28 Zweites Kapitel: Zugang zum Recht Die juristische Fachsprache 29 IV. Die juristische Fachsprache Juristische Darlegungen, mögen es Gutachten, Urteile oder wissenschaftliche Abhandlungen sein, sind für Laien oft nur schwer verständlich. Das hat oft die gleichen Gründe wie bei anderen Fachsprachen, nämlich Mängel in der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit der Verfasser und die besondere Terminologie, die sich in jeder Fachsprache findet. Die deutsche juristische Sprache weist aber neben dieser allgemeinen Schwierigkeit noch andere Eigenschaften auf, die sie unverständlich machen. Zudem ist sie alles andere als geschlechtsneutral. 1. Die Unverständlichkeit der juristischen Fachsprache In § 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist bestimmt, daß die Gerichtssprache deutsch ist. Leider erschöpft sich die Bedeutung dieser Vorschrift darin, daß jeder Beteiligte seine Argumente in deutscher (und nicht z. B. in englischer oder französischer Sprache) vorbringen muß, wenn er damit Gehör finden will. Sie bedeutet nicht, daß der Durchschnittsbürger in der Lage wäre, die Sprache der Juristen zu verstehen. Die juristische Fachsprache zeichnet sich durch hohe Abstraktion, eigene Begriffe und einen umständlichen Stil mit langen Sätzen und vielen Substantiven aus. Deshalb ist eine für den Juristen sehr klare und treffende Aus-drucksweise für den Laien oft völlig unverständlich. Die Schwierigkeiten beginnen bereits bei dem speziellen juristischen Wortschatz. Viele Gesetze und andere Rechtssätze haben ihren Ursprung in der Rechtstradition und verwenden von daher heute noch Begriffe, die sonst aus der Sprache völlig verschwunden sind. So gibt es zum Beispiel im Sachenrecht die dinglichen Rechte „Nießbrauch" und „Reallast". Nicht nur der rechtliche Inhalt, sondern bereits die Bedeutung dieser beiden Wörter ist dem Normalbürger völlig unbekannt. F.in weiteres Charakteristikum der juristischen Sprache ist die Verwendung besonders vieler Substantive. So lautet § 253 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung: „Die Erhebung der Klage erfolgt durch die Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift)." Immerhin ist dieser Satz zumindest seinem sprachlichen Inhalt nach allgemein verständlich. Dies gilt jedoch nicht für alle Rechtssätze. So bestimmt $ 986 Abs. 1 S. 2 BGB: „Ist der mittelbare Besitzer dem Eigentümer gegenüber zur Überlassung des Besitzes an den Besitzer nicht befugt, so kann der Eigentümer von dem Besitzer die Herausgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer oder; wenn dieser den Besitz nicht wieder übernehmen kann oder will, an sich selbst verlangen." Es ist klar, daß Normalbürger und Studienanfänger mit dem Versuch überfordert sind, diesen Satz inhaltlich zu verstehen. Die Schwierigkeiten beruhen nicht - wie in anderen Rechtssprachen - darauf, daß die deutschen Juristen in großem Umfang Wörter aus Fremdsprachen, etwa aus dem Lateinischen, verwenden würden, wie dies etwa im englischen Recht der Fall ist. Alle Gesetzesbegriffe sind der deutschen Sprache entnommen, und auch die Rechtswissenschaftler verwenden nur wenige Fremdwörter. Allerdings beruhen die wichtigsten Zivilgesetze auf der Übernahme des römischen Rechts. Es handelt sich nicht um Kodifikationen eines Volksrechts, sondern um von den Juristen des 19. Jahrhunderts in deutsche Begriffe übertragene Rechtsregeln, die auf mehreren Jahrhunderten Rechtstradition in lateinischer Sprache beruhen. Das unterscheidet beispielsweise das deutsche BGB von den Zivilgesetzbüchern anderer Länder, etwa vom französischen code civil, und auch von früheren deutschen Zivilgesetzbüchern, etwa dem Preußischen Allgemeinen Landrecht, das 1794 in Kraft gesetzt wurde. Letzteres erscheint aus heutiger Sicht zwar unsystematisch, ist aber in seinem Inhalt oft verständlicher als das BGB. Der Grund für die Unverständlichkeit der deutschen Rechtssprache wird heute oft in dem Bestreben der Juristen gesehen, sich ihr „Monopol" zu erhalten, das Recht für die Normalbürger durchzusetzen, und die allgemeine Vorstellung am Leben zu erhalten, Rechtswissenschaft sei etwas besonders Schwieriges. Eine einfachere Rechtssprache könnte beiden Zielen zuwiderlaufen. Allerdings unterscheiden sich nicht nur die juristischen Begriffe, sondern auch die juristischen Argumentationstechniken erheblich von der Ausdrucksweise, die sonst im täglichen Leben oder in anderen Wissenschaften benutzt wird. Da stets nur das erörtert wird, was für die Beantwortung der gestellten Frage erheblich ist, geht jede juristische Darstellung von einem erheblichen Vorwissen aus. Juristische Schriftsteller erörtern regelmäßig die Probleme, die die Beantwortung der gestellten Frage nicht weiterbringen, nicht, weil sie davon ausgehen, daß die Leser - wie sie selbst - wissen, „worauf es ankommt". Anders ist es lediglich bei Darstellungen, die sich an Laien oder Anfänger in der juristischen Ausbildung wenden. Diese legen kein Vorwissen zugrunde und erörtern deshalb auch, warum es auf bestimmte Dinge in einem vorgegebenen Zusammenhang nicht ankommt. Die juristische Fachsprache wird in der nichtjuristischen Öffentlichkeit oft kritisiert und von den Juristen ihrerseits verteidigt. Beide Haltungen sind erklärlich. Die Juristen gehen davon aus, daß eine Fachsprache nicht für jedermann verständlich sein kann, sondern die Komplexität des Rechts und die Vielzahl der zu diskutierenden Fragen nur durch eine kurze, prägnante (aber oft schwer verstand- 30 Zweites Kapitel: Zugang zum Recht liehe) Sprache zu bewältigen sind. Die Öffentlichkeit hingegen sieht darin oft lediglich ein Mittel, das Recht ihrer Kontrolle zu entziehen. In der juristischen Fachsprache wird in großem Umfang mit Abkürzungen gearbeitet. Die meisten der gängigen Gesetze werden nicht mit ihrem vollständigen Titel, sondern in abgekürzter Form zitiert; dasselbe gilt für die Bezeichnungen der Gerichte und die Namen der juristischen Zeitschriften. Auch in der juristischen Wissenschaft seit langem eingeführte Standardwerke werden oft nur mit ihrem Begründer zitiert, auch wenn dieser seit langem verstorben ist und die Bearbeiter des Werks seitdem mehrfach gewechselt haben. Meist werden in selbständigen Veröffentlichungen diese Abkürzungen in einem Abkürzungsverzeichnis aufgelöst. Zur bequemen Benutzung von Zeitschriften ist es aber erforderlich, daß sich Jurastudierende die wichtigsten Abkürzungen einprägen. 2. „Die Rechtssprache ist männlich" Eine Erscheinung, die die deutsche Rechtssprache mit den Rechtsterminologien aller Sprachen teilt, die ein grammatisches Geschlecht kennen (also z. B. mit allen romanischen Sprachen, teilweise auch mit dem Englischen, nicht dagegen z. B. mit dem Türkischen), ist es, daß in Rechtsbegriffen stets nur die männliche Form verwendet wird, selbst dann, wenn nur eine weibliche Person gemeint sein kann, wie etwa in § 2 II des Hebammengesetzes: „Hat der Antragsteller eine Ausbildung als Hebamme abgeschlossen ..." oder in § 181a des Strafgesetzbuches, wo geregelt ist, wie ein Zuhälter bestraft wird, der die nach dieser Vorschrift strafbaren Handlungen „gegenüber seinem Ehegatten" vornimmt. Mag es sich hierbei mehr um Kuriositäten handeln, ist das eigentliche Problem schwerwiegender: Dadurch, daß in Gesetzen nur die männliche Form verwendet wird, wird der weiblichen Hälfte der Bevölkerung die Möglichkeit genommen, sich mit dem Gesetz und den in ihm enthaltenen Ansprüchen und Möglichkeiten zu identifizieren. Es handelt sich dabei um mehr als nur um terminologische Fragen. Dies beweist auch die Tatsache der Einfügung eines § 61 lb im Jahre 1980 in das BGB. Diese Vorschrift schreibt vor, daß Arbeitsstellen geschlechtsneutral auszuschreiben sind. Wer also eine Schreibkraft sucht, darf nicht die Stelle „einer Sekretärin" ausschreiben, sondern muß „einen Sekretär/eine Sekretärin" suchen; wer Elektriker sucht, muß die Stellen für „Elektriker/Elektrikerinnen" ausschreiben. Allerdings hat sich der Gesetzgeber bei der Abfassung des Paragraphen - wie üblich -nicht um geschlechtsneutrale Formulierung bemüht, sondern erlegt die Pflicht zur geschlechtsneutralen Ausschreibung „dem Arbeitgeber" auf, obwohl es doch auch erfolgreiche Unternehmerinnen gibt. Übungsteil - Rechtliche Aspekte 31 Hier Abhilfe zu schaffen, ist zugegebenermaßen schwierig, da eine durchgehende Verwendung der mannlichen und der weiblichen Form die Rechtssprache oft noch schwerfälliger und komplizierter machen würde, als sie es ohnehin schon ist. Beispielsweise wäre die oben in Abschnitt IV. 1. mitgeteilte Bestimmung des § 986 I 2 BGB, die ohnehin schon kompliziert ist, kaum noch lesbar, wenn „der Eigentümer" und die anderen männlichen Substantive jeweils durch „der Eigentümer oder die Eigentümerin" ersetzt würden. In manchem Zusammenhang könnte allerdings helfen, von „der Person" zu sprechen, also z. B. statt von „dem Minderjährigen" von „der minderjährigen Person" zu sprechen. Konsequent durchgeführt ist der Grundsatz der geschlechtsneutralen Ausdrucks-weise in der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein. Gerade hier zeigt sich aber die Schwerfälligkeit der praktischen Durchführung dieses Grundsatzes. So lautet ein Artikel im Abschnitt über die Landesregierung: „Endet das Amt der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten, so sind er oder sie und mit ihm oder ihr die Landesregierung ..." Übungsteil A. Rechtliche Aspekte CD Fragen zum Text 1. Warum ist die Rangordnung der Rechtssätze wichtig? Welches Gesetz steht an der Spitze der Rangordnung? 2. Was wird im deutschen Recht außer dem geschriebenen Recht oft zur Lösung eines Falles herangezogen? 3. Worin liegt bei der richterlichen Rechtsfortbildung der Unterschied zum Präjudizienrecht (z. B. in England)? 4. Wozu und aus welchen Gründen wird die Auslegung von gesetzlichen Bestimmungen benötigt? 5. Wie sieht es mit der Auslegung im Strafrecht aus? Warum? 6. Aus welchen Gründen ist die juristische Fachsprache für Nicht-Juristen schwer zu verstehen ? 7. Inwiefern ist die Rechtssprache männlich? Welche Probleme sind damit verbunden? 32 Zweites Kapitel: Zugang zum Recht Übungsteil - Rechtliche Aspekte □ Er ganzen Sie die folgenden beiden Skizzen 1. Skizze 1: Skizze 2: Normenpyramide ^ zitLTenSie'27«°^? ?ata^n des ^ »>zw. Artikel des GG und mit Tb" a l gedruckten Va^- ^nken Sie daran, genau, also ggf. Beispiel: § 194 [Gegenstand der Verjährung] (1) Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung a)§ 194 Abs. 1 BGB b) § 1941 BGB (2) Der Anspruch aus einem familienrechtlichen Verhältnis unterliegr der Verjährung nicht, soweit er auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustandes für die Zukunft gerichtet ist. 1. § 249. jArt und Umfang des Schadensersatzes] Wer /um Schadensersätze verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersätze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. 2. § 250. [Schadensersatz in Geld nach Fristsetzung] Der Gläubiger kann dem Ersatzpflichtigen zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er die Herstellung nach dem Ablaufe der Frist ablehne. Nach dem Ablaufe der Frist kann der Gläubiger den Ersatz in Geld verlangen, wenn nicht die Herstellung rechtzeitig erfolgt; der Anspruch auf die Herstellung ist ausgeschlossen. 3. §251. [Schadensersatz in Geld ohne Fristsetzung! (1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen. (2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen. 34 Zweites Kapitel: Zugang zum Recht 4. § 252. {Entgangener Gewinn] Der zu ersetzende Schaden umfaßt _ auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. 5. § 253. (Immaterieller Schaden] Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. 3 Unterstreichen Sie jetzt die zitierten Passagen in den angegebenen Paragraphen bzw. Artikeln. Der Plural von Paragraph heißt übrigens Paragraphen und wird § § abgekürzt, der Plural von Artikel heißt Artikel und wird „Am."(oder auch nur „Art.") abgekürzt. Beispiel: §459. Abs. 2S.1BGB S 462 1.Alt. BGB 5823 Abs. 1 BGB Übungsteil - Rechtliche Aspekte 35 Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein. 3. § 828 Abs. 2 S.2 BGB§ 828. [Minderjährige; Taubstumme] (1) Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. (2) Wer das siebente, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Das gleiche gilt von einem Taubstummen. 4. § 986 Abs. 1 S.l BGB§ 986. [Einwendungen des Besitzers] (1) Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Überlassung des Besitzes berechtigt ist. Ist der mittelbare Besitzer dem Eigentümer gegenüber zur Überlassung des Besitzer an den Besitzer nicht befugt, so kann der Eigentümer von dem Besitzer die Herausgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer oder, wenn dieser den Besitz nicht wieder übernehmen kann oder will, an sich selbst verlangen. (2) Der Besitzer einer Sache, die nach § 931 durch Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe veräußert worden ist, kann dem neuen Eigentümer die Einwendungen entgegensetzen, welche ihm gegen den abgetretenen Anspruch zustehen. 5. Art. 1 Abs. 3 GG Art.l [Schutz der Menschenwürde] (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. 1H Beurteilen Sie, in welchem Stil die folgenden Fälle dargestellt sind und begründen Sie Ihre Meinung. Fall 1: Die Schnecke im Salat (nach NJW 1986, 2647) Der Kläger könnte gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von 152 DM aus § 433 II BGB haben. Nach dieser Vorschrift ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zuzahlen. Zweifelhaft ist, um was für einen Vertrag es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt, durch den sieb der Kläger verpflichtet hatte, dem Beklagten in seinem Restaurant die bestellten Speisen und Getränke zu servieren. Dieser Vertrags- 36 Zweites Kapitel: Zugang zum Recht typ ist im BGB nicht näher geregelt, er enthält Elemente des Dienst-, Werk-sowie des Kaufvertrags. Schwerpunkt des Vertrags ist jedoch das Kaufvertragselement, nämlich das Bereitstellen von Speisen und Getränken gegen Entgelt, was rechtfertigt, den Zahlungsanspruch aus dem Kaufrecht herzuleiten. Voraussetzung für den Anspruch des Klägers ist, daß ein Kaufvertrag über Speisen und Getränke im Gesamtwert von 152 DM geschlossen wurde. Der Beklagte hat diese Speisen und Getränke bestellt, der Kläger hat sie auch angeliefert. Ein Kaufvertrag ist also geschlossen worden. Der Beklagte könnte aber berechtigt sein, die Zahlung zu verweigern, wenn er die Wandlung oder Minderung des Kaufvertrags gemäß § 462 BGB erklärt hätte. Dazu müßten die Speisen mangelhaft gewesen sein (§ 459 I BGB). In einem der gelieferten Salate befand sich eine Schnecke. Ein Salat, in dem sich eine Schnecke befindet, hat nicht die für in einem Restaurant servierte Salate verkehrsübliche Beschaffenheit. Er ist also mangelhaft... Fall 2: Der Wellensittich im Koma (nach NJW 1990, 2264) Der Betroffene wollte zwar nach seiner unwiderlegten Einlassung einen im Koma liegenden Wellensittich retten. Die Geschwindigkeitsüberschreitung war deshalb jedoch nicht wegen Notstands gem. § 16 OWiG gerechtfertigt. Diese Vorschrift setzt voraus, daß bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. In diese Erwägungen sind auch die Rangordnungen der betroffenen Rechtsgüter einzubeziehen. Steht z. B. - wie hier - die Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit die Gefahr für Leib und Leben von Menschen auf dem Spiel, so tritt demgegenüber die Rettung eines Tieres grundsätzlich zurück. Der Beweggrund, ein erkranktes Tier möglichst rasch behandeln zu lassen, rechtfertigt daher die Verletzung von Sicherheitsvorschriften im Straßenverkehr, zu denen auch Geschwindigkeitsbeschränkungen gehören, regelmäßig nicht. Ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 54 km/h war nicht wegen Rettung eines Wellensittichs gerechtfertigt... Hl Ordnen Sie folgende (in Deutschland sehr bekannte) Titel den fünf Kategorien „Kommentar, Lehrbuch, Monographie, juristische Zeitschrift, Entscheidungssammlung" zu! Schauen Sie die Titel nötigenfalls in der Bibliothek oder dem Literatur- oder Abkürzungsverzeichnis eines Lehrbuchs oder Kommentars nach. 1. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 2. Brox: Allgemeiner Teil des BGB Übungsteil - Rechtliche Aspekte 37 3. Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 4. Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch 5. Raiser: Dingliche Anwartschaften Q Gem. § 194 Abs. 1 BGB ist ein Anspruch „das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen". Der Anspruch ist üblicherweise als Recht (a) oder als Verpflichtung (b) formuliert. Beispiel: § 985 [Herausgabeanspruch} Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen. § 433 [Grundpflichren des Verkäufers und des Käufers] (1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Bitte entscheiden Sie, ob es sich bei den folgenden Paragraphen des BGB um eine Anspruchsgrundlage handelt oder nicht und begründen Sie Ihre Meinung. a) § 985 BGB b) §433Abs. ISA BGB Anspruchsgrundlage I 105 Abs. 1 I 435 Abs. 2 § 535 S. 1 i 823 Abs. 1 i 903 S. 1 § 1004 Abs. 1 S. 1 tH Finden Sie mit Hilfe eines Abkürzungsv, den für Jurastud.erende wtcht.gen Zettschriften heilen erzeichnisses heraus, wie die folgen- 1. JA 2- Jura 3. JuS OD Anschließend finden Sie das Märchen „Rotkäppchen", wie es ein Verwaltungsjurist möglicherweise formulieren würde. Allerdings ist die Reihenfolge durcheinander geraten. Kopieren Sie den Text, schneiden Sie die einzelnen Absätze aus und versuchen Sie, das Märchen in der richtigen Reihenfolge zusammenzusetzen. Rotkäppchen 1. Der sich auf einem Dienstgang befindliche Förster F. vernahm verdächtige Schnarchgeräusche und stellte deren Urheberschaft seitens des Wolfsmau-les fest. 38 Zweites Kapitel: Zugang zum Recht 2 Sie machte sich infolge Nichtbeachtung dieser Vorschrift straffällig und begegnete beim Überschreiten des diesbezüglichen Blumenpflückverbo-tes einem polizeilich nicht gemeldeten Wolf ohne festen Wohnsitz. 3. Als in unserer Stadt wohnhaft ist eine Minderjährige aktenkundig, welche infolge ihrer hierorts üblichen Kopfbedeckung Rotkäppchen genannt zu werden pflegt. 4. Die Beinhaltung des Getöteten weckte in dem Schußabgeber die Vermutung, daß der Leichnam Personen beinhalte. 5. Durch die unverhoffte Wiederbelebung bemächtigte sich der beiden Personen ein gesteigertes, amtlich nicht zulässiges Lebensgefühl. 6. Er reichte bei seiner vorgesetzten Dienststelle ein Tötungsgesuch ein, welches zuschlägig beschieden wurde. 7. Dieser verlangte in unberechtigter Amtsanmaßung Einsichtnahme in den zum Transport von Konsumgütern dienenden Korb und traf zwecks "Iötungsabsicht die Feststellung, daß die R. zu ihrer verwandten und verschwägerten Großmutter eilends war. 8. Zwecks diesbezüglicher Peststellung öffnete er unter Zuhilfenahme eines Messers den Kadaver zur Einsichtnahme und stieß hierbei auf die noch lebende R. nebst Großmutter. 9. Da bei dem Wolfe Verknappungen auf dem Ernährungssektor vorherrschend waren, beschloß er, bei der Großmutter der R. unter Vorlage falscher Papiere vorsprechig zu werden. 10. Vorher wurde die R. seitens ihrer Mutter über das Verbot betreffs Ver- lassens der Waldwege auf Kreisebene belehrt. 1 1. Dieser wurde nach Infangnahme der Kugel ablebig. 12. Daraufhin gab er einen Schuß ab auf den Wolf. 13. Die R. beabsichtigte, ihrer ordnungsgemäß im Außenbereich wohnhaften Großmutter einen Besuch abzustatten. 14. Bei der später eintreffenden R. täuschte er seine Identität mit der Großmutter vor, stellte der R. nach und durch Zweitverschlingung derselben seinen Tötungsvorsatz unter Beweis. 15. Der Vorfall wurde von den Brüdern Grimm zu Protokoll gegeben. 16. Da dieselbe wegen Augenleidens krank geschrieben war, gelang dem Wolf die diesfälhge Täuschungsabsicht, worauf er unter Verschlingung der Bettlägrigen einen strafbaren Mundraub ausführte. Übungsteil - Sprachliche Aspekte 39 B. Sprachliche Aspekte LU Ergänzen Sie im Zusammenhang mit Anspruchsgrundlagen im Gesetz im nachfolgenden Text Wörter aus der Liste. Anspruch / Ansprüche / auf / geltend / hat / Herausgabe / klagen / Klagerecht / machen / Schaden / Tun / Unterlassen / verlangen / verpflichtet / Verpflichtung § 194 I BGB enthält die Definition des Begriffes .___(1). Danach kann derjenige, der einen Anspruch hat, vom anderen ein bestimmtes___ -(2) oder_.__(3) verlangen. Im Gesetz wird gelegentlich unter direkter Benutzung des Wortes „Anspruch" auf_(4) verwiesen, die in vorhergehenden Paragraphen in anderer Weise formuliert sind. So z. B. in § 651 h I BGB. Demzufolge sind Ansprüche nach den § § 651c bis 651 g BGB vom Reisenden innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter_(5) zu --(6). Die Formulierung von Ansprüchen ist im Gesetz häufig am Gebrauch bestimmter Verben erkennbar. § 985 BGB bestimmt beispielsweise, daß der Eigentümer vom Besitzer die___( 7) der Sache _._ (8) kann. Andere Paragraphen gewähren ein_ (9). Nach § 1004 I 2 BGB kann der Eigentümer z. B. bei bestimmten Beeinträchtigungen des Besitzes___(10) Unterlassung_(11). Ein Anspruch entsteht meist, wenn ein Beteiligter eine gesetzlich bestimmte Verpflichtung nicht erfüllt hat. Dementsprechend ist die Grundlage für einen Anspruch sehr oft in der_(12) zu finden, die im Gesetz formuliert ist. § 433 II BGB ._(13) z. B. den Käufer, den durch Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen. Nach § 280 I BGB_(14) der Schuldner bei Nichterfüllung der Leistung den dadurch enstehenden__(15) zu ersetzen. El Der Konjunktiv II im Gutachtenstill Der Konjunktiv II ist vom Imperfekt abgeleitet und dient zum Ausdruck von Hypothesen. Deshalb wird die Erörterung der möglichen Anspruchsgrundlage (1) durch den Konjunktiv II eingeführt, ebenso die Erörterung der Tatbestandsmerkmale (2), Einwendungen und Einreden (3). Relevante Formen sind die 3. Person Singular (-e) und Plural (-en). Es gibt eine zunnehmende Tendenz, den Konjunktiv II durch das Konditional zu ersetzen (würde + Infinitiv). Das ist besonders dann der Fall, wenn die Formen des Konjunktiv II und des Imperfekt Indikativ identisch sind. 40 Zweites Kapitel: Zugang zum Recht > Beachten Sie: Modalverben sowie Formen von „sein" und „haben" sind nicht durch das Konditional zu ersetzen Beispiele aus dem Textbeispiel über den Autokauf in Kapitel 2: 1. A könnte gegen B einen Anspruch auf Rückgängigmachung des Kaufvertrags haben. 2. Der wesentlich überhöhte Benzinverbrauch könnte einen solchen Mangel darstellen. 3. Dem Anspruch könnte daher die Einrede der Verjährung entgegenstehen. Ergänzen Sie die passenden Formen des Konjunktiv II. 1. E _ gegen S einen Anspruch auf Rückgängigmachung des Werkvertrages nach § 636 I BGB haben. 2. Voraussetzung dafür_, daß das Werk nicht rechtzeitig hergestellt ist. 3. A_gegen B einen Anspruch auf Herausgabe der Sache nach § 985 BGB haben. 4. Dann_A Eigentümer der Sache sein. 5. Es_zweifelhaft sein, ob eine wirksame Übereignung stattgefunden hat. [B Geschlechtsneutrale Ausdrucksweise Möglichkeiten sind die Benutzung von männlicher und weiblicher Form, der Plural oder der Ersatz durch „die Person". Auch verbale Strukturen k önnen statt nominaler Strukturen benutzt werden. Versuchen Sie, folgende Vorschriften aus dem BGB und GG so umzuformen, daß grammatisch ersichtlich ist, daß Mann und Frau gemeint sind. Beachten Sie dabei auch die Pronomen. a) Art. 54 GG Wahl durch die Bundesversammlung I Per Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung gewählt. Wählbar ist jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestag besitzt und das vierzigste Lebensjahr vollendet hat. b) S 1569 BGB Anspruch auf Unterhalt Kann eir^hegatte nach der Scheidung nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen so hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nach den folgenden Vorschriften. Übungsteil - Sprachliche Aspekte 41 «985 BGB Herausgabeanspruch Derjügejittmier kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen. d) « 433 (2) BGB Grundpflichten des Verkäufers und des Kaufers Der Käufer ist verpflichtet, Hern Verkäufer den vereinbarten Kaufpre.s zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen. e) §117 BGB Scheingeschäft . Jc, -t Wird e,ne Willenserklärung, die einemandexen gegenüber abzugeben ,st, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.