehrer ausfällt, sind gemeinsame Aktivitäten Erwins und seiner Schüler außerhalb des Unterrichtes. Erwin verbringt mit seinen Schülern seine Freizeit, sie machen physikalische Experimente oder verbringen ihre Nachmittage im Wald. Ähnlich hat auch Hopp in Einer Gymnasiasten Tragödie die Freizeitaktivitäten seiner Schüler angeregt. Diese oben erwähnte Charakteristik des Unterrichtes hat M. Krappmann in ihrem Aufsatz als Darstellung der Gedanken der Reformpädagogik bezeichnet. „Eine weitere Tatsache, die einen starken Einfluss von reformpädagogischen Konzepten vermuten lässt, ist im Roman in vielen Szenen dargestellte Beziehung zwischen dem Lehrer und seinen Zöglingen. Das Verhältnis basiert durchaus nicht auf einer durch unbegrenzte Macht des Lehrers ausgelöste Angst der Schüler vor einer höheren Autorität. Die Lehrerfigur wird zur gleichen Zeit als Spielgefährte und als bewundertes Vorbild geschildert.“83 Erwin funktioniert wirklich als bewundertes Vorbild. In Erwins Klasse entsteht eine unglaublich ideale Situation und auch die gegenseitige Beziehung des Lehrers und seiner Schüler ist in Superlativen geschildert. „Für seine Schulstuden bereitet er sich nun immer vor wie zu einer heiligen Handlung. Und hingen die Kinder schon vordem an ihm, so spürten sie, daß jetzt ein geheimnisvoller Glanz um ihn war. Ein Lob von ihm übergoldete ihnen den ganzen Tag. Eine schlechte Antwort war Scham und Gram für viele Stunden. Ein Tadel machte unglücklich.“84 „Erwins Beherrlichung kannte keine Grenzen. Man überbot sich gegenseitig, ihn zu rühmen…“85 83 Krappmann, Marie: Emil Merker = Erwin Moser? 84 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S. 65 85 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S. 66 60 Die Kinder verehrrlichen ihren Lehrer, vertrauen ihm, sie geben sich große Mühe, das Richtige zu machen und zu sagen. Erwin besitzt bedingungslose Autorität, die ihre Quelle nicht in der Angst vor der Strafe hat, wie bei autoritären Lehrerfiguren, sondern im aktiven und ehrlichen Interesse an seinen Schülern. In diesem Sinne können wir dann einen Lehrer-Typ beschreiben, der von dem klassischen Prototyp des Lehrers abweicht, und der einen außerordentlichen Einfluss auf ihre Schüler ausübt. Diese Lehrerfigur ist gerade durch ihr persönliches, individuelles und ehrliches Herantreten an die Schüler definiert. Die beiden, sowohl Erwin als auch Dr. Hopp, verstehen ihren Beruf nicht als ihren Brotberuf. Dr. Hopp muss nicht arbeiten, denn er hat sein eigenes Geld, und Erwin denkt auch, dass die Arbeit in der Schule keine wirkliche Arbeit im Vergleich zur Arbeit der Bauern ist. Genauso wie Dr. Hopp nutzt Erwin seine Freizeit mit seinen Schülern dazu aus, die Persönlichkeiten der Schüler weiterzuentwickeln, ihr individuelles Interesse zu unterstützen oder gemeinsame Erlebnisse zu genießen. Dieser Einfluss kann aber gefährlich sein, denn der Lehrer besitzt große Macht über seine Schüler und zugleich die Verantwortung dafür, was sie auf seine Anregung unternehmen. Das erfährt Dr. Hopp in Einer Gymnasiasten Tragödie und deshalb zweifelt er an der Richtigkeit seiner Ideen. Im Roman Der junge Lehrer Erwin Moser sind die Folgen der Reformpädagogik nicht problematisiert. Erwin erlebt mit seinen Schülern in der Schule und in der Natur eine Idylle. Genauso wie Hopp ist auch Erwin Moser bei den Schülern sehr beliebt und übt so auf sie einen außerordentlich großen Einfluss. Seine Schüler werden vor allem von seiner Weltauffassung beeinflusst. Die größte Aufregung unter den Dorfbewohnern ruft Erwins Ablehnung der Kirche hervor. „Er mochte das Christentum nicht, nein, je älter er wurde, um so weniger. Es erbitterte ihn. Es war arrogant, ohne Demut; es war, so seltsam es klang, ganz gottvergessen.“86 Was Erwin am Christentum am meisten stört, ist die Ungerechtigkeit. „Oh was war das für eine Anmaßung, zu meinen, Kraut und Tier und alles wäre zum Dienste des Menschen geschaffen, was war das für bösartiger Hochmut, zu glauben, man wäre was Anderes, was Besseres, als Gras und Stein.“87 Erwin ist überzeugt, dass nicht nur alle Leute gleich sind, 86 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S. 94 87 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S. 94 61 sondern alle Wesen in der Natur. Seine Auffassung der Gleichheit überschreitet die soziale Gerechtigkeit und bezieht sich auf die ganze Welt. Seine Verachtung der sozialen Unterschiede unter den Dorfbewohnern empfinden manche als beleidigend: „Er grüßte ohne Unterschied: ein Häuslerweib eben so gut wie den Herrn Ortsvorsteher,…“88 Erwins Beispiel beeinflusst zur Verwunderung der Eltern auch seine Schüler. Sie beginnen alle Leute im Dorf ohne Unterschied zu grüßen. „Und letzhin, als ein barfüßiges Zigeunerweib durch das Dorf humpelte, hatte die kleine Bergmann Resi dem schmutzigen, kraushaarigen Balg, der mit blanken Augen aus der Hucke lugte, sogar ihre eben erst gekauften Zuckerlen geschenkt.“89 Wie ich schon mehrmals feststellte, übt das Vorbild des Lehrers einen unübersichtbaren Einfluss auf moralische Entwicklung seiner Schüler. Im negativen Sinne stellte diese Tatsache Thomas Mann dar, in dem die Schüler, die an mitleidlose Behandlung gewöhnt sind, Modersohn den Unterricht genauso mitleidlos verbitterte. Unter positivem Einfluss von Erwin entwickelt sich in seinen Schülern die Fähigkeit der sozialen Empatie. Erwins Rolle im Dorf als Lehrer ist auch nicht typisch. Obwohl er eine bestimmte Autorität auch bei den Dorfleuten genießt, denn er ist doch ein Lehrer, entspricht aber sonst sein Vehalten den Erwartungen nicht. „Denn auf den Lehrer haben nicht nur die Schulkinder, auf ihn hat das ganze Dorf Anspruch.“90 Die soziale Rolle des Lehrers im Dorf ist in gewissen Maßen vorgegeben. Die Dorfleute erwarten, dass der Lehrer in die Kirche am Sonntag geht, dass er dann mit den Bauern bei Bier ein wenig sitzt, die Dorfmädchen hoffen auf seine Aufmerksamkeit, weil er ein lediger junger Mann ist. Erwin, der neunzehnjährige Lehrer, stellt für sie in diesen Punkten eine Enttäuschung dar. Erwin nimmt am Dorfleben nicht teil, er bevorzugt allein in den Wald zu gehen oder er verbringt die Zeit mit seinen Schülern. Seine Jugend und Unerfahrenheit illustriert am besten seine Beziehung zu einem Schulmädchen Namens Agnes. Es eröffnet sich hier zugleich das Thema der verbotenen Liebe. Agnes ist ein Bettelkind, dessen Vater gestorben ist, sie lebt nur mit ihrer Mutter in Armut. Agnes ist ein seltsames Mädchen, aber gerade deshalb interessiert sich Erwin für sie. Sie verhält sich ernst als Erwachsene. Sie 88 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S. 34 89 Ebd. S. 33 90 Ebd. S. 32 62 ist mit keinem Mädchen befreundet und verhält sich gleichgültig gegenüber allen und allem. Erwin verliebt sich mit seiner kindischen Begeisterung in Agnes, versucht ihr auf unterschiedliche Weisen zu helfen. Und obwohl er fühlt, dass ihre Verbindung in der Gesellschaft unmöglich wegen ihrer sozialen Rollen ist, versucht er die Welt zu verbessern und den sozialen Unterschied zu vergessen. Da stößt er aber an die Regeln der Welt, die er zu verändern glaubt. Er erfährt, dass Agnes auf keinen Fall seine Hoffnungen mitteilt. Sie lebt praktischer und hat ein Verhältniss mit einem Jungen aus dem Dorf. „Und ich Mädel, mir warst du etwas Heiliges. Ich hätte dich nie auch nur angerührt, und wenn es mich verbrannt hätte, Ich hatte Acht auf mich auf Schritt und Tritt, deinetwegen…Und du Agnes…Agnes warum hast du das nur gemacht?“91 Agnes versteht gar nichts. Sie hat die ganze Zeit nicht einmal daran gedacht, dass so eine Beziehung zwischen ihr und Erwin existieren könnte. Sie versteht auch seinen Vorwurf nicht und sieht das Verhältnis als eine Notwendigkeit ein, weil sie für die Familie des Jungen abreitet. 3.2.5.1 Erwin, der ideale Lehrer Erwin gehört in die Kategorie der idealen Lehrer. Im Unterricht ist er kein Vorgesetzter, sondern ein Freund für seine Schüler. Er hält den Unterricht und die Ausbildung für ein Spiel, das ihm selbst Spaß macht. Er ist bei seinen Schülern sehr beliebt und sie sind motiviert zu lernen. Erwin muss seine Autorität keinerlei bestätigen, über Strafe spricht man gar nicht. Interessante Antwort auf die Frage, wie weit eine solche Lehrerfigur realistisch sein kann, bringt M. Krappmann und bestätigt so die Vermutung, dass die ideale Lehrerfigur, die schon so mit Despekt benannt wurde, nur eine ideale Vorstellung ist. „Es bleibt die Frage zu klären, wie viel von Merker in Erwin Moser steckt. Die vielen parallelen Überlegungen zur Pädagogik in Merkers Erstling und in seiner späteren Autobiographie lassen vermuten, dass Erwin als literarisches Sprachohr für Merkers eigene Ideenkonzepte diente. Merkers Notizen zu seiner realen Unterrichtspraxis deuten allerdings eher darauf hin, 91 Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser. 1931. S. 126 63 dass er in Erwin seine Wunschvorstellung realisierte, die zu der Realität im krassen Gegensatz standen. Auch die wissbegierigen, aufgeweckt neugierigen Kinder in Merkers Roman verkörpern eher sein Idealbild, das ihm im realen Leben nicht vergönnt war.“92 92 Krappmann, Marie: Emil Merker = Erwin Moser? 64 3.3. Johann Peter: Der Poet im Dorfschulhause 3.3.1. Würde des Lehrerstandes Des Menschentumes höchste Krone Ist wahre, reine Menschlichkeit; Sie ist des Lebens Wunderblüte, Des Daseines Zauberherrlichkeit. Drum wollen wir sie sorgsam mehren In Wort und That durch unsre Lehren. Ein hilflos Wesen, unermögend, So tritt der Mensch in diese Welt; Sein Ich ist dunkel und gestaltlos Erscheint ihm Himmel, Wald und Feld. Da führt die zarte Mutterliebe Ihn durchs verworr´ne Weltgetriebe. Die Jahren fliehen pfeilgeschwinde ; Der Säugling wächst gesund heran. Dem Knaben folgt die Mädchenrose Hinaus zum grünen Wiesenplan; Dort pflegen sie voll Lustgefühle Der Sonnenheitern Kindesspiele. Das sind der Jugend Wonnetage Voll Märchenduft und Seligkeit – Das ist des Lebens folgenschwerste, Des Daseins Lern- und Strebezeit. Die Schule nimmt mit Wohlgefallen Das Kindlein auf in ihre Hallen. Hier sitzt das kleine Zukunftswesen 65 Mit einem Blick, so engelsmild, Und schaut empor zu dir, o Lehrer, Wie auf ein hehres Gottesbild! Du bist ihm Vater, Freund und Führer; Bist Bruder ihm und doch Regierer! Aus deinem Auge leutet Güte, Aus deinem Mund dringt Vaterwort; Das Kind ist deine zweite Seele, Die Schule ist dein Lieblingsort. Gottähnlichkeit ist deine Sonne, Erziehung deine höchste Wonne! So führst du fragend und belehrend Den Zögling ein ins weite Feld Der Wissenschaften und der Künste, Und schenkt ihm so die Geisteswelt Mit allen ihren Wissensschätzen Und Formeln, Regeln und Gesetzen. Du streust der Wahrheit Göttersamen Ins engelreine Kindesherz Und führt im Reich des Geistesfreiheit Die Kindesseele Himmelwärts. Des Aberglaubens Trug muß weichen Des freien Wortes Schwertesstreichen. Die Sitte, dieses Lebens Palme, Sie prangt dann stolz auf hehrem Thron, Und Selbstbewußtsein, Selbsterkenntnis Erfüllt als bald die Nation. Denn was man lernt in Kindestagen, Wird ewig neue Früchte tragen. 66 Und so erblüht im Schoß der Schule Des Volkes Macht und Herrlichkeit, Des Staates Wohl des Geistes Freiheit, Des Lebens Glück und Seligkeit. Und dieses Glückes sel´ge Labe Ist edlen Lehrers treue Gabe. – Drum dreimal Heil dem Lehrerstande, Dem gottgeweihten, der mit Kraft Des Lebens reiche Güter zaubert, Die Freiheit, Kunst und Wissenschaft. Der Himmel hat ihn uns gesendet, Es sei ihm Ruhm und Dank gespendet!93 In Peters Gedichtsband Poet im Dorfschulhause wird dem Lehrerstand das erste Gedicht Die Würde des Lehrerstandes gewidmet. Es handelt sich um ein programmatisches und appelatives Gedicht. Der Text appeliert an die Lehrer, das sind die Adressaten, die explizit angesprochen werden: „Und schaut empor zu dir, o Lehrer,… Du bist ihm Vater, Freund und Führer; Bist Bruder ihm und doch Regierer!“ Das Gedicht ist eine Art von Manifest für die Lehrer, eine Erinnerung an ihre wirkliche Rolle und Berufung. Wie sollte ein Lehrer in Peters Gedicht sein? Seine Rolle ist durch die Beziehung zu den Schülern bestimmt. Die Komplexität seiner Rolle bestimmen die Ausdrücke: der Freund, der Vater, der Bruder, der Regierer und der Führer. Diese Rollen lassen sich in zwei Gruppen teilen: die eine führende Rolle, der das Kind zuhören muss (Vater, Regierer, Führer), und die andere, die helfende Rolle, deren Beispiel das Kind nachfolgen will, und bei der es die Hilfe suchen kann (Freund, Bruder). Die eine Gruppe stellt Regeln und zugleich Sicherheit dar. Die andere Gruppe dann Verständnis, Hilfe und Spaß. Das alles sollte sich in der Person des Lehrers vereinigen, denn der Lehrer sollte beides sein. Diese Idee korrespondiert mit der Darstellung einer idealen Lehrerfigur in Merkers Roman 93 Peter, Johann: Der Poet im Dorfschulhause, Verlag von Baumert & Ronge. Großenhain und Leipzig, 1894. 67 Der junge Lehrer Erwin Moser. Erwin wird nicht nur Lehrer, sondern auch Führer seiner Schüler bei den Spielen im Wald und Freund zugleich, deshalb wird er bewundert und gefolgt. Diese Vorstellung steht im Gegensatz zu dem von Stefan Zweig beschriebenen Zustand, dass zwischen dem Lehrer und dem Schüler eine Grenze liegt, die keiner überschreiten kann. Die untastbare Autorität kann nicht eine Beziehung mit ihren Schülern entwickeln. Es bietet sich die Frage, warum jemand die Lehrerschaft an ihre Berufung erinnern will. Im Titel des Bandes steht: Der Poet im Dorfschulhause. Das lässt ahnen, dass das lyrische Ich ein Dorflehrer ist. Wenn man berücksichtigt, wie weit sich die Darstellung der Lehrerfigur in diesem Gedicht von den anderen LehrerFiguren bei Thomas Mann, Stefan Zweig u.a. unterscheidet, ist es klar, dass dieses Gedicht auf ein unbefriedigendes Zustand der Lehrerschaft reagiert. Das lyrische Ich stellt einen ideallen Lehrer vor. Was charakterisiert noch den idealen Lehrer? „Das Kind ist deine zweite Seele Die Schule ist dein Lieblingsort. Gottähnlichkeit ist deine Sonne, Erziehung deine höchste Wonne!“ Solche Stellungnehme zu ihrem Beruf, haben nur wenige der analysierten Lehrerfiguren. Solche Freude, die im Gedicht mit Superlativen ausgedrückt wird, am Unterricht und Umgang mit ihren Schülern haben nur Erwin Moser und Dr. Hopp, die sich mit ihnen ehrlich beschäftigten. Die meisten Figuren aus dem Band Unterbrochene Schulstunde stellen einen Gegenteil zu dieser Vorraussetzung dar. Besonders die Lehrerfiguren bei Thomas Mann interessieren sich für die Erziehung ganz wenig, auch Stefan Zweig stellt fest, dass die Schulglocke nicht nur für die Schüler, sondern auch für die Lehrer Freiheit bedeutet. Die Erziehung ist keinesfalls bei meisten Lehrerfiguren ihre höchste Wonne. Im Gegensatz dazu werden die finanziele Seite und die Sicherheit der Stelle Gründe für Ausübung des Lehrerberufes. Die Vorraussetzung, dass der Lehrer den Beruf als seine Wonne hat, nicht als finanzielle Quelle schälgt bei den meisten Figuren fehl. Auch das Bild des Schülers ehrt im Gedicht die Würde des Lehrerstandes. Die Schülerfiguren der Autoren Döblin, Horváth und Mann gleichgültig gegen den Unterricht und neuen Erkenntnissen, sie haben den Lehrer selbst betrügt und provoziert. Das sind also keine engelreinen Kindesherzen, die sich nach Erkenntnissen sehnen. Genauso wie in Merkers Roman sind die Kinder eine ideale Vorstellung der wissbegierigen Schüler, die in der Realität kaum gibt. 68 Die Rolle der Schule, die ihr das lyrische Ich zuordnet, ist zwar übertrieben, aber in ihrem Kern richtig. Hier wird über die Wichtigkeit der Schule und der Lehrerschaft mit pathetischen Worten gesprochen: „Und so erblüht im Schoß der Schule Des Volkes Macht und Herrlichkeit, Des Staates Wohl des Geistes Freiheit, Des Lebens Glück und Seligkeit.“ Die Wichtigkeit der Schule und der Erziehung für das Volk und den Staat ist unumstritten. Das habe ich im Kapitel Veränderungen der Schule um die Jahrhundertwende festgestellt. Die Schule als Bestandteil des Staates übt einen ideologischen Einfluss auf seine Schüler, auch umgekehrt bestimmt die schulische Erziehung Macht des Volkes, wie im nächsten Kapitel bewiesen wird. In dem Roman Tote Scholle von Alois Fietz wird die Rolle des Lehrers in einem Nationalkampf analysiert. Auch in diesem Textr ist die Rolle des Lehrers und ihr Fehlschalg pathetisch mit weit greifenden Konsequenzen für das ganze Volk dargestellt. Das Gedicht zeigt die Entwicklung des Kindes vom Geburt, wann sein Ich dunkel und gestalltlos ist und im Laufe der Zeit lernt es immer mehr kennen, bis es in die Schule kommt, wo seine Erziehung zu reiner Menschlichkeit, die dann ein Pfeiler des Staates bildet, vollendet wird. Der pathetische Ton fordert einerseit zum größeren Interesse des Lehrers an seinen Schülern auf, andererseits will er die Bedeuntug der Rolle des Lehrers für ganze Gesellschaft verdeutlichen und rühmen: „Drum dreimal Heil dem Lehrerstande… Der Himmel hat ihn uns gesendet, Es sei ihm Ruhm und Dank gespendet!“ In diesem Gedicht wird ein idealer Lehrer dargestellt. Seine Rolle im Leben der Schüler und seine Bedeutung für die ganze Gesellschaft wird angesprochen. Wie ich schon erwähnt habe, waren sowie Merker als auch Peter zugleich als Lehrer tätig. Die Gemeinsamkeit ihrer Lehrerfiguren beruht darin, dass beide einen idealen Lehrer darstellen, über dessen Existenz in Wirklichkeit man zweifeln muss. Wie M. Krappmann feststellte, ist die ideale Lehrerfigur nur eine Wunschvorstellung und auch als eine Wunschvorstellung kann man das Gedicht Würde des Lehrerstandes betrachten 69 3.4. Alois Fietz: Tote Scholle. Eines deutschen Dorfes Kreuzweg 3.4.1 Tote Scholle – ein Beispiel der Blut- und Boden-Literatur Den Roman Tote Scholle von Alois Fietz, 1914 veröffentlicht, schätzt Josef Mühlberger in seinem Werk Die Dichtug der Sudetendeutschen in den letzten fünfzig Jahren nicht sehr hoch. Mühlberger widmet ihm im Kapitel Heimatdichtung. Das Egerland. Zweitgeteiltheit ein paar Zeilen. „Die Absicht seines Romanes „Tote Scholle“ hat Alois Fietz, geboren 1874 in Neuwallisdorf, weit mehr bekannt als der Wert des Buches verdient. Er behandelt den Volkskampf an der Rakonitzer Sprachgrenze. Eine eherliche bäuerliche Gesinnung kann über die vielen Geschmacklosigkeiten nicht hinwegtäuschen, die sich neben groben Verzeichnungen auch in den Erzählungen „Kreuziget ihn“ (1903) finden.“94 Der Roman ist wirklich sehr tendenziös geschrieben als ein Beispiel der Blut und Boden Literatur. „Blut und Boden-Dichtung, Sammelbezeichnung für die politisch-völkische tendenziöse Heimatdichtung und Bauerndichtung unter dem Nationalsozialismus mit ihrer provinziellen, oft sauer verkitschten Verherrlichung des Bodenständigen, Volkhaften, Bäuerlichen als Idealisierung der ursprünglichen naturhaften bäuerlicher Lebensform der Germanen mit ihrer Bindung an Sippe und Scholle und ihrer Mythologisierung des Bauern als Pflüger, Säer und Schnitter… Überhöhung des Blutgedankens in Rasse- und Artbewusstsein, den Begriff der Blutgemeinschaft eines Volkes und ablehnende Verachtung des Rassefremden, andererseits durch melodramatische Patetisierung des Bodenbegriffs zu einer betont antizivilisatorischen Haltung gegen Verstädterung und sog. Asphaltliteratur und eine primitive Verzerrung der menschlichen Werte, die eine Pseudomythische Schollenverbundenheit, Bodeständigkeit, Heimatliebe und angeblich instiktive Ablehnung alles Wurzellosen, Artfremden zum alleinigen Maßstab des Charakters macht.“95 Dieser langen Definition der Blut und Boden-Dichtung entspricht Tote Scholle in vielen Aspekten. Das Buch beschreibt pathetisch allmählige 94 Mühlberger, Josef: Die Dichtung der Sudetendeutschen in den letzten fünfzig Jahren. Johannes Stauda Verlag. Kassel, 1929. S. 110 95 Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. 1989. S. 109-110 70 Tschechisierung eines deutschen Dorfes im Böhmerwald. In den einzelnen Kapiteln wird beschrieben, wie die treuen deutschen Bauern den skurpellosen Tschechen im Kampf um das Dorf Taubitz unterliegen. Alles fängt mit einem neuen tschechischen Nachbarn Jan Křebek an, der einen Bauernhof für großes Geld in Taubitz gekauft hatte. Allmählich ziehen immer mehr Tschechen ins Dorf und der Kampf zwischen Nationen beginnt. Die Nationalangehörigkeit der Deutschen, strenges Rassenbewusstsein und Ablehnung der tschechischen Mitbewohner, die als Parasiten bezeichnet werden, ist der Beweis reines Charakters einer Figur. Gleich in dem zweiten Kapitel differenziert sich das Spektrum der deutschen Einwohner, und damit ist auch ihr moraler Kredit bestimmt. Schenkenberg, der Wirt, verteidigt Tschechen, gegen ihn steht der alte Wollner, der die Tschechen in Taubitz ablehnt. Der Verteidiger der Tschechen betrügt und beklaut mitleidlos seine deutchen Dorfmitbewohner. Dagegen Wollner steht am Ende des Romans als ein gefallener Held, der sein Volk nicht verraten hat und der bis zur letzten Minute versucht hat, Taubitz vor den Tschechen zu retten. Er erkannte am ehesten, dass die Tschechen hinterlistig und heimtückisch gegenüber den Deutschen stehen. Jeder, der die Tschechen nicht verdächtigt und mit ihnen etwas zu tun hat, ist ein Feigling, der sein Volk verraten hat, deshalb muss er bittere Enttäuschung erleben. Im Kampf zwischen den Deutschen und den Tschechen sind die Deutschen im Nachteil und verlieren, was schon der Titel und Untertitel verraten – Tote Scholle. Eines Deutschen Dorfes Kreuzweg. Pathetisch wird der Untergang der deutschen Bauernhöfe geschildert, die der Habgier der Tschechen unterliegen. Warum können die deutschen Bauern den Tschechen keinen Widerstand leisten? Sie haben nämlich ihr Nationalbewusstsein verloren und sind nicht in ihrem Vorgang einheitlich. Dagegen sind die Tschechen gut organisiert und in dem Böhmerwaldverbund vereeinigt, sie streben mehr Land für ihr tschechisches Volk zu gewinnen. Sie sind auch reicher als die Deutschen und bekommen viele Leihgaben von ihrem Böhmerwaldverbund, und so können sie die verschuldeten Bauernhöfe der Deutschen in Taubitz kaufen. Sie locken die Deutschen auf die tschechische Seite damit, dass sie viel Geld anbieten. So wechselt Bachhäusler seine Nationalität und baut für das Geld von den Tschechen eine neue Scheune. Die Tschechen verlangen das Geld viel früher, als Bachhäusler erwartet, und so verliert er sein ganzes Gut. Die Deutschen, die mit den Tschechen freiwillig 71 mitarbeiten, werden als Leute ohne Moral dargestellt. Die deutschen Dorfbewohner, die die Tschechen nicht gleich verurteilen, erfahren früher oder später, dass man keine guten Geschäfte mit ihnen machen kann. Um sich der tschechischen Flut zu wehren, versucht Wollner einen eigenen Verbund zur Förderung der deutschen Bevölkerung im Böhmerwald zu gründen. Die Einigung der zerrütteten deutschen Bauern ist aber nicht mehr möglich. Den Deutschen geht es in Taubitz nicht mehr gut. Sie sind nicht einheitlich, sie betrügen sich selbst gegenseitig und sie können nicht so gut wirtschaften. Dazu kommen noch die Tschechen, die immer mehr werden, sie gründen sogar ihre eigene Schule und sie sind so viele, dass sie nicht mehr Bauernhöfe in Taubitz kaufen, sondern mit Betrügen immer mehr Gut gewinnen, und die Deutschen gehen langsam zu Grunde. Wenn die Kinder der Taubitzer Bauern ihr Dorf verlassen, erleben sie zugleich bittere Enttäuschungen in der Stadt. Sie kehren dann verelend zurück, weil sie verstanden haben, was die Scholle heißt. Es ist aber zu spät, die Deutschen haben ihren Einfluss verloren und die Bauernhöfe sind nicht mehr zu retten. Alle haben die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, auf dem Stück eigenes Bodens für sich selbst, als in der Fabrik für einen Besitzer zu arbeiten, und wie ein Bettler bezahlt werden. Aber auch diese neue Generation kann Taubitz nicht mehr vor Tschechisierung retten. Ein Beispiel dafür ist Kantus, der sich überreden lässt ein tschechisches Mädchen zu heiraten. Kantus erfährt wenige Jahre später, dass er seit der Hochzeit betrogen wurde. Růženka hat ein Verhältnis mit ihrem Knecht und ist bereit ihr Baby zu töten, um ihren Willen durchzusetzen. Alle Tschechen sind hinterlistig und unaufrichtig und wollen die Deutschen durch solche und andere Betrüge ausrotten. Die Charaktere sind tendenziös verzerrt und der Roman stellt den Kampf einer hinterlistigen, betrügerischen, gefühllosen Rasse, die ihre Ziele durch alle Mittel durchsetzen kann, mit den alten, verlorenen Deutschen Bauern. Die Rassenfremden sind das Böse, das allen Deutschen, die sich mit ihnen verknüpfen, nur Vernichtung bringt. So sterben allmählich alle deutschen Bewohner des Dorfes und die, die geblieben sind, sehen den Ausweg in der Flucht nach Amerika. Wie ist die Rolle des Lehrers in diesem Nationalstreit? Im Gegensatz zu allen von uns bis jetzt behandelten Werken ist der Lehrer eine Rand-Figur. Die Lehrer werden nie in der Klasse oder in der Schule dargestellt. Hier geht es mehr um die Institution des Lehrers: wie weit kann der Lehrer diesen Kampf um 72 Überleben des Deutschtums in Taubitz beeinflussen? Was sollte der Lehrer in dem dargestellten Nationalstreit leisten? Im Roman erscheinen insgesamt drei Lehrerfiguren, die alle eine andere Funktion im Text haben. Der erste Lehrer wird vom Mangel am nationalen Bewustsein der Jungen und dadurch von dem Verfall der Deutschen in Taubitz beschuldigt. Der zweite Lehrer, Renk, stellt zwar Hoffnung für die Deutschen in Taubitz, aber er ist zugleich der Barometer des Zustands der deutschen Bevölkerung im Ort. Wenn er weggeht, heißt es, dass es keine Hoffnung mehr für die Deutschen in Taubitz gibt, wenn da nicht einmal ein richtiger deutcher Lehrer bleibt, um die Kinder zu unterrichten. Zuletzt wird einer der Bauernsöhne Lehrer. Hier werden die Lehrer kritisiert: Lehrer wird nicht der klügste, sondern der, dessen Vater genug Geld hat, ihn studieren zu lassen. 3.4.2 Der alte Schulleiter Der alte Schulleiter kommt als aktive Figur nur einmal vor und wird bald durch den Lehrer Renk ersetzt. Trotzdem wird seine Schuld an dem Verfall des deutschen Dorfes mehrmals thematisiert. Dem alten Schulleiter wird vor allem seine Feigheit und mangelndes Volksbewusstsein seiner ehemaligen Schüler übel genommen. Er konnte nämlich nicht die nationalen Gedanken richtig durchsetzen. Er predigte aus Angst vor Rache der Tschechen Toleranz und Verständis zwischen Völkern. Als handelnde Figur tritt der alte Schulleiter gleich am Ende des zweiten Kapitels auf. Er steht vor der Kneipe und hört vorsichtig zu, was da gesprochen wird, und wenn er erfährt, dass die Bauern heftig über die Nationalfrage, bzw. über Tschechen, die nach Taubitz einziehen, diskutieren, wagt er sich nicht hineinzutreten. „Im dunkeln Vorhaufe stieß er auf einen Mann, der zaghaft mit in den Hof zurückkehrte. Im hellen Mondschein erkannte Wollner den alten Schulleiter. „Ich wollte hineingehen“, gestand der ihm, „aber ich vernahm den Streit. Ich gehe lieber heim, als unter den Leuten zu sitzen. Ich hörte hinter der Türe den ganzen Streit!“ – Zaghaft trat der alter Lehrer ganz nahe an Wollner heran. „Ich bewundere Ihren Mut, Herr Wollner, noch mehr Ihre guten Ansichten – aber – ist es nicht Schade – wenn Sie unnütz Ihre Perlen den Säuen in den Trog werfen? Sie kämpfen gegen Windmühleflügel. Schonen Sie 73 sich, Herr Wollner! Sie ziehen sich Feindseligkeiten zu.“96 Die Angst seine Meinungen öffentlich zu sagen, beweist Wollners Vermutung, dass der Lehrer ein Feigling ist. Er ist sogar nicht fähig, Wollners Meinungen öffentlich zu unterstützen. Doch spricht er ein Motto aus, dass im Mund des Lehrers sehr außergewöhnlich klingt. Er rät Wollner nicht die Perlen den Säuen zu werfen. Ein Lehrer, dessen Berufung ist, die Kinder zu belehren und zu der richtigen Moral zu erziehen, hält die Dorfbewohner für dumme Masse, der man vergeblich etwas beibringen würde. Paradoxerweise hat er selbst vor dieser dummen Masse Angst. Das deutet an die Unfähigkeit des Lehrers mehr als vorgeschriebenen Stoff vorzutragen. Er kann seine Schüler nicht moralisch beeinflussen, er ist nur eine Marionette im Klassenraum, deren Wert sich auf den Schulstoff beschränkt. Das mangelnde Volksbewusstsein der Jungen wird dem Lehrer zugeschrieben. Die Jungen haben kein Gefühl für das Deutschtum, sie fühlen keinen Stolz auf ihr Volk. Franz Wollner wird sogar Mitglied der tschechischen Turngemeinde Sokol und hat ein Verhältnis mit Mařena, einem tschechischen Mädchen. Robert Kantus heiratet auch eine Tschechin. Die Gründe dafür sucht und findet Wollner in der Erziehung in der Schule. „Wo in seinem Leben hatte er so kerndeutsch gedacht wie der alte Wollner. Wo hätte er in Taubitz ja auch viel von Volksbewußtsein sich aneignen sollen? Der Lehrer in der Schule war ein schüchterner Schwächling, seelengut und rechtliches Sinnes zwar, aber froh, wenn die Schulstunden um, und die Kinder hatten sich nicht gegen ihn aufgelehnt. Froh, wenn im nahen tschechischen Markt die Leute ihn nicht mit Kot bewarfen; wenn im Orte selbst die eingewanderten Tschechen ihn nicht beim strengen Bezirksschulrat vernaderten; froh wenn die mit den Tschechen freundelnden Bauern nicht noch begehrten, er möge eine Stunde wöchentlich tschechischen Sprachunterricht erteilen.“97 Nach dem wenigen, das über den Lehrer gesagt wurde, gehört er eindeutig in unsere Kategorie der armen Teufel. Denn er erfüllt die Kriterien – er ist froh, wenn die Stunde um ist, er interessiert sich für seine Schüler oder für den Unterricht nicht mehr, als ihm seine Pflicht verschreibt. Infolge dessen, dass er die Perlen den Säuen nicht werfen will, versucht er nicht, den Kindern das Nationalitätsbewusstsein einzuprägen. Dieser 96 Fietz, Alois: Tote Scholle. Eines deutschen Dorfes Kreuzweg.Deutsche Landbuchhandlung Berlin 1914. S. 20 97 Fietz, Alois: Tote Scholle. 1914. S. 142 74 Verstoß gegen das Volk heißt Katastrophe für die Deutschen in Taubitz und ihren Untergang. Sein Fehlschlag wird als seine größte Schuld am ganzen Volk bezeichnet. Seine Schuld ist es, dass die Taubitzer Kinder mangelndes Nationalbewusstsein aufweisen und so zu Ende der Deutschen in Taubitz beitragen. Hier wird die Rolle des Lehrers und seiner Auswirkung auf seine Schüler und im Folge dessen auf das Schicksal des Volkes und des Staates thematisiert. Die Schaden, die er durch mangelnde Erziehung zum Stolz auf ihr Volk und Verbundenheit an die Scholle verursacht hat, sind im Roman Tote Scholle riesengroß. Es realisieren sich hier theoretische Postulate, die im Gedicht Die Würde des Lehrerstandes angesprochen werden; der Lehrer ist der Mitgestalter der Nation und ihrer Macht und Stärke. Es erinnert an die Versen: „Und so erblüht im Schoß der Schule Des Volkes Macht und Herrlichkeit, Des Staates Wohl des Geistes Freiheit…“ Und weil der alte Schulleiter in seiner Rolle versagt hat und die Kinder nicht zur Herrlichkeit des Volkes erzogen hat, geht das ganze Dorf zu Grunde. Er ließ sich von den Umständen unterdrücken, denn als ein deutscher Lehrer war er natürlich Ziel im Nationalstreit. Der alte Schulleiter gehört in die Kategorie der armen Teufel nicht nur, weil er den Kindern nicht mehr gegeben hat als seine Pflicht war, sondern weil er keine Beziehung zu ihnen hatte, weil ihm Geschick zur Erziehung fehlte. Er hatte auch Angst vor seinen Schülern. Diese Tatsache ermöglichte schon prinzipiell keine erfolgreiche Erziehung und keinen guten Unterricht. Deshalb traut er sich auch nicht, in der Kneipe unter den Dorfleuten seine Meinung zu sagen. Die Lehrerfigur ist in diesem Text durch seine Rolle in dem Nationalstreit definiert. Er hat einen entscheidenden Einfluss, im Fall des alten Schuleiters ist der Einfluss destruktiv. 3.4.3 Lehrer Renk versus der alte Schulleiter Der Nachfolger des alten Schulleiters heißt Renk. Das ist eine Lehrerfigur, die ihre Meinungen mutiger als der alte Lehrer ausdrückt, aber er leistet für die Erweckung des Nationalbewisstseins nicht viel mehr als der alte Schulleiter und verlässt wieder bald Taubitz. Den neuen Lehrer Renk trifft alter Wollner auf dem Friedhof. Er sucht da Inspiration bei seinen längst toten Vorfahren. Wollner möchte gegen die 75 Tschechisierung in Taubitz kämpfen. Sein Plan ist die Deutschen in Taubitz zu vereinigen und das Nationalbewusstsein der jungen Leute wiederzuerwecken. Er sieht das Problem vor allem in den jungen Leuten des Dorfes, die keine Bindung an ihr Volk mehr fühlen. Selbst sein Sohn Franz liebt nämlich ein tschechisches Mädchen und wurde heimlich Mitglied des tschechischen Sportvereins Sokol. Wollner glaubt, dass der Fehler in der Schule und in der öffentlichen Erziehung liegt, wo es nicht genug national gesinnte Leute gibt, die als Beispiel der Jugend dienen könnten. Deshalb ist er erfreut, auf dem Friedhof den neuen Lehrer zu treffen. Er hofft, dass Renk seinen Einfluss auf die deutschen Kinder ausüben kann. Er bittet ihn um Hilfe bei seinem Plan. Der Lehrer stellt die Vergebenheit solches Versuches fest: „Da in Taubitz?“, lachte spöttisch Lehrer Renk auf. „Gehen S´doch einmal und probieren Sie ihre Kunst selber! Wenn vor mir ein stümperischer feiger Schwächling alles verhunzt hat! Das ist ja leichter Augias´Stall auszumisten, als die national Verwahlosung der Jugend auszutreiben!“98 Als vergeblich schätzt auch Renk Wollners Versuch die Jugend zur Nationalgesinnung wieder zu bringen. Ähnlich wie der alte Schulleiter verwendet Renk ein Gleichnis aus dem antischen Griechenland. Durch Herakleitos´ Spruch die Perlen den Säuen werfen proklamiert der alte Schulleiter die Vergeblichkeit solches Tuns. Renk verweist auf griechische Mythologie, wenn er auf die Fehler seines Vorläufers aufmerksam macht. Er beschuldigt den alten Schulleiter, dass er solchen Mist in den Kindern und ihren Charakteren gemacht hat, dass es fast unmöglich ist, die Kinder wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Die Folgen mangelnder Erziehung des alten Schulleiters sind nicht mehr rückgängig zu machen. Und je größer die Kinder werden, desto klarer ist Schulleiters Fehltritt. Schenkenberg Sohn schlägt seine Pferde auf dem Feld fast tot wegen einer Kleinigkeit. Sein Vater, der schon auf seinem Sterbebett liegt, ist verärgert und will ihn aus seinem letzen Willen ausstreichen. Dem Sohn ist es egal und er drückt rückhaltlos seinen Wunsch aus, dass sein Vater schon tot sein möge. „Solche Rohlinge also hatte der erbämliche Wicht, der erzieherische Schwächling, in der Schule herangezüchtet! Den nationalen Frieden hat er wie ein zahnloser, kraft- und saftloser Murmelgreis den deutschen Kindern 98 Fietz, Alois: Tote Scholle. 1914. S.196 76 gepredigt, und nun waren die wilden Wasserschoße emporgewuchert und trugen dichte, scharfe Dornen.“… „Die Erziehung war Schuld, stöhnte Wollner. Warum kam zu uns nicht ein Lehrer, der unseren Kindern die Wunderquellen deutschen Wesens offenbarte! Der sie in ihrem Ehrgefühle ermahnte, auf daß sie zu scheiden lernten, was schön und hässlich, was gemein und erhaben ist, daß die Pflichten erfüllen und edle Rechte verfechten lernten. O wackerer Lehrer Renk, du hast das Gute gewollt, aber du kamst in einen durch Jahrzehnte verwildeten Garte!... Warum sind denn drüben im feindlichen Lager durchgängig für ihr Volk begeisterte Lehrer! Und warum muss denn der wackere deutsche Lehrer, der mannhaft seine Pflicht erfüllt, unrecht an dem Vorwurfe der Lauheit mitleiden. Und unwahrhaftig, es gibt viele volkstreue Lehrer, aber ein einziger Schwächling kann mehr Schaden als zehn tüchtige Kräfte gutmachen können.“99 Hier fasst Wollner programmatisch seine Forderungen an einen idealen Lehrer zusammen. Die Vorstellung entspricht den idealen Lehrer-Figuren, die schon beschrieben wurden. Zu den früher behandelten Anforderungen an einen idealen Lehrer kommt noch die ideologische Richtigkeit eines Lehrers dazu. So einen Lehrer stellt in Wollners Augen Renk dar. Er kommt aber zu spät. Die Ställe von Taubitz sind schon zu viel verschmutzt und der ideale Lehrer Renk, der alles retten konnte, zieht wieder lieber weg. Ein neuer Lehrer kommt nach Taubitz, der in den Nationalkämpfen wieder lieber neutral bleibt. Die Lehrer als Figuren in dem Roman sind als unfähige Kerle dargestellt, sie haben nicht genug Kraft, Mut und Geschick ein guter Lehrer zu werden. Das ist auch ein Grund, warum das deutsche Dorf Taubitz zu Grunde geht. Hier in dem Nationalstreit wird dem Lehrer große, fast ausschlaggebende Rolle zugeschrieben. Keine der Lehrerfiguren ist aber fähig, Taubitz zu retten. Der alte Schulleiter, weil er zu feig ist, und Renk, weil er die Versuche um nationale Bewegung als vergeblich verweist, und zieht wieder weg. 99 Fietz, Alois: Tote Scholle.1914. S.257 77 3.4.5 Lehrer Groth Noch einer Lehrefigur wird im Roman Aufmerksamkeit gewidmet. In Wirklichkeit wird hier ein Werdegang einer Lehrerfigur diskutiert: ein Sohn eines reichen Bauers, der zum Lehrer wird. Es wird über ihn auch nicht besonders gut gesprochen. Im Laufe des Romans wird er wirklich Lehrer. Zuerst erwähnt ihn man im Zusammenhang mit dem alten Schulleiter. „Und da denk ich mir zum Beispiel: durch sechs Jahr ist neben mir in der Schul der Groth Albin auf der Bank gesessen. So a albernes Schaf mit seinen struppigen roten Schädel und Sommersproßen über´s G´sicht. War´s im Rechnen, so hab ich ihm draufhelfen müssen, und war´s in Geographie, Geschichte und Naturgeschichte, so war er immer der letzte, der a Hand in die Höh tan hat, wo sich der Lehrer alle Müh mit ihn tat hat – weil er eben ´s reichen Christof Groth sein Sohn war und zu dem Zweck mancher Topf Honig und Butter in´s Schulhaus verschwunden ist. Na seht´s Kameraden, ich, der die ganzen Jahre eitel Einser in den Zeugnissen hab steh´n g´habt, bin a dummer Bauerntrottel blieben und schleich hinter den Ochsen her, und der Groth Albin ist derweil schon in der dritten Realschulklasse, und wenn´s so weiter geht, wird er amal a Professor, und ich bleib a dummer Kerl.“100 So spricht über den künftigen Lehrer Franz Wollner, dessen Schwester Poldi einige Jahre später Albin Groth heiraten und Frau Oberlehrer werden soll. Nicht nur der alte Schulleiter wird kritisiert, sondern der Lehrerstand allgemein. Denn einerseits wird man mit der schwachen Persönlichkeit des alten Schulleiters konfrontiert, andererseits wird hier gezeigt, was für Taugenichtse Lehrer werden. Dieser Werdegang eines Lehrers bestreitet die Vorstellung, dass die Lehrer klüger sind als die anderen. Franz Wollner beneidet Albin Groth zwar seine Stellung, aber wenn es denn deutschen Bauern nicht mehr gut im Sudetenland geht, leidet auch ein Lehrer daran, weil er keine Kinder zum Unterricht hat. Schließlich ist sowie die Situation des Lehrers als auch des Bauers im Ort pessimistisch. Im Roman Tote Scholle liegt in der Rede Wollners eine ideale Darstellung eines Lehrers vor und auch eine Verkörperung der idealen Lehrerfigur in der Gestalt Renks. In dem Nationalkampf ist der Einfluss und Macht des Lehrers auf ein Volk entscheidend. Schlechte Lehrer erziehen sowie schlechte Lehrer, als 100 Fietz, Alois: Tote Scholle. 1914. S.23-24 78 auch schlechte Bauern und Dorfleute. Im Roman Tote Scholle ist das Schicksal des Volkes in ihren Händen. 79 3.5 Alfred Schmidtmeyer: Der alte Oberlehrer Die zentrale Rolle dieser kurzen Geschichte, wie schon der Titel verrät, ist ein alter Oberlehrer. Er unterrichtet in einem kleinem Dorf, wo nur noch 20 Schulkinder wohnen, und deshalb wird die Schule geschlossen. De Oberlehrer gibt aber seine Rolle nicht auf und begleitet die Kinder jeden Tag zur Schule, die in einem anderen Ort, etwa eine Stunde zu Fuß entfernt, ist. Der Erzähler ist ein ehemaliger Schüler, der nach vielen Jahren ins Dorf kommt, um seinen Oberlehrer Bartl zu besuchen. Die Leute erkennen ihn nicht mehr, aber der Lehrer weiß gleich, wer der Besucher ist. Die Lehrerfigur wird also von der Perspektive eines ehemaligen Schülers gesehen. Er vergleicht den Oberlehrer jetzt mit dem Oberlehrer damals. Zuerst merkt er keine Veränderung, weil der Oberlehrer munter und freudig auf den kommenden Besucher reagiert. Wenn der Erzähler näher kommt, erfährt er, wie sehr sich Herr Oberlehrer verändert hat. „Da fiel mich erst auf, wie gebrechlich er geworden war. Wie ein verhaltenes Weinen lag es ihm um Mund und Augenlider.“101 Sein Gesicht verrät Trauer, die auch seine physische Konstitution beeinflusst hat. Wenn der Erzähler seine Bemerkung ausdrückt, erzählt der Lehrer über die Ursache seiner Trauer ohne Verzögerung. Seine Schule wurde von den Behörden geschlossen und die Kinder sollen jetzt nach Obergrund zur Schule gehen. Diese Tatsache ist der Grund für Bartls Trauer und physische Altersmüdigkeit. Die Schule war und ist sein ganzes Leben. Wie immer ist die Sprache ein zuverlässiges Merkmal der Figur. Denn aus dem, wie der Lehrer über seine Schüler spricht und wie er sie nennt, charakterisiert am besten seine Beziehung zu ihnen. Der alte Oberlehrer spricht seine Kinder liebevoll an. „Wir haben einen weiten Weg vor uns, Kinderchen!“102 Das ist keine Heuchelei, denn er mag seine Schüler wirklich, er spricht auch sehr schön über sie. „Und nun gehören meine Kinder nach Obergrund, nicht mehr mir. Ich will sie morgen selbst hinüberführen, der letzte deutsche Lehrer dieses Dorfs!“103 Die Benennung meine Kinder drückt seine große Verbundenheit mit den Schülern. Das steht im Gegensatz zu den armen 101 Schmidtmeyer, Alfred: Der alte Oberlehrer.In: Karl Hans Leppa (Hrsg.): Volk und Leben. Eine Sammlung sudetendeutscher Dichtung. Karlsbad 1937. S.76 102 Ebd. S.77 103 Ebd. S.78 80 Teufeln, die keine Verbindung mit ihren Schülern fühlen. Mit dem Possessivpronomen meine wird auch Bartels Gefühl der Verantwortung ausgedrückt. Wenn etwas mein ist, dann mache ich alles, was in seinem besten Interesse ist. Und der Oberlehrer behandelt seine Schüler als ein Großvater seine Enkel. Diese Familien-Parallele bietet sich natürlich an, weil im Dorf nur noch 20 Kinder die Schule besuchen. Da kann der Lehrer natürlich jedes Kind besser kennen lernen. In ähnlichen Bedingungen unterrichtet auch Erwin Moser im Altersdorf, aber im Drama Eine Gymnasiasten Tragödie hat Saudek gezeigt, dass auch in der Stadt, bei größerer Zahl der Schüler, der individuelle Zutritt möglich ist. Der Oberlehrer setzt in seiner Tätigkeit fort, obwohl er nicht mehr von den Behörden bezahlt wird. Er verzichtet nicht auf die Erziehung und Ausbildung seiner Kinder. Er entscheidet sich, obwohl er schon ziemlich alt ist, die Kinder zu ihrer neuen Schule zu begleiten. „Ich werde, solange meine müden Gelenke mich tragen, immer mit euch gehen, liebe Kinderchen! Und da wollen wir gleich morgen ausrechnen, wie viele Schritte es sind bis Obergrund. Und wie viel das in einem Monat ausmacht und im einem Jahr und in eurer ganzen Schulzeit.“104 Seine Arbeit hält er für keine pragmatische Tätigkeit, wie z.B. der Lehrer in Horváths Erzählung Der Neger. Die Pension interessiert ihn nicht. Er nimmt die Erziehung als Sinn seines Lebens an und sucht jede Möglichkeit, wie er seine Kinder weiter ausbilden könnte. Den Unterricht beschränkt er nicht auf die verbrachten Stunden im Klassenraum, sondern der Unterricht ist auch unterwegs zur Schule möglich. Er will ihnen auch das Wert den Ausbildung vermitteln, deshalb hat er vor, die Schritte zur Schule zu zählen, um ihnen zu veranschaulichen, wie viel Mühe sie für die Ausbildung werden ausgeben müssen und dass sie es schätzen sollen. Denn der Weg wird beim schlechten Wetter im Herbst immer schwieriger und sogar gefährlich im Winter. Am Ende stärkt er die Kinder noch mit dem Vergleich mit dem Jesus und seinem Opfer. Hier gibt es keine Problematik des Glaubes wie bei Merker. Der Lehrer lehrt seine Kinder das Beispiel Christi zu folgen, was durchaus positiv dargestellt wird. Der Glaube ist hier eine helfende Institution, die ihre Probleme überwinden kann. 104 Schmidtmeyer: Der alte Oberlehrer. 1937. S.79 81 Am Anfang sieht der ehemalige Schüler seinen Lehrer im Garten. „Ich fand ihn in dem schmalen Gärtlein an der Straße, das vor dem weißgetünchten Schulgebäude liegt. Er war gerade dabei, einen Rosestoß fester zu binden, den er veredelt hatte.“105 Das ist eine Metapher von Bartels Leben und seiner Tätigkeit als Lehrer. Auch im Sinne pars pro toto, ein Teil seines Lebens, steht für sein ganzes Leben. Der Lehrer hat genauso wie jetzt im schmalen Garten, im kleinen Dorf, nicht nur die Rosen, sondern auch die Kinder durch Ausbildung und Erziehung veredelt. Die Früchte seiner Arbeit sind die Kinder, die er mit wirklicher Liebe und Interesse erzogen hat und die ihn mit Dankbarkeit wieder besuchen kommen. In der Geschichte Der alte Oberlehrer ist Bartel eine ideale Lehrerfigur, denn sie erfüllt meine Kriterien. Sein Beruf ist ihm mehr als ein Brotberuf, sein Ziel ist die Kinder wirklich zu erziehen und auszubilden. Seine Kinder sind engelreine Seelen, die der Lehrer veredelt. Seine Pflicht ist nicht zu Ende, wenn der Unterricht aus ist. Nur der Tod kann es dem Oberlehrer verhindern, sich um seine Kinder zu kümmern. Auch der dritte Autor, der zugleich als Lehrer tätig war, stellt in seinem Text eine ideale Lehrerfigur dar. Das unterstützt die These, dass die Lehrer in ihre Texte ihre Wunschvorstellung realisieren. Es liegt an der Unzufriedenheit mit der Realität des schulischen Lebens, die zur Entstehung solcher Texte mit problemloser Darstellung der Schule führt. 105 Schmidtmeyer: Der alte Oberlehrer. 1937. S.76 82 4. Schlussfolgerungen In den vorliegenden Werken wurden die Lehrerfiguren analysiert und eine Typologie dieser Figuren wurde vorgeschlagen. In den meisten Texten ist der Lehrer eine zentrale Figur. Schon die Texte selbst tragen oft im Titel das Wort Lehrer: Der junge Lehrer Erwin Moser, Der alte Oberlehrer, Würde des Lehrerstandes. Für solche Texte passt die vorgeschlagene Typologie am besten. Im Roman Tote Schole sind die Lehrer meistens nur Randfiguren, trotzdem kann man gemeinsame Züge mit den zentralen Lehrefiguren sehen und deshalb auch sie in die Typologie einbeziehen. Die Typologie wird aus dem Band Unterbrochene Schulstunde übernommen. Die drei Typen der Lehrerfiguren – der ideale Lehrer, der arme Teufel und der Tyrann – kommen sowie in der deutschböhmischen Literatur als auch im Band Unterbrochene Schulstunde vor. Die Charakteristik der einzelnen Typen wird in der Tabelle Nr. 3 noch einmal zusammengefasst. Die Zuordnung der einzelnen Lehrer-Figuren zu den Lehrer-Typen zeigen die Tabellen Nr. 4 und 5. Die Zuordnung der Lehrerfiguren der weniger bekannten deutchböhmischen Autoren sind zur Veranschaulichung der Unterschiede in eine andere Tabelle eingetragen. Diese zwei Tabellen verdeutlichen die Tatsache, dass wesentlich mehr idealen Lehrer in der deutschböhmischen Literatur auftreten. Sogar die Mehrheit der Lehrerfiguren der deutschböhmischen Autoren gehört zum Typ des idealen Lehrers. Dagegen ist die Kategorie der Tyrannen in der deutschböhmischen Literatur kaum besetzt. Nur der Direktor Böhn in Einer Gymnasiasten Tragödie zeichnet sich mit solcher Gefühllosigkeit aus, dass er in diese Kategorie zugeordnet wird. Weil aber sein Verhalten nicht mit der Brutalität und Mitleidlosigkeit der Lehrerfiguren in Texten von Arno Holz und Rainer Maria Rilke vergleichbar ist, gehört Direktor Böhn in eine milder bezeichnete Kategorie absoluter Herrscher. Infolge dessen wirkt die deutschböhmische literarische Darstellung der Lehrerfiguren als eine idyllische im Vergleich zu dem kritischen Umgang mit den Lehrerfiguren in dem Band Unterbrochene Schulstunde. Das liegt daran, wie es im Kapitel 1.3 gezeigt wurde, dass diese Texte viel mehr in der historischen Situation verankert sind und sie setzten sich mit der Rollenveränderung der Schule in der Gesellschaft kritisch auseinander. Die Texte weniger bekannten 83 deutschböhmischen Schriftsteller sind von der historischen Tatsachen weniger abhängig. Das einzige Werk, das die Rolle des Lehrers in einer gesellschaftlichen Veränderung behandelt ist Die Tote Scholle von Alois Fietz. Noch ein Faktor spielt Rolle in der Darstellung des Lehrers und zwar die Tatsache, dass der Autor selbst als Lehrer Tätig war. Das ist der Fall von Johann Peter, Emil Merker und Alfred Schmidtmeyer. Die alle haben einen idealen Lehrer dargestellt, die Tatsache wird so interpretiert, dass sie in ihren Werken ihre Wunschvorstellung von der Schule realisierten. Das Ergebnis muss nicht generell gelten, weil die Auswahl der Texten aus der deutschböhmischen Literatur beschränkt ist, und keine völlig erschöpfende Übersicht darstellt. Ich habe aber festgestellt, dass in vier von fünf zufällig ausgewählten Texten die ideale Lehrerfigur dominiert, deshalb betrachte ich sie als eine bestimmte Tendenz in der Darstellung der Lehrerfigur in der deutschböhmischen Literatur. 84 Tabelle Nr. 3 Der Typ der Lehrer-Figur Der ideale Lehrer Der arme Teufel Tyrann, absolute Herrscher Charakteristik Seine Beziehung zum Beruf, zu den Kindern - die Rolle als Berufung und zugleich Hobby angesehen - sehr positive Stellung zu den Schülern, sogar persönliche Beziehungen - versteht seine Schüler als Individualitäten - kann für seinen Stoff Interesse anregen - seine Ansichten sind oft im Kontrast mit seinen älteren und konservativeren Kollegen dargestellt - der Beruf als Pflicht, Brotberuf angesehen - andere Interessen als am Unterricht - kein Verständnis für seine Schüler - Autorität und Respekt durch Strafen demonstriert um eigene Schwäche zu verdecken - keine Interresse an dem Stoff sowie an den Persönlichkeiten der Schüler - absolute Macht über seine Schüler - die Schüler sind enthumanisiert - wenn die absolute Gehorsamkeit gestört wird, droht brutale und mitleidslose Behandlung Beziehung der Schüler zu ihm - Beliebtheit - von den Schülern angesehen und beliebt - Neutralität - die Schüler widmen ihm ihre Aufmerksamkeit soweit eine Strafe oder Prüfen droht - Grenzlose Angst, Hass - die Schüler sind psychisch und/ oder physisch unterdrückt, ihr Ziel ist den Unterricht zu überleben 85 Die deutschen und österreichischen Lehrerfiguren Tabelle Nr. 4 Ideale Lehrer Arme Teufel Tyrannen A.Döblin: Sein letzter Unterricht Dr. Becker T. Mann: Ein Vormittag Oberlehrer Ballerstedt, Doktor Mantelsack, Kandidat Modersohn A.Holz: Der erste Schultag Rektor Borchert R.Walser: Tagebuch eines Schülers Herr Bur Ö. v. Horvath: Der Neger Der Lehrer, der Direktor R.M.Rilke: Die Turnstunde Unteroffizier Jastersky, Oberlieutenant Wehl R. Walser: Tagebuch eines Schülers alle anderen Lehrer- Figuren T. Mann: Ein Vormittag Direktor Wulicke Die deutschböhmischen Lehrerfiguren Tabelle Nr. 5 Ideale Lehrer Arme Teufel Absolute Herrscher Eine Gymnasiasten Tragödie Dr. Hopp, Dr. Krausneck Eine Gymnasiasten Tragödie: andere Professoren und Lehrer Eine Gymnasiasten Tragödie: Direktor Böhn E.Merker: Der junge Lehrer Erwin Moser Erwin Moser E. Mekrer: Der junge Lehrer Erwin Moser Oberlehrer J. Peter: Die Würde des Lehrestandes Eine Darstellung des idealen Lehrers A. Fietz: Tote Scholle Der alte Schulleiter, Lehrer Renk, der neue Lehrer A. Schmidtmeyer: Der alte Oberlehrer Der alte Oberlehrer Bartl 86 5. Resumé in tschechischer Sprache Tato diplomová práce se zabývá postavou učitele ve vybraných dílech německých autorů, kteří se narodili a žili na území Čech. Cílem práce je navrhnout typologii postavy učitele v těchto dílech a konfrontovat ji s typy učitelů, které se objevují v textech renomovaných německých a rakouských spisovatelů. V úvodu je pojednáno o problematice školy a postavy učitele v literatuře, která je pouze okrajovým zájmem literární vědy. metoda práce spočívá v analýze charakteristiky jednotlivých postav učitele. V textech je využívána jak charakteristika přímá tak nepřímá. Charakteristika přímá je typická pro vyprávění z perspektivy žáka. Charakteristiku nepřímou zprostředkuje v textu zejména zobrazené vyučování a vztah učitele k žákům. Práce dále reflektuje politické změny na území dnešního Německa, Rakouska a České republiky, které proběhly v době, kdy analyzované texty vznikly. Časově je můžeme zařadit od konce 19. století do třicátých let 20. století. V tomto období zažívá zmiňované území nejrůznější politické změny. Způsob, jakým se tyto texty tyto historické změny odrážejí v osobě učitele, vypovídá mnohé o významu školy jako státní instituce k prosazování a šíření státních zájmů mezi jeho občany. Druhá kapitola se věnuje analýze konkrétních postav učitele. Na základě textů z antologie Uterbrochene Schulstunde dělím typy učitelů do tří skupin. V první skupině „tyranů“ jsou zařazeny postavy z děl Arna Holze, R. M. Rilka a T. Manna. Po jejich analýze předkládám typické rysy takového typu postavy. Učitel typu tyrana disponuje absolutní mocí nad životem svého žáka a tuto moc bezohledně využívá. Hlavní náplní práce takového učitele je dohled na bezvýhradné dodržování disciplíny. Žáci se často ocitají v situacích, které potlačují jejich lidskost a které zvládají jen s největším vypětím sil. Důsledkem takovéhoto prostředí, ve kterém jsou žáci nuceni žít, je buď psychické zhroucení nebo dokonce smrt, ať už je to výsledkem sadismu Rektora Borcherta v povídce Arna Holze nebo absolutní nelidskosti důstojníků ve vojenské škole v povídce R. M. Rilka nebo přemrštěných nároků ředitele v kapitole z románu Buddenbrooks od Thomase Manna. 87 Druhým typem učitele je tzv. „arme Teufel“ druh učitele, který se objevuje ve dvou vzpomínkových knihách Stefana Zweiga a Bertolda Brechta. Protože v tomto případě nejde o fiktivní ztvárnění postavy učitele, nýbrž vzpomínku, připisuji tomuto typu určitou realistickou platnost. Tuto tezi podporuje i skutečnost, že i ve fiktivních textech lze nejčastěji najít velmi podobné typy učitelů. Typ der arme Teufel se vyznačuje relativně malým zájmem o vyučování a osobnosti svých žáků. Jediným účelem vyučování je pro něj splnění povinnosti a její finanční ohodnocení. To je velmi často uváděno jako hlavní důvod vykonávání povolání učitele. Často jsou zdůrazňovány jeho zájmy, které se školou nesouvisí vůbec a někdy dokonce odporují jejím zásadám. Typický způsobem je také prosazování svojí autority trestem nebo zkoušením. Jejich autorita je ale pouze formální. Jejich nezájem o vyučovaný předmět se obvykle odráží i v zájmu resp. nezájmu žáků o vyučování. Žáci se zajímají o hodinu, jen tak dlouho, pokud učitel zkouší. Ve chvíli, kdy nehrozí nebezpečí být ohodnocen nedostatečnou známkou, ztrácejí žáci veškerý zájem o vyučování. Třetím typem učitele je „ideální učitel“. Tento typ se téměř v textech renomovaných autorů neobjevuje. dvě výjimky tvoří Dr. Becker od Alfreda Döblina a Herr Burr v povídce Martina Walsera. Ideální učitel považuje svoje povolání za poslání a zároveň svůj koníček. Neomezuje svůj kontakt žáky na přesně rozvrhem vymezenou dobu, nýbrž s nimi tráví i svůj volný čas. Jeho vztah k žákům nedefinuje jeho nadřazenost a autorita, naopak se jim snaží přiblížit, čímž jim umožňuje identifikovat se s jeho názory. Svým vyučování dokáže žáky zaujmout a motivovat k větším výkonům. Často je tento ideální učitel zobrazen v konflikt se svým starším a konzervativním kolegou, který jeho způsob považuje za bláznivý. Tento typ učitele je žáky nesmírně oblíben až uctíván. Ve třetí kapitole analyzuji rozložení těchto typů v textech německé literatury psané v Čechách. Po srovnání mohu konstatovat tyto odlišnosti. V české německé literatuře se objevuje proporčně více postav ideálního učitele. Ve čtyřech z pěti analyzovaných děl je centrální postavou výše popsaný ideální učitel. Objevuje se tu tedy jistá tendence ve zobrazení učitele ve prospěch jeho ideálního prototypu. K vysvětlení tohoto jevu mohou přispět následující důvody: l) 3 z 5 autorů byli sami povoláním pedagogové, 2) texty česko německé literatury méně reflektují aktuální politické změny ve společnosti a nejsou myšleny prvoplánově 88 jako její kritika, 3) výběr textů z české německé literatury je omezen, nepředstavuje vyčerpávající přehled postav učitele a proto může být zkreslen. Problémem učitele-autora se ve své práci zabývám podrobněji. Důvodem, proč učitelé-autoři zobrazují ideální postavu učitele, je jak se ukázalo při studiu reálií skutečnost, že jimi zobrazená realita školy je opakem skutečnosti, kterou jako pedagogové zažili. Kromě učitele, který je svým žákům zároveň přítel, jsou v jejich textech idealizování také sami žáci, kteří dychtí po poznatcích, které jim jejich učitel zprostředkuje a zcela podporují jeho záměry. Jediným dílem, kde je správnost těchto pedagogických teorií problematizována a kde končí katastrofou je Eine Gymnasiasten Tragödie od Roberta Saudka. Robert Saudek sám sice nebyl učitelem, přesto je jeho Dr. Hopp typem ideálního učitele. Jeho pokus o rozvíjení kritického myšlení jeho žáků, však skončí katastrofou. Ostatní spisovatelé–učitelé však důsledky nových pedagogických teorií neproblematizují vůbec. Jediné dílo z německé literatury psané v Čechách, které reflektuje historicko-politické změny je román Tote Scholle od Aloise Fietze. Tento velmi tendenční román, který ukazuje černobíle vztahy mezi Čechy a Němci na Šumavě, tematizuje roli učitele v rámci boje mezi těmito dvěma národy a učiteli je zde připsána zásadní role v osudu jeho národa. Práce srovnává a kategorizuje postavy učitelů v německy psané literatuře a úlohu, která je jim připisována při výchově dětí a přeneseně pak na budování budoucnosti státu. 89 Bibliografie: Primärliteratur: Fietz, Alois: Tote Scholle. Eines deutschen Dorfes Kreuzweg. Deutsche Landbuchhandlung. Berlin, 1914. Holz, Arno: Der erste Schultag, Reclam Verlag. Stuttgart, 1980. 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Mix, York Gothart: Der Auftakt zur Fibel des Ensetzens: R.M. Rilkes Die Turnstunde und die pädagogische Reformbewegung der Jahrhundertwende. In: Euphorion 88, 1994, H4, S. 437 - 447. Mühlberger, Josef: Geschichte der deutschen Literatur in Böhmen 1900-1939. A. Langen. München, 1981. Mühlberger, Josef: Die Dichtung der Sudetendeutschen. Johannes Stauda Verlag. Kassel, 1929. Prangel, Matthias: Alfred Döblin. Metzler. Stuttgart, 1987. Sander, Gabriele: Alfred Döblin. Reclam. Stuttgart, 2001. Schnack, Ingeborg: Rainer Maria Rilke. Chronik seines Lebens und seines Werkes 1875 – 1926. Insel Verlag. Frankfurt am Main und Leipzig, 2009. Schröter, Klaus: Döblin. Rowohlt. Hamburg. 1988. Topoľská, Lucy; Václavek, Ludvík: Beiträge zur deutschsprachigen Literatur in Tschechien. Univerzita Palackého v Olomouci, 2000. Tworek, Elisabeth: Horváth: einem Schriftsteller auf der Spur. Residenz. Salzburg, 2001. Veselý, Jiří: Slovník spisovatelů německého jazyka a spisovatelů lužickosrbských. Odeon. 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Na závěr dochází ke konfrontaci zobrazování učitele v obou literaturách a jsou vysvětleny její důvody. Anotation: Name and Surname of the author: Bc. Markéta Machačová Department and faculty: Department of German Studies, Philosophical faculty Name of the thesis: The character of the teacher in the German literature written in Bohemia Supervisor: Prof. Dr. Jörg Krappmann, PhD. Count of characters: 169 507 Count of literature sources: 34 Keywords: German literature written in Bohemia, typology, the character of the teacher The thesis observe the character of the teacher in the German literature written in Bohemia. The aim ist to find a typology for these characters and compare it with other characters of teachers in texts of prestigious german and austrian authors. In conclusion there are confronted the images of the characters of the teacher in both literatures and also therer are explained its reasons.