1. DER HUND FSC Mix Produktgruppe am vorbildlich bewirtschafteten Wildem und anderen kontrollierten Herkünften Iert-Nr.SG5-C0C-l94ü www.ljc.org 0 IM* Foren Stewardstop Council Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-oioo Das FSC-zertifizierte Papier München Super für Taschenbücher aus dem Goldmann Verlag liefert Mochenwangen Papier. 18. Auflage Taschenbuchausgabe August 2003 Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Copyright © 2001 by Eichborn Verlag AG, Frankfurt am Main Umschlaggestaltung: Design Team München Umschlagfoto: Gestaltung nach einer Idee von Moni Port Satz: deutsch-türkischer fotosatz, Berlin 1 )rüci und Bindung: GGP Media Gmbl I, Pößneck KvD • I lerstellung: Str Printed in Germany ISBN-10: 3 442 453305 ISBN-13: 978 3 442 453306 www.goldniann-verlag.tle Der Nachthimmel, der ganz frei von Wolken war, wies in der Ferne, über Ostberlin, schon einen hellen Schimmer auf, als Frank Lehmann, den sie neuerdings nur noch Herr Lehmann nannten, weil sich herumgesprochen hatte, daß er bald dreißigjahre alt werden würde, quer über den Lausitzer Platz nach Hause ging. Er war müde und abgestumpft, er kam von der Arbeit im Einfall, einer Kneipe in der Wiener Straße, und es war spät geworden. Das war kein guter Abend, dachte Herr Lehmann, als er von der westlichen Seite her den Lausitzer Platz betrat, mit Erwin zu arbeiten macht keinen Spaß, dachte er, Erwin ist ein Idiot, alle Kneipenbesitzer sind Idioten, dachte Herr Lehmann, als er an der großen, den ganzen Platz beherrschenden Kirche vorbeikam. Ich hätte die Schnäpse nicht trinken sollen, dachte Herr Lehmann, Erwin hin, Erwin her, ich hätte sie nicht trinken sollen, dachte er, als sich sein Blick zerstreut in den Maschen der hohen Umzäunung des Bolzplatzes verfing. Er ging nicht schnell, die Beine waren ihm schwer von der Arbeit und vom Alkohol. Das mit dem Schnaps war Quatsch, dachte Herr Lehmann, Tequila und Kernet, morgen früh wird es mir schlecht gehen, dachte er, Arbeiten und Schnapstrinken verträgt sich nicht, alles, was über Bier hinausgeht, ist falsch, dachte er, und gerade ein Typ wie Erwin sollte seine Angestellten nicht noch zum Schnapstrinken überreden, dachte Herr Lehmann. Er kommt sich noch großzügig dabei vor, wenn er die Leute zum Schnaps- 5 trinken überredet, dachte Herr Lehmann, dabei tut er das bloß, um selbst einen Vorwand zum Saufen zu haben, aber andererseits, dachte er, ist es auch nicht richtig, die Verantwortung auf Erwin abzuwälzen, am Ende ist man immer selber schuld, wenn man Schnaps trinkt. Der Mensch ist ein Wesen mit freiem Willen, dachte Herr Lehmann, als er sich der anderen Seite des Lausitzer Platzes näherte, jeder muß selber wissen, was er tut und was nicht, und nur weil Erwin ein Depp ist und einen zum Schnapstrinken überredet, heißt das noch lange nicht, daß Erwin schuld ist, dachte er, aber er dachte auch mit Genugtuung an die Flasche Whisky, die er heimlich hatte mitgehen lassen und die in der großen Innentasche seines langen, für einen Septembertag im Grunde viel zu warmen Mantels steckte. Er selbst hatte zwar keine Verwendung für Whisky, denn er trank ja im Prinzip schon lange keinen Schnaps mehr, aber Erwin mußte immer mal wieder bestraft werden, und Herr Lehmann konnte die Flasche zur Not seinem besten Freund Karl schenken. Dann sah er den Hund. Herr Lehmann, wie sie ihn neuerdings nannten, obwohl die, die das taten, auch nicht viel jünger waren, obwohl tatsächlich einige von ihnen, sein bester Freund Karl und auch Erwin zum Beispiel, sogar älter waren als er, kannte sich mit Hunderassen nicht aus, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß man so ein Tier mit Absicht züchtete. Der Hund hatte einen großen Kopf mit einer mächtigen, sabbernden Schnauze und zwei großen, lappigen Ohren, die links und rechts davon herunterhingen wie zwei welke Salatblätter. Sein Rumpf war fett, und sein Rücken so breit, daß man darauf eine Flasche Whisky hätte abstellen können, seine Beine waren dagegen unverhältnismäßig dünn, sie ragten aus dem Körper heraus wie abgebrochene Bleistifte. Herr Lehmann, der es nicht übermäßig witzig fand, daß man ihn jetzt so nannte, hatte noch nie ein so häßliches Tier ii Er erschrak und blieb stehen. Er traute Hunden Uli In I iiil der Hund knurrte ihn an. hl /i bloß nichts falsch machen, dachte Herr Lehmann, der i erseits aber auch keinen Sinn darin sah, sich wegen ei-lli i albernen Anrede groß aufzuregen, immer fest in die Au- ii schauen, das schüchtert sie ein, dachte er und konzen- i.....i seinen Blick auf die beiden schwarzen, blanken Löcher im Schädel seines Gegenübers. Der Hund zog im Rhythmus . uns Knurrens die Lefzen hoch und runter und starrte im in k. Sie hatten etwa drei Schritte Abstand voneinander, ■ Ii i I lund bewegte sich nicht, und Herr Lehmann bewegte i< Ii auch nicht. Nicht wegsehen, dachte Herr Lehmann, im Ins anmerken lassen, einfach vorbeigehen, dachte er und machte einen Schritt zur Seite. Der Hund knurrte noch lau-i < i, es war ein bösartiges, nervtötendes Geräusch. Bloß nichts inmerken lassen, das Tier spürt die Angst und nutzt sie aus, ilachte Herr Lehmann, noch ein kleiner Schritt zur Seite, dachte er, nicht aus den Augen lassen, noch ein kleiner Schritt, und dann noch einer, so, und dann gleich geradeaus, dachte I lerr Lehmann. Aber dann ging der Hund einfach auch ein Si lick zur Seite, und sie standen sich wieder gegenüber. Er will mich nicht vorbeilassen, dachte Herr Lehmann, der seinen bald stattfindenden dreißigsten Geburtstag nicht gerade als rauschendes Fest zu feiern gedachte, gerade weil er davon überzeugt war, daß das bloß ein Geburtstag war wie jeder andere auch, und er hatte seine Geburtstage noch nie gerne gefeiert. Das ist doch lächerlich, so etwas darf es gar nicht geben, dachte er, ich habe ihm doch gar nichts getan. Er sah die großen, gelben Zähne, und es schauderte ihn bei der Vorstellung, wie sie von den riesigen Kiefern des Hundes in eines seiner Beine, in einen Arm, in seinen Hals geschlagen wurden, ja sogar um seine Hoden wurde ihm angst und bange. Wer weiß, was das für einer ist, dachte er, vielleicht ist der auf 6 7