HORST FUHRMANN «Sind eben alles Menschen gewesen» Gelehrtenleben im 19. und 20. Jahrhundert Dargestellt am Beispiel der Monumenta Germaniae Historica und ihrer Mitarbeiter Unter Mitarbeit von Markus Weseke VERLAG C.H.BECK MÜNCHEN 152 Briefe und Dokumente 3. Eine Bibliotheksreise Wilhelm Arndts nach Belgien 153 zd. Ptrtz bietet Joffe eine Mitarbeiterstelle an (1S54). Pertz bietet Joffe eine Mitarbeiterstelle bei den Momtmenta an, woraufJoffe seinen Plan, als Arzt nach Posen zu gehen, aufgibt; zugleich macht er Angaben über den Geldwert einer ihm vom Vater zugeschickten Dose und dediziert einigen Familienmitgliedern verschiedene Gegenstände. 1854 Berlin den 3isten Mai 1854. Theuerste Eltern! In der zwölften Stunde hat mein launenhaftes Geschick sich doch wieder eines Andern besonnen. Als ich vor einigen Tagen unter den mir wissenschaftlich nahe stehenden Bekannten meine Absicht laut werden Heß, nach Posen zu gehen,93 da fingen meine Freunde (und ich nahm mit Freuden wahr, daß ich deren noch besitze) sich zu rühren an. Die Folge war, daß mir heute Pertz die Eröffnung machte, er wünsche mich als Mitarbeiter der Monumenta Germaniae historica und zwar mit einem Gehalt von ßinßumdert Thalern jährlich anzustellen. Sollte ich ablehnen? Ich habe vielmehr mit Vergnügen angenommen und bleibe in Berlin.94 Erwähnen muß ich, daß Geh. Rath Pertz erst vergangenen Sonntag von einer mehrwöchentlichen Reise nach England hierher zurückgekehrt ist.95 Nach allem, was zwischen Ihnen und mir verhandelt worden, glauben ich annehmen zu können, daß Sie, theuerste Eitern, mit diesem meinem letzten Entschluße zufriedener sind, als mit dem frühern. Meine Thätigkeit für die Monumenta beginnt mit dem 1 sten Juni, Ueberaus leid ist es mir, daß sie liebe Eltern durch das Hinaussetzen Ihres Miethers, das ich veranlaßt habe, zu Schaden kommen.'6 Hoffentlich wird sich recht bald ein neuer finden. Ich bitte, mir darüber gefälligst zu schreiben. In Betreff der mir von Ihnen, lieber Vater, zugeschickten Dose kann ich berichten, daß Friedemann Söhne unter den Linden sich bereit erklärt haben, dafür 56 Thaler zu zahlen, daß Pringal (Taxator) Ecke Kronen- und Markgrafenstraße sie mit 62 bis 63 Thaler bezahlen will; daß Haller und Rathenow unter den Linden gegen «sein Prinzip» ohne gestellte Forderung nichts angeben wollte, was er dafür zahlen wolle; trozdem ließ er's sich entschlüpfen, daß er die Dose 70 bis So Thaler werth halte. Ich darfs Ihnen wohl nicht sagen, daß Sie bei Ankauf der Dose am besten thun sich das erste Gebot von 56 Thaler zum Maßstab dienen zu lassen. Ich habe die Dose hier noch zurückbehalten, in der Erwartung daß Sie darüber weiter verfügen werden. In der Voraussetzung, daß Sic liebe Mutter zu den Feiertagen Ihres Tuchs bedürfen werden, lasse ich es Ihnen beigehend nebst den Bändern zukommen. Die Bänder konnten nicht anders als strohgelb gefärbt werden, wie mir Wolffer-stein sagte. Zugleich erlaube ich mir die Bitte, den beifolgenden zwei Stichen, die den Kaulbachschen Gemälden im Neuen Museum97 entnommen sind, an Ihrer Zimmerwand den nöthigen Raum vergönnen. Komme ich selbst nicht, so gestatten Sie wenigstens der Muse, der ich diene, der Geschichte, Ihnen ein Erinnerungszeichen meiner zu sein. Ihr auf allen Wegen folgt die Sage; wir müssen sie stets im Auge haben, und wär's auch nur um sie stets zu bekämpfen. Nehmen Sie die Blätter so freundlich auf, wie sie mir in meinen Besorgnissen mit Zuspruch und Rath zu Hilfe gekommen sind. Der Entwicklung meiner medicinischen Praxis kann ich nun mit Ruhe entgegensehen.98 Ihnen die vergnügtesten Feiertage wünschend und Sie bittend mich recht bald mit einem Briefe zu erfreuen, bleibe ich Ihr Sie liebender Sohn Philipp Jaffe. Die lieben Schwestern99 grüße ich aufs Freundlichste; ebenso sämtliche Verwandten. Dich, liebe Clara, ersuche ich, in Deinen Mußestunden aus der beifolgenden Gedichtsammlung dir die schönsten Poesieen auszusuchen. An Emma und Fanny denke ich zwar auch, werde sie aber erst ein anderes Mal bedenken. 3- Eine Bibliotheksreise Wilhelm Arndts nach Belgien (1867) Wilhelm Arndt berichtet Georg Heinrich Pertz aus Brüssel über den ersten Teil seiner Bibliotheksreise nach Belgien, auf der er neues Material für die belgischen Chroniken, besonders für die des Giselbert von Möns (t 1224), beschaffen, die Bibliotheque Royale in Brüsselßir die Viten der Merowingerzeit ausnutzen und die Sammlung der Kaiserurkunden vervollständigen soll."" Auf der Fahrt von Berlin hat er zunächst den todkranken Ludwig Bethmann in Wolfenbüttel aufgesucht, sodann in Hannover den Druck des 20. Scriptores-Bandes mit den Verlegern Hahn besprochen, am Abend desselben Tages die Familie Waitz in Göttingen aufgesucht und hat nach seiner Ankunft in Brüssel unverzüglich den für seine Kontakte wichtigen Gelehrten der Stadt seine Aufwartung gemacht. Im Archiv hat er bereits am ersten Arbeitstag drei Kaisentrkunden entdeckt, in der Bibliothek die Kataloge studiert. Schließlich bittet er um die Zusendung von Arbeitsmaterialien aus dem Apparat der Monumenta in Berlin. 1S67 Archiv der MGH, Rep. 33S Nr. 22g Brüssel 11. 2. 67 rue de la Paule 6 et 8. au premier. [Pertz' Vermerk:] beamw. 28/2 67 Hochzuverehrender Geheimerath! Am Sonnabend den 9. c. Nachmittags 5 Uhr bin ich glücklich hier angelangt und vorläufig im Hotel de Saxe,or abgestiegen, welches ich morgen verlasse um eine Privatwohnung zu beziehen. Auch habe ich bereits angefangen sowohl im Archiv wie in der kgl. Bibliothek102 zu arbeiten, wie ich weiter unten berichten werde. Erlauben Sie mir zunächst über meine Reise Bericht zu erstatten. Am Dienstag Morgen [5. 2. 1S67} verließ ich 7 1/2 Uhr Berlin und traf um 12 Uhr sofort in Wolfenbüttel ein. Dort war mein erster Gang zu Bethmann,m den ich noch zu Hause traf. Leider habe auch ich kein Resultat erzielen können; auf meine Frage was ich Ihnen berichten solle, antwortete er, dasselbe was er bereits