Caritas gegen Avaritia: Das Geizhalswunder von Tullio Lombardo Geizig – lakomý Die Zeichnung zeigt einen Soldaten in altrömischer Rüstung, der soeben den Brustkorb des Geizhalses aufschneidet, um zu prüfen, ob sich das Herz des Verstorbenen in seiner Brust befindet. Zeichnen - kreslit Die Prüfung – zkouška Sterben – zemřít Finden – najít Sich befinden – nacházet se Dieses findet man jedoch nicht im Körper, sondern, wie es der heilige Antonius nach dem Lukasevangelium prophezeite, in der Geldkiste des Toten. Wie geht es? Jak se daří? Der Heilige – světec, heilig – svatý Tot – mrtvý Gold – zlato, Geld - peníze Antonius tritt, von einem Bruder begleitet, von links an die Bahre des Toten und spricht beruhigend auf die heftig gestikulierenden Männer, die hinter der Bahre sind. Treten – přistoupit Ruhe bitte – klid, ticho An der rechten Seite bildet eine Gruppe von zwei Frauen den Abschluss des Reliefs, wobei die vordere der beiden ein Kind mit sich führt. Führer – vůdce, führen – vést Vordergrund – popředí Hintergrund - pozadí Bild – obraz Bilden – tvořit Schluss – konec Mit der linken Hand deutet der Heilige auf die Stelle seiner Brust, an der sich das Herz befindet. Stellen – postavit Stelle - místo Diese erneute Betonung der Herzgegend ist wichtig, da sie auf die zentrale Frage der Geschichte weist: ob sich das Herz am rechten Fleck befindet? Betonen – zdůraznit Wichtig – důležitý Frage – otázka, Antwort – odpověď Am – an + dem Bei der Frau sehen wir eine Art Brosche, die das Kleid in der Mitte des Oberkörpers zusammenrafft, so dass sich ihre Brüste unter dem gespannten Stoff deutlich abzeichnen. Ein zweiter, gleichartiger Gewandverschluss befindet sich an der Schulter der Frau. Bei diesem all’antica gebildeten Kleidungsstück könnte es sich um das Kleid einer Amme oder einer stillenden Mutter handeln, bei dem durch das Lösen einer der beiden Verschlüsse ein bequemes Entblößen der Brust möglich ist. Die Akzentuierung der Herzgegend und die Betonung der weiblichen Brust rekurrieren auf die Bildtradition der Caritas. Neben dem brennenden Herzen, welches auf die Liebe zu Gott (amor Dei) verweist, steht das Nähren des Kindes für die Nächstenliebe (amor proximi). Die Frauenfigur in Relief hat damit eine Affinität zur Ikonographie der Caritas, welche wir als Gegenmodell zu dem raffgierigen Geizhals verstehen.