3.2 Im Schatten des Kalten Krieges Aus dem Rückblick betrachtet wurden nach 1949 politisch Tendenzen umgesetzt, die bereits in den Jahren davor in den derealisierenden Entlastungsstrategien einzelner Deutscher greifbar gewesen waren. Vor die Wahl gestellt zwischen möglichst prosperierender Stabilität und dem schier unendlichen Abarbeiten der Schuld hat sich das Adenauer’sche Deutschland für das erstere entschieden, und zwar auch auf die Gefahr hin, den nächsten Generationen Schulden zu hinterlassen. In den 1950er Jahren gab es offensichtlich keinen Willen mehr, strafrechtliche Taten aus der Zeit des Nationalsozialismus aufzudecken. An Akzeptanz gewann eher das Zurückweisen der Schuld, solidarisch war man vielmehr mit den Tätern als mit den Opfern. In der Atmosphäre des Kalten Krieges durfte sogar mancher Deutsche dem Eindruck erlegen sein, an der prinzipiellen Richtigkeit seines Kampfes gegen den kommunistischen Erzfeind habe die bedingungslose Kapitulation Deutschlands nichts geändert. Diese extreme Interpretation des Nazismus als eines deutschen Beitrags zum antikommunistischen Europa war nur unter den Bedingungen der polarisierten Nachkriegswelt möglich, die manche Tatsachen grotesk verzerren oder umdrehen konnte. In unserer heutigen Perspektive, in der der Zweite Weltkrieg vom Holocaust überschattet wird, mutet sie geradezu unfassbar an. In den schwarz-weißen Schemen des Kalten Krieges, in denen man im Feinde seines eigenen Feindes zwingend einen Freund hatte, konnten sich die Nachkriegsdeutschen recht bequem vor den Schatten der Vergangenheit verstecken. Der Antikommunismus der 1950er Jahre bot ihnen zwei angenehme Optionen auf einmal. Sie konnten den Blick von der eigenen Vergangenheit bereits durch den Hinweis ablenken, dass sie jetzt als Antikommunisten auf der richtigen Seite stehen, und diesen Antikommunismus darüber hinaus als eine konsequente und daher moralisch unanfechtbare Fortsetzung des antikommunistischen Kampfes während des Krieges verstehen würden. In den Nachkriegsbedingungen stellte der Antikommunismus für viele Deutsche eine bequeme Option dar, die die eigene Haltung während des Krieges in ihren Augen insofern legitimieren konnte, als sie ihre – durch die heutige Konstellation nahegelegte – prinzipielle Richtigkeit bestätigte, ohne dass man sich die Frage nach der eigenen Verantwortung stellen müsste. 1) Wie stellten sich die Deutschen zu ihrer Vergangenheit in den fünfziger Jahren? 2) Wer war der altneue Feind Deutschlands? 3) Was hat den Deutschen diese Feindschaft ermöglicht (vor allem im Bezug zu ihrer Vergangenheit)?