Die Naturstudien im „Ambraser Heldenbuch“ Held - hrdina Für die germanistische Mediävistik gehört das Ambraser Heldenbuch (Wien, ÖNB), das im Auftrag Kaiser Maximilians I. zwischen 1507 und 1517 angefertigt wurde, zu den bekanntesten Codices des Spätmittelalters. Anfertigen – zhotovit Gehören – patřit Bekannt – známý Im Auftrag – na zakázku Vertrag - smlouva Obwohl unter den 120 Folios des Pergament-Codex, die mit malerischer Randdekoration versehen wurden, auch Pflanzenstudien außerordentlicher Naturnähe zu finden sind, wurden diese bislang weder angemessen publiziert noch kommentiert. weder … noch – ani … ani Bislang – dosud Angemessen - přiměřeně Die über 50 Einzeldarstellungen von Pflanzen im Mittelteil der Handschrift zeugen jedoch von einer Genauigkeit der Beobachtung, die gewöhnlich erst den Frühwerken der Botanik wie dem Conftrafayt Kreüterbuch von Otto Brunfels mit den Holz/schnitt/illustrationen von Hans Weiditz zugebilligt werden (Straßburg 1532). Zubilligen – přiznat někomu něco Beobachten - pozorovat Zeigen – ukazovat Zeugen – svědčit der Zeuge - svědek Genau - přesný Im Sinne einer Einladung zu intensiverer kunsthistorischer Forschung sollen an dieser Stelle einige der Höhepunkte vorgestellt werden. Stelle - místo Einige der Verbildlichungen gehen über die Absicht, Habitus und Eigenheiten der Blätter und Blüten in Hinblick auf Form, Farbe, Textur und Disposition präzise wiederzugeben, hinaus und verleihen dem abgebildeten Exemplar Individualität, indem Verfallserscheinungen oder Beschädigungen gezeigt werden. Wiedergeben – znázornit In Hinblick – s ohledem na Verleihen – propůjčit Verfall – zánik Beschädigung - poškození Erscheinung - projevy Gleichzeitig wird über den sichtbar gemachten Prozess des Verwelkens ein weiteres Moment der Wirklichkeitsnähe, die Veränderung der Pflanze im Zeitverlauf, hinzugefügt. Hinzufügen – přidat Zeitverlauf – průběh času In einigen Fällen wurde sogar dasselbe Exemplar nicht von derselben Hand wiedergegeben. Während die erste Variante (Bl. 51 r) mit Deckfarbe koloriert ist und räumliche Wirkung zurückhaltend durch Farbschattierung erzielt wird, fällt an dem mit lavierendem Farbauftrag kolorierten Zwilling (B. 115 r) die deutliche Markierung verschatteter Partien durch zarte Parallelschraffuren auf. Zart - jemný Auffallen – být nápadný Markierung – zvýraznění Deutlich - zřetelně Schattierung - stínování Schatten - stín Insgesamt macht die erste Version einen eher malerischen Eindruck – man beachte die hauchfein gesetzten duftigen Staubgefäße – während die zweite Wiedergabe als linear zu bezeichnen wäre, werden doch dort Einzelformen wesentlich expliziter durch Konturierung gefasst. Beide Fassungen bieten ein ähnliches Qualitätsniveau, doch wurde das Problem der naturgetreuen Abbildung im Detail auf technisch ganz verschiedenen Wegen gelöst.