Handout zu Postnaturalismus Kritik am Naturalismus: man sieht, was man eh schon davor gewusst hat. Wenig Phantasie, wenig Zufall, wenig Freiheit und freien Willens, zu viel Determination, fatalistisch, pessimistisch, trostlos, auswegslos, Entlastung des Menschen, trivial und langweilig, unschöpferisch. In summa: „Sich willentlich zu beschränken auf das Waschküchenniveau der Fleischlichen, das Übersinnliche zu verwerfen, den Traum zu leugnen, nicht einmal zu begreifen, dass die Neugierde der Kunst ebendort beginnt, wo die Sinne der Dienst aufkündigen.“ …der Naturalismus habe „die Seele abgetötet.“ N. wird als Übergangsphase und Durchgangsstation. 1892 „Die Weber“, Traumdrama „Hanneles Himmelfahrt“ 1893, 1895 ein neuromantisch symbolistisches Drama „Die versunkene Glocke“ Naturalismus und Ästhetizismus, Dekadenz und Fin de siecle, Symbolismus, Impressionismus, Vitalismus, Jugendstil (secese), Neuropmantik: Teilentwicklungen innerhalb eines Modernisierungsprozesses… unübersichtliches Geflecht der gegen und nachnaturalistischen Ismen, Stilpluralismus der Jahrhundertwende. Hin zu Rhythmus, Farben, Stimmungen, keine Laborexperimentatoren, Anthropologen, Soziologen und Biologen mehr, sondern Seher, Führer, geistige Führer, Propheten, Fürsten des Wortes /Religionsersatz/. Dichtung als „Seelenwanderung in Versen“ R. Dehmel. Vom Positivismus Positivismus zu Theorien, die die Sicherheit unserer Erkenntnis in Frage gestellt, oder zumindest realativieren A. Einstein, N. Bohr, Perspektive, Unbestimmtheit, Zufall. Empirokritizismus von Ernst Mach, Ich sei allenfalls ein „Wartesaal für Empfindungen“, Ich wird dynamisiert, desubstanzialisiert. H. von Hofmannsthal: Chandos Brief (an Francis Bacon), 1902. 3 Schritte über Naturalismus hinaus: a. zum Vitalismus, b. zur Nervenmystik (H. Bahr: …wenden wir uns allem zu, was fördert und provoziert unsere Einbildungskraft, setzen wir dem Fernen und Unbegreifbaren aus, um unsere Nerven zu kitzeln, um unser Erleben zu steigern, lösen wir die äußere Welt in unserem inneren Geist auf, nur dort kann jeder für sich seine Wahrheit finden, c. zu den Ismen: Ästhetizismus, Symbolismus, Jugendstil. Paradox: (unheilvolle) politischen Wirkung einer unpolitischen Ästhetik. Stefan George: Zeitschrift „Blätter für die Kunst“ (1882-1912) „meine Zeitschrift soll der dichtung und dem schrifttum dienen, alles staatliche und gesellschaftliche ausscheidend…sie will die GEISTIGE KUNST aufgrund der neuen fühlweise sein und mache eine kunst für die kunst… sie kann sich auch nicht beschäftigen mit weltverbesserungen und allbeglückungsträumen.. die ja sehr schön sein mögen aber in ein anderes gebiet gehören als das der dichtung.“ Hugo von Hofmannsthal: „Der Tor und der Tod“ (1893) Modelle der antimodernen Elite, eines geistigen Ordens: unbegrenzte Autorität eines charismatischen Führers (George-Kreis, charismatischer Führer mit Autorität und und seine in allem sich fügenden Jünger), Vorbild sind vormoderne, archaische Muster und Vorbilder, Kreis der George Jünger als eine Art Kunstwerk, wo Strenge, Ordnung, Form und Schönheit herrschten, ästhetische Rituale zu sozialen wurden mit einer politischen Auswirkung. Politisches Verhalten, das sich unpolitisch gab, aber politisch agierte. Dichter nahmen für sich eine die demokratische Politik verachtende Position der Führer und Seher in Anspruch, die das Vertrauen in demokratische Politik in Mitteleuropa abschwächte und Menschen für antidemokratische Seher, Prophete, autoritative Charismatiker affin gemacht hat. Stefan George: (1868-1933), Synästhesie: golden wehen die Töne nieder, Glut der weißen Sonne.. Algabal, 1892, Das Jahr der Seele (1899), Der Teppich des Lebens, (1899 )/ Maximilian Kronenberger/, Stern des Bundes, 1913, Das neue Reich, 1928. Kosmische Runde /Alfred Schuler und Ludwig Klages/ Hugo von Hofmannsthal (1874-1929), zu George: „Hinter seinen stillen Worten spurte er namlich nicht nur Verführung, sondern auch den Wunsch jemanden zu beherrschen.“ Gestern, (1891), Elektra (1903), Oidipus und die Sphinx (1906), Jedermann. Das Spiel vom Sterben eines reichen Mannes (1911), Salzburger großes Welttheater (1922), Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation (1927), Europa (1925). Rainer Maria Rilke (1875-1926), August Rodin, P. Cezanne, Lou Andreas Salome, Gräfin Maria von Thurn und Taxis. Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke (1906) Maximilian Dauthendey: „Ultra Violett“ (1893), Morgenduft. Rilkes II. Phase: Das Buch der Bilder (1902), Das Stunden-Buch (1905), Neue Gedichte (1907). Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910) Frank Wedekind (1864-1918) Münchner Kabaret „Elf Scharfrichter“, Der Tantenmörder Ich hab meine Tante geschlachtet, Meine Tante war alt und schwach; Ich hatte bei ihr übernachtet Und grub in den Kisten-Kasten nach. Da fand ich goldene Haufen, Fand auch an Papieren gar viel Und hörte die alte Tante schnaufen Ohn Mitleid und Zartgefühl. Was nutzt es, dass sie sich noch härme - Nacht war es rings um mich her - Ich stieß ihr den Dolch in die Därme, Die Tante schnaufte nicht mehr. Das Geld war schwer zu tragen, Viel schwerer die Tante noch. Ich fasste sie bebend am Kragen Und stieß sie ins tiefe Kellerloch. - Ich hab meine Tante geschlachtet, Meine Tante war alt und schwach; Ihr aber, o Richter, ihr trachtet Meiner blühenden Jugend-Jugend nach. Loie Fuller F. Wedekind: Lulu-Zyklus, Der Erdgeist, Büchse der Pandora (um 1900)