Eine genauso stabilisierende Entlastungsfunktion übte der Antikommunismus aus, wenn es hieß, sich gegen die DDR abzugrenzen. Beide deutschen Staaten bestätigten sich die Richtigkeit des jeweils eingeschlagenen Kurses durch das gegenseitige Abgrenzen voneinander. Die ostdeutsche Propaganda hielt den ostdeutschen (kommunistischen) Antifaschismus für die einzig richtige Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg, wie auch für die Begründung, warum sich die Ostdeutschen nicht mehr mit ihm auseinandersetzen müssten, da diese Aufgabe ausschließlich den Westdeutschen zustehe, die sich vom Nationalsozialismus nie prinzipiell distanziert hätten. Die Westdeutschen wiederum sahen in der DDR-Legende eben den Beweis dafür, dass der Nationalsozialismus als totalitäre Diktatur in der DDR weiterlebt, und zwar in der Form der kommunistischen Totalität. Von der westdeutschen Seite her gesehen, würden, je intensiver die DDR Kommunismus aufbaute, ihre totalitären Züge desto mehr zeigen, dass sie aus der totalitären NS Vergangenheit nichts gelernt habe. Wie man sieht, beide deutschen Staaten wussten sich von der historischen Last loszusagen, indem sie diese jeweils dem anderen zugesprochen haben. Je mehr sie sich derart stabilisierten, desto stärker nahm deren Entfremdung innerhalb Deutschlands zu. Während die ostdeutsche Strategie Entlastung bot, indem sie Nazismus mit der in toto zurückzuweisenden Welt des Kapitalismus identifizierte, nutzte man in der Bundesrepublik insbesondere die antikommunistische Atmosphäre, indem man sich der in dieser Hinsicht willkommenen Totalitarismustheorie bediente, die ja bekanntlich Nazismus und Kommunismus als zwei die liberale Bürgergesellschaft unerbittlich bekämpfenden Varianten des Totalitarismus interpretiert. Die unumstrittene Anziehungskraft dieser gleichmäßig die linke (Kommunismus) wie auch rechte (Faschismus) totalitäre Gefahr befehdenden Theorie bestand in den 1950er Jahren darin, dass man sich dank ihr gleichzeitig vom Kommunismus und Nationalsozialismus, oder konkret von der Sowjetunion und dem nationalsozialistischen Deutschland distanzieren konnte. 1) Welche Beziehung hatten die BRD und die DDR zueinander? 2) Wie würden Sie die BRD aus der Sicht der DDR charakterisieren? 3) Wie würden Sie die DDR aus der Sicht der BRD charakterisieren? 4) Was besagt die Totalitarismustheorie? Bonus: Fragen Sie Ihre Eltern bzw. Großeltern, welches Bild von der DDR und der BRD ihnen durch die kommunistische Propaganda übermittelt wurde.