Richard Wagner: Tannhäuser Zweite Szene Tannhäuser zuckt mit dem Haupte empor, als fahre er aus einem Traume auf. - Venus zieht ihn schmeichelnd zurück. - Tannhäuser führt die Hand über die Augen, als ob er ein Traumbild festzuhalten suche. Venus Geliebter, sag, wo weilt dein Sinn? Tannhäuser Zu viel! Zu viel! O, daß ich nun erwachte! Venus Sprich, was kümmert dich? Tannhäuser Im Traum war mir's als hörte ich - was meinem Ohr so lange fremd! als hörte ich der Glocken froh Geläute; - O, sag! Wie lange hört' ich's doch nicht mehr? Venus Wohin verlierst du dich? Was ficht dich an? Tannhäuser Die Zeit, die hier ich weil', ich kann sie nicht ermessen: - Tage, Monde - gibt's für mich nicht mehr, denn nicht mehr sehe ich die Sonne, nicht mehr des Himmels freundliche Gestirne; - den Halm seh' ich nicht mehr, der frisch ergrünend den neuen Sommer bringt; - die Nachtigall nicht hör' ich mehr, die mir den Lenz verkünde: - hör'ich sie nie, seh' ich sie niemals mehr? Venus Ha! Was vernehm ich? Welche tör'ge Klagen! Bist du so bald der holden Wunder müde, die meine Liebe dir bereitet? - Oder wie? Reut es dich so sehr, ein Gott zu sein? Hast du so bald vergessen, wie du einst gelitten, während jetzt du dich erfreust? - Mein Sänger, auf! Ergreife deine Harfe! Die Liebe feire, die so herrlich du besingst, daß du der Liebe Göttin selber dir gewannst! Die Liebe feire, da ihr höchster Preis dir ward! Tannhäuser (zu einem plötzlichen Entschlusse ermannt, nimmt die Harfe und stellt sich feierlich vor Venus hin) Dir töne Lob! Die Wunder sei'n gepriesen, die deine Macht mir Glücklichem erschuf! Die Wonnen süß, die deiner Huld entsprießen, erheb' mein Lied in lautem Jubelruf! Nach Freude, ach! nach herrlichem Genießen verlangt' mein Herz, es dürstete mein Sinn: da, was nur Göttern einstens du erwiesen, gab deine Gunst mir Sterblichem dahin. - Doch sterblich, ach! bin ich geblieben, und übergroß ist mir dein Lieben; wenn stets ein Gott genießen kann, bin ich dem Wechsel untertan; nicht Lust allein liegt mir am Herzen, aus Freuden sehn' ich mich nach Schmerzen: aus deinem Reiche muß ich fliehn, - o Königin, Göttin! Laß mich ziehn! Venus (noch auf ihrem Lager) Was muß ich hören! Welch ein Sang! Welch trübem Ton verfällt dein Lied! Wohin floh die Begeistrung dir, die Wonnesang dir nur gebot? Was ist's? Worin war meine Liebe lässig? Geliebter, wessen klagest du mich an? Tannhäuser (zur Harfe) Dank deiner Huld! Gepriesen sei dein Lieben! Beglückt für immer, wer bei dir geweilt! Beneidet ewig, wer mit warmen Trieben in deinen Armen Götterglut geteilt! Entzückend sind die Wunder deines Reiches, den Zauber aller Wonnen atm' ich hier; kein Land der weiten Erde bietet Gleiches, was sie besitzt, scheint leicht entbehrlich dir. Doch ich aus diesen ros'gen Düften verlange nach des Waldes Lüften, nach unsres Himmels klarem Blau, nach unsrem frischen Grün der Au, nach unsrer Vöglein liebem Sange, nach unsrer Glocken trautem Klange: - Aus deinem Reiche muß ich fliehn, - O Königin, Göttin! Laß mich ziehn! Venus (leidenschaftlich aufspringend) Treuloser! Weh! Was lässest du mich hören? Du wagest meine Liebe zu verhöhnen? Du preisest sie und willst sie dennoch fliehn? Zum Überdruß ist mir mein Reiz gediehn? Tannhäuser O schöne Göttin! Wolle mir nicht zürnen! Dein übergroßer Reiz ist's, den ich meide. Venus Weh dir! Verräter! Heuchler! Undankbarer! Ich lass' dich nicht! Du darfst von mir nicht ziehn! Tannhäuser Nie war mein Lieben größer, niemals wahrer, als jetzt, da ich für ewig dich muß fliehn! Venus hat mit heftiger Gebärde ihr Gesicht, von ihren Händen bedeckt, abgewandt. Nach einem Schweigen wendet sie es lächelnd und mit verführerischem Ausdrucke Tannhäuser wieder zu. Venus (mit leiser Stimme beginnend) Geliebter, komm! Sieh dort die Grotte, von ros'gen Düften mild durchwallt! Entzücken böt selbst einem Gotte der süß'sten Freuden Aufenthalt: besänftigt auf dem weichsten Pfühle flieh' deine Glieder jeder Schmerz, dein brennend Haupt umwehe Kühle, wonnige Glut durchschwell' dein Herz. Aus holder Ferne mahnen süße Klänge, daß dich mein Arm in trauter Näh' umschlänge: von meinen Lippen schlürfst du Göttertrank, aus meinen Augen strahlt dir Liebesdank: - ein Freudenfest soll unsrem Bund entstehen, der Liebe Feier laß uns froh begehen! Nicht sollst du ihr ein scheues Opfer weihn, - nein! - mit der Liebe Göttin schwelge im Verein. Sirenen (aus weiter Ferne, unsichtbar) Naht euch dem Strande, naht euch dem Lande! Venus (Tannhäuser sanft nach sich ziehend) Mein Ritter! Mein Geliebter! Willst du fliehn? Tannhäuser (auf das Äußerste hingerissen, greift mit trunkener Gebärde in die Harfe) Stets soll nur dir, nur dir mein Lied ertönen! Gesungen laut sei nur dein Preis von mir! Dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen, und jedes holde Wunder stammt von dir. Die Glut, die du mir in das Herz gegossen, als Flamme lodre hell sie dir allein! Ja, gegen alle Welt will unverdrossen fortan ich nun dein kühner Streiter sein. - Doch hin muß ich zur Welt der Erden, bei dir kann ich nur Sklave werden; nach Freiheit doch verlange ich, nach Freiheit, Freiheit dürstet's mich; zu Kampf und Streite will ich stehen, sei's auch auf Tod und Untergehen: - drum muß aus deinem Reich ich fliehn, - O Königin, Göttin! Laß mich ziehn! Venus (im heftigstem Zorne) Zieh hin, Wahnsinniger, zieh hin! Verräter, sieh, nicht halt' ich dich! Ich geb' dich frei, - zieh hin! zieh hin! Was du verlangst, das sei dein Los! Hin zu den kalten Menschen flieh, vor deren blödem, trübem Wahn der Freude Götter wir entflohn tief in der Erde wärmenden Schoß. Zieh hin, Betörter! Suche dein Heil, suche dein Heil - und find es nie! Bald weicht der Stolz aus deiner Seel', demütig seh' ich dich mir nahn, - zerknirscht, zertreten suchst du mich auf, flehst um die Zauber meiner Macht. Tannhäuser Ach, schöne Göttin, lebe wohl! Nie kehre ich zu dir zurück. Venus (verzweiflungsvoll) Ha, kehrtest du mir nie zurück! . . . Kehrst du nicht wieder, ha! so sei verfluchet von mir das ganze menschliche Geschlecht! Nach meinen Wundern dann vergebens suchet! Die Welt sei öde, und ihr Held ein Knecht! - Kehr wieder! Kehre mir zurück! Tannhäuser Nie mehr erfreu' mich Liebesglück! Venus Kehr wieder, wenn dein Herz dich zieht! Tannhäuser Für ewig dein Geliebter flieht! Venus Wenn alle Welt dich von sich stößt? - Tannhäuser Vom Bann werd' ich durch Buß' erlöst. Venus Nie wird Vergebung dir zuteil, - Kehr wieder, schließt sich dir das Heil! Tannhäuser Mein Heil! mein Heil ruht in Maria! Furchtbarer Schlag. Venus ist verschwunden. Johann Nestroy: Tannhäuser. Zukunftsposse mit vergangener Musik und gegenwärtigen Gruppierungen Erste Szene TANNHÄUSER, VENUS, NYMPHEN und BACCHANTINNEN. Nr. 1. TANNHÄUSER (steht auf). Wo bin ich? Venus, ist's kein Traum, ich nehme in Ekstase Mich prüfend oftmals selber bei der Ritternase; Nein, nein, du bist kein Luftgebild, du lebst, bist mein, Und die hier um dich sind, tun echte Nymphen sein. Dein holdes Bild, es wird mich stets verfolgen. In Himmelswonnen habe ich geschwolgen. Wer kann die Wunder dieses Kellers malen, Wo in Champagner man und Liebe schwimmt. Hier braucht man keine Rechnung zu bezahlen, Kein Katzenjammer ist's, der hier verstimmt. Hier ist das Paradies zurückgeblieben, Auf ewig frei zu trinken und zu lieben. (Umarmt sie.) VENUS. Ja, du hast recht, nicht auf der Erde droben, Nein, nur bei mir hier weilt das wahre Glück. Seitdem die Wohnungsnot dort oben angehoben, Zog ich mich in den Venusberg zurück. Wo ich, da ich mich schrecklich ennuyierte, Die so gemütliche Lokalität hier etablierte. TANNHÄUSER. So fand ich dich und ward dein treuer Schäfer, O Venus, du bist ein famoser Käfer! VENUS. O bitte, keinen Dank für mich bereite, 's Vergnügen war nur ganz auf meiner Seite. Nr. 2. Duett. TANNHÄUSER. Zu herzen, zu schmatzen Gleich zärtlichen Spatzen, Zu kosen, zu schwatzen, Zu streicheln, zu kratzen. VENUS. Man möchte zerplatzen. TANNHÄUSER. Vor Liebe, Juchhe! VENUS. Ich bitt dich, jetzt geh! (Jodler. Kurze Tanzbewegung im Ländlerstil, dann Gruppe, welche durch einen furchtbaren Tamtamschlag unterin wird.) Zweite Szene TANNHÄUSER. VENUS. Dialog. TANNHÄUSER. Weh mir! Was hör ich da für Glocken brummen, Das ist der Erde heimatlicher Ton. Soll ich hier in der Unterwelt verdummen, Wie eines Maulwurfs ungerat'ner Sohn? Ich geh in mich und auf dieser Promenade Macht mein Benehmen die abscheulichste Parade. Tannhäuser- spricht's in mir! Was soll das heißen? Und die Gewissensbisse fangen an zu beißen. Madam, ich kann nicht länger hier mehr bleiben, Wenn's möglich ist, so werd ich Ihnen schreiben. Und wenn Sie auch noch zehnfach größern Reiz vereinten, Ich kann mich wegen Ihnen mit dem Himmel nicht verfeinden. Der Erde Ruf entreißt mich Ihren Blicken, Ich hab genug, jetzt werde ich mich drücken. VENUS. Tannhäuser? Wie, was hören meine Augen? Geh, sei doch g'scheit, was fällt dir denn nur ein? Komm, laß uns trinken, spielen, Küsse saugen, Du mich plantieren[1], kann's denn möglich sein? TANNHÄUSER. Heb dich hinweg, du grauser Höllenspuk, Der Himmel winket mir, ich muß zurück. Nr. 3. (Musik. Fernklingendes Gewirr von Schafglocken, brummenden, brüllenden, blökenden Tierstimmen, welches unter der Rede Tannhäusers melodramatisch forttönt.) Welche ferne Erdenlaute tönen nieder, Die lang entbehrten Stimmen hör ich wieder, Gemütlich brüllt der Rinder traute Herde, O was für Ochsen gibt es auf der Erde. VENUS. O Heinrich, Heinrich, laß dich nicht betören, Ich will dir ewig heiße Liebe schwören! (Von oben ertönt leise die Melodie der Pechpolka.) TANNHÄUSER. Wohl bist du schön wie keine Maid auf Erden, Wenn man dich sieht, möcht man des Teufels werden. Doch nein, potz alle tausend Donnerwetter, Aus ist es, aus, leb wohl du Reich der Götter! O tönet fort, ihr Heimat-Wonnelieder, Die ird'sche Kneipe winkt, sie hat mich wieder. (Stürzt ab. Venus stürzt mit einem lauten Schrei aufs Ruhebett. Das Orchester spielt mit Kraft im Marschtempo obige Polka.) Dritte Szene VENUS. NYMPHEN. VENUS (erhebt sich langsam). Es ist vorbei! Er ist für mich verloren, Das Schicksal hat sich gegen mich verschworen. Ich bin blamiert, verraten und betrogen, Warum ward ich geboren und verzogen? Erstickt sind meines Lebens tiefste Keime, Es ist vorbei, ich gehe aus dem Leime! Nr. 4. CHOR DER NYMPHEN (ihr Luft zufächelnd). Holde Venus laß dir sagen, Durch den Gram wird niemand fett, Häßlich machen dich die Klagen, Komm, steh auf von deinem Bett. Melodram. VENUS. Rache, Rache will ich üben, Nicht der allerkleinste Humpen Werde je mehr aufgeschrieben, Keinem werd ich je mehr pumpen. CHOR (sprechend). Nicht den allerkleinsten Humpen Wollen je wir einem pumpen. VENUS. Feen, wollt den Schwur belauschen, Den ich dem Tannhäuser schwöre. Will in Liebe er sich berauschen, Stets sein Glück er selbst zerstöre! Dieses ist der Fluch der Venus, O die Rache ist ein Genuß! CHOR (sprechend). Dieses ist der Fluch der Venus, O die Rache ist ein Genuß! (Venus und Nymphen ab unter Donner und Blitz. Das Orchester, welches bei den letzten Worten furchtbaren Akkorden akkompagnierte, geht in eine sanfte idyllische Schäfermusik über.) Richard Wagner, Zweiter Aufzug, Vierte Szene Tannhäuser (der gegen das Ende von Wolframs Gesange wie aus dem Traume auffuhr, erhebt sich schnell) Auch ich darf mich so glücklich nennen zu schaun, was, Wolfram, du geschaut! Wer sollte nicht den Bronnen kennen? Hör, seine Tugend preis' ich laut! - Doch ohne Sehnsucht heiß zu fühlen ich seinem Quell nicht nahen kann: Des Durstes Brennen muß ich kühlen, getrost leg' ich die Lippen an. In vollen Zügen trink' ich Wonnen, in die kein Zagen je sich mischt: denn unversiegbar ist der Bronnen, wie mein Verlangen nie erlischt. So, daß mein Sehnen ewig brenne, lab' an dem Quell ich ewig mich: und wisse, Wolfram, so erkenne der Liebe wahrstes Wesen ich! Elisabeth macht eine Bewegung, ihren Beifall zu bezeigen; da aber alle Zuhörer in ernstem Schweigen verharren, hält sie sich schüchtern zurück. Walther von der Vogelweide (erhebt sich) Den Bronnen, den uns Wolfram nannte, ihn schaut auch meines Geistes Licht; doch, der in Durst für ihn entbrannte, du, Heinrich, kennst ihn wahrlich nicht. Laß dir denn sagen, laß dich lehren: der Bronnen ist die Tugend wahr. Du sollst in Inbrunst ihn verehren und opfern seinem holden Klar. Legst du an seinen Quell die Lippen, zu kühlen frevle Leidenschaft, ja, wolltest du am Rand nur nippen, wich' ewig ihm die Wunderkraft! Willst du Erquickung aus dem Bronnen haben, mußt du dein Herz, nicht deinen Gaumen laben. Die Zuhörer (in lautem Beifall) Heil Walther! Preis sei deinem Liede! Tannhäuser (sich heftig erhebend) O Walther, der du also sangest, du hast die Liebe arg entstellt! Wenn du in solchem Schmachten bangest, versiegte wahrlich wohl die Welt. Zu Gottes Preis in hoch erhabne Fernen, blickt auf zum Himmel, blickt zu seinen Sternen! Anbetung solchen Wundern zollt, da ihr sie nicht begreifen sollt! Doch was sich der Berührung beuget, euch Herz und Sinnen nahe liegt, was sich, aus gleichem Stoff erzeuget, in weicher Formung an euch schmiegt, - dem ziemt Genuß in freud'gem Triebe, und im Genuß nur kenn' ich Liebe! Große Aufregung unter den Zuhörern. /.../ Tannhäuser (in höchster Verzückung) Dir, Göttin der Liebe, soll mein Lied ertönen! Gesungen laut sei jetzt dein Preis von mir! Dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen, und jedes holde Wunder stammt von dir. Wer dich mit Glut in seinen Arm geschlossen, was Liebe ist, kennt er, nun er allein: - Armsel'ge, die ihr Liebe nie genossen, zieht hin, zieht in den Berg der Venus ein! Nur Elisabeth, welche dem Verlaufe des Streites in furchtbar wachsender Angst zuhörte, bleibt von den Frauen allein zurück, bleich, mit dem größten Aufwand ihrer Kraft an einer der hölzernen Säulen des Baldachins sich aufrecht erhaltend. Nestroy, 2. Akt, 6. Szene 351 Rezitativ. TANNHÄUSER (springt auf). O Wolfram! O Dreschenbach! Was leiert deine Kehle! Ich werd dir zeigen, Trobadour, Wie man die Lieb besingt aus voller Seele! Dort drob'n auf'n Berg Is d' Welt kugelrund, Da logiert mein liab's Deandl Vom Himmelpfortgrund. A jed's Bußl von ihr Macht an Schnalzer als wia, Und umarmt s' mich frischweg, Bin ich voll blauer Fleck! Dulie! Dulie! /.../ TANNHÄUSER (stürzt vor). Hör auf mit deiner Dudelei Die Saiten abzuhaspeln, Verboten ist Tierquälerei, Was soll das Süßholzraspeln. (Gemurmel.) Ich hab der Liebe Hochgenuß ermessen, Ich kostete ihr ganzes Wunderwerk, Wollt ihr gleich mir das Glück mit Löffeln essen, Wohlan, so geht und kneipt im Venusberg! (Allgemeiner Aufruhr. Alles rennt wild durcheinander mit erhobenen Armen. ELISABETH sinkt mit lautem Schrei in Ohnmacht.) Wagner, Akt III, Szene 3 Und er, den so ich bat, hub an: - "Hast du so böse Lust geteilt, dich an der Hölle Glut entflammt, hast du im Venusberg geweilt: so bist nun ewig du verdammt! Wie dieser Stab in meiner Hand nie mehr sich schmückt mit frischem Grün, kann aus der Hölle heißem Brand Erlösung nimmer dir erblühn!" - Da sank ich in Vernichtung dumpf darnieder, die Sinne schwanden mir. - Als ich erwacht, auf ödem Platze lagerte die Nacht, - von fern her tönten frohe Gnadenlieder. - Da ekelte mich der holde Sang, - von der Verheißung lügnerischem Klang, der eiseskalt mir durch die Seele schnitt, trieb Grausen mich hinweg mit wildem Schritt. - Dahin zog's mich, wo ich der Wonn' und Lust so viel genoß an ihrer warmen Brust! - Zu dir, Frau Venus, kehr' ich wieder, in deiner Zauber holde Nacht; zu deinem Hof steig' ich darnieder, wo nun dein Reiz mir ewig lacht! /.../ Die Jüngeren Pilger (auf dem vorderen Bergvorsprung einherziehend) Heil! Heil! Der Gnade Wunder Heil! Erlösung ward der Welt zuteil! Es tat in nächtlich heil'ger Stund' der Herr sich durch ein Wunder kund: den dürren Stab in Priesters Hand hat er geschmückt mit frischem Grün: dem Sünder in der Hölle Brand soll so Erlösung neu erblühn! Ruft ihm es zu durch alle Land', der durch dies Wunder Gnade fand! Hoch über aller Welt ist Gott, und sein Erbarmen ist kein Spott! Halleluja! Halleluja! Halleluja! Alle (in höchster Ergriffenheit) Der Gnade Heil ist dem Büßer beschieden, er geht nun ein in der Seligen Frieden! Nestroy, 3. Akt, 4. und 5. Szene TANNHÄUSER (spricht mit melodramatischer Musikbegleitung.) Des Landgrafen Urteilsspruch war kannibalisch, Die mir diktierte Strafe musikalisch -- Gemißbraucht hab ich den mir inwohnenden Tenor, Drum verbannt er mich, bis ich den letzten Ton verlor. So ausgewiesen sucht ich Engagement Bei einer Bühne, wo man Opern gibt allaan, Und zwar wo man die Zukunftsoper kultiviert, Weil man bei der am schnellsten seine Stimm ruiniert -- Man nahm mich freudig an, ob meines Atems Länge Und meiner Lunge Kraft für diese Art Gesänge. In Mozarts Zauberflöte wollt ich debütieren, Wer Stimme hat, muß als Tamino reüssieren. (Singt.) Dies Bildnis ist bezaubernd schön, Wie noch kein Auge je gesehen, Ich fühl es, ich fühl es! Doch weh! Statt diesen Melodien, die zum Herzen dringen, Mußt ich in einer Zukunftszauberflöte singen. (Singt im Geschmack der Zukunftsmusik.) Dies Bildnis ist bezaubernd schön Wie noch kein Auge je gesehen Ich fühl es! Ich fühl es! (Spricht mit Musikbegleitung.) Drauf hieß es, daß ich Max im Freischütz singen solle, Und gleich gab man mir Singpartie und Rolle; Doch war's von Weber nicht, o Richtung des Geschmacks, Was ich in Händen hielt, es war ein Zukunftsmax. /.../ TANNHÄUSER (ringt mit Wolfram.) Laß ab von mir - ich komme - bin schon da, Es lebe Venus! Vivat hoch! (Eine Flamme steigt mitten aus der Erde. Die Musik des unter- dischen Chors geht in den Trauermarsch über. Musik bis zum Schluß.) Wolfram (entzückt). Ha köstlich, apropos, er ist geprellt, Der Leichenzug kommt g'rade wie bestellt. (Der Leichenzug bewegt sich feierlich vom Berge herab.) tannhäuser. Ha, was ist das? Welch schauerliche Mahnung, Es faßt mich eine zentnerschwere Ahnung. KATAFALKER (im Leichenbittertone). Das heute früh erfolgte sanfte Scheiden Elisabeths nach langem schweren Leiden Beehr ich mich mit traurigem Verneigen Dir statt des Partezettels anzuzeigen. tannhäuser. Elisabeth! wolfram. Um dich ist sie gestorben, Die Liebe hat die G'sundheit ihr verdorben. Sie ist erlegen der Verzweiflung Sturm, Sie weinte sich zu Tod! --- TANNHÄUSER. Der arme Wurm! Elisabeth, du unschuldige Person, Dein Opfer packt mich bei der Ambition, Ich folg dir in die Gruft zu deinen Ahnen, Und dich, Frau Venus, laß ich unten lahnen. (Furchtbarer Donner. Flamme aus dem Boden. Es wird Tag Musik wird stark. Chor beginnt.) /.../ purzl, chor. Was will der Fremdling so verwegen, Daß er es wagt, sich hinzulegen. Was seh ich - er ist es - er ist es - meiner Seele Ja er ist's! Er selbst! | purzl (schreit). Tannhäuser! (Zieht ein ungeheueres Schwert, will auf ihn los. Wolfram fällt ihm in die Arme.) WOLFRAM (abwechselnd mit Chor). O edler Landgraf, sei nicht so dumm, Bringe uns den Tenoristen nur nicht um, Mußt deinen Zorn du kühlen schon, So töte diesen zweiten Bariton. tannhäuser. O laßt ihn doch gewähren, Um mich braucht ihr euch nicht zu scheren, Wer so wie ich geduldet, Wer so wie ich verschuldet, Und trotzdem noch kann singen, Der ist so leicht nicht umzubringen. Ich folge dir, du weißgewasch'ne Maid, Wir geh'n ensemble in die Ewigkeit. (Setzt eine Nachtmütze auf und stirbt.) ------------------------------- [1] sitzen lassen