Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 1 Kapitel 8 Schweizerdeutsch & „Swissness“ 8.1 Einstieg ins Thema „Ordre du giorno : esparnissi dans les ausgabi fédérali. Un rednero ergreift la parole. Viele membri andiano dans le vorzimmero pour rauchare un cigarro; les autres lesano les zeitungen.” swiss.org Eine Ahnung, was hier gesagt wird? Laut swiss.org könnte dies ein Text aus dem schweizerischen Parlament sein. Ihn zu verstehen ist – mit etwas Gefühl für Fremdsprache – leichter als man beim ersten Blick denken würde. Bei Geschäftsbeziehungen oder bei nationalen Konferenzen und Sitzungen mit Leuten aus verschiedenen Sprachgebieten ist es in der Schweiz oft so, dass alle in ihrer Muttersprache sprechen. Wobei die meistgesprochene Muttersprache das Schweizerdeutsch ist, sprachwissenschaftlich gesehen ein deutscher Dialekt. In diesem Kapitel steht das Phänomen Schweizerdeutsch zentral. Sie werden einige wichtige Merkmale davon kennen lernen und selber viel mit Ton-, Video- und sonstigen Internetquellen arbeiten. Wenn man in die Deutschschweiz kommt, stößt man garantiert auf Schweizerdeutsch. Sein Gebrauch zum Beispiel im Deutschschweizer Fernsehen und im Radio nimmt zu. Durch die Viersprachigkeit der Schweiz liegen Verständigungsprobleme immer auf der Lauer. Sie sind natürlich keine neue Erscheinung. Bereits 1850 schlug die Satirezeitschrift Postheiri (Heinrich von der Post) eine kombinierte „spracha eidgenössica“ oder „Schweizerisch“ vor, eine Kombination aus den drei offiziellen Sprachen Deutsch, Französisch und Italienisch. Das Zitat oben wäre dafür ein schönes Beispiel. Mit der Sprache verbunden, aber zugleich ein Thema für sich, ist ein zweiter Bereich, der in diesem Kapitel behandelt wird und der auch bereits im vierten Kapitel eine Rolle spielte: „Swissness“. Einstiegsaufgaben 1 Suchen Sie im Internet einige Programme des Schweizer Radiosenders DRS (DRS1 = allgemeines Programm/Volksmusik; DRS2 = spezielles Programm/klassische Musik; DRS3 = Programm für junge Leute/Rock, Pop, Jazz etc.). Ganz einfach kommen Sie dorthin mit dem Internetradioprogramm Phonostar (gratis downloadbar auf www.phonostar.de). Nach der Installation haben Sie eine reiche Auswahl von allen möglichen Sendern und Podcasts, darunter den DRS-Sendern. Sie können Interessantes auch problemlos aufnehmen, im mp3Format. Und für das iPhone gibt es sogar einen Phonostar-App. Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 2 Hören Sie in minimal zwei Programme rein, in denen Schweizerdeutsch gesprochen wird, zum Beispiel die Nachrichten, oder eine Talkshow. Notieren Sie, welche Themen darin besprochen werden. Und schreiben Sie pro Programm fünf Wörter auf, die Sie verstanden haben. 2. Nehmen Sie einen Programmteil auf und hören Sie dieses Material zusammen mit jemand aus Ihrer Gruppe an. Notieren Sie dabei Unterschiede zum Hochdeutschen, die Ihnen auffallen. Kombinieren Sie Ihre Listen und vergleichen/ergänzen Sie sie mit Hilfe anderer Arbeitspaare in Ihrer Gruppe. 3. Die deutsche Ausgabe der Financial Times hat ein Schweizerdeutsch-Quiz produziert: „Verstehen Sie Schweizerdeutsch?“ Sie finden es auf www.ftd.de/wissen/quiz/:audio-quizverstehen-sie-schweizerdeutsch/50207469.html. Sie finden das Quiz auch mithilfe der Suchbegriffe „Schweizerdeutsch“ und „Quiz“ . Wie ist Ihr Resultat beim Quiz? 8.2 Wortschatzaufgabe Was gehört zusammen? Füllen Sie die Tabelle aus. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 1 die Hochsprache 2 die Schriftsprache 3 Schweizerdeutsch 4 die Landessprache 5 die Standardsprache 6 die Sprachregion 7 beschönigend 8 eine hohe regionale Identität genießen 9 das Merkmal 10 die Willensnation 11 die Gesamtheit der Individuen 12 ein gemeineidgenössisches Symbol 13 eine quadratische Flagge 14 der Röstigraben 15 die Abstimmung A positiv dargestellt B die geschriebene Standardsprache C sich als richtig zusammengehörig fühlen D die Landesflagge E die Entscheidung im Parlament F eine Fahne, die genau viereckig ist G das in der Schweiz gesprochene Deutsch H das Gebiet, wo eine Sprache oder ein Dialekt gesprochen wird I ein Land, das die Bürger bewusst als Land haben wollen J die Sprachgrenze zwischen Schweizerdeutsch und den romanischen Sprachen in der Schweiz K das Kennzeichen L alle Menschen M die in einem Land/Gebiet am meisten verwendete Sprache N die Sprache, die in der Schule unterrichtet wird O die in einem Land vorgeschriebene Sprache Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 3 8.3 Thematischer Überblick Schweizerdeutsch Schweizerdeutsch – Einführung Die Schweiz kennt bekanntlich vier offizielle Landessprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Jede Sprachregion hat eigene Rundfunkprogramme und zahlreiche Zeitungen. Zwei Drittel der Schweizer Wohnbevölkerung sprechen einen schweizerdeutschen Dialekt. Das Rätoromanisch im Kanton Graubünden wird nur noch von wenigen Menschen gesprochen. Die meisten Schweizer sprechen mehr als eine Sprache, sei dies eine zweite Landessprache oder in jüngster Zeit zunehmend Englisch. Die Kultur der verschiedenen Landesteile wird von den angrenzenden, gleichsprachigen Ländern wesentlich mitgeprägt. Auch die unterschiedliche Topografie prägt die Kultur mit. Das Leben in einem abgelegenen Gebirgstal verläuft anders als in der Großstadt Zürich. Die Dialekte, die in der Deutschschweiz gesprochen werden, unterscheiden sich zum Teil erheblich von der deutschen Standardsprache, dem so genannten Hochdeutsch. Die deutschsprachigen Schweizer sprechen Schweizerdeutsch, das nicht als Standardsprache existiert, sondern durch verschiedene Dialekte repräsentiert wird: So gibt es neben dem Berndeutschen, Baseldeutschen, Zürichdeutschen und Walliserdeutschen noch viele weitere kantonale und sogar regionale Dialekte. Im Allgemeinen verstehen die Deutschschweizer die Dialekte aus anderen Regionen. Natürlich hat jeder Dialekt auch seine spezifischen Ausdrücke, die „unkundige“ Landsleute kaum verstehen, für die allgemeine Verständigung unter den Deutschschweizer führt dies jedoch kaum zu Problemen. Am schwersten verständlich sind Dialekte aus Bergregionen wie zum Beispiel den Walliser Tälern. Mit etwas gutem Willen seitens der Sprechenden und Zuhörenden und etwas Übung im Umgang mit verschiedenen Dialekten ist jedoch auch das Walliserdeutsch zu verstehen. Bei der Volkszählung von 1999 betrug der Anteil der deutschsprachigen Schweizer 63,6% der Gesamtbevölkerung. Von diesen gaben 93,3% an, im Alltag Dialekt zu sprechen. 66,4% davon gaben sogar an, nur Dialekt und kein Hochdeutsch zu sprechen. Die Verständlichkeit hat keinen Einfluss auf die Beliebtheit der Dialekte: So wurde gemäß einer Umfrage aus dem Jahr 2002 der Walliserdialekt von 20% der Befragten als beliebtester Dialekt angegeben. Noch beliebter war Berndeutsch (27%), während der Zürcher Dialekt nur von 10% der Befragten als Lieblingsdialekt genannt wurde. Die Schriftsprache in der deutschen Schweiz ist Hochdeutsch - eigentlich die erste Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 4 Fremdsprache, welche die Kinder in der Schule lernen. Zeitungen, Zeitschriften und die meisten Bücher sind in Hochdeutsch geschrieben; es gibt relativ wenig Schweizer Literatur, die in einem der Schweizer Dialekte geschrieben ist. Es gibt keine eigenständige deutschschweizerische Schriftsprache - vermutlich ist dies auch eine Folge der verschiedenen Dialekte. Wer „nur“ Hochdeutsch versteht und versucht, auch Schweizerdeutsch zu verstehen, wird am Anfang Mühe haben: Nicht nur die Aussprache ist anders, auch in der Grammatik und im Wortschatz gibt es Unterschiede zum Hochdeutschen. Es gibt jedoch auch regionale Färbungen im schweizerischen Hochdeutsch. Eine unmissverständliche Kommunikation mit Deutschsprachigen aus anderen Ländern ist also auch dann nicht zu 100 Prozent garantiert, wenn die Schweizer Hochdeutsch sprechen. „Ich rede Berndeutsch und ich schreibe Deutsch. (...) Ich muss immer wieder die Sprache, die ich rede, verlassen, um eine Sprache zu finden, die ich nicht reden kann, denn wenn ich Deutsch rede, rede ich es mit einem berndeutschen Akzent. (...) Es gibt Kritiker, die mir vorwerfen, man spüre in meinem Deutsch das Berndeutsche. Ich hoffe, dass man es spürt. Ich schreibe ein Deutsch, das auf dem Boden des Berndeutschen gewachsen ist." Friedrich Dürrenmatt (1921–1990), einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker Schweizerdeutsch – Sprachpolitisches „Gester isch en mega komische tag gsi, will überall ischs zue gsi. Und zudem ischs wätter au no mega grusig gsi. ich han echt ned gwüsst was ich söll mache, hetti trotzdem sölle use gah oder ned. bin aber die ganz zit diheime blobe.“ Haben Sie das verstanden? Sie sehen – Schweizerdeutsch ist ganz anders als Hochdeutsch! In Stupidedia (www.stupidedia.org), der satirischen Variation von Wikipedia, heißt es: „Schweizerdeutsch wurde erfunden um sich von den Ausländern zu unterscheiden, denn ein Nicht-Schweizer (beschönigend für: Ausländer) wird diese Sprache nie korrekt beherrschen können. Das besondere an dieser Sprache ist, dass sie für alle Nicht-Schweizer nicht gerne anzuhören ist. Man könnte meinen, dass der schweizerdeutsch sprechende Eidgenosse unter Kommunikationsschwierigkeiten, gar unter einer Behinderung leidet, da die Sprache unharmonisch klingt. Auch speziell ist, dass die Rechtschreibung im Schweizerdeutschen keine Grenzen kennt einem schweizerischen Eidgenossen zu Folge. Ein Ausländer jedoch kann die Rechtschreibung nicht erlernen. Das führt dazu, dass die Ausländer förmlich zur Separation gezwungen werden.“ Die Bürger der Schweiz achten sehr auf ihre Heimatsprache, und das Schweizerdeutsch (Schwyzerdütsch) sei auch gar nicht so schwer zu erlernen, laut http://fremdspracheerlernen.de/schweizerdeutsch-schwyzerdutsch-lernen. Außer den sprachlichen Vorteilen könne sich der Sprachlernende auch die Anerkennung und den Respekt der Schweizer verdienen. Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 5 Das Schweizerdeutsch setzte sich in den späten 60er Jahren richtig durch. Seit dieser Zeit genießt es eine hohe regionale Identität und Wertschätzung innerhalb der Schweiz. Durch die aufkommenden Massenmedien wie Radio oder Fernsehen verbreitete sich der Dialekt noch schneller. Welche Sprache spricht man in der Sauna? Schwitzerdeutsch. Schweizerdeutsch – Merkmale Die schweizerdeutschen Dialekte teilen sich in drei verschiedene Gebiete: o Niederalemannisch wird in der Stadt Basel und dem Umkreis gesprochen und zeichnet sich durch ein anlautendes „k“ statt dem bekannten „ch“ aus. So wird zum Beispiel „Keller“ statt „Cheller“ gesagt. o Der hochalemannische Dialekt wird in der kompletten Schweiz und in Liechtenstein gesprochen. o Der Dialekt Höchstalemannisch wird vor allem im Kanton Freiburg und im Berner Oberland gesprochen. Er zeichnet sich durch Formen wie zum Beispiel „schnyyä“ aus. Die meisten Anglizismen aus der deutschen Sprache finden auch beim Schweizerdeutsch Verwendung. So wird das englische Wort sorry zum Beispiel auf Schweizerdeutsch als „sori“ ausgesprochen. Im Gegensatz zu Deutschland unterscheidet sich das Schweizerdeutsch dadurch, dass es einen deutlichen Unterschied zwischen dem Geschriebenen und dem Gesprochenen gibt. Während das Schweizerdeutsch für den gesprochenen Dialekt verwendet wird, kommt beim Schrifttum das Schweizer Hochdeutsch zur Verwendung, das vom Normhochdeutschen kaum abweicht. Das einzige sichtbare Merkmal: das Zeichen ß gibt es im Schweizer Hochdeutsch nicht. Stattdessen wird ss geschrieben. Es gibt sowohl grammatische wie lexikalische Abweichungen vom Hochdeutschen. Dabei fällt besonders der Wortschatz auf. Auf www.uni-protokolle.de/Lexikon/Schweizerdeutsch.html findet man eine kompakte Übersicht: • Französische Lehnwörter (die kursiv gedruckten Vokale werden betont, anders als im Französischen also!): o Tr o ttoir – Gehsteig o P e rron – Bahnsteig o B i llet - Fahrkarte Eintrittskarte o Gl a ce (gesprochen glaßee) - Eiscreme o äxg ü si oder exgüs ee (excusez) - Entschuldigung! o m e rci - danke o D e pot - Pfand bei Mehrwegflaschen • Wörter die zu Missverständnissen führen können: o da - hier Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 6 o nüm(m)e - nicht mehr o Anke - Butter o Böl(l)e (Zentral- und Ostschweiz) - Zwiebel o Grind (Bern) - Kopf o Spöitz - Speichel; Kleingeld o lauffe - gehen o springe - laufen o gumpe - springen o hocke (hocken) (v.a. Westschweiz) - sitzen o poschte - einkaufen o cheere – drehen, wenden o lisme - stricken o bügle – arbeiten, (in einigen Gegenden aber) bügeln o büeze – nähen, (salopp auch) arbeiten o chrampfe - hart arbeiten o Chrampf - harte Arbeit o wüsche (wischen) - fegen o fäge (fegen) de Bode ufnäh (den Boden aufnehmen) - wischen o es fägt (es fegt) - etwas macht Spaß o schmöcke (schmecken) - riechen o luege - schauen; ansehen (aber: gsee - sehen) o lose - horchen (aber: ghööre) o schtoosse - stoßen; schieben o schürge - schieben o schiesse (westl. Schweiz) bzw. schüüsse - schießen o rüehre (rühren) - werfen o i(ch) mag mi(ch) nüme erinnere/psinne (ich mag mich nicht mehr erinnern) ich kann mich nicht mehr erinnern o Pepperoni - Gemüsepaprika o Pepperoncini - kleine Paprikaschoten o Chessu (Bern) bzw. Chessel/Chübel - Eimer o Pfanne - Kochtopf (eine Bratpfanne ist eine Bratpfanne) o Estrich - Dachboden o Winde - Dachboden o Chaschte (Kasten), Schaft - Schrank o In Uusgang gaa - ausgehen (hat nichts mit dem Flur zu tun) o tuusche - tauschen (nicht duschen!) (z.B. , wotsch mit mer tuusche?': möchtest du mit mir tauschen?) o Kchollég – Freund, Kumpel Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 7 Sprache und Kultur Die Sprachgrenzen entsprechen nicht den Konfessionsgrenzen. Auch zeigen sich oft weniger Unterschiede zwischen Sprachregionen als zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Bei Abstimmungen kommt es jedoch vor, dass die Meinungsgrenzen entlang des „Röstigrabens“ verlaufen. Vor allem bei Fragen der politischen Öffnung (zum Beispiel bei der Annäherung an die Europäische Union) sind die Deutschschweizer im Durchschnitt etwas zurückhaltender als zum Beispiel die Romands. „Unter den Schweizern gibt es Urner, Walliser, Berner, Zürcher, Basler, Romanen, Tessiner, Welsche, Bauern, Bergbauern, Arbeiter, Großindustrielle, Gesunde, Kranke, Kriminelle usw. Vieles wird jeden Einzelnen mehr prägen als die gemeinsame Politik. Europäer haben im Ganzen bestimmt so viel Gemeinsames wie die Schweizer im Ganzen. Wenn ich Schweiz meine, denke ich vorerst an den deutschsprachigen Jurasüdfuss, Kanton Solothurn. Teile des Kantons Bern, Teile des Kantons Aargau liegen in der Nähe und sind mir nicht fremd. Wenn ich nach Basel, Zürich, Luzern komme, verstehe ich die Leute noch gut und stelle viel Gemeinsames auch außerhalb der Sprache fest, bezahle noch mit demselben Geld, bin noch nicht im Ausland, aber doch schon auswärts. Im Welschen und im Tessin bin ich bereits weiter weg; Italienisch kann ich nicht, Französisch macht mir Mühe; aber immer noch dasselbe Geld, ähnliche Preise, ähnliche Vorschriften, dieselbe Uniform der Soldaten. Ich freue mich darüber, dass sie mit dabei sind, die Tessiner, die Welschen, die Romanen.“ Peter Bichsel, Des Schweizers Schweiz „Swissness“ Was ist an der Schweiz bemerkenswert? In der Schweiz gibt es zwar vier offizielle Landessprachen, doch außer dem Rätoromanischen ist keine dieser Sprachen eigentlich „schweizerisch“. In der Westschweiz spricht man Französisch und hat deshalb häufig einen engeren Kontakt zur Kultur und Literatur aus Frankreich als derjenigen der anderen Schweizer Landesteile. Auch das Verhalten unterscheidet sich je nach Region. Laut swissworld.org wirken Menschen aus der Romandie und dem Tessin tendenziell etwas spontaner und lebenslustiger als Deutschschweizer. In den verschiedenen Sprachregionen gibt es auch unterschiedliche Traditionen und Ernährungsgewohnheiten. Die gemeinsame Geschichte der Sprachregionen ist erst rund 200 Jahre alt. Vor der Besetzung Napoleons 1798 gab es in der Schweiz herrschende und Untertanen-Gebiete. So waren die Bewohner des heutigen Kantons Waadt beispielsweise Bern untertan und hatten nicht die gleichen Rechte wie die Berner. Manchmal haben die Schweizer selber Mühe zu beschreiben, was sie - außer dem Pass - mit ihren Landsleuten aus den anderen Sprachregionen verbindet. In diesem Zusammenhang wird Fastnachtsumzug: ein Wagen mit einem Berg aus Käse, Taschenmesser und Uhren Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 8 oft von der so genannten Willensnation gesprochen: Man bildet freiwillig eine Einheit, ohne einheitlich zu sein. Die Schweizer Fahne – „Swissness“-Symbol par excellence Bis ins 19. Jahrhundert kannten die Eidgenossen keine gemeinsame Fahne. Auf ihren Feldzügen trugen die Soldaten die Banner ihrer Kantone mit. Seit der Schlacht bei Laupen 1339 befestigten sie als gemeinsames Erkennungszeichen weiße Kreuze auf Kleidern und Rüstungen. Die erste Vorgängerin der heutigen Schweizer Flagge – rote Flagge oder rote Flagge mit weißem Kreuz – war das Erkennungszeichen von Spezialtruppen, die sich aus Mitgliedern verschiedener Kantone zusammensetzten. Während der Helvetik (1798-1803) verbot Napoleon den Eidgenossen das Tragen des Kreuzes und zwang ihnen eine Trikolore in den Farben grün, rot und gelb auf. Nach 1803 wurde die Trikolore wieder abgeschafft und durch die alten Erkennungszeichen – weißes Kreuz auf Kantonsbanner – ersetzt. 1815 wurden die ersten eidgenössischen Bataillonsfahnen mit Schweizer Kreuz geschaffen. Wegen der föderalistischen Stimmung zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte dieses gemeineidgenössische Symbol jedoch einen schweren Stand. Die Truppen zogen es weiterhin vor, in uneinheitlichen, kantonsspezifischen Uniformen aufzutreten. Als Zugeständnis an den gemeinsamen Staat trugen sie lediglich eine rote Armbinde mit weißem Kreuz. Durchsetzen konnte sich die Schweizer Fahne erst im so genannten Sonderbundskrieg 1847. Mit dem Sieg der zentralistisch eingestellten Kantone konnte sich die Schweizer Fahne als nationales Symbol schließlich durchsetzen. In Anlehnung an die Bataillonsfahnen war auch die Schweizer Nationalflagge quadratisch. Der ausgeprägte Schweizer Kantonsgeist ist manchmal auch heute noch anhand der Fahnenwahl erkennbar. So haben zum Beispiel an den Fußball-Europameisterschaften im Jahre 2008 einige Schweizer Fans anstelle der offiziellen Schweizer Fahne ihre Kantonsfahne geschwenkt. Als die Schweiz im Jahre 2002 den Vereinten Nationen (UNO) beitrat, sah sich die Organisation mit einem etwas ungewöhnlichen Problem konfrontiert: Die Schweiz ist nämlich das einzige UNO-Mitglied mit quadratischer Flagge. Ein UNO-Reglement verlangt jedoch, dass die Flaggen, die vor dem Hauptsitz wehen, rechteckig sein müssen. Glücklicherweise lässt eine weitere Verordnung Ausnahmen zu: Wenn die Gesamtfläche einer Flagge die Fläche der übrigen Flaggen nicht übertrifft, darf sie gehisst werden. Die Schweiz war mit dieser Beschränkung einverstanden, die quadratische Schweizer Fahne darf nun auch vor dem UNO-Hauptsitz in New York ungehindert wehen. Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 9 Schweizer und Hierarchie In ihrem sehr lesenswerten Buch „Grüezi und Willkommen“ (siehe auch Kapitel 4) bietet Susan Sitzler ein „Länderporträt“ der Schweiz. Unter anderem geht sie dabei auch auf den Umgang der Schweizer mit ihren Chefs ein: „Am Arbeitsplatz mögen die Schweizer keine klaren Hierarchien, mit ihrem Sinn für Zwischentöne wissen sie sowieso, wer das Sagen hat. Die Hierarchien, wenigstens innerhalb von Abteilungen, sind häufig flach, und den einzelnen Mitarbeitern wird oft viel Selbstverantwortung zugestanden. Von außen betrachtet fassen Schweizer Chefs ihre Untergebenen sehr zart an. […] Im Büro wird sich kaum ein Vorgesetzter die Blöße geben, anders als in zurückhaltenden Bitten seine Anweisungen beiläufig ins Gespräch einzuflechten. Das ist keine Führungsschwäche, sondern Prinzip. Es kann passieren, dass ein Deutscher, der darauf nicht vorbereitet ist, an einem Schweizer Arbeitsplatz auf Akzeptanzprobleme stößt. Vor allem, wenn er als Chef angestellt worden ist. […] Vereinfacht kann man sagen, dass jedes Benehmen eines Chefs falsch ist, wenn es den Eindruck erweckt, er sei der Chef. Bestenfalls ist er derjenige, der Vorschläge macht. […] Weibliche Vorgesetzte, die es natürlich auch in der Schweiz gibt, vereinbaren Zurückhaltung und Autorität zum Beispiel, indem sie alle Anweisungen mit einem sehr bestimmten »Merci!« abpuffern. »Könntest du diesen Bericht heute Nachmittag einmal anschauen MERCI!«.“ Susann Sitzler, S73-74 Sitzler zitiert eine schöne Anekdote zu diesem Thema: „Tina Michelli ist leitende Redakteurin eines großen Schweizer Magazins. Für eine Stadtreportage trifft sie sich mit einem Autor in Hamburg. Mit dem Taxi möchte sie zu einem bestimmten Theater fahren. Der Autor weist sie darauf hin, dass das Haus nur zwei U-BahnStationen entfernt ist. Tina ist erschöpft und möchte nicht mehr auf die Bahn warten. Da sie weisungsbefugt ist, liegt es an ihr, die Art der Fahrt zu bestimmen. Sie tut das mit den Worten: »Wir können auch ein Taxi nehmen.« Als der Autor noch einmal die U-Bahn erwähnt, wiederholt sie ihren Vorschlag. Damit sagt sie für Schweizer Verhältnisse ganz deutlich, dass sie entschieden hat, mit dem Taxi zu fahren. Der Autor, Deutscher, versteht solche Weisungen nicht. Daraus entsteht später ein Konflikt, weil Tina den Eindruck bekommt, dass der Autor sie nicht respektiert.“ Vorurteile und Missverständnisse Die Schweiz ist teuer? Die Schweizer neutral? Von wegen! Über die Schweiz gibt es viele Vorurteile. Der Schweizer Kabarettist Emil Steinberger (geboren am 6. Januar 1933 in Luzern) äußert sich gerne über Vorurteile seinem Land gegenüber. Auf www.zehn.de/die-10unwahrsten-vorurteile-ueber-die-schweizer-99693-0 reagiert er auf die zehn hartnäckigsten Vorurteile über die Schweiz(er) und charmante Eigenarten der Eidgenossen. Die 10 unwahrsten Vorurteile über die Schweiz(er) im Überblick: „1. Die Schweizer sind immer neutral. 2. Die Schweizer sind langsam. 3. Die Schweizer sind stolz auf die Produkte ihres Landes. 4. Die Schweizer sind reich. Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 10 5. In der Schweiz heißen alle Heidi und Emil. 6. Die Schweizer essen ständig Käse. 7. In der Schweiz liebt man Kompromiss und Konsens. 8. Die Schweizer stimmen immer über alles ab. 9. Die Schweizer können nur Tennis. 10. Die Schweiz ist teuer.” In „Gruezi und Willkommen“ beschreibt Susann Sitzler viele ungewollte Missverständnisse zwischen Schweizern und Ausländern, besonders Deutschen. An folgendem RestaurantBeispiel macht sie klar, was so alles schiefgehen kann (Text gekürzt): Jens Schmidt aus Dortmund ist seit drei Tagen in der Schweiz. Heute führt er seine Frau Ulli zum Essen aus. »Grüziwohl«, sagt er, als sie die Terrasse des Restaurants betreten. Denn Jens ist nicht das, was manche Leute als »hasslichen Deutschen« bezeichnen. Jens ist einer, der weiß, dass man sich den Sitten der Einheimischen anpasst. Als die Kellnerin fragt, ob sie einen Aperitif bringen darf, […] bestellt Ulli »einen Sekt«. »Ein Pils«, sagt Jens. […] Er hat nicht bemerkt, dass die Augenbrauen der Kellnerin bei der Bestellung um einen halben Millimeter nach oben gerutscht sind, während sie lächelte: »Gärn« (gerne). Als sie kurz darauf mit den Getränken kommt, ist ihr Gesicht wieder unbestimmt freundlich. […] »Ich bekomme das Cordon bleu«, sagt Jens. »[…] Mit Pommes statt Reis bitte.« Auch jetzt entgeht beiden das eisige Blitzen ganz hinten in den Augen der Kellnerin. Sie lächelt: »Gärn.« Darf es noch etwas zu trinken sein? Ja, einen Rotwein hätte Ulli gern. »Es Dreierli?«, fragt die Kellnerin. Ulli versteht nichts, mutig sagt sie »Null zwei bitte.« Jens bleibt beim Pils. Das Essen ist dann hervorragend, aber nach Brot müssen sie fragen. […]. Als er später »Zahlen!« ruft, kommt die Kellnerin sehr schnell mit der Rechnung. Natürlich muss Jens schlucken, als er den Betrag sieht […]. Aber er lässt sich nichts anmerken, schließlich ist Urlaub. Und damit Ulli sieht, dass ihn die paar Frankli nicht schocken können, rundet er die Rechnung sogar auf den übernächsten Franken auf. Dann sagen beide »Tschüss« und gehen hinaus in die laue Sommernacht. Das überdeutliche »Uff Widerluege« (Auf Wiedersehen) der Kellnerin nehmen sie nicht mehr wahr. Ein schöner Abend in der Schweiz. Jens und Ulli haben alles falsch gemacht, was Deutsche in der Schweiz falsch machen können. Aber sie haben es nicht bemerkt. Zunächst einmal sollte niemand, der kein Schweizerdeutsch spricht, den einheimischen Gruß benutzen. Er klingt in Schweizer Ohren immer wie ein Nachaffen. […] Deutsche sagen am besten »Guten Tag«, wenn sie irgendwo hinkommen, wo man eine Begrüßung erwartet. Das ist in der Schweiz - zumindest in den ländlicheren Regionen - in sämtlichen öffentlichen Räumen der Fall: Auf der Post, in Restaurants, in Geschäften. Auf dem Land auch wenn man in einen Autobus steigt. In der Regel wird der Gruß mit einem ungerührten »Grüezi wohl« oder »Grüess ech« (»Grüße Euch«) erwidert werden. Zurück zu Jens und Ulli. Wer in der Schweiz ein Pils trinken möchte, bestellt »eine Stange«. Dass Jens das nicht wusste, ist nicht der Grund, warum die Serviertochter ihn sofort als »Sauschwoob« einordnete. Problematisch war, dass Jens selbstverständlich voraussetzte, die Kellnerin wisse, was ein Pils ist. Er ist davon ausgegangen, diese Bezeichnung, obwohl nur in Deutschland gebräuchlich, werde automatisch vom Rest der Welt verstanden. […] Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 11 Eine Stange bezeichnet in der Schweiz 0,3 Liter eines offen gezapften, hellen Biers in einem hohen Glas. […] Offenes Bier wird in der Schweiz sofort nach dem Zapfen serviert. […] Dass ein gutes Pils sieben Minuten braucht, würde jeder Schweizer stark bezweifeln. […] Besucher aus Deutschland sollten sich daran gewöhnen oder Wein trinken. […] Die Bezeichnung »Null« plus Anzahl der Deziliter bei einer Getränkebestellung ist in der Schweiz vollständig unbekannt. Offenen Wein gibt es als »Einerli« (0,1), »Zweierli« (0,2), »Dreierli« (0,3) oder »Halbeli« (0,5). Hier tritt der Dialektgrundsatz für Deutsche übrigens außer Kraft. Sie müssen halt irgendwie versuchen es auszusprechen. Weinschorlen gelten als barbarisch […]. Entweder man trinkt »e Cüpli« - ein Glas Champagner - oder, in den Stadten, eventuell Prosecco oder Crémant. Bei den alkoholfreien Getränken ist neben den üblichen amerikanischen Softdrinks das einheimische »Rivella« sehr beliebt […]. Wer in einem Restaurant Essen ordert, sollte die Formulierung »Ich bekomme ...« unbedingt vermeiden. Sonst denkt sich der Kellner: »Bisch sicher, du Sauschwoob?« (»Bist du dir da so sicher, du Sauschwabe?«) Eine solche Bestellung klingt für die Eidgenossen sehr unflätig. Etwa so, als ob man zu einem Kellner in Dortmund oder Chemnitz sagen würde: »Bring mir Pommes, aber ein bisschen zackzack!« Mit »Ich hätte gerne« fährt man besser. Was übrigens Pommes betrifft: In der Schweiz heißen sie »Pomm-fritt«. […] […] Ohne »Bitte«, »Danke« und »Entschuldigung« geht in der Schweiz sehr wenig. Wenn man zahlen möchte, versucht man den Blick der Bedienung aufzufangen. Diese wird dann umgehend zum Tisch kommen und nach weiteren Wünschen fragen. Beim Abtragen der Teller wird oft die Frage »Isch es racht gsi?« gestellt (»Hat es geschmeckt?«). Wenn man es halbwegs mit seinem Gewissen vereinbaren kann, sollte man sagen »Sehr gut, Dankeschön«. Dieser Verhaltenscode gilt überall in der Öffentlichkeit. Susan Sitzler S 24-27 Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 12 8.4 Aufgabenkatalog A Kontrollfragen 1 Das Schweizerdeutsch kennt vier Hauptdialekte. Welche sind das? Schlagen Sie nach, wo diese vier Hauptdialekte ungefähr gesprochen werden, und tragen Sie das Resultat auf folgender Karte ein. 2 Ist Schweizerdeutsch auch die Standardsprache in Zeitungen und Büchern? Erörtern Sie Ihre Antwort. 3 In welcher Sprache wird in der Deutschschweiz unterrichtet? 4 Woran sieht man, dass folgende Nachricht aus einer schweizerischen Zeitung stammt? (Es geht dabei nicht um den Inhalt!) Allgemeine Lage: Eine Hochdruckbrücke reicht von den Azoren über den Alpenraum bis nach Osteuropa - sie bestimmt bis Sonntagabend im Wesentlichen das Wetter in unserem Land. Im Laufe des Sonntags steuert ein Tief über der Nordsee allmählich etwas feuchtere Luft in grosser Höhe zu uns. Die zum Tief gehörende Störung erreicht uns dann am Montag. Nachts bleibt es sehr heiss. Ausserdem sind heftige Regenfälle zu erwarten. 5 Übersetzen Sie diesen Text: Gester isch en mega komische tag gsi, will überall ischs zue gsi. Und zudem ischs wätter au no mega grusig gsi. ich han echt ned gwüsst was ich söll mache, hetti trotzdem sölle use gah oder ned. bin aber die ganz zit diheime blobe. 6 Sehen Sie sich noch mal die französischen Lehnwörter an. Welchen Unterschied gibt es zu dem französischen Original? Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 13 7 Was vermuten Sie: Stehen die Einwohner des Kantons Waadt den Einwohnern der Stadt Bern positiv gegenüber oder nicht? Warum? 8 Die Schweizer Fahne hat eine lange Tradition. Notieren Sie Kerndaten zu folgenden Jahreszahlen: 1339 1798 1803 1815 1847 2002 2008 9 Schreiben Sie die 10 Gebote für schweizerische Chefs, wie sie mit ihrem Personal umgehen sollten. 10 Mit welchen zwei holländischen Städten kann man Basel und Zürich am besten vergleichen, was das gegenseitige Verhältnis betrifft? 11 Welche Fehler hat Jens Schmidt aus Dortmund im Restaurant gemacht? Machen Sie eine Liste. Schreiben Sie mindestens drei Fehler auf. 12 Gibt es Parallelen zwischen Holland und der Schweiz was das Restaurantwesen betrifft? Wenn ja – welche? Wenn nein – wieso nicht? Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 14 B Aufgaben 1 Verwenden Sie das „kleine Spracharsenal“ auf http://www.hallo- schweiz.ch/CH_17_Sprache2.htm. Dort finden Sie eine alphabetische Wörterliste, in der schweizerdeutsche Begriffe Revue passieren. Legen Sie Ihr eigenes Miniwörterbuch Schweizerdeutsch-Niederländisch an. Nehmen Sie mindestens 15 Begriffe auf, die Ihnen sinnvoll und/oder lustig erscheinen. 2 Lesen Sie den Text: Possessivpronomina Mein Land ist nicht dein Land Deine Sprache ist nicht meine Sprache Seine Kultur ist nicht unsere Kultur Unsere Wirtschaft ist nicht ihre Wirtschaft Eure Banken sind nicht meine Banken Ihre Politik ist nicht unsere Politik Eure Grenzen sind auch unsere Grenzen Unsere Ausländer sind auch eure Ausländer Ihre Kinder sind auch unsere Kinder Dein Frieden ist auch mein Frieden „Los Emol“, Langenscheidt 1985, S. 67 Überlegen Sie: Kann das ein Schweizer geschrieben haben? Warum (nicht)? Und ein Holländer? Ein Deutscher? Ein Pole? Ein Palästinenser? Ein Amerikaner? Begründen Sie jeweils Ihre Meinung, indem Sie den Text folgendermaßen ergänzen: Mein Land ist nicht dein Land, sagt der ……………………, denn …………………………………………………………….. Deine Sprache ist nicht meine Sprache, denn …………………………………………………………….. usw. Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 15 3 Hier stehen zehn schweizerdeutsche Ausrufe. Was bedeuten sie? Notieren Sie. Die Mehrzahl der Ausrufe hat die gleiche Bedeutung. Welche? Suchen Sie im Internet (Suchbegriffe: „Ausrufe“ und „Schweizerdeutsch“) fünf weitere schweizerdeutsche Ausrufe. Notieren Sie sie mit ihrer hochdeutschen und niederländischen Entsprechung. Schpinsch? Bisch uff e Chopf gheit? Hesch e Ecke ab? Das git’s doch nid!! Nundedie!! Goht’s no? Bisch nid ganz bache? Heb d’ Schnurre! Dummi Chue! Hör emol uff! Bisch verruggt? Mach dr Latz zue!! Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 16 4 Hören Sie die Nachrichten auf DRS1 um 12.30 Uhr oder um 18.45 Uhr. Nehmen Sie sie auf (zum Beispiel mit Phonostar). Setzen Sie die Nachrichten um in kurze Zeitungsnachrichten, suchen Sie passendes Bildmaterial und produzieren Sie eine möglichst attraktive Version Ihrer persönlichen Swissnews. Sehen Sie nach, ob Sie im Internet auch Schweizer Fernsehsender finden können. Wenn ja, dann können Sie diese gegebenenfalls auch als Quelle verwenden. 5 Lesen Sie in der an Ihrem Institut vorhandenen Broschüre „Schweiz in Sicht“ das, was Schweizer Jugendliche über ihr Land, Klischees und Realitäten sagen (S. 28-29). Kleingruppenaufgabe: Setzen Sie die Aussagen der elf Jugendlichen in ein Radio-Interview um. Verkürzen Sie die Aussagen dabei um mindestens 50%. Nehmen Sie das Ergebnis auf. 6 Lesen Sie die Information über Schweizerdeutsch auf Wikipedia. Notieren (oder markieren) Sie, was Sie noch nicht wussten. 7 Auf der Website http://www.dialekt.ch/ (Universität Basel) können Sie das Schweizerdeutsch hören, wie es in verschiedenen Städten und Regionen gesprochen wird. Klicken Sie auf „Karte“, wählen Sie eine Region/Stadt, klicken Sie wieder und es erscheint eine Liste von vorhandenen kurzen Aufnahmen. Hören Sie aus mindestens drei Regionen eine Aufnahme an. Notieren Sie, welche Aufnahme aus welcher Region/Stadt Sie gehört haben. Schreiben Sie bei jeder Aufnahme auf: - welcher Dialekt am besten zu verstehen war; - wie viel Sie verstanden haben (alles / viel / nur die Häfte / wenig /nichts); - mindestens fünf Wörter, die Sie verstanden haben; - was der „rote Faden“ in der Aufnahme war; - wie der betreffende Dialekt Ihnen im Ohr klingt: 0 – scheußlich 1 – nicht sehr angenehm 2 – neutral 3 – es geht so 4 – angenehm 5 - wunderbar 8 Es liegt auf der Hand: Witze zum Thema Schweiz gibt es reihenweise. Im Internet findet man sie auf allen nur denkbaren Websites. Auf www.superfunpage.ch steht zum Beispiel dieser: Ein Schweizer sitzt gerade beim Frühstück, mit Kaffee, Croissants, Butter und Marmelade, als sich ein Kaugummi kauender Deutscher neben ihn setzt. Ohne aufgefordert zu werden, beginnt dieser: „Esst ihr Schweizer eigentlich das ganze Brot?" Der Schweizer lässt sich nur widerwillig von seinem Frühstück ablenken und erwidert: „Ja, natürlich. " Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 17 Der Deutsche macht eine Riesenblase mit seinem Kaugummi und meint: „Wir nicht. Bei uns in Deutschland essen wir nur das Innere des Brotes. Die Brotrinden werden in Containern gesammelt, aufbereitet, in Croissants geformt und in der Schweiz verkauft." Der Schweizer hört nur schweigend zu. Der Deutsche lächelt verschmitzt und fragt nochmals: „Esst ihr auch Marmelade zum Brot?" Der Schweizer antwortet leicht genervt: „Ja, natürlich." Während der Deutsche seinen Kaugummi zwischen den Zähnen zerkaut, meint er: „Wir nicht. Bei uns in Deutschland essen wir nur frisches Obst zum Frühstück. Die Schalen, Samen und Überreste werden in Containern gesammelt, aufbereitet, zu Marmelade verarbeitet und in die Schweiz exportiert." Nun ist es an dem Schweizer, eine Frage zu stellen: „Habt ihr Sex in Deutschland? Der Deutsche lacht und meint: „Ja, natürlich haben wir Sex." Der Schweizer lehnt sich über den Tisch und fragt: „Und was macht ihr mit den Kondomen, wenn Ihr sie gebraucht habt?" „Die werfen wir weg", meint der Deutsche. Nun fängt der Schweizer an zu lächeln: „Wir nicht. In der Schweiz werden alle gebrauchten Kondome in Containern gesammelt, aufbereitet, geschmolzen, zu Kaugummi verarbeitet und in Deutschland verkauft." Obiger Witz ist ein schweizerischer Gegenschlag gegen die vielen Schweiz-Witze, die im Ausland – besonders in Deutschland – erzählt werden. Ein Beispiel (www.witze365.de): Ein Berner kommt ins Krankenhaus weil er sich ein Bein gebrochen hat. Der Arzt fragt ihn, wie das geschah. "Ich bin auf einer Schnecke ausgerutscht." "Auf einer Schnecke, das ist aber ungewöhnlich! Haben Sie die denn nicht gesehen?" "Nein, das ging nicht." "Wieso nicht?" "Sie kam so schnell von hinten." A Beurteilen Sie die beiden Witze mit einer deutschen Schulnote. Kennen Sie ähnliche Witze? Um welche Nationalitäten geht es dabei? B Suchen Sie im Internet mindestens zehn Witze, die mit der Schweiz bzw. den Schweizern zu tun haben. Vergleichen Sie Ihre Funde untereinander. Wählen Sie die besten aus. Witze werden gerne in der Kneipe erzählt. Organisieren Sie deshalb ein kleines Theaterstück in einer Kneipe, wobei die gefundenen Witze erzählt oder auch richtig gespielt werden. Nehmen Sie das Theaterstück auf Video auf. Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 18 9 Auf DRS3 (als Internetradio zu hören mit z.B. Phonostar) wird viel über die Schweizer Popszene gesendet, in der Regel auf Schweizerdeutsch. Hören Sie mal in einige Programme von DRS3 rein. Schreiben Sie anschließend eine Rezension für ein Programm, das Sie gut finden. Schicken Sie diese per Mail an die Arbeitsgruppe Deutsch macht Spaß (deutschmachtsp@gmail.com). Diese wird Ihre Tipps überprüfen und bei positivem Resultat auf ihre Website www.deutschmachtspass.de stellen. 10 Schreiben Sie einen Aufsatz von mindestens 200 Wörtern. Beantworten Sie die folgenden Fragen: Kann man die Volksart der Schweizerdeutschen mit den Niederländern vergleichen? Spielt das sogenannte Calimero-Syndrom (kleine Länder leiden unter der Dominanz eines größeren Nachbarlandes) eine Rolle im Verhältnis der Schweiz beziehungsweise der Niederlande zu ihren Nachbarländern? Begründen Sie Ihre Antworten. Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 19 8.5 Lösungsschlüssel Wortschatzaufgabe 1N, 2B, 3G, 4M, 5O, 6H, 7A, 8C, 9K, 10I, 11L, 12D, 13F, 14J, 15E Kontrollfragen 1 4 Hauptdialekte: Bern-, Basel-, Zürich-, Walliserdeutsch 2 Nein, das ist Hochdeutsch (schweizerischer Prägung) 3 Hochdeutsch (schweizerischer Prägung) 4 In Zeile 4 steht „in grosser Höhe“/“heiss“/“ausserdem“ – in Österreich und Deutschland wären das „in großer Höhe“/heiß“/“außerdem“. 5 Gestern war ein sehr komischer Tag, weil überall alles zu war. Und zudem war das Wetter auch noch sehr schlecht. Ich habe wirklich nicht gewusst, was ich machen sollte. Ob ich trotzdem hätte hinaus gehen sollen oder nicht. Ich bin aber die ganze Zeit daheim/zu Hause geblieben. 6 Die Betonung (meistens der ersten Silbe) weicht vom ursprünglichen französischen Wort ab, auch wenn sich die Schreibweise nicht verändert hat. 7 Bestimmt nicht: Die Stadt Bern hatte ja lange das Sagen im Kanton Waadt. 8 1339: Schweizerische Soldaten trugen erstmals weiße Kreuze als Erkennungszeichen 1798: Napoleon verbot das Tragen von Flaggen mit dem weißen Kreuz 1803: Das weiße Kreuz war wieder erlaubt 1815: Die ersten Bataillonsfahnen mit weißem Kreuz 1847: Die Schweizer Fahne setzte sich durch und wird das nationale Symbol der Schweiz 2002: Die UNO akzeptierte die viereckige Schweizer Fahne 2008: Bei den Europameisterschaften Fußball zeigten einige Schweizer Fans die Fahne ihres Kantons 9 10 Chef-Gebote: 1 für flache Hierarchien sorgen 2 Mitarbeitern Verantwortung geben 3 nicht stur sein 4 freundlich bleiben 5 wenn man will, das jemand etwas tut, sollte man das vorsichtig sagen 6 der Chef sollte nicht als Boss erscheinen 7 immer höflich bleiben 8 nicht im Befehlston sprechen 9 sachlich bleiben 10 „Mérci!“ sagen, wenn man einen Auftrag gibt Die Umgangsformen am Arbeitsplatz in der Schweiz ähneln denen in den Niederlanden sehr. 10 Amsterdam und Rotterdam 11 Fehler: - „Grüziwohl“ sagen Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 20 - „Pils“ statt „Stange“ sagen und erwarten, dass das Zapfen sieben Minuten dauern muss - Falsche Maßangaben für ein Glas Wein verwenden - „Sekt“ bestellen - „Ich bekomme …“ sagen - „Pommes“ statt „Pomm-fritt“ bestellen 12 Hängt ein bisschen von der Region ab. Aber auch in Holland sollte man sich als Gast den örtlichen Gepflogenheiten anpassen und freundlich zur Bedienung sein. B Aufgaben 1 Offen 2 Eigene Wahl der Studierenden 3 Die meist vorkommende Bedeutungen: a) Bist du verrückt? (oder so ähnlich): Schpinsch? – Bisch uff e Chopf geheit? – Hesch e Ecke ab? – Das git’s doch nid!! - Bisch nid ganz bache? – Dummi Chue! – Bisch vberruggt? b) Halt’s Maul! (oder so ähnlich): Heb d’Schnurre! – Hör emol uff! – Mach dr Latz zue!! c) nom de dieu: Nundedie!! d) Geht’s ein bisschen?: Goht’s no? 4–9 Offen 10 Die Schweiz und die Niederlande sind bestimmt gut vergleichbar: Beide Länder sind klein und das umgebende Ausland groß und mächtig. Kapitel 8 Schweizerdeutsch und swissness 21 8.6 Quellen und weiterführende Links Bücher/Broschüren: - „Die Schweiz in ihrer Vielfalt“ und „Schweiz in Sicht“ sind zwei umfangreiche Infobroschüren von swissworld.org, die auch online (www.swissworld.org) verfügbar sind. Auch in diesem Kapitel wird regelmäßig daraus zitiert bzw. darauf zugegriffen, mit Dank an die Schweizer Botschaft in den Niederlanden, die uns die Zustimmung dafür vermittelt hat. - Sitzler, Susann: Grüezi und Willkommen, 2012: Ch.Links Verlag, Berlin Internetquellen: Schweizerdeutsch - www.ftd.de/wissen/quiz/:audio-quiz-verstehen-sie-schweizerdeutsch/50207469.html (Schweizerdeutsch-Quiz) - www.stupidedia.org (Eintrag über Schweizerdeutsch) - http://fremdsprache-erlernen.de/schweizerdeutsch-schwyzerdutsch-lernen - www.uni-protokolle.de/Lexikon/Schweizerdeutsch.html (kompakte Übersicht über Hintergründe und Merkmale) ‚Swissness‘ - www.zehn.de/die-10-unwahrsten-vorurteile-ueber-die-schweizer-99693-0 - www.superfunpage.ch - www.witze365.de - www.swissworld.org/de/kultur/Swissness/volkscharakter_und_lebensraum/ - www.swissworld.org/de/kultur/Swissness/bergler_und_igelmentalitaet/ Bilder - www.swissworld.org/de/schweiz/bilder Tools - www.phonostar.de