Historikerstreit Auch beim Historikerstreit hatte man es also mit einer ideologisch bedingten Auseinandersetzung zwischen „besiegten“ (E. Nolte, M. Stürmer, K. Hildebrand, A. Hillgruber, J. Fest, T. Nipperdey) und „befreiten“, linksliberalen kritischen Historikern und Intellektuellen (J. Habermas, H.-U. Wehler, H.-A. Winkler, H. Mommsen, W.J. Mommsen und viele andere) zu tun. In dieser Konstellation entflammte 1986 der Historikerstreit. Den Sieger glaubte man recht bald bestimmen zu können, da Nolte seine Thesen auf recht dubiose Art formuliert hatte. Von seiner ersten bedeutenden Arbeit Der Faschismus in seiner Epoche an bemühte sich Nolte darum, Faschismus aus der Fixierung auf deutsche Geschichte zu lösen, indem er seine Wurzeln und Manifestationen nicht nur im deutschen, sogenannten radikalen Faschismus des Nationalsozialismus analysierte, sondern sehr wohl auch im italienischen (dem „normalen“ Faschismus) und französischen (dem frühen Faschismus der Action Française). Damit brachte er indes eine potentiell gefährliche Strategie des gegenseitigen Aufrechnens ins Spiel, deren Fragwürdigkeit deutlich ist: Man setzt voraus, dass man Schuldanteilmengen und Verbrechensgrade via Vergleich deren geschichtlicher Variationen festlegen kann. Somit legt man unausgesprochen die Möglichkeit nahe, ein Verbrechen könne durch ein anderes Verbrechen relativiert oder gesteigert werden, das sich anderswo abgespielt und mehrere oder aber weniger Todesopfer gebracht habe. Diese Voraussetzung würde, in weltpolitische Zusammenhänge eingebettet, folgende Schlussfolgerungen zulassen: Gehe dem Nazismus etwas vergleichbar Schreckliches voraus, dann könne bereits dadurch Nazismus als Kopie oder Reaktion automatisch relativiert werden; habe die bolschewistische Schreckensherrschaft ähnliche, oder sogar noch höhere Zahl der Opfer auf dem Gewissen, sei Nazismus nicht der unvergleichbare Schrecken, für den man ihn halten wolle. Bolschewismus und Faschismus wurden von Nolte also nicht deshalb nebeneinander gestellt, um ihre totalitären Züge besser ermitteln zu können, sondern, um von ihrer unbarmherzigen Feindschaft (die Nolte von Anfang an herausstellte) auf einen schlichtweg abwehr-reaktiven Nazismus zu schließen, und dadurch seine Schrecken relativieren zu können. (…) Es folgte das uneingeschränkte Verbot, Nationalsozialismus damit zu vergleichen, was ihm vorausgegangen war oder folgte. Den Grund dafür glaubte man in der Annahme zu erblicken, kontextuelle Vergleiche würden grundsätzlich auf gegenseitiges Hierarchisieren hinauslaufen, sie könnten also unter Umständen nationalsozialistische Schrecken relativieren. Das gegen die Totalitarismustheorie zielende Komparationsverbot ging nicht nur auf den edlen Wunsch zurück, die Opfer des Nationalsozialismus zu schützen, sondern auch auf den weniger edlen, vielmehr ideologischen, nämlich Kommunismus vor jedem Vergleich mit dem Nationalsozialismus zu schützen. Eine vergleichbar große Gefahr des Holocaustmissbrauchs drohte nämlich, wenn man Auschwitz für eine unbedingt singuläre Erscheinung hielt, mittels deren man Haltungen rechtfertigte, die mit dem Holocaust in keinem direkten Zusammenhang stehen, es sei denn, sie schöpfen aus ihm ihr Alibi. Als eine „chronisch gewordene politische Instrumentalisierung des Holocaust“, die unzulässig alle „Nicht-Holocaust-Kriegsverbrechen“ relativiere, bezeichnete in den 1990er Jahren H.A. Winkler das Gebot des unbedingten Pazifismus, das in Deutschland immer dann geltend gemacht wurde, wenn eine deutsche Teilnahme an Kriegskonflikten zur Debatte stand. Holocaust diente dann als Alibi für einen Staat, der sich aufgrund seiner historischen Erfahrung das Recht anmaße, vor allen Kriegsverbrechen die Augen zu zumachen, da diese Verbrechen an das größte und einzig gültige Verbrechen nicht heranreichen würden. 1) Wie lautet Noldes These? 2) Was wollte er damit eigentlich erzielen? 3) Wie wurde darauf reagiert und warum? 4) Welchen anderen Vorteil bringt noch diese Reaktion?