prosa ii K//V Ii HI KV zehn jenen „Neuen Paris", jenen „Traum der Daphne", jenes „Kpithalamium" hinschrieb, diese unter dem Prunk ihrer Worte hintaumelnden Schäferspiele, deren eine himmlische Königin und einige allzu nachsichtige Lords und Herren sich noch zu entsinnen gnädig genug sindPUndbinichs wiederum, der mit dreiundzwanzig unter den steinernen Lauben des großen Platzes von Venedig in sich jenes Gefüge lateinischer Perioden fand, dessen geistiger Grundriß und Aufbau ihn im Innern mehr entzückte als die aus dem Meer auftauchenden Bauten des Palladio und Sansovin? Und konnte ich, wenn ich anders derselbe bin, alle Spuren und Narben dieser Ausgeburt meines angespanntesten Denkens so völlig aus meinem unbegreiflichen Innern verlieren, daß mich in Ihrem Brief, der vor mir liegt, der Titel jenes kleinen Traktates fremd und kalt anstarrt, ja daß ich ihn nicht als ein geläufiges Bild zusammengefaßter Worte sogleich auffassen, sondern nur Wort für Wort verstehen konnte, als träten mir diese lateinischen Wörter, so verbunden, zum ersten Male vors Auge? Allein ich bin es ja doch und es ist Rhetorik in diesen Fragen, Rhetorik, die gut ist für Frauen oder für das Haus der Gemeinen, deren von unserer Zeit so über-^schät/.teMachtmittel aber nicht hinreichen, ins Innere ;der Dinge zu dringen. Mein Inneres aber muß ich Ihnen darlegen, eine Sonderbarkeit, eine Unart, wenn Sie wollen eine Krankheit meines Geistes, wenn Sie begreifen sollen, daß mich ein ebensolcher brückenloser Abgrund von den scheinbar vor mir liegenden literarischen Arbeiten trennt als von denen, die hinter mir sind und die ich, so fremd sprechen sie mich an, mein Eigentum zu nennen zögere, t Ii Ii i 'i.....Iii. oh ich mehr die Eindringlichkeit \\iililwiilli'iis oder die unglaubliche Schärfe ' •• I" Iii in-•■<■: liewundern soll, wenn Sie mir in' Hin kleinen Pläne wieder hervorrufen, in M ii h mich in den gemeinsamen Tagen I'»' ■ ' i iiTiing trug. Wirklich, ich wollte die i ■ ■ - i'i ii ii gs jähre unseres verstorbenen glor-i- ii Souveräns, des achten Heinrich, darstellen! M" limi■ i Li .m'iicii Aufzeichnungen meines Groß-ili Herzogs von Exeter, über seine Negozia- ......i Frankreich und Portugal gaben mir eine im (piniullage. Und aus dem Sallust floß in i'i' Miellen, belebten Tagen wie durch nie ver-Kiilncii die Erkenntnis der Form in mich i U nie in den äußersten Verfeinerungen eines i mi i hen Zeremoniells; in den Tölpelhaftigkeiten .......i i Hauern nicht minder als in den süßesten ......n; und in aller Natur fühlte ich mich selber/; n n h míľ meiner Jagdhütte die schäumende laue • iil. h m mich Iiineintrank, die ein struppiges Mensch - i hüiien, sanftäugigen Kuh aus dem Euter in n I lol/.eimer niedermolk, so war mir das nichts línii d , ,ils wenn ich, in der dem Fenster eingebauten i meines studio sitzend, aus einem Folianten und schäumende Nahrung des Geistes in mich l 'i eine war wie das andere; keines gab dem in weder an traumhafter überirdischer Natur, ■ .m leiblicher Gewalt nach, und so gings fort ii die ganze Breite des Lebens, rechter und linker Ii nid pihei-all war ich mitten drinnen, wurde nie ein Inhaltes gewahr: Oder es ahnte mir, alles wäre ii hnis und jede Kreatur ein Schlüssel der andern^ lind n h fühlte mich wohl den, der imstande wäre, nlne i j ■ u 11 der andern bei der Krone zu packen und lull ihr so viele der andern aufzusperren, als sie auf-i» 111 n könnte. Soweit erklärt sich der Titel, den ich m enzyklopädischen Buche zu geben gedachte. I1',* n lochte dem, der solchen Gesinnungen zugäng-lli h i-.l, als der wohlangelegte Plan einer göttlichen i Innig erscheinen, daß mein Geist aus einer so i h wollenen Anmaßung in dieses Äußerste von • i'i.....mi ind Kraftlosigkeit zusammensinken mußte, lies mm die bleibende Verfassung meines Innern 11 prosa ii ist. Aber dergleichen religiöse Auffassungen haben keine Krall Uber mich} sie gehören zu den Spinnennetzen, durch welche imune Gedanken hindurchschießen, hinaus ins Leere, während so viele ihrer Gefährten dort hängenbleiben und zu einer Ruhe kommen. [Mir hah cn sich die Geheimnisse des Glaubens zu einer erhabenen Allegorie verdichtet, die über den Feldern meines Lebens steht wie ein leuchtender Regenbogen, in einer stetigen Ferne, immer bereit, zurückzuweichen, wenn ich mir einfallen ließe hinzueilen und mich in den Saum seines Mantels hüllen zu wollenj Aber, mein verehrter Freund, auch die irdischen Begriffe entziehen sich mir in der gleichen Weise. Wie soll ich es versuchen, Ihnen diese seltsamen geistigen Qualen zu schildern, dies Emporschnellen der Fruchtzweige über meinen ausgereckten Händen, dies Zurückweichen des murmelnden Wassers vor meinen dürstenden Lippen? f~Mein Fall ist, in Kürze, dieser: Es ist mir völlig die Fähigkeit abhanden gekommen, über irgend etwas zusammenhängend zu denken oder zu sprechen/ Zuerst wurde es mir allmählich unmöglichem höheres oder allgemeineres Thema zu besprechen und dabei jene Worte in den Mund zu nehmen, deren sich doch alle Menschen ohne Bedenken geläufig zu bedienen pflegen. Ich empfand ein unerklärliches Unbehagen, die Worte „Geist", „Seele" oder „Körper" nur auszusprechen! Ich fand es innerlich unmöglich, über die Angelegenheiten des Hofes, die Vorkommnisse im Parlament, oder was Sie sonst wollen, ein Urteil herauszubringen. Und dies nicht etwa aus Rücksichten irgendwelcher Art, denn Sie kennen /•://v Ii RIEF .......... bis /in Leichtfertigkeit gehenden Freimut: I i in dir .ili ti.ikirii Worte, deren sich doch die i ■• nii in gemäl.i bedienen muß, um irgendwelches 'i nii den 'lag zu geben, zerfielen mir im Munde ......Ii i'"' l'd^eJEs begegnete mir, daß ich meiner i' i i ilu 'Im Iii 11 •ii Tochter Katharina Pompilia eine kindi-, deren sie sich schuldig gemacht hatte, ...........I sie auf die Notwendigkeit, immer wahr in hinführen wollte, , und dabei die mir im nii . ii i römenden Begriffe plötzlich eine solche • l'i nile Färbung annahmen und so ineinander lln 'ii, ilnü ich den Satz, so gut es ging, zu Ende lud, ii wie wenn mir unwohl geworden wäre .....1 ii in Ii i . i i sächlich bleich im Gesicht und mit einem l" In "ii Druck auf der Stirn, das Kind allein ließ, i iii liniier mir zuschlug und mich erst zu Pferde, dl i einsamen Hutweide einen guten Galopp I Ii.....tut, \ ' Mim ,1dl. wieder einigermaßen herstellte. Ii aber breitete sich diese Anfechtung aus .....in sich fressender Rost. Es wurden mir auch .....Ii.iren und hausbackenen Gespräch alle, die 1 ' die leichthin und mit schlafwandelnder 'Im ii .ibgegeben zu werden pflegen, so bedenk-1 iM ich aufhören mußte, an solchen Gesprächen i i i ei l/i 11 lehmenlMit einem unerklärlichen Zorn, "Ii nur mit Mühe notdürftig verbarg, erfüllte Ii Ii, dergleichen zu hören, wie: diese Sache ist 1 .....ler jenen gut oder schlecht ausgegangen; ii ■ r-i. ein böser, Prediger T. ein guter Mensch; ii i'i IM. isL zu bedauern, seine Söhne sind Ver-■ iidei ; ein anderer ist zu beneiden, weil seine ' haushälterisch sind; eine Familie kommt in 11 .Ii. , eine andere ist im Hinabsinken. Dies alles 12 15 prosa ii erschien mir so unbeweisbar, so lügenhaft, so löcherig wie nur möglich. Mein (reist zwang mich, alle Dinge, die in einem solchen Gespräch vorkamen, in einer unheimlichen Niihe zu sehen: so wie ich einmal in einem Vergrößerungsglas ein Stück von der Haut meines kleinen Fingers gesehen hatte, das einem-Blachfeld mit Furchen und Höhlen glich, so ging es fmir nun mit den Menschen und ihren Handlungen, gelang mir nicht mehr, sie mit dem vereinten enden Blick der Gewohnheit zu erfassen. Es zerfiel mir alles in Teile, die Teile wieder in Teile, und nichts mehr ließ sich mit einem Begriff umspannen^ Die einzelnen Worte schwammen um mich; sie gerannen zu Augen, die mich anstarrten und in die ich wieder hineinstarren muß: Wirbel sind sie, in die hinabzusehen mich schwindelt, di e sich unaufhaltsam drehen und durch die hindurch man ins Leere kommt. fleh machte einen Versuch, mich aus diesem Zustand in die geistige Welt der Alten hinüberzuretten. Piaton vermied ich; denn mir graute vor der Gefährlichkeit seines bildlichen Fluges. Am meisten gedachte ich mich an Seneca und Cicero zu halten. An dieser Harmonie begrenzter und geordneter Begriffe hoffte ich zu ifesunden. Aber ich konnte nicht zu ihnen hinüberj Diese Begriffe, ich verstand sie wohl: ich sah ihr wundervolles Verhältnisspiel vor mir aufsteigen wie herrliche Wasserkünste, die mit goldenen Bällen spielen. Ich konnte sie umschweben und sehen, wie sie zueinander spielten; aber sie hatten es nur miteinander zu tun, und das Tiefste, das Persönliche meines Denkens, blieb von ihrem Reigen ausgeschlossen. Es überkam mich unter ihnen das Gefühl EIN IS RIEF Ion hi hui '•! Kinsnrnkeil; mir war zumut wie einem, 1 .....um in Garten mit lauter augenlosen Statuen • in;" ■•■ i n -i il wäre; ich flüchtete wieder ins Freie. Si ii 11<■ i führe ich ein Dasein, das Sie, fürchte ich, i ...... hegn'il'en können, so geistlos, so gedankenlos il" Hi dahin; ein Dasein, das sich freilich von dem '....... i N.K hharn, meiner Verwandten und der mei- l.uiilhi'siizenden Edelleute dieses Königreiches 11 iiiilerscheidet und das nicht ganz ohne freudige hclchcnde Augenblicke ist. Es wird mir nicht i' i' Iii. Ihnen anzudeuten, worin diese guten Augen-lllli l <■ hi'siclien; die Worte lassen mich wiederum im Ii Ii I leim es ist ja etwas völlig Unbenanntes und Uli Ii wohl kaum Benennbares, das in solchen Augenöl i. I i ii, irgendeine Erscheinung meiner alltäglichen 1 .....i-hiing mit einer überschwellenden Flut höheren 1 ii-. wie ein Gefäß erfüllend, mir sich ankündet. Ii I' l hin nicht erwarten, daß Sie mich ohne Beispiel Ii Inn, und ich muß Sie um Nachsicht für die \ll" < iiheii meiner Beispiele bitten. Eine Gießkanne, ml dem Felde verlassene Egge, ein Hund in der ein ärmlicher Kirchhof, ein Krüppel, ein 1 i..... Bauernhaus, alles dies kann das Gefäß meiner Ulli iihiiiuiig werden. Jeder dieser Gegenstände und ■ i" i.er eint anderen ähnlichen, über die sonst ein eiii selbstverständlicher Gleichgültigkeit hin-l' ilel, kann für mich plötzlich in irgend einem ii öl, den herbeizuführen auf keine Weise in, ........ i liewalt steht, ein erhabenes und rührendes '■"■ .innehmen, das auszudrücken mir alle Worte im scheinen. Ja, es kann auch die bestimmte "' lelliing eines abwesenden Gegenstandes sein, ■ In- unbegreifliche Auserwählung zuteil wird, 14 15 prosa ii blich mit einer- Bestimmtheit, die nicht ganz ohne ein schmerzliches Beigefühl war, daß ich auch im kommenden und im folgenden und in allen Jahren englisches und kein L dieses meines Lebens kei lal.einisc.lies Buch schreibeil werde: und dies aus dem einen Grund, dessen mir peinliche Seltsamkeit mit ungeblendetem Blick dem vor Ihnen harmonisch ausgebreiteten bleiche der geistigen und leiblichen Erscheinungen an seiner Stelle einzuordnen ich Ihrer unendlichen geistigen Überlegenheit überlassefliäm-lich weil die Sprache, in welcher nicht nur zu schreiben, sondern auch zu denken mir vielleicht gegeben wäre, weder die lateinische noch die englische noch die italienische und spanische ist, sondern eine Sprache, von deren Worten mir auch nicht eines bekannt ist, eine Sprache, in welcher die stummen Dinge zu mir sprechen, und in welcher ich vielleicht einst im Grabe vor einem unbekannten Richter mich verantworten werde./ Ich wollte, es wäre mir gegeben, in die letzten Worte dieses voraussichtlich letzten Briefes, den ich an Francis Bacon schreibe, alle die liebe und Dankbarkeit, alle die ungemessene Bewunderung zusammenzupressen, die ich für den größten Wohltäter meines Geistes, für den ersten Engländer meiner Zeit im Herzen hege und darin hegen werde, bis der Tod es bersten macht. A. D. 1605, diesen 22. August. Phi. Chandos ANSPRACHE <.i HALTEN AM AIJEND DES 10. MAI 1902 i mim ISK i >ES (JK AEEN KARL LANCKORONSKI I in der freundliche Wunsch des Hausherrn, daß ii I hneii einige wenige unzulängliche Sätze sprä-■ Ii. Iievnr wir uns in den Räumen dieses Hauses In im ii, um seinen Inhalt zu genießen. I i ii'ii Sie mich das, was ich zu Ihnen sprechen .Ii und woraus Sie keinerlei Belehrung, welcher Art Mi, schöpfen werden, mit wenigen Takten einer In i In■uleiieii Musik vergleichen, nicht so stark, daß im ihrer selbst willen beachtet zu werden brauch-ilier harmonisch genug, um die Sinne der Hören- • l.......Ii aufzuregen und sie bereiter zu machen, das ......■ /.ii empfinden. Denn es ist mir oft erschienen, daß Musik eine Ii he < iewalt hat, schöne Gebilde leben zu machen. Ii iimI wie die Schatten, die den Odysseus umlagern ulle vom Blut trinken wollen, lautlos, gierig .1..........1ergedrängt, ihren dunklen hohlen Blick auf ii I ,ehen den geheftet. Siewollenihren Anteilhaben i". Lehen. Ja, sie scheinen von einer eigenen ver-){ .Ii' neu Energie zu erglühen und zu erzittern, wenn in in sie nicht beachtet. \ Im redet, und hinter dem Rücken der Redenden, dem Gobelin, blähen sich die Fluchtgewinde vor i heu und scheinen aus dem Gewebe vorzuquellen. I iid das Getäfel der Wände nimmt manchmal, ilireud niemand es beachtet, unter dem goldroten -1 dschein, der von draußen hereinfällt, sein ganzes 22 25 kleine dramen Und wo am Meere, das sich träumend regt, Der leise Puls des stummen Lebens schlägt. PARIS Er will im Unbewußten untersinken, Und wir, wir sollen seine Seele trinken In des lebendgen Lebens lichtem Wein, Und wo wir Schönheit sehen, wird Er sein! DESIDERIO Er aber hat die Schönheit stets gesehen, Und jeder Augenblick war ihm Erfüllung, Indessen wir zu schaffen nicht verstehen Und hilflos harren müssen der Enthüllung . . . Und unsre Gegenwart ist trüb und leer, Kommt uns die Weihe nicht von außen her. Ja, hätte der nicht seine Liebessorgen, Die ihm mit Rot und Schwarz das Heute färben, Und hätte jener nicht den Traum von morgen Mit leuchtender Erwartung, Glück zu werben, Und hätte jeder nicht ein heimlich Bangen Vor irgend etwas und ein still Verlangen Nach irgend etwas und Erregung viel Mit innrer Lichter buntem Farbenspiel Und irgend etwas, das zu kommen säumt, Wovon die Seele ihm phantastisch träumt, Und irgend etwas, das zu Ende geht, Wovon ein Schmerz verklärend ihn durchweht - : So lebten wir in Dämmerung dahin, Und unser Leben hätte keinen Sinn . . . Die aber wie der Meister sind, die gehen, Und Schönheit wird und Sinn, wohin sie sehen. DER TOR UND DER TOD DER TOD CLAUDIO, ein Edelmann SEIN KAMMERDIENER CLAUDIOS MUTTER EINE GELIEBTE DES CLAUDIO 1 Tote EIN JUGENDFREUND Claudios Haiis. Kostüm der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Studierzimmer des Claudio, im. Empiregeschmack. Im Hintergrund links und rechts große Fenster, in der Mitte eine Glastüre auf den Balkon hinaus, von dem eine hängende Holztreppe in den Garten führt. Links eine weiße Flügeltür, rechts eine gleiche nach dem Schlafzimmer, mit einem grünen Samtvorhang geschlossen. Am Fenster links steht ein Schreibtisch, davor ein Lehnstuhl. An den Pfeilern Glaskasten mit Altertümern. Ander Wand rechts eine gotische, dunkle, geschnitzte Truhe; darüber altertümliche Musikinstrumente. Ein fast schwarzgedunkeltes Bild eines italienischen Meisters. Der Grundton der Tapete licht, fast weiß; mit Stukkatur und Gold. CLAUDIO allein . Er sitzt am Fenster. Abendsonne. I Die letzten Berge hegen nun im Glanz, In feuchten Schmelz durchsonnter Luft gewandet. 198 199 kleine dramen fEs schwebt ein Alabasterwolkenkranz Zuhöchst, mit grauen Schatten, goldumrandet: So malen Meister von den frühen Tagen Die Wolken, welche die Madonna tragenj Am Abhang liegen blaue Wolkenschatten, Der Bergesschatten füllt das weite Tal Und dämpft zu grauem Grün den Glanz der Matten Der Gipfel glänzt im vollen letzten Strahl. Wie nah sind meiner Sehnsucht die gerückt, Die dort auf weiten Halden einsam wohnen Und denen Güter, mit der Hand gepflückt, Die gute Mattigkeit der Glieder lohnen. Der wundervolle wilde Morgenwind, Der nackten Fußes läuft im Heidenduft, Der weckt sie auf5 die wilden Bienen sind Um sie und Gottes helle, heiße Luft. Es gab Natur sich ihnen zum Geschäfte, In allen ihren Wünschen quillt Natur, Im Wechselspiel der frisch und müden Kräfte Wird ihnen jedes warmen Glückes Spur. Jetzt rückt der goldne Ball, und er versinkt In fernster Meere grünlichem Kristall; Das letzte Licht durch ferne Bäume blinkt, Jetzt atmet roter Rauch, ein Glutenwall Den Strand erfüllend, wo die Städte liegen, Die mit Najadenarmen, flutenttaucht, In hohen Schiffen ihre Kinder wiegen, Ein Volk, verwegen, listig und erlaucht. Sie gleiten über ferne, wunderschwere, Verschwiegne Flut, die nie ein Kiel geteilt, Es regt die Brust der Zorn der wilden Meere, Da wird sie jedem Wahn und Weh geheilt. ^~5o seh ich Sinn und Segen fern gebreitet 200 der top. und der tod Und starre voller Sehnsucht stets hinüber, Doch wie mein Blick dem Nahen näher gleitet, Wird alles öd, verletzender und trüber$ Es scheint mein ganzes so versäumtes Leben, Verlorne Lust und nie geweinte Tränen, Um diese Gassen, dieses Haus zu weben Und ewig sinnlos Suchen, wirres SehnenJ Am Fenster stehend Jetzt zünden sie die Lichter an und haben In engen Wänden eine dumpfe Welt Mit allen Rausch- und Tränengaben Und was noch sonst ein Herz gefangenhält. Sie sind einander herzlich nah Und härmen sich um einen, der entfernt; Und wenn wohl einem Leid geschah, So trösten sie . . . ich habe Trösten nie gelernt. Sie können sich mit einfachen Worten, Was nötig zum Weinen und Lachen, sagen. Müssen nicht an sieben vernagelte Pforten Mit blutigen Fingern schlagen. Was weiß denn ich vom Menschenleben? Bin freilich scheinbar drin gestanden, Aber ich hab es höchstens verstanden, Konnte mich nie darein verweben. Hab mich niemals daran verloren. Wo andre nehmen, andre geben, Blieb ich beiseit, im Innern stummgeboren. Ich hab von allen lieben Lippen Den wahren Trank des Lebens nie gesogen, Bin nie, von wahrem Schmerz durchschüttert, Die Straße einsam, schluchzend, nie! gezogen. Wenn ich von guten Gaben der Natur 201 Vi kleine dramen der tor und der tod Je eine Regung, einen Hauch erfuhr, So nannte ihn mein überwacher Sinn, Unfähig des Vergessens, grell beim Namen. Und wie dann tausende Vergleiche kamen, War das Vertrauen, war das Glück dahin. Und auch das Leid! zerfasert und zerfressen Vom Denken, abgeblaßt und ausgelaugt! Wie wollte ich an meine Brust es pressen, Wie hätt ich Wonne aus dem Schmerz gesaugt: Sein Flügel streifte mich, ich wurde matt, ; Und Unbehagen kam an Schmerzes Statt . . ■ j A ufschreckend Es dunkelt schon. Ich fall in Grübelei. Ja, ja: die Zeit hat Kinder mancherlei. Doch ich bin müd und soll wohl schlafen gehen. Der Diener bringt eine Lampe, geht dann wieder. Jetzt läßt der Lampe Glanz mich wieder sehen Die Rumpelkammer voller totem Tand, Wodurch ich doch mich einzuschleichen wähnte, Wenn ich den graden Weg auch nimmer fand In jenes Leben, das ich so ersehnte. Vor dem Kruzifix Zu deinen wunden, elfenbeinern' Füßen, Du Herr am Kreuz, sind etliche gelegen, Die Flammen niederbetend, jene süßen, Ins eigne Herz, die wundervoll bewegen, Und wenn statt Gluten öde Kälte kam, Vergingen sie in Reue, Angst und Scham. Vor einem alten Bild Gioconda, du, aus wundervollem Grund Herleuchtend mit dem Glanz durchseelter Glieder, 202 Dem rätselhaften, süßen, herben Mund, Dem Prunk der träumeschweren Augenlider: Gerad so viel verrietest du mir Leben, Als fragend ich vermocht dir einzuweben! Sich abwendend, vor einer Truhe Ihr Becher, ihr, an deren kühlem Rand Wohl etlich Lippen selig hingen, Ihr alten Lauten, ihr, bei deren Klingen Sich manches Herz die tiefste Rührung fand, Was gab ich, könnt mich euer Bann erfassen, Wie wollt ich mich gefangen finden lassen! Ihr hölzern, ehern Schilderwerk, Verwirrend, formenquellend Bilderwerk, Ihr Kröten, Engel, Greife, Faunen, Phantastsche Vögel, goldnes Fruchtgeschlinge, Berauschende und ängstigende Dinge, Ihr wart doch all einmal gefühlt, Gezeugt von zuckenden, lebendgen Launen, Vom großen Meer emporgespült, Und wie den Fisch das Netz, hat euch di e Form gefangen Umsonst bin ich, umsonst euch nachgegangen, Von eurem Reize allzusehr gebunden: Und wie ich eurer eigensinngen Seelen hädwede, wie die Masken, durchempfunden, fWar mir verschleiert Leben, Herz und Welt, Ihr hieltet miclT^ ein Flatterschwarm, umstellt, Abweidend, unerbittliche Harpyen, An frischen Quellen jedes frische Blühen . . . Ich hab mich so an Künstliches verloren, Daß ich die Sonne sah aus toten Augen Und nicht mehr hörte als durch töte Ohren: Stets schleppte ich den rätselhaften Fluch, 205 kleine dramen Du sahst es auch, es reizte dich! . . . „Ja, weil Ich selber ähnlich bin zu mancher Zeit, So reizte mich des Mädchens müde Art Und herbe Hoheit, so enttäuschten Sinns Bei solcher Jugend." Hast du mirs denn nicht Dann später so erzählt? Es reizte dich! Mir war es mehr als dieses Blut und Hirn! Und sattgespielt warfst du die Puppe mir, Mir zu, ihr ganzes Bild vom Überdruß In dir entstellt, so fürchterlich verzerrt, Des wundervollen Zaubers so entblößt, Die Züge sinnlos, das lebendge Haar Tot hängend, warfst mir eine Larve zu, In schnödes Nichts mit widerlicher Kunst Zersetzend rätselhaften süßen Reiz. Für dieses haßte endlich ich dich so, Wie dich mein dunkles Ahnen stets gehaßt, Und wich dir aus. Dann trieb mich mein Geschick Das endlich mich Zerbrochnen segnete Mit einem Ziel und Willen in der Brust -Die nicht in deiner giftgen Nähe ganz Für alle Triebe abgestorben war -Ja, für ein Hohes trieb mich mein Geschick In dieser Mörderklinge herben Tod, Der mich in einen Straßengraben warf, Darin ich liegend langsam moderte Um Dinge, die du nicht begreifen kannst, Und dreimal selig dennoch gegen dich, Der keinem etwas war und keiner ihm. Er geht ab. geht, der tor und der tod CLAUDIO Wohl keinem etwas, keiner etwas mir. Sich langsam aufrichtend /ie auf der Buhn ein schlechter Komödiant -Aufs Stichwort kommt er, redt sein Teil und Gleichgültig gegen alles andre, stumpf, Vom Klang der eignen Stimme ungerührt Und hohlen Tones andre rührend nicht: So über diese Lebensbühne hin Bin ich gegangen ohne Kraft und Wert. Warum geschah mir das? Warum, du Tod, Mußt du mich lehren erst das Leben sehen, Nicht wie durch einen Schleier, wach und ganz, Da etwas weckend, so vorübergehen? Warum bemächtigt sich des Kindersinns So hohe Ahnung von den Lebensdingen, Daß dann die Dinge, wenn sie wirklich sind, Nur schale Schauer des Erinnerns bringen? Warum erklingt uns nicht dein Geigenspiel, Aufwühlend die verborgne Geisterwelt, Die unser Busen heimlich hält, Verschüttet, dem Bewußtsein so verschwiegen, Wie Blumen im Geröll verschüttet liegen? Könnt ich mit dir sein, wo man dich nur hört, Nicht von verworrner Kleinlichkeit verstört! —Ich kanns! Gewähre, was du mir gedroht: \ Da tot mein Leben war, sei du mein Leben, Tod! Was zwingt mich, der ich beides nicht erkenne, Daß ich dich Tod und jenes Leben nenne? In eine Stunde kannst du Leben pressen, Mehr als das ganze Leben konnte halten, Das schattenhafte will ich ganz vergessen 218 219 kleine dramen Und weih mich deinen Wundern und Gewalten. . Er besinnt sich einen Augenblick » Kann sein, dies ist nur sterbendes Besinnen, Heraufgespült vom tödlich wachen Blut, Doch hab ich nie mit allen Lebenssinnen So viel ergriffen, und so nenn ichs gut! ■ Wenn ich jetzt ausgelöscht hinsterben soll, Mein Hirn von dieser Stunde also voll, Dann schwinde alles blasse Leben hin: Erst, da ich sterbe, spür ich, daß ich bin. Wenn einer träumt, so kann ein Übermaß Geträumten Fühlens ihn erwachen machen, So wach ich jetzt, im Fühlensübermaß, Vom Lebenstraum wohl auf im Todeswachen. Er sinkt tot zu den Füßen des Todes nieder. DER TOD indem er kopfschüttelnd langsam abgeht Wie wundervoll sind diese Wesen, Die, was nicht deutbar, dennoch deuten, Was nie geschrieben wurde, lesen, Verworrenes beherrschend binden Und Wege noch im Ewig-Dunkeln finden Er verschwindet in der Mitteltür, seine Worte verklingen. Im Zimmer bleibt es still. Draußen sieht man durchs Fenster den Tod geigenspielend vorübergehen, hinter ihm die Mutter, auch das Mädchen, dicht bei ihnen eine Claudio gleichende Gestalt. DER WEISSE FÄCHER EIN ZWISCHENSPIEL PERSONEN DER PROLOG FORTUNIO SEINE GROSSMUTTER LIVIO MIRANDA DIE MULATTIN CATALINA DER EPILOG ihre Dienerinnen DER PROLOG Merkt auf, Ihr guten Herrn und schönen Damen: Nun kommt ein Spiel, das hat nicht größre Kraft Als wie ein Federball. Sein ganzer Geist ist dies: Daß Jugend gern mit großen Worten ficht Und doch zu schwach ist, nur dem kleinen Finger Der Wirklichkeit zu trotzen. Und wie ein Federball, das Kinderspielzeug, Den Vogel nachahmt, also ahmt dies Spiel Dem Leben nach, meint nicht, ihm gleich zu sein, Vielmehr für unerfahrne Augen nur Erborgts ein Etwas sich von seinem Schein. Vor dem Eingang eines Friedhofes, nahe der Hauptstadt einer westindischen Insel. Kostüm der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. - Die linke Seite und den Hintergrund bildet die lebendige, mit Blüten bedeckte Hecke, die den Friedhof umsäumt. Sie hat an mehreren Stellen Eingänge. Dahinter sind kleine Hügel 220 221 p.'is schrifttum als geistiger raum der nation DAS SCHRIFTTUM ALS GEISTIGER RAUM DER NATION Rede, gehalten im Auditorium maximum der Universität München am 10. Januar 1927 Zugeeignet Karl Vossler, dem Rektor der Universität ICHT durch unser Wohnen auf dem Heiniiii boden, nicht durch unsere leibliche Berührung in Handel und Wandel, sondern durch ein geistiges A11 hangen vor allem sind wir zur Gemeinschaft ver bunden. Hierdurch unterscheiden sich unsere alten europäischen Nationen von jenem jungen, nach außen mächtigen amerikanischen Staatswesen, in dem wir eine Nation in diesem Sinne noch nicht zu erkennen : vermögen. In einer Sprache findenwir uns zueinander, die völlig etwas anderes ist als das bloße natürliche Verständigungsmittel; denn in ihr redet Vergan genes zu uns, Kräfte wirken auf uns ein und werden ; unmittelbar gewaltig, denen die politischen Einrichtungen weder Raum zu geben, noch Schranken zu setzen mächtig sind, ein eigentümlicher Zusammenhang wird wirksam zwischen den Geschlechtern, wir ahnen dahinter ein Etwas waltend, das wir den Geist der Nation zu nennen uns getraueni Alles Höhere, des Merkens Würdige aber, seit vielen Jahrhunderten, wird durch die Schrift überliefert; so reden wir vom Schrifttum und meinen damit nicht nur den Wust von Büchern, den heute kein einzelner mehr bewältigt, sondern Aufzeichnungen aller Art, wie sie zwischen den Menschen hin und her gehen, den nur für einen oder wenige bestimmten Brief, die Denk- 590 schrift, desgleichen auch die Anekdote, das Schlagwort, das politische oder geistige Glaubensbekenntnis, wie es das Zeitungsblatt bringt, lauter Formen, die ja zuzeiten sehr wirksam werden können. Das Wort Literatur bezeichnet wohl annähernd das gleiche, aber es ist uns zweideutiger in seinem Ivlang: der unglückliche Riß in unserem Volk zwischen Gebildeten und Ungebildeten tritt uns gleich ins Gefühl, wenn wir dieses Wort brauchen, wir sind sogleich in seinem Bildungsbereich - der Abglanz aber von Goethes Geist, der vor hundert Jahren auf diesem Worte lag, ist verblaßt. Nicht die gleiche Bewandtnis aber hat es mit dem gleichen Begriff, wenn wir uns anderen benachbarten Nationen zuwenden. Von den drei romanischen Nationen, welche seit dem sechzehnten Jahrhundert eine nach der anderen die kulturelle Führerschaft innehatten, ist uns die französische ihren Grenzen nach und durch Schicksalsverbundenheit die nächste. Sie nun besitzt eine Literatur im wahren Sinne des Wortes. Das Große, seit Beginn der neueren Ära, das ist seit etwa dreihundertfünfzig Jahren, Hervorgetretene erscheint fortwirkend. Das Mittlere, zu jenem Großen in klar abgestuftem Verhältnis, tritt nach gemessener Zeit ins Dunkel zurück und steigt in neuen geistreichen Formen wieder hervor. Selbst das Geringe, für den Tag Bestimmte, nimmt für die Spanne seiner Wirksamkeit teil an einer gewissen Würde durch die Sorgfalt, mit welcher es eine reine Sprache anstrebt und die Gedanken klar und wohlgeordnet und faßlich wiedergeben will. Mode belebt die Tradition, Tradition adelt die Mode. Innerhalb solchen beharrenden Wechsels ist der Ehrgeiz 591 prosa iv tauglichere Organe gegeben als das Auge und das Ohr, um zu erkennen und zu werten, was hier vorgeht. So dürfen wir es wohl aussprechen, daß es doch noch anders steht um unsere Suchenden als wum ihre älteren Brüder, jene Generationen von I 1780 und 1800, wenngleich sie diesen schicksals-I verbunden sind, als Glieder schmerzvoller Entwicklung. An Stelle jenes damaligen verantwortungslosen Wesens - und es mag dahingestellt bleiben, ob es von Kraft oder von Schwäche trunken war, denn es war viel jäher Ubergang darin von der überheblichen Selbstbehauptung zur fast wollüstigen Prostration —, an Stelle eines Rausch- und Schwärmerwesens ist bei unseren Suchenden ein strengeres, männlicheres Gehaben unverkennbar getreten, eine Bescheidung, in der Tapferkeit liegt, eine fast grimmige Festigkeit gegenüber der Verführung, sowohl ans Begriffliche als an das Schwärmerische sich zu ' verlieren — ein Mißtrauen gegen das unverantwortlich Spekulative und ein Mißtrauen auch gegen das unverantwortlich Musikantische, etwas Fanatisches und Asketisches, ein die Hast verschmähendes, ausdauernd resigniertes Wesen, wie es jene früheren 1 Zeiten nicht gekannt haben. Denn nicht Freiheit » ist es, was sie zu suchen aus sind, sondern Bindung. I Dies besagt die bis zum KrampT^liergische große Gebärde, die wir an ihnen wahrnehmen, daß sie sich festbinden wollen an der Notwendigkeit, aber an der höchsten, an der, die über allen Satzungen und gleichsam der geometrische Ort aller denkbaren I Satzungen ist. Nie war ein deutsches Ringen um : Freiheit inbrünstiger und dabei zäher, als dieses in tausenden Seelen der Nation vor sich gehende Rin- 408 /' is schrifttum als geistiger raum der nation um wahrenZwang und Sichversagen dem nicht • m ni ig zwingenden Zwang. Wenn Lichtenberg ein-ni.ll schrieb: Dies sei das englische Wort, das sich ■der Deutsche auf den Fingernagel schreiben müsse: »Ms ein Ganzes muß der Mann sich regen« - heute ist dieser Samen in den Besten der Nation aufgegangen; denn um die Ganzheit, auf die jenes Wort hindeutet, daß sich Seele und Geist, daß sich das ganze (iemüt auf eins rege, um das geht es heute, wenn es um etwas geht. Jenes »Gib mir wo ich stehe, und ich werde dir die Welt aus den Angeln heben« tönt aus ihren Sendschreiben, aus ihren Unterredungen und auch aus ihren einsamen Meditationen mit einem finster festen Klang, der, wenn ich meinem Ohre trauen darf, mehr von innerem Metall zeugt als die titanischen Ausbrüche und melodischen Ro-mantismen jener früheren Epochen. Wohl ist die Form, in der sich dieses neue Suchen und Ringen vollzieht, scheinbar die gleiche geblieben: der leidenschaftlich-einsame Dienst an der eigenen Seele als einziger Daseinsinhalt, einzige Pflicht, die alles aufzehrt — jener Geisteszustand des einsamen weltlosen Deutschen, seit ihn die Revolution zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts von der Sitte, dem Herkommen, dem Väterglauben jäh losgerissen und ihm nur die s^dirjmk^loseOrgie des weltlosen Ich anheimgegeben hatte. Auch unseren Suchenden ist die Tiefe des Ich, die dunkle, eigene Seelenwallung das einzig Gegebene, und einzige Aufgabe dieses titanische Beginnen: jenes Ganze da außen mit den blolien zwei Händen auszureißen aus seinem Stand, den es einnimmt in der Welt schein- 409 EUROPA Kein Zweifel, daß neben vielen hohen Zusam mnittk; fassungen auch der Begriff »Europa« fragwürdig n»i worden ist — und kein Zweifel, daß von seiner \\ n derjher Stellung unser aller geistiges Weiterleben hIh j hängt. Kein Zweifel ferner, daß er nicht gefunden u ■ > den kann durch den abstrahierenden Prozeß, oUmH indem man vom Nationalen etwas wegläßt, oder /i| ihm etwas dazusetzt, - noch durch die sentimeni Evokation. Daß er ein großer Begriff ist, zu dem Um Seele sich erheben muß kraft ihrer besten Hill* mittel: Erlebnis, ErfaIrrung, Vergeistigung. Da U «M in den höchsten Äußerungen jeder Nation enthalten - und je deutlicher gewonnen wird, je reiner, im getrübter innerhalb der Nation das eigene Höclisi« zum Ausdruck kommt5 ja daß die größten Genien iohne ihn undenkbar sind. Sie sind universal5 grollw 'Menschen haben die eigene Nation zum Schick-' Europa zum Erlebnis. Ein großes Phänomen wird europäisch5 so Juli 11» Cäsar wie Napoleon, so Petrarca wie Kant; so (Iii deutsche Musik von Bach bis Beethoven wie die fran zösische Malerei von Ingres bis Cezanne. Wo oifl großer Gedanke gedacht wird, ist Europa. Wo Ol innerhalb der Sphäre des Nationalen gedacht wird, wartet er nur darauf, ins Universale zu münden. Jede Philosophie ist heute wie zu Anaximanders Zi'i ten europäisch. Jede fortwirkende hohe politische europa 1 ist. europäisch. Jede fruchtbare Erkenntnis der fv\ ».uigenheit ist europäisch. Jede tiefere Betrach-WHf, Nicht-Europas ist europäisch. (Und wessen be-l.ii wir mehr, als eines tiefen, völlig neuen, völlig fi'iniii Blickes auf Nicht-Europa!) Ilnsere Epoche ist eine Epoche der Wiederher-ti. Hu 11g — obwohl der Ausdruck der Schwäche nie so iilini- Scham, und der Wille zur Desintegration nie m ungezügelt war. Hinter dem Treiben der Unter-|nn;>;sproph.eten und Bacchanten des Chaos, der Blum vinisten und Kosmopoliten, der Anbeter des Klmiientes und der Anbeter des Scheines, im großen ''.;n Hintergrund der europäischen Dinge sehe e wenigen über die Nationen verstreuten Indien, welche zählen, sich auf einen großen Beeinigen: den Begriff der schöpferischen Relation. I Ii .Ii «in Uni 242 245