344 Nestroy: Tannhäuser Trararara, wau, wau, wau, trara, Falari, falari, hussa, Halli, hailoh, halli, hailoh, Bei uns geht's immer so! Zweiter Akt Sängerballe auf der Wartburg. Großer Saal. Die Ausschmückung desselben bilden Embleme vor Gitarren, Harfen, Zithern, Klarinetten, Drehorgeln, Dudelsäcken Tschinellen etc. Rechts vom Publikum vorn eine Erhöhung, auf wel- cher ein aufrecht stehendes Piano den Thron bildet, eine große Zug- harmonika bildet die Tribüne für die GÄSTE. Die DAMEN setzen sich auf kleine Trommeln, die PREISRICHTER und SÄNGER auf Pauken Erste Szene ELISABETH. Nr. 12. Arie. ELISABETH (tritt pathetisch auf und singt). Ich grüße Euch, ihr stolzen Sängerhallen, Dich, Harfenisten-Kampfplatz, grüße ich, Hier, wo nur Saitenspiel und Lieder schallen, Wird's mir im Herzen gleich so liederlich. Ach lange mied ich diese Sängerschwelle, Denn er, der Teure, war nicht mehr zur Stelle. Konzerte, Kränzchen, Soir- und Matineen, In alles dieses tat ich nicht mehr gehen. Mein Busen klopfte nicht mehr musikalisch Denn meine Trauer war zu kannibalisch, Die Lust war mir entschwunden ganz und gar, Seitdem Tannhäuser durchgebrannt mir war. Jetzt ist er wieder da, er ist gefunden, O güt'ger Himmel, ich bin dir sehr verbunden. 345 2. Akt, 1./2. Szene Arie. Bis zum letzten Hauch der Seele, Lieb ich dich so fürchterlich, Will mit dir als Philomele Schlagen, du mein Filomelerich. Du bist der Sänger Kaiser, Mein einziger Tannhäuser. Häu, häu, häu, häu, häu, häu, Häuser! - Zweite Szene VORIGE. WOLFRAM. TANNHÄUSER. WOLFRAM. Sie ist allein, du darfst dich nicht genieren, Doch bitt ich, tu das Mädl nicht sekkieren. Ich stehe Schildwach trotz dem Zeitversäumnis, Ich lieb sie auch, doch das bleibt mein Geheimnis. TANNHÄUSER. Wie edel bist du, Freund, das tut mich rühren, Ich werde suchen, mich bei dir zu revanchieren, Ich kann ja doch ihr ganzes Herz nicht fassen, Ich werde dir noch etwas übrig lassen. (Tritt zu Elisabeth.) WOLFRAM. Ich werde bitten! (Ab.) tannhäuser. O Prinzessin! ELISABETH (erblickt ihn). Ha! Tannhäuser. Jetzt nur solid! Elisabeth. O Götter, er ist da! Tannhäuser. Prinzessin wollen gnädigst Nachsicht üben, Ich war so frei, mich in Sie zu verlieben. Zu Ihnen fühlt mein Herz geheimes Neigen, Ich komme, Ihnen dieses zu verschweigen. Elisabeth. Mein Herr, ich finde es wirklich sehr aparte, Philomele: poetisch für <>. 346 Nestroy: Tannhäuser 2. Akt, 3./4. Szene 347 Ganz ohne Meldung und Visitenkarte, Statt Antwort schlag ich bloß die Augen nieder, Ich bitte, gehen Sie und beehren Sie mich wieder. TANNHÄUSER (entzückt). Ich werd so frei sein, wenn Sie gütigst es erlauben, Und stille Hoffnung nähren, Sie zu bringen unter d' Hauben. Kein Mensch auf Erden ist so froh heut, Leb wohl, du Engel, königliche Hoheit! Dritte Szene ELISABETH. PURZL. PURZL (tritt von links vorn ein, küßt sie auf die Stirne). Mein teures Nichtchen! Elisabeth. Mein verehrter Onkel! purzl. Du hast geweint? Die Augen sind so donkel? Elisabeth. O nein, doch knie mir nicht auf mein Gewissen, Sieh mir in's Angesicht, da wirst du's lesen müssen, Ein heißes Sehnen muß aus meinen Zügen winken. purzl. Du willst Kaffee, er macht dir Hitz, sollst keinen trinken. Du armes Kind, in Liebe ganz verlornes, Dir ach, rekommandier ich nur Gefror'nes, Doch mit des Kompliments devot'sten Katzenbuckel Harrt schon der ganze Hofstaat draußen in der Küchel, Die Ritter lud ich all samt Gattin und Familie, Glaub mir, Elisabeth, so ein Fest ist gar nit billi. Schon naht der Herold wappenreich beschildet, Benimm dich nur recht sittsam und gebildet. Heran, ihr Saiten- und ihr Lanzenschwinger, Gib acht mein Kind, jetzt wink ich mit dem Finger. (Er besteigt den Thron und winkt.) ZWEI HEROLDE (treten auf mit Stäben, deren Spitzen ein Kartentreff bilden, im altdeutschen Kostüm, auf Brust und Rücken ein gro- ßes Kartentreff[1]. Sie treten aus dem Hintergrund links auf, gehen zum Thron, verneigen sich und gehen, auf den Wink des Landgrafen, zur großen Trommel, unter Musik). (Vierte Szene) Großer Festzug. ELISABETH, LANDGRAF, ZWEI HEROLDE, dann ACHT TRABANTEN, dann CARREAU-KÖNIG und PIK-DAME, dann HERZ-KÖNIG und treff-dame, dann BERTRAM und ALICE, dann TELL und sein KNABE, dann NORMA mit ZWEI KINDERN und OROVIST, dann FIGARO, dann OTHELLO und DESDEMONA, dann MASANIELLO und FENELLA, dann die kleine MUSIKBANDE des Landgrafen, dann die VIER PREISRICHTER, dann WOLFRAM, WALTER, FRIDOLIN und TANNHÄUSER, hinter ihnen VIER PAGEN. Nr. 13. Marsch. DIE BEIDEN HEROLDE (treten auf, verneigen sich vor dem Thron und stellen sich vor die große Trommel auf, auf den Tamtamschlag hauen sie mit ihren Stäben das Trommelfell ein). ACHT TRABANTEN (kommen durch die Trommel und stellen sich rechts an den Kulissen auf). HEROLDE (melden hierauf pantomimisch Carreau-König und Pik-Dame, welche eintreten). LANDGRAF und ELISABETH (steigen vom Thron, empfangen beide. Landgraf umarmt Pik-Dame, Elisabeth umarmt den Carreau-König, dann treten beide auf die ihnen bestimmten Plätze). HEROLDE (melden wie vorher Herz-König und Treff-Dame. Wie der Bertram und Alice: aus der Oper Robert der Teufel (1831) von Giacomo Meyerbeer. Tell: aus der Oper Wilhelm Tell (1829) von Gioacchino Rossini. Norma . . . Orovist: aus der Oper Norma (1831) von Vincenzo Bellini. Figaro: Die Hochzeit des Figaro, Oper von Mozart (1786). Othello und Desdemona: Othello oder Der Mohr von Venedig, Oper von Rossini (1816). Masaniello und Fenella: aus Die Stumme von Portici (1828), Oper von Daniel François Esprit Auber. 348 Nestroy: Tannhäuser Landgraf Treff-Dame umarmen will, sieht er, daß dieselbe alt und häßlich ist; er winkt Elisabeth, sie zu umarmen; Elisabeth umarmt sie, der Landgraf umarmt den Herz-König). EIN HEROLD (meldet Bertram und Alice, welche unter der Musik mit <> eintreten, sich verbeugend folgen ihnen Tell und sein Knabe unter der Tell-Musik). EIN HEROLD (meldet Norma, welche unter der Norma-Musik mit ihren beiden Kindern und Orovist eintreten; wie der Landgraf sie erblickt, steht er auf und umarmt Norma, kann aber, indem er Norma mit dem Finger droht, einen vorwurfsvoll-sarkastischen Blick über die beiden Kinder nicht unterdrücken). EIN HEROLD (meldet Figaro, welcher unter der Musik zu <>.) MASANIELLO und FENELLA (treten auf. Der Landgraf steigt wieder vom Thron, versucht sich mit Fenella zu verständigen, diese deutet an, daß sie stumm ist, der Landgraf deutet auf komische Weise an <>). (Währenddessen ist die kleine Musikbande des Landgrafen durch die Trommel gekommen, phantastisch gekleidet mit Trommeln und Pfeifen. Die kleinen Musikanten stellen sich je vier und vier vor der Trommel auf und gehen dann auf die Harmonika. Es folgen die vier Preisrichter, in schwarzen Kutten, mit weißen Binden, um den Hals rote Krausen, auf dem Kopfe Faustbaretts. Sie stellen sich zu den vier Pauken vor der Harmonika. "Zuletzt Wolfram, Walter. Fridolin und Tannhäuser, hinter ihnen vier Pagen, jeder eine Harfe in der Hand.) Chor. Heil, Heil, Heil sei dem Landgrafen, Heil, Dem edlen Kunstbeschützer Heil! Heil! Heil! (Alle haben Platz genommen.) 2. Akt, 5J 6. Szene 349 Fünfte Szene VORIGE. Nr. 14. Rezitativ. PURZL (zu den vier Herren). G'horsamster Diener, meine hochgelehrten Herren, Es is heut Sängerkampf, es wird auch g'sungen werd'n, Preisrichter seid ihr bei dem Spiel der Lieder, Drum setzt euch hier auf diese Stockerln nieder. Sechste Szene Purzl (singt). Ihr Sänger, durch Apollo groß, Laßt jetzt die schönsten Lieder los, Machts mit der Stimm nur keinen Gix, Am Text, o mein! da liegt ja nix. Und wenn bei ein'm von euch, ihr Herrn, Die Tön schon etwas waklet werd'n, So helft euch Philomelerer, Und nehmt das Tempo schnellerer, Daß ich das Tremulier'n nicht hör, Sonst kriegts ös keinen Preis auf Ehr. Rezitativ. Nehmt eure Harfen jetzt und tut vor allen Dingen Aus vollem Hals die Liebe mir besingen. Den Preis mag ungeniert der Sänger fordern, Ich werde diese hier (auf Elisabeth) dazu beordern, Daß sie --- das wird die andern alle fuchsen --- Stockerln: Absätze, Stufen. Gix: gixen >mit der Stimme überschnappen< waklet: wacklig. Tremulier'n: das fehlerhafte Flackern der Stimme. fuchsen: ärgern. 350 Nestroy: Tannhäuser 2. Akt, 6. Szene 351 Den Singsangsieger heirat ohne Mucksen. Und weil die G'schicht langweilig werden kann, So fangen wir gleich bei dem letzten an. DIE RICHTER (stehen auf und singen). Wolfram von Dreschenbach! Beginne! (Setzen sich.) Nr. 15. Der Sängerkrieg. WOLFRAM (steht auf, sieht sich grüßend um, nimmt die Harfe und singt schmelzend). Eduard und Kunigunde, Ihr der Liebe Musterpaar, Lehret mich in dieser Stunde Liebe singen rein und wahr. Seufzen, sehnsuchtsvoll, mordionisch, Glücklich sein in Lieb platonisch, Wenn d' Geliebte ein' auch verschmäht, Oder mit ein' andern geht. (Alles murmelt beifällig) Bravo! RICHTER (stehen auf und verbeugen sich). Ausgezeichnet! (Setzensich.) Rezitativ. TANNHÄUSER (springt auf). O Wolfram! O Dreschenbach! Was leiert deine Kehle! Ich werd dir zeigen, Trobadour, Wie man die Lieb besingt aus voller Seele! Dort drob'n auf'n Berg Is d' Welt kugelrund, Eduard und Kunigunde: eine im 19. Jh. beliebte Moritat mit dem Titel <>; Nestroy verwendet sie auch in Der böse Geist Lumpazivagabundus; vgl. Jürgen Hein (Hrsg.), Erläuterungen und Dokumente: Johann Nestroy, <>, Stuttgart 1979 (Reclams Universal-Bibliothek, 8148 [2]), S. 10. Da logiert mein liab's Deandl Vom Himmelpfortgrund. A jed's Bußl von ihr Macht an Schnalzer als wia, Und umarmt s' mich frischweg, Bin ich voll blauer Fleck! Dulie! Dulie! (Alles klatscht in die Hände, bewegt sich mit, wie der Jodler schließt, bleibt alles starr, ein unwilliges Murren durchzieht die Versammlung.) RICHTER (stehen auf und verbeugen sich). Sehr gemein! (Setzen sich.) FRIDOLIN (steht auf). Rezitativ. Halt ein, Tannhäuser! Du willst uns kompromittieren, Das duld ich nicht, d'rum werd ich mich prostituieren. Arie (sehr sanft). Ja leidenvoll und freudenvoll macht uns der Liebe Band, Ja leicht oft sehr, oft zentnerschwer und noch gar viel und allerhand. Lieb hebt Blümlein fein, Schmalzblümelein, An jedem findet sie Geschmack. Doch manch Kräutlern fein tut ihr z'wider sein, Wie zum Beispiel 's Kräutlein Schnupftabak. (Allgemeines) Bravo! RICHTER (stehen auf und verbeugen sich). Ausgezeichnet! Rezitativ. TANNHÄUSER (stürzt vor). Hör auf mit deiner Dudelei Die Saiten abzuhaspeln, Deandl: Mädchen. Himmelpfortgrund: Vorstadt im Norden Wiens (heute IX. Bezirk). 352 Nestroy: Tannhäuser Verboten ist Tierquälerei, Was soll das Süßholzraspeln. (Gemurmel.) Ich hab der Liebe Hochgenuß ermessen, Ich kostete ihr ganzes Wunderwerk, Wollt ihr gleich mir das Glück mit Löffeln essen, Wohlan, so geht und kneipt im Venusberg! (Allgemeiner Aufruhr. Alles rennt wild durcheinander mit erhobenen Armen. ELISABETH sinkt mit lautem Schrei in Ohn- macht.) Nr. 16. Ensemble-Stück. Rezitativ. purzi.. Wie? Hör ich recht? Im Venusberg vergaß er Ehr und Pflicht? Merkwürdig, so etwas ahnt ich nicht. PURZL, WOLFRAM, WALTER, FRIDOLIN und CHOR. Ergreift das erste beste Und klopft ihm aus die Weste Im donnernden Gebraus, Werft den Verräter naus. ELISABETH (mit lautem Schrei). Haltet ein, wer wirft auf ihn den ersten Stein! (Alles zieht sich furchtsam zurück. Pause.) PURZL (spricht zu Tannhäuser). Mein Sohn! Du hast dich sehr schmafu benommen, Mir ist so was noch gar nicht vorgekommen, Statt hier heroben eine auszuwählen, Hast du charmiert mit unterird'schen Mamsell'n. Fehlt's etwa an Gelegenheit hier, die Cour zu schneiden, Hier Stengen s' dutzendweis, die allerschönsten Maiden. Sogar sie, meine leibliche Niece, Zusammeng'setzt aus Schönheit und Nobless. schmafu: schmählich, verächtlich. die Cour zu schneiden: Liebschaften anzufangen. Stengen s': stehen sie. 353 2. Akt, 6. Szene Du wußtest es, daß sie dich liebet, Und dennoch hast du sie so tief betrübet. Sangst einer Hexe deinen Liebeswahnsinn vor, Du hast gefrevelt schwer in Liebe und Tenor, Deshalb verbann ich dich aus diesem Liederzirkel, Wo du ertönen ließest Koloratur-Geschnirkel. (Man hört von innen den fortziehenden Männergesangverein.) Nr. 17. Finale. Hörst du den Männergesangverein, Den ich verbannt aus meinen Ländereien? Mit ihm wirst du fortziehen und nicht wiederkehren, So lang du einen Ton noch hast, der anzuhören. Bei Zukunfts-Musik geht wohl ohne Zweifel Der festeste Tenor gar bald zum Teufel. Die Heiserkeit kriegt immer mehr Frequenz, Erkläret endlich sich in Permanenz, Drum sprech ich teils in Milde, teils im Grimme: Auf Wiedersehen, aber ohne Stimme! Tannhäuser (singt). Mich treibt mein Geschick Zur Zukunftsmusik. alle. Fort zur Zukunftsmusik. TANNHÄUSER. So bin ich aus dem Sängerkreis hier ausgeschlossen, Jetzt sing ich justament euch allen noch zum Possen. (Singt.) Dort drob'n auf'n Berg Is d'Welt kugelrund, Da logiert mei liab's Deandl Vom Himmelpfortgrund. (Jodler.) Koloratur-Geschnirkel: Koloratur-Geschnörkel. 3. Akt, 1./2./3.Szene 355 Dritter Akt Gebirgsgegend wie im ersten Akte. Erste Szene ELISABETH tritt auf, stopft an einem ungeheuren grünen Strumpf. Nr. 18. Arie. Elisabeth. Durch Hecken, Wald und Sümpfe Eil ich mit nassem Blick, Und stopf ihm ach die Strümpfe, Die er mir ließ zurück. Was duld ich nicht für Qual und Pein, Es sind so viele Löcher drein, Ich find nicht Ruhe mehr, Die Sehnsucht und die Strümpfe, Die stopfen sich so schwer. (Weint, trocknet sich mit dem Strumpfe die Tränen.) WOLFRAM (ist im Hintergrunde herumgeschlichen). Elisabeth! ELISABETH (erschrocken). Wer ist's? --- Ach Sie sind es, mein Lieber? Was raschen Sie mich denn so plötzlich über? WOLFRAM (süß). Sie sind so abgeschwärmt, die Stimm ist Klageflüster, Es liegt auf Ihrer Stirn ein Haufen Wolken düster, O mäß'gen Sie des Herzens heißen Kampf, Sie kriegen sonst am Ende noch den Magenkrampf. Elisabeth. O Wolfram, soll ich mich nicht selbst entleiben, So muß ich meinen grausen Schmerz betäuben. wolfram. Kann ich's vielleicht? ELISABETH. Du kannst's! wolfram (freudig). Ich kann's? O sprich! ELISABETH (verzweifelnd). O Wolfram, komm, chloroformiere mich! Wolfram (sanft). Ich soll Sie chloroformieren In einen tiefen Schlaf, Ich darf nicht praktizieren, Das kost't fünf Gulden Straf. Elisabeth. Der G'sangverein kam wohl und munter Und pardoniert zurück nach Haus. Doch mein Tannhäuser war nicht drunter Ich schau umsonst mir d' Augen heraus. Drum geh ich jetzo die Grotte zu betrachten, Und werde mich daselbst zu Tode schmachten. Leb wohl, und wart nur einen Augenblick, Als Leiche kehr ich bald zu dir zurück. (Pathetisch ah.) Zweite Szene WOLFRAM allein. Sie liebt nur ihn, und stirbt, die dumme Gredel! O so ein Weib hat einen dicken Schädel. Jetzt aber sänge ich vom Herzen gern Die große Arie vom Abendstern! Nr. 19. Arie. Guter Mond, du gold'ner Zwiebel, Ach dich seh ich äußerst gern; Doch auch du bist gar nicht übel, Hochgeehrter Abendstern! Dritte Szene WOLFRAM, PURZL, heftig weinend. WOLFRAM. Der Landgraf weint, es rührt ihn mein Gesang, Ich laß es lieber gehen, sonst wird der Mann mir krank. 356 Nestroy: Tannhäuser 3.Akt, 4.Szene 357 PURZL. O Wolfram, denk dir, was mir ist passiert, Elisabeth hat sich zu Tode lamentiert; Man sah es wohl der Ärmsten an, daß 's bald mit ihr vorbei, Vier Schluchzer und fünf Ächzer, und sie seufzte sich entzwei. Erblichen ist die beste aller Seelen, Sie starb gefaßt, und läßt sich dir empfehlen. (Laut schluchzend ah.) wolfram. Das Morgenrot erhebt sich schon recht munter, Doch sieh, wer wimmelt dort den Berg herunter? Vierte Szene Nr. 20. Melodram. WOLFRAM. TANNHÄUSER tritt taumelnd auf, sein Anzug ist zerlumpt, um den Hals eine große Schnapsflasche, eine dicke Weinrebe als Reisestock. WOLFRAM (unter Musik). Der Wanderer macht gar eine finstere Jammermiene, Er scheint mir eine Slivowitzruine. Ist's möglich? Kruzi Türken, Krimineser! Er ist's! Es ist mein Freund Tannheser! TANNHÄUSER (ohne Musik). O nenn den Namen nicht um alles in der Welt, Man preist ihn würdig nur im Lerchenfeld. Doch diese rote Nase und das lange Ohr, Wolfram - du bist's - du schaust noch grad so dumm aus wie zuvor! WOLFRAM (beleidigt). Du scheinst vom Dusel etwas mir befangen. tannhäuser. Mir ist es miserabel schlecht ergangen. Dusel: Rausch. Ich will dir alles sagen, altes Haus, Doch trink erst einen, sonst hältst du's nicht aus. (Gibt ihm die Flasche. Wolfram nimmt dann und wann einen Schluck. Musik.) Melodram. TANNHÄUSER (spricht mit melodramatischer Musikbegleitung.) Des Landgrafen Urteilsspruch war kannibalisch, Die mir diktierte Strafe musikalisch -- Gemißbraucht hab ich den mir inwohnenden Tenor, Drum verbannt er mich, bis ich den letzten Ton verlor. So ausgewiesen sucht ich Engagement Bei einer Bühne, wo man Opern gibt allaan, Und zwar wo man die Zukunftsoper kultiviert, Weil man bei der am schnellsten seine Stimm ruiniert --- Man nahm mich freudig an, ob meines Atems Länge Und meiner Lunge Kraft für diese Art Gesänge. In Mozarts Zauberflöte wollt ich debütieren, Wer Stimme hat, muß als Tamino reüssieren. (Singt.) Dies Bildnis ist bezaubernd schön, Wie noch kein Auge je gesehen, Ich fühl es, ich fühl es! Doch weh! Statt diesen Melodien, die zum Herzen dringen, Mußt ich in einer Zukunftszauberflöte singen. (Singt im Geschmack der Zukunftsmusik.) Dies Bildnis ist bezaubernd schön Wie noch kein Auge je gesehen Ich fühl es! Ich fühl es! (Spricht mit Musikbegleitung.) Drauf hieß es, daß ich Max im Freischütz singen solle, Und gleich gab man mir Singpartie und Rolle; Doch war's von Weber nicht, o Richtung des Geschmacks, allaan: allein, ausschließlich. 358 Nestroy: Tannhäuser 3. Akt, 4. Szene 359 Was ich in Händen hielt, es war ein Zukunftsmax. Da hieß es nicht mehr: (Singt.) Durch die Wälder, durch die Auen - (Spricht.) Nein, o nein, da lautet es so: (Singt.) Durch die Wälder, durch die Auen. (Spricht.) Nicht besser ging's mit Winters Opferfest In dem man auch mich debütieren läßt. Die reizend süße Melodie Ich glaub, es kennt ein jeder sie. (Singt.) Wenn mir dein Auge strahlet Wird mir so wohl, so gut, Und meine Wangen malet Noch nie gefühlte Glut! (Spricht.) Doch nein, mir sträubt sich noch das Haar davon, Das lautete so in der Zukunftskomposition: (Singt.) Wenn mir dein Auge strahlet etc. etc. (Spricht.) So ging's und ging es fort, ich schrie im Übermaß, Ich sang drauf los, wüßt selber oft nicht was. Und trotzdem hab ich doch die Stimm nicht verloren, Doch ward mir endlich bang für meine Ohren; Posaunen, Bombardons, Trompeten und Tamtam, Das reißt das stärkste Trommelfell ja endlich zusamm'. Mag zürnen mir der Landgraf hinfür, wie er will, Ich halt es nicht mehr aus, was z'viel is, is zu viel. Wenn sich das weiter fortspinnt in die Länge, So kommt's am Ende noch auf die Volksgesänge. Wie soll'n die Leut denn das prestieren mit den Lungen, Wenn draust beim Heurigen nicht mehr wie früher wird gesungen: Winters Opferfest: Das unterbrochene Opferfest (1796), Oper von Peter von Winter. Bombardons: tiefe Blechblasinstrumente. prestieren: von lat. praestare >leisten<. (Singt.) I bitt, Herr Hauptmann, etc. Wenn es dann heißen wird: (Singt wie oben.) I bitt, Herr Hauptmann, etc. Wolfram. O fürchterlich, Herr je, Herr je, Vom Zuhören tut die Brust mir weh! tannhäuser. Fest entschlossen steig ich wieder In das Reich der Venus nieder, Froh ertönen dort Gesänge Und der Wonne heit're Klänge, Hier oben ward mir mein Tenor vergällt, So sing ich unten in der Feenwelt. WOLFRAM (entsetzt). Mich rührt der Schlag, Apoplexia genannt, O Heinrich, sei doch nicht so desperat. TANNHÄUSER. Laß mich, hier war's, mitten in diesen Kessel drin, Wo ich hinabgefahren damals bin, Und wo ich auffuhr, als ich ausgerissen; Hier ruf ich sie, sie wird mich hören müssen. O Venus, herrlichste von allen Engeln, Ich komme, um mich wieder bei dir anzuschlängeln. Ich weiß, mir lächelt dein Gesicht, Denn alte Liebe rostet niemals nicht. venus-nymphen-chor. Wir winden dir den Jungfernkranz Mit veilchenblauer Seide. tannhäuser. Hörst du, sie winden mir den Jungfernkranz, Es steigt herauf ein rosenfarb'ner Glanz. Die Erde wackelt unter meinen Füßen, Leb wohl, Wolfram, ich lasse alle grüßen. (Will in die Erde hinein.) WOLFRAM (packt ihn von hinten am Gewände). O Heinrich bleib! In meines Herzens Nöten Ich bitt, Herr Hauptmann: ein beliebtes Lied; vgl. E. K. Blümml / Gustav Gugitz, Altwienerisches, Wien 1920, S. 390 ff. Venus-Nymphen-Chor: Anspielung auf Chor in Carl Maria von Webers Der Freischütz (1821). 360 Nestroy: Tannhäuser Beschwör ich dich beim Schnurrbart des Propheten, Die Venus laß, sie werde dir gestohlen, Du bleibst, oder - der Teufel soll dich holen. chor der nymphen. Lavend'l, Myrth und Thymian, Das wächst in unserm Garten. TANNHÄUSER (ringt mit Wolfram.) Laß ab von mir - ich komme - bin schon da, Es lebe Venus! Vivat hoch! (Eine Flamme steigt mitten aus der Erde. Die Musik des unter- dischen Chors geht in den Trauermarsch über. Musik bis zum Schluß.) Wolfram (entzückt). Ha köstlich, apropos, er ist geprellt, Der Leichenzug kommt g'rade wie bestellt. (Der Leichenzug bewegt sich feierlich vom Berge herab.) tannhäuser. Ha, was ist das? Welch schauerliche Mahnung, Es faßt mich eine zentnerschwere Ahnung. KATAFALKER (im Leichenbittertone). Das heute früh erfolgte sanfte Scheiden Elisabeths nach langem schweren Leiden Beehr ich mich mit traurigem Verneigen Dir statt des Partezettels anzuzeigen. tannhäuser. Elisabeth! wolfram. Um dich ist sie gestorben, Die Liebe hat die G'sundheit ihr verdorben. Sie ist erlegen der Verzweiflung Sturm, Sie weinte sich zu Tod! --- TANNHÄUSER. Der arme Wurm! Elisabeth, du unschuldige Person, Dein Opfer packt mich bei der Ambition, Ich folg dir in die Gruft zu deinen Ahnen, Und dich, Frau Venus, laß ich unten lahnen. (Furchtbarer Donner. Flamme aus dem Boden. Es wird Tag Musik wird stark. Chor beginnt.) lahnen: im Stich. 361 3. Akt, 5. Szene Fünfte Szene Trauerzug. Die HEROLDE in Trauer. 2. HOFDAMEN in Leichentücher gehüllt. 3. Eine Schar SÄNGER. 4. Die Bahre, auf welcher ELISABETH im Negligee liegt mit Blumen verziert. 5. VIER RICHTER tragen die Bahre. 6. PURZL neben ihm. 7. ZWEI BANNERTRÄGER mit unge-heuren Trauerfloren, in welche sich Purzl von beiden Seiten hüllt. 8. HOFDAMEN. 9. HOFHERREN und die SÄNGER. 10. SOLDATEN. chor. Mensch bedenk, du bist aus Staub, Bist des grausen Todes Raub, Unsre unschuldsvolle Maid Liegt jetzt da im weißen Kleid. (Tannhäuser stürzt laut weinend vor der Bahre nieder.) purzl, chor. Was will der Fremdling so verwegen, Daß er es wagt, sich hinzulegen. Was seh ich - er ist es - er ist es - meiner Seele Ja er ist's! Er selbst! | purzl (schreit). Tannhäuser! (Zieht ein ungeheueres Schwert, will auf ihn los. Wolfram fällt ihm in die Arme.) WOLFRAM (abwechselnd mit Chor). O edler Landgraf, sei nicht so dumm, Bringe uns den Tenoristen nur nicht um, Mußt deinen Zorn du kühlen schon, So töte diesen zweiten Bariton. tannhäuser. O laßt ihn doch gewähren, Um mich braucht ihr euch nicht zu scheren, Wer so wie ich geduldet, Wer so wie ich verschuldet, Und trotzdem noch kann singen, Der ist so leicht nicht umzubringen. Ich folge dir, du weißgewasch'ne Maid, Wir geh'n ensemble in die Ewigkeit. (Setzt eine Nachtmütze auf und stirbt.) ensemble: (frz.) alle miteinander. 362 Nestroy: Tannhäuser chor. O barmherziger Gott Schon wieder einer tot. purzl. Hier liegen sie, die beiden zarten Pflanzen. wolfram. Sie liebten sich im einzelnen, wie im ganzen. purzl. Mi is leid, es waren beide So liebe, gescheite Leute. fridolin. Leb wohl, auf ewig lebe wohl! wolf und walter. Leb wohl! purzl. Leb wohl! (Greller Akkord. Donner und Blitz.) Sechste Szene VORIGE. NYMPHEN. VENUS, aus der Erde dicht hinter der Bahr emporsteigend. Die Bühne hüllt sich in Wolken. VENUS (unter Musik). Bon jour messieurs, ich bin der Liebe Göttin. Und trete gnädig an dies Trauerbett hin, Die Liebe dieses Fräuleins rührt mich tüchtig Und ich bin wirklich gar nicht eifersüchtig. Erwachen mögen sie, sich zu ergötzen Und ihre Liebe wieder fortzusetzen. Doch die Bedingung sprech ich als Gebot, Beim ersten Streit seid ihr gleich wieder tot. PURZL. Nicht zanken sollen sie - da ruf sie lieber nicht zurück ins Leben, Ein Ehstand ohne Streitigkeit, wo sollt es so was geben? venus. Lebt wohl denn und beherzigt diese Lehre, Ich mach mein Kompliment und hab die Ehre! purzl. Als Verlobte empfehlen sich, ich als Onkel verkünde die Geschichte, Heinrich Tannhäuser und Elisabeth, bürgerliche Landgrafensnichte. allgemeiner jubelchor. Was gab es auf Erden Für Glück ohne Liebe! ------------------------------- [1] Spielkarte mit Kreuz (6 a) als Farbe