Lujza Rippová, 519889 Steidl, K. (2019). Experiment, Sammelobjekt, Frauenkunst. In Am Rande der Fotografie: Eine Medialitätsgeschichte des Fotogramms im 19. Jahrhundert (1st ed., pp. 259–260). De Gruyter. http://www.jstor.org/stable/j.ctvbkjt7w.9 Im Anschluss an Talbots und Daguerres öffentliche Bekanntgabe von Fotografie widmeten sich nicht nur ambitionierte Wissenschaftler, sondern auch physikalisch und chemisch interessierte Amateure den neuen fotografischen Verfahren. Ihre Auseinandersetzung mit kameraloser Fotografie ist vorwiegend den bildlichen Qualitäten des Mediums gewidmet. Im privaten Bereich entstanden, wurden Fotogramme von Spitzenmustern, Pflanzen oder Federn oftmals hinsichtlich ihrer Bildqualitäten diskutiert, bei Besuchen präsentiert oder als Beilage in Briefen verschenkt, um schließlich in Alben gesammelt zu werden. Die Herstellung photogenischer Zeichnungen diente zudem oftmals als Einstieg in die Fotografie, denn nach dem erfolgreichen Erlernen wurde häufig zur Kamerafotografie übergegangen. Unter diesen Amateuren waren es vor allem Frauen, die sich mit der Herstellung kameraloser Fotografien von Spitzenmustern und Pflanzenproben beschäftigten, da jene Materialien an weiblich kodierte Beschäftigungsfelder wie Botanik, Handarbeit und „Bastelarbeiten“ anschlossen. Der Kontext, in dem die Vermittlung und das Erlernen der Prozesse kameraloser Fotografie stattfand, ist im Zusammenhang des Bildungsideals der Aufklärung als sogenannter „wissenschaftlicher Zeitvertreib“ anzusehen. Dabei galt es, wissenschaftliche Erkenntnisse auf unterhaltsame und vor allem anschauliche Weise zu vermitteln. Darüber hinaus lässt sich im Nachvollzug der fotografischen Praxis ein konkretes, mitunter wissenschaftlich geprägtes Netzwerk und ein auf persönlichen Beziehungen beruhender Austausch photogenischer Zeichentechnik ablesen. Fotogramme jener Zeit sollen daher in einen breiteren Diskurs viktorianischer Wissens-, Handwerks- sowie Sammel- und Geschenkkultur gestellt werden. Wenngleich in der Anfangszeit zahlreiche Amateure/innen vorwiegend auf Talbots Motivrepertoire zurückgriffen, so kann in der Folgezeit nicht nur eine naturwissenschaftliche, sondern auch eine dekorative Verwendungsweise nachgewiesen werden. Mit dieser Hinwendung zum Ornamentalen und zum Kunsthandwerk wird ein Feld eröffnet, das formal und ideengeschichtlich als Teil des „Arts & Crafts Movement“ beziehungsweise des „Aesthetic Movement“ gesehen werden kann. Ursprünglich auf die Funktion der Reproduktion und der wissenschaftlichen Illustration im Feld der Botanik ausgelegt, wandelte sich der Einsatz des Fotogramms in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich zu einer „künstlerischen“ Auseinandersetzung. Fragen: 1. Womit hängt der Übergang von einer Reproduktionstechnik im Bereich Naturwissenschaften zum künstlerischen Medium? 2. Warum waren unter den für das Fotogram interessierten Amateuren vor allem Frauen? 3. Mit welchen Aspekten der viktorianischen Gesellschaft hängt der Ausbreitung von Fotogramm zusammen? 4. Was war der häufige nächste Schritt nach Beherrschung der Fotogrammtechnik? 5. Welche Tätigkeitsbereiche, die im 19.Jahrhundert den Frauen zugeschrieben wurden, wurden zum Objekt des Fotogramms? 6. Welches soziale Phänomen der viktorianischen Ära förderte die Entwicklung des Interesses von Amateuren am Fotogramm?